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Zur Zeit der letzten hohenstaufischen Kaiser war die Verwirrung im deutschen Lande groß; Recht und Sitte schwanden, überall verbreitete sich Schrecken und Schmach. Um diese Zeit lebte ein jugendfrischer und kriegsmutiger Graf auf der Burg Hohenzollern, der war in der Nachbarschaft nicht ohne Grund sehr gefürchtet. Er schien sich auch lange nicht entschließen zu wollen, in den Ehestand zu treten und das sanfte Joch der Liebe zu tragen.
Einstens kehrte er jedoch im Dillinger Grafenschlosse ein, um im trauten Kreise auch wieder einmal etwas auszuruhen. Er fand eine freundliche Aufnahme, die Tochter des Hauses bediente ihn, und sie machte einen tiefen Eindruck auf sein Gemüt. Der junge Graf warb um sie und der Schloßherr gab seinen Segen zu dieser Verbindung. Nach geschlossener Ehe zog das Paar festlich auf der Stammburg der Zollern ein und lebte glücklich und friedlich daselbst: an der Seite des guten Weibes erblühte dem Grafen ein neues Leben. Die fromme Adelhilde hatte ihn gänzlich umgewandelt – er hatte keine Freuden mehr an den Händeln dieser Welt und bereute seine wilde Vergangenheit in aufrichtiger Weise. Was er einst gefrevelt hatte, wollte er nun auch wieder gut machen, und geschehenes Unrecht gänzlich sühnen.
Die treue Gattin sandte deshalb einen Priester als vertrauten Boten nach Rom. Der sollte beim obersten Herrn der Christenheit erkunden, wodurch der Graf bei Gott Gnade für seine früheren Verfehlungen erlangen könne. Der heilige Vater ließ ihm die Wahl unter dreierlei Bußen: Der Graf solle sich eines Totenschädels statt des Bechers beim Trinken bedienen, oder möge ihn eine Schlange auf seiner Tafel alltäglich an seine Sünden erinnern: doch sei er der einen und der andern Buße völlig enthoben, wenn er ein Kloster erbaue. Als der Graf von dieser Entscheidung Kunde erhielt, entschloß er sich mit Freuden, am Fuß seiner Stammburg das Kloster Stetten im Gnadental zu gründen. Bereits stand eine Kapelle des heiligen Johannes daselbst; der Graf ließ Steine und Holz in Menge herbeiführen, wollte aber das alte Heiligtum seiner neuen Gründung nicht einverleiben. Durch unsichtbare Kräfte ward aber alles vom Lagerplatz bei Nacht weggetragen, und man fand es neben dem Kirchlein aufgeschichtet: dies war ihm ein deutlicher Wink dafür, wo das Kloster nach Gottes Willen errichtet werden solle.
Der Bau machte rasche Fortschritte und wurde bald eingeweiht. Die Gräfin verlebte dort selige Stunden und siedelte endlich ganz nach Gnadental über. Der Graf fand dort seine letzte Ruhestätte, und als bald darauf auch seine Gattin aus dem Leben schied, wurden beider Leichname in einer Gruft vereinigt.