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Die drei Ritter treffen Marfisa und befreien mit ihr Malagis und Vivian (1–29). Die Quelle Merlins mit den prophetischen Bildwerken, welche die Macht des Geldes und die Besiegung dieser Macht durch Fürsten des 15. und 16. Jahrhunderts darstellen (30–53). Hippalca meldet den Verlust Frontins und führt Roger fort, um Rodomont zu suchen (54–67). Mandricard und Rodomont treffen an Merlins Quelle Marfisa und die Ritter; Kampf zwischen Mandricard und Marfisa (68–87). Roger kömmt hinzu; neuer Streit zwischen ihm und den beiden Heiden (88–127). Durch einen Zauber des Malagis wird dem Kampf ein Ende gemacht und werden die heidnischen Ritter auf den Weg nach Paris gebracht (128–137).
1 | Wohl gab es edle Frau'n in alter Zeit, Die nur an Tugend, nicht an Reichtum dachten; Heut sind die Frauen eine Seltenheit, Die mehr nach andrem als nach Schätzen trachten; Sie aber, die aus wahrer Trefflichkeit Den Weg der Mehrzahl und den Geiz verachten, Sind würdig der Glückseligkeit hienieden Und ew'gen Ruhms, wann sie dahingeschieden. |
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2 | Würdig des ew'gen Ruhms ist Bradamante, Die weder Herrschaft liebt noch Hab' und Gut, Die höh'res nicht als Rogers Tugend kannte, Sein adlich Herz und seinen kühnen Mut. Und sie verdient, daß er für sie entbrannte, Ein so berühmter Held, der Dinge thut, (Um ihr nur zu gefallen,) die nach hundert Und tausend Jahren noch die Welt bewundert. 35 |
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3 | Roger – ihr werdet's nicht vergessen haben – Kam mit den Vettern auf den öden Plan, Mit Aldiger und Haimons jüngstem Knaben, Zu retten Malagis und Vivian. Dort sahen sie den stolzen Ritter traben Und in dem Wappenfeld des Ritters sahn Sie jenen Vogel, der zu neuem Werden Sich selbst verjüngt und einzig ist auf Erden. |
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4 | Sobald der Ritter sah, wie jene dort Zum Stoß bereit ausruhten auf den Schwingen, Beschloß er zu erproben, und sofort, Ob ihrer Miene gleich sei das Vollbringen. »Ist einer unter euch, (nahm er das Wort) Der Lust hat um den Preis mit mir zu ringen Mit Degen oder Speer, wie es gefällt, Bis einer sitzen bleibt und einer fällt?« |
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5 | »Gern mäß' ich mich,« sprach Aldiger, »mit dir, Sei's mit dem Schwert, sei es im Lanzenstechen; Nur würd' ein andrer Strauß, dem du allhier Sogleich zuschauen kannst, uns unterbrechen. Wir haben keine Zeit, um ein Turnier Zu halten, kaum die Zeit mit dir zu sprechen. Sechshundert Mann erwarten wir noch heut, Die anzugreifen uns die Pflicht gebeut. 36 |
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6 | »Um ihnen zwei der unsren abzujagen, Hat Lieb' und Mitleid uns hieher geführt.« Und er fuhr fort die Gründe vorzutragen, Weshalb sie heut in Harnisch sich geschnürt. Der Krieger sprach darauf: »Ich kann nur sagen, Daß höchst gerecht ist, was ihr angeführt, Und wohl erkenn' ich, daß nicht leicht auf Erden Drei Ritter, wie ihr seid, sich finden werden. |
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7 | »Ich hab' ein Paar Schwerthiebe nur begehrt, Um besser eure Tapferkeit zu kennen. Wenn ihr auf Kosten andrer sie bewährt, Genügt es mir; dann werd' ich selbst nicht rennen. Erlaubt nun diesem Helm und diesem Schwert, Daß sie sich nicht von euren Waffen trennen. Ich hoffe, wenn ihr mich mitnehmen wollt, Daß ihr mich nicht unwürdig finden sollt.« |
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8 | Mir ist, als hört' ich euer ein'ge fragen, Wie er sich nannte, der im Feld' erschien, Um Rogern und den Vettern vorzuschlagen, In der Gefahr für sie das Schwert zu ziehn. Sie war (denn er darf ich nicht länger sagen) Marfisa, die so grausam den Zerbin Verdammte, daß er stets zur Seite bleibe Gabrinen, dem verruchten alten Weibe. 37 |
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9 | Der gute Roger und die andren Streiter Nahmen sie freudig auf in ihre Schar. Sie dachten nur, es sei ein tapfrer Reiter Und nicht ein Mädchen und Marfisa gar. Bald nahm denn Aldiger in nicht zu weiter Entfernung eine Kriegsstandarte wahr, Die hin und wider weht' im Morgenwinde, Und hinterdrein ein großes Heergesinde. |
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10 | Und als sie näher rückten, jene Scharen, Und kenntlich ward die Saracenentracht, Erkannten sie, daß jene Heiden waren. Sie hatten die Gefangnen, wohlbewacht, Auf kleine Pferde festgeschnürt wie Waaren, Zum Tausche für die Mainzer mitgebracht. Marfisa sprach: »Was bleibt hier zu besinnen? Nun alle hier sind, kann der Tanz beginnen.« |
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11 | Doch Roger sprach: »Die Gäste sind's nicht alle; Es fehlt uns noch die andere Partei. Wir rüsten uns zu einem großen Balle Und müssen sorgen, daß er prächtig sei. Lang' warten werden wir in keinem Falle.« Indeß er sprach, sah man von fern herbei Die falschen Mainzer kommen, Lanz' an Lanze, Und nun war alles bald bereit zum Tanze. 38 |
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12 | Von rechts her kam der Mainzer auf die Haide, Maulthiere führend, hochbepackt und schwer Mit Gold und reichen Stoffen und Geschmeide. Links kamen, zwischen Schwert und Stang' und Speer, Die zwei gefangnen Brüder, traurig beide, Und sahn erwartet sich vom andren Heer Und hörten, wie ihr Todfeind Bertolag Verhandlung mit dem Mohrenhauptmann pflag. |
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13 | Die beiden Vettern aber sahn ihn auch Und warteten, als sie ihn sahn, nicht lange. Von ihren Lanzen machten sie Gebrauch Und trafen den Verräter mit der Stange. Die eine fuhr durch Sattelbug und Bauch, Die andre mitten zwischen Wang' und Wange. So werde jeder Schurke weggerafft Wie Bertolag durch dieser Stöße Kraft! |
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14 | Marfisa auch und Roger sprengen vor Und warten nicht auf andere Fanfaren, Und ihre Lanzen brechen nicht, bevor Nicht nacheinander drei zu Boden fahren. Der Lanze Rogers würdig war der Mohr, Dem all die andern untergeben waren, Und mit ihm fuhren, durch denselben Streich, Zwei andre noch hinab ins Schattenreich. 39 |
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15 | Daraus entstand ein Irrtum nun, durch den Sie ins Verderben beiderseits gerieten: Die Mainzer, als der Angriff war geschehn, Glaubten, daß jene Heiden sie verrieten, Und andrerseits schalt auch der Saracen Den andren Haufen Mörder und Banditen, Und unter sich begannen sie sofort Mit Pfeilen, Schwertern, Lanzen grimmen Mord. |
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16 | Bald fährt in jene Schar und bald in diese Roger und tödtet zwanzig auf einmal. Hierhin und dorthin saust zugleich Marfise Und nieder stürzt vor ihr die gleiche Zahl. So viele Todte liegen auf dem Kiese Als Hiebe führen kann der scharfe Stahl, Und Helm' und Panzer brechen rings zusammen Wie dürres Holz im Walde vor den Flammen. |
