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Am heiligen Servaztage 1339 vergnügten sich Hans Bernhard Rugger, Rudolf von Weißenburg und einige andere im Adelberger Freihof zu Stuttgart mit Ballschlagen. Bernhard Rugger strengte sich besonders an, den Ball gut zu treffen; denn am Eingangstor stand die schöne Hilde Loselin und schaute mit ihrer Freundin dem Schlagen zu. Leider traf er aber gerade heute weit daneben, während sein Freund immer sehr gut schlug. Diesem »lustpatscheten« die Fräulein, während sie den Rugger auslachten, zumal er erst kürzlich der Loselin seine Geschicklichkeit im Ballspiel auf einem Spaziergang im Lustgarten gerühmt hatte. Da er schon lange eifersüchtig auf Rudolf von Weißenburg war, weil er merkte, daß die Hilde Loselin diesem mehr zugetan war als ihm, so geriet er jetzt in höchste Wut, warf Ball und Schläger in die Ecke und ging hinüber in die Wirtschaft zur Ilge, um seinen Unmut im Wein zu ertränken. Aber seine Wut wurde nur größer, denn er sah durchs Fenster, wie sein Nebenbuhler die Fräulein nach Hause begleitete und wie sie Abschied nahmen unter schallendem Gelächter, welches er auf sich bezog. Unglücklicherweise kam der Glückliche auch herein in die Ilge und trank neben dem Erzürnten seinen Wein. Er redete ihm zu, er solle doch kein »Wenzel« und wegen dieser Geschichte nicht so zornig sein, versuchte auch, mit ihm anzustoßen. Rugger aber wollte nichts wissen, sondern stürzte seinen Wein hinunter und stellte sich draußen auf. Als Rudolf sorglos pfeifend herauskam, stieß ihm Rugger seinen Degen in die Brust, daß er rücklings niederfiel. Flugs eilte der Mörder davon; aber der Getroffene rief ihm nach: »Rugger, das ist ein Bubenstück und wird dir schwer vergolten werden, wie du es verdienst!«
Der Mörder wurde sogleich ergriffen, und es wurde ihm vom Adelsgericht zu Wien das Todesurteil gesprochen. Als ihm das Urteil verlesen wurde, sagte er nichts darüber, sondern bat nur darum, ihn die Stätte wählen zu lassen, wo er büßen sollte, was ihm auch gewährt wurde. Hierauf sagte er: »Meine Ahnen besaßen bis auf mich, den Letzten meines Geschlechts, den Gabelberg längs des Dobels als gültfreies Eigentum, dort will ich sterben, da wo mein Vater die ersten Reben pflanzte, und diese Halde soll geheißen sein »der Sünder« für ewige Zeiten. Auch soll die Weinberghalde zinsen der Stadt zwölf Pfund Heller, dafür soll sie aber wieder verpflichtet sein, jedem armen Sünder auf seinem Endgange eine Zweimaßkanne voll guten Weins nachtragen zu lassen und davon zu trinken zu geben, so viel er mag. Also soll es schon bei mir gehalten werden.«
Rüstig schritt Rugger hinaus, seinem Todesplatze entgegen. Bei dem untern Heusteigweg blieb er stehen und verlangte Wein und trank zwei Schoppen, dann wallte er weiter, die Eßlinger Steige hinauf bis dahin, wo der Weg erstmals rechts gegen die Heide des Gabelberges zieht, dort trank er nochmals und an seinem Weingarten zum drittenmal. Dann setzte er sich frei auf ein niedriges Mäuerlein, nicht fern vom Graswege, wo man die Stadt überschauen kann, zog sein Brusthabit aus, nahm lauten Abschied von dem Ort seiner Jugend, reckte dann den bloßen Hals weit vorwärts und empfing furchtlos den Todesstreich, obgleich er erst 22 Jahre, 2 Monate und 7 Tage alt war. Sein Kopf fiel ihm in den Schoß und sein Körper blieb sitzen, bis man ihn nahm und nahebei begrub. Die Weingarthalde hat noch heute den, Namen »Sünder«, und eine Steintafel mit lateinischer Inschrift zeigt jetzt noch die Richtstattmauer an.
Nach Munder.