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Die hl. Regiswindis von Lauffen a. N.

Die Stadt Lauffen am Neckar war zur Zeit der Karolinger Krongut, d. h, Eigentum des Kaisers. Im Jahre 832 schenkte der Kaiser Ludwig der Fromme seine Besitzung Lauffen seinem Schwiegersohn Ernst, dem tapferen Grafen des Nordgaues. Der baute sich eine feste Burg auf einem Felsen, der trotzig und steil aus dem Neckar sich erhebt. Der Fels ist wohl ein Stück des Bergrückens, den der Neckar in früheren Zeiten gewaltsam durchbrochen hat. Menschenhände mögen späterhin dem Fluß zu Hilfe gekommen sein; aber noch lange Zeit war an der Durchbruchstelle ein gefürchteter Strudel, und heute noch erzählt man sich in Lauffen von der unergründlichen Tiefe des »Wirbels«, auf dessen Grunde die Wunnensteiner Wetterglocke ruhen soll.

Auf jenem Felsennest also, auf allen Seiten vom Neckar umrauscht und mit dem Ufer nur durch eine Zugbrücke verbunden, lebte Graf Ernst mit seiner Gemahlin Friedburga und nichts fehlte zu ihrem Glücke, als ihnen der Himmel ein liebreizendes Töchterlein schenkte. Regiswindis, so hieß das Kind, war die Wonne ihrer Eltern und die Lust aller, die sie kannten. Unter der besonderen Obhut einer Wärterin wuchs das Kind heran, von allen Rosen, die im Burggarten blühten, die schönste. Nun hatte die Amme des Kindes einen Bruder, der ebenfalls bei Herzog Ernst in Diensten stand. Seines Amtes war, der auf der Weide gehenden Pferde zu warten. Aber der Knecht war gleichgültig in seinem Geschäfte, und als er sich einstens trotz mehrfacher Verwarnungen wieder eine grobe Nachlässigkeit hatte zu schulden kommen lassen, geriet sein Herr in einen furchtbaren Zorn und ließ ihn zur Warnung für andre im Schloßhof auspeitschen. Die Schwester hörte die Schmerzensrufe und sah das Blut des geschlagenen Bruders und schwur insgeheim, sich an dem Grafen zu rächen.

Eines Tages nun ritt Ernst samt seiner edlen Gemahlin zur Jagd. Die siebenjährige Regiswindis blieb mit ihrer Amme in der Burg zurück. Da gab der Teufel der Wärterin den Gedanken ins Herz, ihre Rache an dem Grafen durch den Tod der Regiswindis zu befriedigen. Sie erwürgte das Kind mit einem güldenen Kettelein, das es um den Hals trug, und stieß es dann über den Burgfelsen hinunter in den strudelnden Neckar. Hochauf spritzte das Wasser und wie im Zorn toste und brauste der Fluß. Da packte die Mörderin Entsetzen über ihre fürchterliche Tat, denn auch sie hatte das Mädchen so lieb gehabt. In wilder Verzweiflung eilte sie an die entgegengesetzte Seite der Burg, um sich von dort in den Fluß zu stürzen. Einige Dienstmannen ergriffen die Wahnsinnige und erfuhren bald, was sie Schreckliches getan.

Man begann sofort nach dem Kinde zu suchen. Aber erst nach drei Tagen gab der Strudel die kleine Leiche heraus. Aber, o Wunder! Wie lieb und friedlich lag die kleine Regiswinde im Nachen! Ein frisches Rot auf dem blassen Gesicht, die Ärmchen kreuzweis über der Brust gefaltet, ein Kränzlein von Rosen im Goldhaar, so schien es glückselig lächelnd im Schlafe zu träumen. Und so fanden sie die Eltern bei ihrer Rückkehr.

Der Schmerz der armen Eltern über den Tod ihres Lieblings war unermeßlich. Unter vielen Tränen wurde Regiswind bestattet. Als nun der fromme Bischof Humbert von Würzburg erfuhr, wie schweres Leid den Grafen Ernst und seine Gemahlin betroffen, da machte er sich auf gen Lauffen, um die betrübten Eltern zu trösten. Da er nun hörte, wie das Kind im Tode so wunderbar erhalten geblieben und wie seine Ärmchen im Kreuze über der Brust gelegen, so schloß er von dem allen auf eine besondere Heiligkeit des Kindes. Er beredete den Grafen, zu Ehren der heiligen Regiswind eine Kapelle zu bauen. Als man nun bei der Einweihung das Kind in einem silbernen Sarg in der Kapelle beisetzte, da klangen Engelsstimmen in der Menschen Chöre und himmlischer Duft erfüllte das Gotteshaus mit Wohlgeruch. Viele Gläubigen wallfahrteten zu der Stätte und Kranke aller Art fanden Heilung an dem Ort, wo die Gebeine der Regiswindis ruhten. Im Jahr 1227 wurde an Stelle der baufälligen Kapelle der heiligen Regiswindis zu Ehren eine prächtige große Kirche gebaut und die Heilige im Chor der Kirche beigesetzt. Daselbst kann man heute noch das Grabmal nebst einer goldenen Inschrift sehen. Neben der Kirche steht noch eine kleinere Kapelle, die wohl erst im 14. Jahrhundert entstanden und aus den Überresten der abgegangenen uralten Wallfahrtskapelle erbaut worden ist.

Was aus der verruchten Amme geworden ist, weiß man nicht. Die einen sagen, sie sei aus, der Burg entkommen und bis an ihr Ende ruhelos in der Welt umhergeirrt; andere wollen wissen, daß Graf Ernst sie an der Stelle ihrer Untat in die Felsen der Burg habe lebendig einmauern lassen.


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