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17 | Ihr habt vielleicht einmal zur Sommerzeit Gesehen oder im Gespräch erfahren, Wie Bienen, wann sich ihre Zunft entzweit, Krieg führen in der Luft in dichten Scharen; Dann kömmt die Schwalb' und mischt sich in den Streit Und frißt und würgt und treibt den Schwarm zu Paaren. Denkt euch wie Schwalben in der Bienenvolke Marfis' und Roger zwischen jenem Volke. 40 |
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18 | Die beiden Vettern machten auch nicht Halt, Doch tanzten sie nicht so nach beiden Seiten. Des Mohrenheers vergaßen sie gar bald Und suchten nur die Mainzer umzureiten. Der Bruder des gepriesenen Rinald Hatt' außer großem Mut auch Kraft zum Streiten, Und Zorn und Ingrimm auf die Mainzer Brut Verdoppelten ihm heute Kraft und Mut. |
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19 | Der Bastard Bovo's war aus gleichem Grunde So furchtbar heut wie ein ergrimmter Leu. Er mähte mit dem Degen in der Runde Die Helm' und Eisenpanzer ab wie Heu. Wer würd' auch nicht beherzt in solcher Stunde, Ein zweiter Hector ohne Furcht und Scheu, Wenn neben ihm Marfis' und Roger stritten, Die Kron' und Blüte ritterlicher Sitten? |
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20 | Marfisa blickte mitten unter Streichen Von Zeit zu Zeit nach den Gefährten hin Und sah bewundernd ihres Mutes Zeichen Und pries und lobte sie in ihrem Sinn. Doch staunenswert und völlig ohne gleichen Schien Rogers Tapferkeit der Kriegerin, Und manchmal glaubte sie, vom fünften Himmel, Sei Mars herabgeeilt ins Schlachtgewimmel. 41 |
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21 | Sie sieht erstaunt die fürchterliche Klinge, Sieht staunend, wie sie nie vergebens fährt. Vor Balisarden ist es als zerginge Das Eisen wie Papier: so mäht dies Schwert Durch Schiene, Helm und dicke Panzerringe Und spaltet Reiter bis herab aufs Pferd, Daß gleiche Hälften aufs Gefilde sinken, Ein Theil zur Rechten, einer auf der Linken. |
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22 | Ein einziger von diesen Meisterhieben Tödtet den Reiter und den Renner auch. Die Köpfe läßt er von den Schultern stieben Und trennt gar oft den obern Rumpf vom Bauch. Mit einem Schwung erlegt er sechs und sieben. Ihr glaubt nur nicht (es ist nicht euer Brauch) Wahrheiten, die den Schein der Lüge tragen, Sonst sagt' ich mehr: nun muß ich wen'ger sagen. |
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23 | Turpin, der nur berichtet, was er weiß, Und fragt nicht, ob die Leut' es anerkennen, Zollt Rogers Wunderthaten Lob und Preis, Und wer ihm zuhört, wird ihn Lügner nennen. Marfisa's Gegner schienen auch von Eis, Sie aber schien wie Fackelglut zu brennen Und Rogers Blick nicht minder anzuziehn, Als sie mit hohem Staunen schaut' auf ihn. 42 |
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24 | Und war er ihr vorhin als Mars erschienen, Hätt' er vielleicht Bellona sie genannt, Wenn er sie unter Helm und Panzerschienen Dem Schein zum Trotz als Mädchen hätt' erkannt. Vielleicht wär' auch ein Wettkampf zwischen ihnen Auf Kosten jener Schächer dann entbrannt, An deren Fleisch und Blut und Eingeweiden Zu messen, wer der stärkre sei von beiden. |
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25 | Die Kühnheit und die Tapferkeit der vier Genügt um beide Heere zu verjagen. Die besten Waffen sind am Ende hier Diejen'gen, die sie unterm Leibe tragen. Glücklich wer reiten kann auf schnellem Thier! Denn Trab und Paßgang wird hier nicht verschlagen, Und wer kein Pferd hat, lernt jetzt und ermißt, Wie Waffendienst zu Fuß erbärmlich ist. |
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26 | Den Siegern blieb das Feld und blieb die Beute; Kein Knecht noch Maulthiertreiber blieb am Platz. Dort flohn die Mohren, hier des Mainzers Leute, Preisgebend die Gefangnen und den Schatz. So fanden Malagis und Vivian heute Durch ihre Freunde fröhlichen Entsatz. Die Pagen aber lösten frischen Mutes Die Säck' und Ballen des erkämpften Gutes. 43 |
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27 | Nebst vielem Silber, das zum Tischgeschmeide Vielfach geformt war von geschickter Hand, Und manchem wundervollen Frauenkleide Mit reich gesticktem und verbrämtem Rand Und einer Wandtapet', aus Gold und Seide Für Könige gewirkt in Niederland, Und vielem andren Gut von hohem Preise Fand man auch Flaschen Weins und Brot und Speise. |
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28 | Als man die Helme löste, kam ans Licht, Daß es ein Mädchen war, die mitgehalten: Das zeigt' ihr schönes, zartes Angesicht Und goldne Locken, die vom Scheitel wallten. Man pries, man bat sie ihren Namen nicht, Den ruhmeswürdigen, vorzuenthalten, Und sie, die Freunden stets gefällig war, Macht' ohne Weigern ihnen alles klar. |
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29 | Man wurde nun nicht satt sie zu betrachten, Die man vorher im Kampf so groß gesehn. Sie sah nur Roger, schien nur ihn zu achten, Sprach nur mit ihm und ließ die andern stehn. Die Diener kamen mittlerweil und brachten Nachricht, man könne jetzt zur Tafel gehn, Die sie an einem Quell gerüstet hatten, Wo Berge vor dem Mittagsstrahl beschatten. 44 |
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30 | Die Quelle war von den vier Quellen eine, Die einst Merlin in Frankreich hat gemacht. Der feinste Marmor von milchweißem Scheine Umfaßte sie mit seiner blanken Pracht. Mit göttergleicher Kunst hatt' in dem Steine Merlin erhabne Bilder angebracht; Die atmeten, und nur die Stimme fehlte, Sonst dächtet ihr, daß Leben sie beseelte. |
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31 | Das in dieser und den folgenden Stanzen geschilderte Ungeheuer scheint die Macht des Geldes, des Mammon, bedeuten zu sollen. Freilich ist es eine starke poetische Licenz, wenn Ariost die Kaiser Maximilian I und Karl V, die Könige Franz I und Heinrich VIII und den Papst Leo X als Überwinder des Thiers und Hersteller des goldnen Zeitalters feiert. Einige Ausleger haben gemeint, die Allegorie beziehe sich auf die Ketzerei, was doch kaum haltbar erscheint. | Inmitten der Gestalten dieses Schmucks War auch ein Thier, wild, grausam und erschreckend; Das hatte Eselsohren, lang von Wuchs, Den Kopf des Wolfs, die Zähne hungrig bleckend, Des Löwen Pranken, aber wie ein Fuchs Das übrige. So lief es, weit sich streckend, Durch Frankreich, Spanien, Welsch- und Engelland, Europa, Asien, kurz durch jedes Land. |
32 | Verwundet hatt' es dort und umgebracht Geringes Volk und solche, die befehlen, Jedoch am meisten schien's darauf bedacht Könige, Fürsten, große Herrn zu quälen. In Rom hatt' es am ärgsten es gemacht, Die Päpste tödtend samt den Cardinälen; Sanct Peters hehren Stuhl hatt' es befleckt Und Ärgerniß in Christi Kirch' erweckt. 45 |
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33 | Es ist, als ob das grauenhafte Thier, Wohin es komme, Wäll' und Mauern sprenge. Die festen Schlösser bieten ihm Quartier, Und keine Stadt ist, die es nicht bezwänge. Nach göttlicher Verehrung zeigt's Begier, Und angebetet wird's von blöder Menge Und maßt sich an, daß es die Schlüssel führe Der Höllenpforten und der Himmelsthüre. |
