Sagen aus dem Rheinland
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Siegfried

In jenen grauen, fernen Zeiten war es, als noch die Götter lebten, als in den wilden, sturmdurchtobten Nächten des November die Menschen in den Höfen unterm Schilfdach saßen und hörten die wilde Jagd. Wodan, der einäugige Gott, fuhr mit seinen göttlichen Mannen und Walküren durch die Wolken. Und Donar erlebte seine Abenteuer, der starke Göttersohn mit rotem Bart, aus dem die Blitze sprühten, wenn er seinen Hammer auf den Himmelsboden warf. Ziu war der Gott des Krieges, sie machten ihm zu Ehren Schwerttänze. Und Freia, Nerthus, Hertha oder Bertha, die Mutter Erde, Göttin der Fruchtbarkeit, Göttin alles Wachsens, alles Werdens, war den Menschen gütig, – und wenn die Erde frei vom Else war und die ersten Blumen aus dem Rasen sprossen, dann wurde sie mit Reigen und Tanz geehrt.

In diesen Zeiten war es, da Kobolde und Nixen, Elfen und Alben, Zwerge und Riesen lebten, da der Rhein wilder von den Bergen her ins Land schoß, da noch nicht lange die gewaltigen Gletscher verschwunden waren, die das niederrheinische Land mit Geröll und Steinen füllten, ganze Berge anschütteten; da noch keine Kirchtürme weithin über die Ebene grüßten, da in »Xanten am Rhein« der König Siegmund lebte, der von Gott und Christus noch nichts wußte; Siegmund, reich und stark, dessen Schwert im letzten Kampf zerbrach, als sich Wodan, der ihn heimforderte von Manheim, dem Land der Menschen, nach Wallhall in Asenheim, der Götterheimat, ihn, der bisher unbesiegbar war, im Kampfe selber stellte. Sieglind, Siegmunds Weib, war vor der Schwerter Klang und der Stimmen Kampfgewirr in den Wald geflohen, gebar einen Sohn, dem eine Hirschkuh Amme ward, weil die Mutter starb. Und so lebte Siegfried allein im Walde, wuchs heran, hatte blaue Augen und gelbes Haar, ward von der Hirschkuh behütet und gewärmt in kalten Nächten, bis er eines Tages zu der Schmiede kam, in der er sein Schwert hämmerte, nach Regins Weisung, der ein Albe war, aus der Unterwelt stammte und ihn den Weg nach Gnitaheide wies, wo der Drache lebte, den er tötete, in dessen Blut er badete. Siegfried aber, der Balmungschwinger, der nun unverwundbar war bis auf die eine Stelle, da das Lindenblatt den Körper deckte, der die Sprache der Vögel verstehen lernte, und der dann Regin (der ihm, wie die Vögel zwitscherten, nach dem Leben trachtete), mit dem Balmung den Kopf abschlug und den großen Schatz, den Nibelungenhort bekam, die Tarnkappe auch dazu... ; er wurde dann der größte Held der alten Deutschen.

Als er noch auf Gnitaheide stand, kam ein Roß herangetrabt, dem er einen Teil des Schatzes auf den Rücken laden wollte, das aber stehen blieb und nicht von der Stelle wich, bis Siegfried selber sich auf seinen Rücken schwang. Dann gings im Trab (Grani hieß das Pferd) weite Wege durch das graue Heideland zum Meere hin, wo auf hohem Fels des Isensteins die dunkle Burg lag, darinnen Brunhild, die Walküre, schon seit ewgen Zeiten schlief. Der Berg war hell umflammt von jener Waberlohe, in der schon mancher kühne Recke umgekommen war. jedoch als Siegfried auf seinem Grani-Rosse nahte, wichen die Flammen zur Seite – er ritt unversehrt hindurch – er ritt in den Burghof, da wie in einem Sarg Brunhilde schlief, in einem Panzer, der sie ganz umhüllte, der ganz wie um ihren Leib gewachsen war. Nur aber brauchte Siegfried mit dem Balmung das Erz zu berühren, da wich es wie eine dünne Haut von ihr ab. Sie reichte Siegfried den Minnetrunk, er gelobte Treue und zog dann wieder von neuem durch die Lande auf Abenteuer, bis er nach Worins an den Rhein kam, wo er Brunhild vergaß – (er hatte den Vergessenstrank getrunken, der von den Göttern gewollt war, weil sie fürchteten, daß die Kinder dieser stärksten Menschen Siegfried und Brunhild ihnen einmal gefährlich werden könnten). Und so nahm er Kriemhild zum Weibe, nachdem er in der Tarnkappe für Gunther gekämpft und Brunhild ohne seine Schuld betrogen hatte.

Brunhild ward Gunthers Weib, und Kriemhild hatte nicht unterlassen können, ihr zu sagen, daß Siegfried doch der Stärkere wäre, daß gar nicht Gunther sie besiegt habe, wodurch die Stolze so tief verletzt war, weil sie Siegfried, der sie einst auf dem Isenstein so stolz befreit, dem sie so stolz und voll Vertrauen ihre Hand gereicht hatte, trotz allem liebte. Ihre Liebe aber wandelte sich in Haß, daß sie die Anstifterin zum Morde wurde. Bei der Jagd im Spessart war es der finstere Hagen, der von den Alben abstammte, den Unterirdischen, der den stolzen Siegfried tötete. Über der Quelle brach er zusammen, auf einer Bahre brachte man den Toten in die Burg. Und nun erhob Brunhild, die selbst die Helden zu dem Morde angestiftet hatte, große Klage...

»Schauriges, Gunther, erschien mir im Traum: Leichen im Saal – ich – tot – auf dem Lager –Du, König, bekümmert in Ketten geschlossen, Zu Roß umringt von feindlichen Reitern – Die gesamte Sippe der Söhne Niblungs beraubt der Macht zur Rache des Meineids.

So gänzlich Gunther, vergessen hast du's, Daß ihr beide in der Fußspur am Boden damals Euer Blut gemischt! Mit Mord belohnst du Deinen vordersten Vormann in allen Gefahren!

Mit welcher Treue der junge Thronherr Der streitbare Held seine Schwüre gehalten, Offenbarte deutlich ein Dienst ohne Beispiel: Sein Herz widerriets, doch er kam geritten, Um dir zum Weibe – mich zu werben.

Zwischen uns zweien legt er aufs Lager Die mit goldenen Zeichen verzierte Klinge, Der das Feuer gestählt die feine Schneide, Und Gift gegütet das innere Eisen.«

Und als Brunhild so gesprochen hatte, da stieß sie sich selber das Schwert ins Herz, um mit Siegfried zusammen auf dem Brandstoß zu verbrennen. Aber eine andere Sage erzählt, daß sie auf Siegfrieds Roß Grani aufrecht und stolz den Brandstoß hinaufgeritten sei, auf dem seine Leiche in den Flammen lag, auf daß ihrer beider Seelen gemeinsam hinaufschwebten in die Ewigkeit Walhalls.

 


 


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