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IV.

Das Silberglöcklein.

Am Morgen des Palmsonntags im Jahr 1347 war die Burgherrin auf Weißenburg verschwunden und trotz aller Nachforschungen konnte man nie mehr eine Spur von ihr entdecken. Darob klagte und weinte der Burgherrin Töchterlein gar sehr. Sie nahm all ihr Silbergeschmeide und schickte es zum Glockengießer, damit er ein Glöcklein daraus gieße. Als es gegossen war, da ließ sie es auf den höchsten Turm ihrer Burg hangen und läutete es eigenhändig um neun und zwölf Uhr nachts als Zeichen, daß ihr ruheloses Herz nach der Mutter sich sehne. In ihrem Testament setzte sie 200 Mark Silber aus, damit aus den Zinsen dieses Kapitals derjenige bezahlt werde, der das Glöcklein nach ihrem Tod läute.

Auch ordnete sie an, daß das Glöcklein, wenn einmal ihre Burg zerfallen sein werde, aus dem Turm der Heiligkreuzkirche zu Stuttgart aufgehängt und ebenfalls um neun und zwölf Uhr nachts geläutet werden solle.

Im Jahr 1598 verirrte die Prinzessin Sibylla Elisabethe, Tochter des Herzogs Friedrich I., im Wald, als sie von Denkendorf heimkehrte.

Bis um Mitternacht irrte sie umher; denn sie hatte vollständig die Richtung verloren.

Da hörte sie das Silberglöcklein läuten.

Nun wußte sie wieder, wo Stuttgart lag und fand auch bald den rechten Pfad in die Heimat.

Am andern Tag stieg die Prinzessin auf den Turm hinauf, küßte das Glöcklein und schrieb mit einer Nadel auf dessen Rand:

»Du Stimme aus der dunklen Nacht,
Die mich auf rechten Pfad gebracht,
Als ich fern drüben in dem Wald
In Angst und Irr' umhergewallt!
Dank sei der, die dich hier gestift't!
O, daß dein Ton auch Sünder trifft,
Die, ferne von der rechten Bahn,
Zur Reue kehrn durch dein Gemahn.«

Heute noch ertönt dieses Glöcklein um neun und zwölf Uhr des Nachts vom Stiftskirchenturm herab.

Nach Munder.


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