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34 | Dann aber sah man dort, bekränzt das Haar Mit Cäsars Lorber, einen Ritter schreiten, Drei Jünglinge in fürstlichem Talar, Durchwirkt mit goldnen Lilien ihm zur Seiten. Und mit demselben Wappenzeichen war Ein Löwe dort, um mit dem Thier zu streiten. Der Name jedes dieser viere stand Zu Häupten oder an des Kleides Rand. |
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35 | Und bei dem ersten, der den Degen ganz Begraben hatt' in jenes Scheusals Weichen, Las man »der Herscher Frankreichs, König Franz,« Und »Max von Oestreich« las man dann desgleichen. Der fünfte Karl, der Kaiser mit dem Kranz, Zerschnitt des Unholds Schlund mit scharfen Streichen. Heinrich der achte dann von England nannte Sich jener, der den Pfeil ins Herz ihm sandte. 46 |
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36 | »Der zehnte« steht geschrieben auf dem Leuen, Der in die Ohren ihm die Zähne schlägt Und so ihn schüttelt, daß nun auch den scheuen Und zagenden der Mut sich wieder regt. Die Furcht auf Erden scheint sich zu zerstreuen, Und von der Reu' um alte Schuld bewegt Naht schon ein adlich Heer, nicht zahlreich eben, Und so verliert das Ungetüm sein Leben. |
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37 | Marfisa, Roger und die beiden Vettern Erführen mehr von diesen tapfren gern, Die so das wilde Thier zu Boden schmettern, Das Tod und Angst verbreitet nah und fern. Die Namen las man zwar in großen Lettern, Doch unbekannt noch waren diese Herrn; Man bat deshalb, wenn einem die Geschichte Bekannt sein sollte, daß er sie berichte. |
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38 | Da blickte Vivian auf Malagis, Der ihnen zuhört', ohn' ein Wort zu sagen. »Du (sprach er) deut' uns und erzähl' uns dies; Du scheinst in diesen Dingen wohlbeschlagen. Wer sind die Männer, die mit Schwert und Spieß Und Pfeilen dieses Thier zu Tode jagen?« Da sagte Malagis: »In Büchern steht Noch nichts von diesem, was ihr vor euch seht. 47 |
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39 | »Denn wißt, daß sie noch nicht auf Erden waren, Obwohl die Namen hier in Marmor stehn. Doch wird die Welt nach siebenhundert Jahren Zum Ruhm des Säculums sie kommen sehn. Merlin ließ einst, in Zauberkunst erfahren, Zu König Arthurs Zeit die Quell' entstehn, Und gute Meister mußten sie mit Bildern Ausschmücken, die zukünft'ge Dinge schildern. |
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40 | »Dies böse Thier kam aus dem Höllenschlunde Um jene Zeit, als man in Flur und Trift Zuerst Grenzsteine setzte, Wag' und Pfunde Und Ell' erfand und Kaufvertrag und Schrift. Nicht macht' es gleich durch alle Welt die Runde, Und manches Land blieb rein von seinem Gift; In unsrer Zeit plagt es schon manche Gegend, Doch Pöbel nur und niedres Volk erlegend. |
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41 | »Von seinem Ursprung bis zu unsren Tagen Wuchs es und wächst es noch von Jahr zu Jahr, Und wachsend wird es alles überragen, Was je die Erde riesiges gebar. Der Python selbst, von dem die Bücher sagen, Daß er so kolossal und gräslich war, Ist doch trotz allem, was wir davon lesen, Nicht halb so groß und grauenhaft gewesen. 48 |
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42 | »Arg wird es wüten, Orte groß und klein Verwüsten und verpesten und beflecken, Und wenig nur zeigt euch der Marmorstein Von seinen Greueln und verruchten Zwecken. Die Welt wird sich nach Hilfe heiser schrein, Bis jene, deren Namen wir entdecken, Aus tiefster Not sie retten, und ihr Lob Hernach wird leuchten heller als Pyrop. |
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43 | »Und schlimmer wird dem bösen Thiere keiner Mitspielen als der Frankenkönig Franz. Zuvorthun wird er's vielen, ihm nicht einer, Und nur mit wenigen theilt er den Kranz; Wogegen manch gepriesner Name kleiner Erscheinen wird vor seinem hohen Glanz Und seinen Tugenden, gleichwie verdunkelt Die Sterne schwinden, wann die Sonne funkelt. |
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44 | Diese Anspielungen auf Franz des Ersten italienische Erfolge, seinen Sieg bei Marignano über die Schweizer, die Erstürmung des Castells von Mailand u. s. w. wurden vor der Schlacht bei Pavia geschrieben, nach welcher Ariost das Glück des Königs wohl nicht mehr mit dem Glück Alexanders verglichen hätte. Ehe er den Rasenden Roland vollendete, fand der Dichter Gelegenheit an einer anderen Stelle einige Verse über die große Niederlage der französischen Waffen einzuflechten. (33. Gesang Str. 49 ff.) | »Noch eh sein glücklich Reich ein Jahr gewährt, Eh Zeit er hat, die Krone festzusetzen, Wird er die Alpen überziehn und fährt Durch alle Feinde, die den Berg besetzen, Von edlem und gerechtem Zorn verzehrt, Die ungesühnten Scharten auszuwetzen, Die Frankreichs Heeren auf demselben Pfad Landsturm der Hürd' und Trift geschlagen hat. 49 |
45 | »Er steigt hernieder in die reichen Lande Der Lombardei, von Frankreichs Blüt' umringt, Und schlägt den Schweizer, daß zum Widerstande Die Stirn zu heben nimmer ihm gelingt. Zu großem Schimpf der Kirche dann, zur Schande Hispaniens und der Stadt Florenz bezwingt Er jene Festung, deren Wall und Graben Für unbezwingbar erst gegolten haben. |
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46 | »Und helfen wird ihm, daß er triumphire, Vor andern Waffen das berühmte Schwert, Mit welchem er zuvor dem wilden Thiere Den Garaus macht, das alle Welt verhert. Vor diesem Schwerte werden die Paniere Der Feinde flüchten oder umgekehrt; Kein Wall und Graben, keine Mauern nützen, Vor diesem Schwerte Stadt und Burg zu schützen. |
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47 | »Was sieggekrönte Feldherrn je besessen, Wird Franz besitzen durch des Himmels Gunst, Des großen Cäsar Mut, die Klugheit dessen, Der einst am Trasimen gezeigt die Kunst, Und Alexanders Glück; denn klug Ermessen Und Vorsicht ohne Glück ist eitel Dunst. Freigebig wird er sein in solcher Weise, Daß ich kein Beispiel weiß zu seinem Preise.« 50 |
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48 | Der hier genannte Bernhard ist der Cardinal Bernardo Divizio von Bibiena, der Verfasser der höchst ungeistlichen Comödie »Calandria«. | So sagte Malagis, und das Verlangen Erweckt' er in den Rittern, mehr Bescheid Auch von den andren Helden zu erlangen, Die von dem Höllenthier die Welt befreit. Den Namen eines Bernhard sah man prangen, Dem auch die Schrift Merlins Ruhm prophezeit. »Berühmt durch diesen (sprach er) wird Bibiena Gleich ihrer Nachbarin Florenz und Siena. |
49 | »Niemand ist tapfrer in dem heil'gen Streite Als Sigismund und Ludwig und Johann, Gonzaga jener, Aragon der zweite, Ein Salviati ist der dritte Mann. Auch Franz Gonzaga kämpft, an dessen Seite Man Friedrich, seinen Sohn, erkennen kann; Schwager und Eidam auch geleiten ihn, Die Herzög' aus Ferrara und Urbin. |
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50 | »Der Sohn des einen Herzogs, Guidobald, Brennt, daß auch er des Kampfs Gefahren theile.. Auch Ottobon von Flisco, Sinibald Sind bei der Jagd, einander gleich an Eile, Und Ludwig von Gazolo wärmt wohl bald Im Blut des Thieres einen seiner Pfeile, Die mit dem Bogen Phöbus ihm beschert, Indeß ihn Mars umgürtet mit dem Schwert. 51 |
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51 | »Zu Hercules, zwei Hippolyt von Este, Und noch ein Hippolyt, ein Hercules Von Medici und Gonzaga sind beim Feste, Hetzen das Unthier und ermatten es. Und Julian hilft seinem Sohn, aufs beste Hilft Ferdinand dem Bruder; während deß Säumt auch Andreas Doria nicht, noch litte Franz Sforza, daß voran ihm einer schritte. |
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52 | Die beiden berühmten Feldherrn aus dem Hause Avalo werden von Ariost stets mit besonderem Glanze gefeiert. Der eine, Francesco von Pescara, war der Gemal der Vittoria Colonna. Der Fels im Wappen des Hauses bedeutet die Insel Ischia, den Stammsitz des Geschlechts, unter deren Bergmassen einer der von Jupiter besiegten Giganten gefesselt liegt. | »Zwei hier sind aus Avalo's Heldenblut, Die sich zum Wappen jenen Fels erkiesen, Darunter des Typhöus grimme Wut Gefesselt liegt, des schlangenfüß'gen Riesen, Und keiner, der die arge Höllenbrut Zu tödten mithilft, thut zuvor es diesen. Franz von Pescara nennt die Schrift ihn mir, Alfons von Vasta liest man deutlich hier.« |
53 | Ferdinand Gonsalvo, von den Spaniern el gran capitano genannt, ist der Eroberer Granada's unter Ferdinand dem Katholischen. | Was mach' ich denn? Gonsalvo Ferdinand, Die Zierde Spaniens, hab' ich übergangen? Von allen, welche Malagis genannt, Sind wenige, die größren Ruhm erlangen. Wilhelm von Monferrat ward auch erkannt Im Kreise derer, die das Thier bezwangen, Und klein war ihre Zahl nur neben der, Die es verwundet und erwürgt vorher. 52 |
54 | Mit sitt'gem Spiel und heitren Reden hatten Nach Tische sie die heiße Zeit verbracht Und auf den feinsten Teppichen im Schatten Der dichten Büsche sich's bequem gemacht. Und um den andern Ruhe zu gestatten, Hielt Malagis und Vivian die Wacht, Als sie ein Mädchen sahn, das auf die Quelle Zuritt, allein und mit der größten Schnelle. |
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55 | Hippalca war es, der das Roß Frontin Geraubt war mit Gewalt von Rodomonte. Erst war sie ihm gefolgt und hatt' auf ihn Geschimpft und auch gefleht, so gut sie konnte, Dann aber, weil doch alles nutzlos schien, Roger gesucht im Bergschloß Agrismonte. Daß er mit Richard dort sei, hatte sie Auf ihrem Weg gehört, ich weiß nicht wie. |
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56 | Und weil von früher her ihr Weg und Ort Bekannt war, kam sie, ohne viel zu fragen, Zur Quelle des Merlin und fand ihn dort, Wo auf den Teppichen die Ritter lagen. Als kluge Botin aber, die ihr Wort Geschickter anbringt, als man's aufgetragen, That sie, als sei ihr Roger unbekannt, Weil sie den Bruder Bradamante's fand. 53 |
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57 | Sie wandte sich an Richard, sonst an keinen, Als komme sie nur seinethalben her. Der kannte sie, flugs war er auf den Beinen Und trat heran und frug wohin, woher? Hippalca, deren Augen noch vom Weinen Rot waren, sprach zu ihm und seufzte schwer, Doch sprach sie laut, damit, was sie verkünde, Auch Roger, der ganz nahe war, verstünde. |
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58 | »Ich führte (so begann sie) an der Hand, Wie deine Schwester es mir aufgetragen, Ein wunderschönes Pferd, Frontin genannt, Das Bradamante liebt, wie nicht zu sagen. Zehn Meilen schon führt' ich es über Land Marseille zu, wohin in wenig Tagen Sie selber will und wo ich mit dem Pferde Abwarten sollte, bis sie kommen werde. |
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59 | »Ich hatte keine Furcht, denn niemand wagte (So dacht' ich mir) im menschenleersten Wald Den Gaul mir wegzunehmen, wenn ich sagte, Das Pferd gehört der Schwester des Rinald. Doch diese Hoffnung. wie ich fand, versagte; Ein frecher Mohr nahm mir es mit Gewalt; Obwohl er hört', es sei Frontin geheißen, Scheut' er sich nicht das Pferd mir zu entreißen. 54 |
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60 | »Anfangs verfolgt' ich bittend ihn und schreiend, Doch wenig nützten Drohn und Bitten mir, Und ihn verfluchend und vermaledeiend Verließ ich ihn zuletzt, nicht weit von hier, An einem Ort, wo Gift und Galle speiend, Sich selbst abhetzend und das gute Thier, Er kämpft mit einem Krieger, der dem Frechen So zusetzt, daß ich hoff', er wird mich rächen.« |
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61 | Erhoben hatte Roger längst sich schon Und hörte die Geschichte kaum zu Ende; Er drang mit Bitten jetzt in Haimons Sohn, Daß er als Dank, Entgelt und Ehrenspende Für alle guten Dienste nun zum Lohn Ihn mit dem Mädchen ganz allein entsende Dem Heiden nachzusetzen, welcher sich Des Raubs vermaß und mit dem Pferd' entwich. |
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62 | Nun fand es Richard unanständig zwar, Wenn er das Unternehmen einem dritten Abträte, das doch seines Amtes war, Doch fügt' er sich zuletzt auf Rogers Bitten. So nahm denn Roger Abschied von der Schar, Und mit Hippalca war er fortgeritten; Dem Helden schauten seine Freund' am Bach Bewundernd, ja erstarrt vor Staunen, nach. 55 |
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63 | Sobald sie fand, sie seien weit genug, Sagt' ihm Hippalca alles und bekannte, Daß jene, die sein Bild im Herzen trug, Die Botin ihm und nicht dem Bruder sandte. Sie sagt' ihm alles ohne Hehl und Trug, Wie ihr befohlen war von Bradamante, Und daß sie wegen Richards Gegenwart Erst anders sprach als ihr geboten ward. |
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64 | Sie sagt' ihm auch, was ihr der Mohr erklärt, Der sich vermaß den Rappen zu besteigen: »Nun ich erfahre, dies sei Rogers Pferd, Mach' ich es um so lieber mir zu eigen. Wenn er den Gaul vielleicht zurückbegehrt, So sag' ihm, (denn ich will's ihm nicht verschweigen,) Ich sei der Rodomont, der dieses All Erfüllt mit seines Ruhmes Glanz und Schall.« |
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65 | Auf Rogers Antlitz stand der Zorn geschrieben, Der drinnen lodert', als er dies vernahm. Theils hatt' er Grund genug Frontin zu lieben, Theils kam ihm dies Geschenk, woher es kam, Theils ward er ihm zum Hohne weggetrieben. Er sah vor Augen deutlich Schand' und Scham, Wenn er den Raub dem Räuber nicht entreiße Und würd'ger Züchtigung sich nicht befleiße. 56 |
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66 | Das Mädchen führt' ihn schleunig, um die Rache Am Heiden zu vollstrecken, über Land, Bis sich die Straße theilt' in eine flache Und eine, die sich über Berge wand; Doch beide führten nach dem Thal und Bache, Wo Rodomont den letzten Kampf bestand. Der eine Weg war kurz, doch steil für Reiter, Der andre zwar bequemer, aber weiter. |
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67 | Hippalca wählte, brennend vor Begier Frontin zu holen und den Schimpf zu rächen, Die rauhe Straße durch das Bergrevier; Die schien ihr kürzre Reise zu versprechen. Inzwischen trabt der König von Algier Mit Mandricard die andre durch die Flächen; Er nimmt den Weg, der eben ist und schlicht, Und so begegnet er den beiden nicht. |
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68 | Verschoben war der Kampf auf spätre Zeiten, Bis König Agramant gerettet sei, (Dies wißt ihr schon) und ihrer Streitigkeiten Ursache, Doraliß, war auch dabei. Nun hört die ferneren Begebenheiten. Der Weg führt' an die Quelle diese drei, Wo Richard und Marfisa an den Fluten Mit Aldiger und seinen Brüdern ruhten. 57 |
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69 | Marfisa hatt' auf Wunsch der vier Gefährten Eins von den Frauenkleidern angethan, Die Bertolag gemeint war zu verwerten Als Preis für Malagis und Vivian. Obwohl die Menschen ohne den bewährten Kriegsharnisch sonst Marfisa selten sahn, Jetzt legte sie ihn ab auf ihre Bitte Und zeigte sich geschmückt nach Frauensitte. |
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70 | Als der Tartar sie sah, dacht' er, es stieße Auf keine Schwierigkeit, kurzweg vom Platz Sie wegzuholen und für Doraliße Dem Rodomont zu geben als Ersatz. Als ob sich Liebe so regieren ließe Durch Handel oder Austausch, Schatz um Schatz, So daß kein Klagegrund für den bestände, Wer eine Braut verlör' und eine fände. |
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71 | Um also ihm ein Mädchen zu verschaffen Und selbst mit Doralißen abzuziehn, Wollt' er Marfisa, die ihm ganz geschaffen Für einen Ritter, schön und reizend, schien, (Als müßt' er sich sofort in sie vergaffen,) Dem andren schenken als Ersatz für ihn, Und alle Ritter, die er an der Seite Des Fräuleins sah, rief er heraus zum Streite. 58 |
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72 | Die Söhne Bovo's, die beim Mittagessen Den Wächterdienst in voller Wehr versahn, Erhoben sich vom Platz, wo sie gesessen, Kampffertig, Malagis und Vivian, Um mit den beiden Fremden sich zu messen. Doch Rodomont kam nicht mit solchem Plan; Er rührte nicht die Hand und drohte keinem, So daß sich fand, der Strauß sei nur mit einem. |
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73 | Den Kampf eröffnet Vivian, der kecke, Er kömmt daher und senkt den mächt'gen Schaft. Der Heidenkönig, der gewalt'ge Recke, Kömmt ihm entgegen mit noch größrer Kraft. Sie zielen beide nach demselben Flecke, Da wo der scharfe Stoß am besten schafft. Umsonst trifft Vivian des Helmes Spitze, Der Heide fällt nicht, rührt sich kaum im Sitze. |
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74 | Der Heidenkönig hat die härtre Lanze; Wie Eis zerschmettert sie des Gegners Schild Und wirft ihn zwischen Kraut und Bromberpflanze Hoch aus dem Sattel mitten ins Gefild. Ergrimmt fliegt Malagis zum Waffentanze, Da es des Bruders Fall zu rächen gilt, In seiner Hast jedoch zu ihm zu kommen Hat er statt Rache Platz bei ihm genommen. 59 |
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75 | Der dritte Bruder war eh als der Vetter Im Harnisch und bestieg sein flinkes Thier, Und mit verhängtem Zügel wie ein Wetter Begann er mit dem Heiden das Turnier. Die Lanze traf mit hallendem Geschmetter Den feinen Helm dicht unter dem Visier Und flog gen Himmel in vier großen Stücken. Der Saracen bog weder Kopf noch Rücken. |
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76 | Der Heide zielte nach dem Schulterknochen Und weil der Stoß so stark war und so schwer, Half Schild und Panzer nicht; hindurchgebrochen War dieser Stoß, als ob es Rinde wär'. Die weiße Schulter war vom Stahl durchstochen, Und der getroffne schwankte hin und her, Bis er zuletzt in Gras und Blumen ruhte, Das Antlitz weiß, der Harnisch rot vom Blute. |
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77 | Mit großer Kühnheit kömmt Richard nach diesen, Und so gewalt'ge Lanze legt er ein, Daß er beweist, wie er es oft bewiesen, Daß er's verdiene Paladin zu sein. So hätt' er wohl auch heut sich ausgewiesen, Wenn gleicher Kampf wär' zwischen diesen zwein; Jetzt mußt' auch er kopfüber auf die Erde; Doch war's nicht seine Schuld; es lag am Pferde. 60 |
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78 | Da sich kein andrer Ritter als die vier Vorfand, der eine weitre Probe mache, So meint der Heid', er hab' in dem Turnier Die Dam' erobert, und er kömmt zum Bache Und sagt: »Mein Fräulein, ihr gehöret mir, Wenn niemand sonst eintritt für eure Sache. Ihr könnt's nicht leugnen noch verweigern auch, Denn nach dem Kriegsrecht ist es so Gebrauch.« |
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79 | Darauf erhob Marfisa stolz das Haupt Und sprach: »Du scheinst das Kriegsrecht schlecht zu kennen, Das Kriegsrecht hätte dir vielleicht erlaubt (Das geb' ich zu) dein eigen mich zu nennen, Wär' einer mein Gemal und Oberhaupt Von jenen, die du niederwarfst beim Rennen. Doch keiner ist mein Herr; mein Herr bin ich; Wer mein begehrt, – mir selber nehm' er mich. |
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80 | »Auch ich verstehe mich auf Schild und Speer, Und mehr als einen Ritter warf ich nieder.« Dann sprach sie zu den Knappen: »Meine Wehr Bringt mir herbei und holt mein Pferd mir wieder.« Sie zog das Schleppkleid aus und trat einher Im Wams, daß man die schöngeformten Glieder, Den kräft'gen Körper sah, und ganz und gar Glich sie dem Mars, bis auf Gesicht und Haar. 61 |
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81 | Geharnischt und umgürtet mit dem Degen Trat sie ans Pferd und schwang sich leicht hinauf Und ließ es hoch im Kreise sich bewegen Und ritt die Bahn hinunter und herauf. Dann streckte sie dem stolzen Feind' entgegen Die schwere Lanz' im vollen Rosseslauf. Troja's Gefilde hat Penthesile'en Im Kampfe mit Achilles so gesehen. |
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82 | Beim prächt'gen Ritt zersplitterten die Stangen Wie sprödes Glas bis auf das letzte Stück, Die beiden aber, die den Stoß empfangen, Bogen sich keinen Finger breit zurück. Marfisa, um Gewißheit zu erlangen, Ob ihr beim Nahekampf dasselbe Glück Beistehen werde wider den Tartaren, Kam mit dem Schwert auf ihn dahergefahren. |
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83 | Gott und den Elementen flucht der Heide, Als er gewahrt, daß sie im Sattel blieb. So knirscht auch sie in grimm'gem Herzeleide, Daß sie den Speer nicht durch den Schild ihm trieb. Schon blitzen in der Faust die Schwerter beide, Auf die gefeite Rüstung saust der Hieb. Daß sie gefeite Rüstung beide hatten Kam ihnen heute wie noch nie zu statten. 62 |
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84 | Das waren Panzerringe, waren Schienen, Die weder Speer durchstieß noch Schwert zerschlug; Der ganze Tag, zwei volle Tage schienen Den Kampf zu enden noch nicht lang genug. Doch Rodomont war plötzlich zwischen ihnen Und schalt auf Mandricard und den Verzug Und sprach: »Bist du zu fechten doch gesonnen, So ficht den Kampf aus, den wir heut begonnen. |
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85 | »Um unser Volk zu retten aus Gefährde, Ging ich den Waffenstillstand ein mit dir. Bis das geschehn, so ward vereinbart, werde Kein andrer Kampf begonnen, kein Turnier.« Sodann mit ehrerbietiger Geberde Sich zu Marfisa wendend, zeigt' er ihr Den Boten, der den weiten Weg geritten, Für Agramant sich Hilfe zu erbitten. |
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86 | Er bat sie, daß sie nicht den Kampf allein Aufgeben oder doch verschieben möge, Sondern zugleich mit ihnen im Verein Dem Sohne des Trojan zu Hilfe zöge, Was ihrem Ruhm dienlicher würde sein, Daß er mit höherm Flug gen Himmel flöge, Als wenn durch Händel ohne viel Gewicht Sie andre Leute stör' in solcher Pflicht. 63 |
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87 | Marfisa wünschte schon seit langer Zeit Zu messen sich mit Kaiser Karls Genossen Und hatte sich zu dieser Fahrt, so weit Von Osten bis nach Frankreich, nur entschlossen, Um selbst zu sehn, ob all die Herrlichkeit, Von der man rühmte, wahr sei oder Possen; Daher sie mitzugehn sich gleich erbot, Als sie vernahm von Agramante's Not. |
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88 | Indeß war Roger über Stock und Stein Hippalken nach bergauf und ab geklommen, Und als er an den Ort kam, sah er ein, Daß Rodomont den andren Weg genommen. Er dacht' indeß, weit könn' er noch nicht sein Und müss' am Quell Merlins vorüberkommen, Und also ritt er hinter jenem schnell Den frischen Spuren nach zurück zum Quell. |
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89 | Nach Montalban ließ er Hippalca ziehn, Das sie erreichen konnt' am selben Tage, Wogegen allzu weit der Umweg schien, Wenn sie mit ihm nach jener Quelle jage. Er bat sie, daß sie wegen des Frontin Und dessen Rettung sich der Sorg' entschlage; Sie solle von ihm hören, sei's sofort In Montalban, sei es an andrem Ort, 64 |
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90 | Und gab den Brief ihr, den er Nachts zuvor Geschrieben hatt' in Agrismont, und sandte Noch tausend Grüße mündlich und beschwor Sie, zu entschuld'gen ihn bei Bradamante. Hippalca schrieb sich alles hinters Ohr Und nahm von Roger Abschied dann und wandte Ihr Pferd herum, und Rast ward nicht gemacht, Bis sie in Montalban war kurz vor Nacht. |
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91 | Der Jüngling setzte Rodomonten nach, Den Spuren folgend, die noch deutlich waren, Doch holt' er ihn nicht ein, bis er am Bach Merlins ihn halten sah mit dem Tartaren. Die hatten sich gelobt kein Ungemach Einander anzuthun, bis sie die Scharen Gerettet hätten, die des Kaisers Hand Ins Joch zu spannen im Begriffe stand. |
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92 | Als Roger nun den Räuber fremden Guts Und den Frontin erkannt' an jenem Borne, Rief er zum Kampf ihn auf ergrimmten Muts, Und bog sich auf die Lanze schon nach vorne. Der Mohr that mehr als Hiob einst in Uz, Denn Halt gebot er seinem Stolz und Zorne Und schlug den Kampf aus, den er immerdar Eifrig zu suchen sonst beflissen war. 65 |
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93 | Zum erst- und letzten Male lehnt' er heute Zu kämpfen ab, der König von Algier. Ihm schien, den Agramant und dessen Leute Zu retten, so ruhmwürdige Begier, Daß, hielt' er Roger auch für leichtre Beute, Als es ein Hase ist fürs Pantherthier, Er doch um keinen Preis die Zeit ihm gönnte, In der man zwei Schwertstreich' austheilen könnte. |
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94 | Es kam hinzu, daß er den Jüngling kannte, Der ihn zum Kampfe fordert' um Frontin, Den alle Welt mit solchem Lobe nannte, Daß ihm kein andrer Held vergleichbar schien, Mit dem zu fechten er schon lange brannte, Um seine Kraft zu messen gegen ihn; Trotzdem verschmäht' er jetzt ihm zu willfahren, So ernstlich nahm er seines Herrn Gefahren. |
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95 | Er ginge sonst um solches Kampfes willen Dreihundert Meilen, tausend Meilen weit, Heut aber thät' er wahrlich selbst Achillen, Wenn der ihn fordern wollte, nicht Bescheid. So gut verstand er's seine Wut zu stillen Und zu ersticken seine Gier nach Streit. Er sagte Rogern, was den Kampf verwehre, Ja bat ihn, daß er Beistand ihm gewähre; 66 |
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96 | Denn wenn er solches thue, thu' er eben, Was Ritterpflicht dem Lehnsherrn schuldig sei; Geling' es die Belagrung aufzuheben, Steh' ihnen ja der Kampf noch immer frei. Darauf versetzte Roger: »Frist zu geben Für unsern Streit, dem stimm' ich gerne bei, Bis wir den Notstand Agramants beend'gen; Nur bitt' ich erst Frontin mir auszuhänd'gen. |
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97 | »Dir zu beweisen, daß du ehrlos bist Weil einem Weibe du mein Pferd genommen, Und daß es eines Manns unwürdig ist, – Soll ich's verschieben, bis an Hof wir kommen, So gieb Frontin heraus und nimm die Frist. Denk' nicht, es könn' ein andres Mittel frommen, Daß ohne dies ich in Geduld mich fasse Und dich nur eine Stund' in Frieden lasse.« |
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98 | Indeß er dies von Rodomont begehrt, Frontin zu opfern oder sich zu schlagen, Und gegen beides Rodomont sich wehrt, Der weder Kampf will noch dem Roß entsagen, Kömmt Mandricard, um zu dem Zank ums Pferd Noch einen neuen Streitfall auszutragen: Er hat bemerkt, das Wappen Rogers ziert Der Vogel, der die anderen regiert, 67 |
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99 | Den weißen Adler, das Wappen des Hauses Este und deshalb den Trojanern zugeschrieben, führt Roger als Nachkomme Hectors, Mandricard als Besitzer der Rüstung Hectors. Bojardo erzählt, wie die beiden des Adlers wegen in Streit gerieten, aber vom König Gradasso getrennt wurden. | Im himmelblauen Feld der weiße Aar, Das Wappen Troja's. Roger führte diesen, Weil er ein Enkel jenes Hector war, Der einst als erster Ritter ward gepriesen. Unkundig dessen glaubte der Tartar, Damit werd' ihm ein großer Schimpf erwiesen, Wenn jemand anders, dem es nicht gebüre, Hectors berühmten weißen Adler führe. |
100 | Der Vogel war sein eignes Wappenzeichen, Der sich mit Ganymed gen Himmel schwang. Wie in der Schreckensburg mit tapfren Streichen Er Hectors Schild als Siegespreis errang, Das wißt ihr, glaub' ich, und ihr wißt desgleichen, Wie ihm die Fee nach jenem schweren Gang Den Schild und all die schönen Waffen brachte, Die einst Vulcan für den Trojaner machte. |
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101 | Schon einmal hatt' ein Zweikampf stattgefunden Aus gleichem Anlaß zwischen diesem Paar; Ich sage nicht, weil's andre schon bekunden, Wie jener Strauß verhindert worden war. Sie hatten sich seitdem nicht mehr gefunden, Bis heut am Bronnen, und als der Tartar Den Schild erblickte, fuhr er auf und schrie Drohend dem andern zu: »Komm her und zieh! 68 |
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102 | »Du unterstehst dich meinen Schild zu tragen, Und nicht zum ersten Mal sag' ich dir dies. Meinst du denn, Narr, ich würde das vertragen, Weil einmal ich die Strafe dir erließ? Da, dir die Thorheit aus dem Kopf zu jagen, Drohung und Warnung fruchtlos sich erwies, So lerne jetzt, daß es dir besser wäre, Du hättest gleich gehorcht, wie ich's begehre.« |
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103 | Wie schon bei leisem Hauch das trockne Holz Auflodert, wenn es ein'ge Zeit geglommen, So plötzlich flammt jetzt Rogers Zorn und Stolz Beim ersten Wort, das er von ihm vernommen. »Meinst du (so sprach er), daß mein Mut zerschmolz, Weil ihr zu zweien über mich gekommen? Bald wirst du sehn, daß Roger, wenn es gilt, Ihm den Frontin wegnimmt und dir den Schild. |
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104 | »Schon einmal hab' ich dieser Sache wegen Mit dir gekämpft, – erst kurze Zeit verstrich, – Indessen damals warst du ohne Degen, Und dich zu tödten drum enthielt ich mich. Da blieb's bei Winken, heute kömmt's zu Schlägen, Und schlimm behandeln wird der Adler dich, Das alte Zeichen unseres Geschlechtes: Du maßest es dir an, ich führ' mit Recht es.« 69 |
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105 | »Nein, meins zu führen hast du dich vermessen,« Rief Mandricard und nahm das Schwert zur Hand, Dasselbe, das, von Raserei besessen, Roland hinwegwarf an des Waldes Rand. Der gute Roger, der noch nie vergessen, Was sich für Ritter schickt, – sobald er fand, Daß Mandricard das Schwert gezogen hatte, Ließ er die Lanze fallen auf die Matte |
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106 | Und zog den Schild an und das gute Schwert, Schwert Balisarde riß er aus der Scheide. Da zwischen sie spornt Rodomont sein Pferd Und auch Marfisa wirft sich zwischen beide. Sie wehrt dem einen, er dem andren wehrt, Und beide bitten, thut euch nichts zu Leide. Der Afrikaner klagt, daß Mandricard Nun schon zum zweiten Mal wortbrüchig ward. |
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107 | Erst, in dem Wahn Marfisa zu erringen, Verliert er Zeit an mehr als ein Turnier; Jetzt will er Roger um sein Wappen bringen, Und König Agramant vergißt er schier! »Ei (sagt er) hast du Zeit zu solchen Dingen, Da ende doch zuerst den Streit mit mir, Der älter ist und Vortritt darf verlangen Vor diesen, die du eben angefangen. 70 |
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108 | »Denn nur mit der Bedingung war die Frist In unsrer Übereinkunft vorgesehen. Wann zwischen uns der Kampf beendet ist, Werd' ich für's Pferd dem andren Rede stehen. Um deinen Schild – wenn du am Leben bist – Magst du zuletzt mit ihm zum Kampfe gehen. Ich hoff' indeß, ich messe dir so voll, Daß Rogern nicht viel übrig bleiben soll.« |
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109 | »Die Hoffnung wird dich trügen, die du nährst,« Versetzte Mandricard darauf dem Mohren; »Ich will dir geben mehr als du begehrst, Daß dir der Schweiß herabläuft von den Ohren, Und wie du niemals diesen Brunnen leerst, Wird stets mein Vorrat reichen für die Thoren, Für Roger und für tausend außer dir Und jedermann, der etwas will von mir.« |
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110 | So tobte das Gezänk der grimmen Heiden, Und hin und wider flogen Zorn und Wort. In seiner Wut will Mandricard mit beiden, Roger und Rodomont, den Kampf sofort. Roger, der nicht gewohnt ist Schimpf zu leiden, Will nichts von Frieden, will nur Schlacht und Mord. Marfisa geht von dem zu dem, geschäftig Den Sturm zu dämpfen; doch er tobt zu heftig. 71 |
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111 | Dem Bauer ähnlich, wann die Frühlingsflut Durchsickernd neue Bahn sucht durch die Dämme, Wie der sich tummelt, daß des Stromes Wut Nicht grüne Weid' und junge Saat verschwemme, Und stopft und schanzt und weiß kaum was er thut; Denn glaubt er hier, daß er das Wasser hemme, So sieht er's dort aus Löchern und aus Ritzen Sprudelnd durch die erweichte Brustwehr spritzen: |
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112 | So bei dem Hader und Gezänk der wüt'gen, Als alles durcheinander tobt und schreit Und jeder es den andern übermüt'gen Zuvorthun will an Stolz und Tapferkeit, Versucht Marfisa jetzt sie zu begüt'gen Und müht sich und verliert nur Müh' und Zeit. Kaum hat sie einen Mann beiseit geschoben, Fahren die beiden andren los und toben. |
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113 | Marfisa, die es gern zum Frieden brächte, Sprach: »Hört, ihr Herrn, was meine Meinung ist: Die Kämpfe zu verschieben ist das rechte, Bis ihr den Agramant gerettet wißt. Wenn jeder nur an sein Gewerbe dächte, So hätt' ich auch mit Mandricard den Zwist Und möchte sehn, ob, was er sagt gelinge, Daß er im Waffenkampfe mich erringe. 72 |
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114 | »Gilt's aber, Agramant herauszuschlagen, Schlagt ihn heraus, statt hier das Schwert zu ziehn.« »So sei es, über mich sollt ihr nicht klagen,« Sprach Roger, »nur erbitt' ich mir Frontin. Entweder (um's mit einem Wort zu sagen) Geb' er den Gaul mir oder kämpf' um ihn; Entweder werd' ich fallen oder werde Ins Lager reiten auf dem eignen Pferde.« |
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115 | Darauf versetzte Rodomont: »Dann sag' ich, Daß jenes leichter wird geschehn als dies.« Fortfahrend aber sprach er: »Dich verklag' ich! Kömmt unser Herr zu Schaden vor Paris, Du trägst die Schuld: nicht meinethalb versag' ich Zu rechter Zeit zu thun, was er mich hieß.« Doch Roger fragte nichts nach dieser Klage, Von Wut gestachelt holt' er aus zum Schlage. |
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116 | Mit Schild und Schulter stieß er auf den Mohren, Dem Eber gleich. Der König von Algier Hatt' einen Bügel schon vom Fuß verloren; Der Anprall raubt' ihm die Besinnung schier. Der Scythe schreit: »Entweder macht, ihr Thoren, Jetzt Frieden oder Roger ficht mit mir.« Und falsch und grausam haut er ohne weiters Auf Haupt und Helm des ungewarnten Streiters. 73 |
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117 | Tief neigt sich Roger auf des Pferdes Hals, Und als er sich aufrichtet, will's nicht glücken; Der Degen Rodomonts kracht ebenfalls Auf ihn herab und trifft des Helmes Rücken. Wär' nicht die Demanthärte des Metalls, Er würde Helm und Schädel ihm zerstücken. Die Hände öffnet der betäubte Held, Daß links der Zaum, das Schwert ihm rechts entfällt. |
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118 | Er wird feldein entführt von seinem Pferde, Zurück bleibt Balisard' an jener Flut. Marfisa, die erst heut Kampf und Beschwerde Mit ihm getheilt hat, flammt in lichter Glut, Daß er allein bedroht von zweien werde, Und tapfer, wie sie war, und hochgemut, Stürzt sie auf Mandricard, gezückten Schwertes, Und furchtbar auf den Kopf des Heiden fährt es. |
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119 | Der andre Mohr eilt Roger zu erlegen: Nur einen Hieb noch und Frontin ist sein. Richard jedoch und Vivian verlegen Den Weg und drängen in die Jagd sich ein. Der eine wirft sich Rodomont entgegen Und rennt ihn an, um Roger zu befrein; Der andre, Vivian, giebt schnell sein Schwert Dem Jüngling, deß Besinnung wiederkehrt. 74 |
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120 | Sobald der gute Roger Zaum und Sporn In der Gewalt hat und den Schlag verwindet, Eilt er, den Schimpf zu rächen, heiß vor Zorn Dahin, wo er den Mohrenkönig findet, Dem Löwen gleich, der von dem Stier aufs Horn Genommen ward und nicht den Schmerz empfindet; Denn Stolz und Zorn und Kampfbegierde hetzt Und peitscht und stachelt ihn zur Rache jetzt. |
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121 | Bald saust sein Schwert dem Gegner um die Ohren, Und hätt' er Balisarde jetzt zur Hand, Die, wie gesagt, durch Büberei verloren Gegangen war, schon als der Streit entstand, So hätte, glaub' ich, von dem Kopf des Mohren Der Helm das Unheil schwerlich abgewandt, Der Helm, den Nimrod weiland hat getragen, Um mit den Sternen einen Kampf zu wagen. |
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122 | Da nun der Zwietracht schien, daß Wut und Mord Im besten Gange sei und Lärm der Waffen, Und daß man nimmermehr an diesem Ort Versöhnung stiften könn' und Frieden schaffen, Riet sie dem Bruder ruhig mit ihr fort Nach Haus zu gehn, zurück zu ihren Pfaffen. Wir lassen beide gehn und bleiben hier, Wo Roger schlug den König von Algier. 75 |
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123 | Der Schlag war so gewaltig und so schwer, Daß auf das Hintertheil Frontins mit Krachen Der Helm des Heiden aufschlug und die Wehr, Die ihm den Rücken barg, die Haut des Drachen. Dreimal und viermal schwankt' er hin und her, Als müss' er gleich den Sprung kopfüber machen, Und auch das Schwert verlör' er, wenn die Kette Den Griff nicht an der Hand befestigt hätte. |
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124 | Marfisa hatt' inzwischen dem Tartaren Antlitz und Stirn und Brust in Schweiß versetzt, Und er war ebenso mit ihr verfahren. Doch hatten sie einander nicht verletzt, Weil beider Rüstungen vollkommen waren, Und völlig gleich blieb der Erfolg bis jetzt. Marfisa aber, schwenkend im Gefechte, Bedurfte Rogers, daß er Hilfe brächte. |
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125 | Marfisa's Pferd, das eben schwenken sollte, Wo feucht die Wiese war, auf engem Raum, Glitt aus, und daß es auf die Seite rollte Und niederfiel, war zu verwundern kaum. Als es nun aber rasch aufspringen wollte, Erhielt es einen Stoß von Guldenzaum, Auf dem der Heide, gutem Brauch zuwider, Herankam, und aufs neue fiel es nieder. 76 |
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126 | Als Roger nun des Mädchens schlimme Lage Gewahrte, kam er auch zur Hilfe schon. Er hatte Muße; denn betäubt vom Schlage War weit ins Feld sein Widerpart entflohn. Er traf des Scythen Helm, und ohne Frage Würd' er den Kopf abmähn wie einen Mohn, Wenn er den Hieb mit Balisarden schlüge Oder der Gegner andren Sturmhut trüge. |
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127 | Indeß hatt' Algiers König sich ermannt Und sah allein sich jetzt mit Haimons Sohne. Es fiel ihm ein, der hab' ihn angerannt Zum Heil für Roger und ihm selbst zum Hohne. Flugs kam er an und hätte kurzer Hand Die gute That belohnt mit bittrem Lohne, Hätt' ihn nicht Malagis dabei gestört Mit neuen Künsten, Zauberei unerhört. |
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128 | Der Malagis verstand auf Zauberei sich, Wie je ein Magier sich darauf verstand, Und hatt' er auch zur Zeit das Buch nicht bei sich, Mit dessen Hilf' er Mond und Sonne bannt, So war der Text doch, der die Teufel fleißig Und fügsam macht, ihm aus dem Kopf bekannt. Rasch ließ er einen von den schwarzen Scharen In Doralißens armen Zelter fahren. 77 |
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129 | In diesen frommen Gaul, auf dem noch eben Die Tochter Stordilans so ruhig saß, Fuhr von den Engeln, die den Styx umschweben, Der eine, den sich Malagis erlas, Und er, der niemals einen Fuß zu heben, Bevor die Hand ihn antrieb, sich vermaß, Sprang plötzlich durch die Luft mit mächt'gem Satze Acht Ellen hoch, zwölf Ellen weit vom Platze. |
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130 | Der Sprung war groß, doch keiner von den Sätzen, Durch die man rettungslos vom Sattel fällt. Wie sie sich fliegen sieht, schreit vor Entsetzen Das Fräulein, das sich für verloren hält. Der Gaul jedoch, als ob ihn Teufel hetzen, Nach einem großen Sprunge, rennt ins Feld Und fliegt dahin mit seiner schrein'den Bürde, Daß kaum ein Pfeil ihn noch einholen würde. |
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131 | Der Sohn des Ulien vernimmt das Schrein, Und augenblicklich seinem Kampf entsagt er, Und wo der Zelter hinsaust, querfeldein, In Sturmeseil', um ihr zu helfen, jagt er. Jetzt will auch Mandricard nicht schlechter sein: Nicht nach Marfisa, nicht nach Rogern fragt er, Und ohne Waffenstillstand erst zu schließen, Folgt er dem Rodomont und Doralißen. 78 |
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132 | Marfisa war inzwischen aufgestanden, Lodernd von Ingrimm und von Wut erfüllt. Sie hofft auf Rach', und Hoffnung ward zu Schanden, Der Feind ist schon zu fern, von Staub verhüllt. Und Roger, als die Gegner ihm verschwanden, Brüllt wie ein Löwe, seufzt nicht, sondern brüllt. Sie wissen, daß sie nie mit ihren Pferden Frontin und Güldenzaum einholen werden. |
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133 | Nicht ruhn will Roger, bis der Kampf entschieden Ums Schlachtroß mit dem König von Algier. Nicht gönnt Marfisa dem Tartaren Frieden, Bis sie ihn voll erprobt hat im Turnier. Mit solchem halben Ausgang sich zufrieden Zu geben, dünkt verwerflich ihm und ihr, Und beide werden einig, sonder Weilen Der Spur der beiden frechen nachzueilen. |
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134 | Denn holt man sie nicht unterwegs schon ein, So wird man sie im Mohrenlager finden; Sie müssen ja dorthin, es zu befrein, Bevor die Franken alles überwinden. So gehn sie gradeswegs denn im Verein, Wo Aussicht ist mit jenen anzubinden. Indeß so eilig hat es Roger nicht, Daß er nicht erst mit den Gefährten spricht. 79 |
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135 | Zuerst zum Bruder seiner Bradamante Trat er heran, und voller Herzlichkeit Bot er zum Abschied ihm die Hand und nannte Sich seinen Freund für gut' und böse Zeit, Empfahl sich seiner Schwester auch und sandte Ihr einen Gruß und macht' es gar gescheit: Er ließ so hübsch ihr seinen Gruß entbieten, Daß Richard und die andren nichts errieten. |
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136 | Von ihm und Vivian und Malagis Und Aldiger (der wund war und zerschlagen) Nahm Roger Abschied; keiner unterließ Ihm dankbar Dienst und Freundschaft anzutragen. Marfisa sehnte so sich nach Paris, Daß sie vergessen hatt' Ade zu sagen; Doch Malagis ritt mit dem Bruder gern Den Weg entlang und grüßte sie von fern. |
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137 | So Richard auch; dagegen liegen bleiben Mußt' Aldiger, so leid es ihm auch war. Den beiden, die voran die Rosse treiben, Hin gen Paris folgt nun das zweite Paar. Das nächste Mal, Herr, will ich euch beschreiben, Wie übermenschlich und wie wunderbar Die beiden Paare, die des Weges traben, Zum Schaden Kaiser Karls gefochten haben. 80 |