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Ihr sagt, es sei der Mensch
Ein gar zu schlechter Wicht.
Nun ja, man sieht's an euch;
Da wenigstens, da widersprech' ich nicht.
*
Was brauchst du mir so viel Geschwätz
Von Tugend und von Pflicht zu machen? –
Mit Andern weinen, mit Andern lachen,
Das ist das ganze Moralgesetz.
*
Was anzubeten sei? – Da ist kein Zweifel:
Das allerfreundlichst aller Orten Waltende,
Das allerherrlichst Licht und Leben Entfaltende,
All, was es schuf, mit Schöpferlieb' Erhaltende,
Aus dem Ruin allewig neu Gestaltende;
Das Uebrige – gesteht's! – das ist der Teufel.
*
Ihr seid, ihr armen Frau'n,
Nie ächter Weisung, ächter Kunde froh;
Nie durch die Nebel der Beschränktheit schau'n,
Die so despotisch-roh
Euch zugemessen, läßt man euern Blick;
Auf Kinderstufen hält man euern Geist,
Den herrlichen, den glühenden, zurück,
Und euern Hunger nach Erkenntniß speist
Man schmählich ab mit Leder und mit Stroh.
*
»Das ist das Rechte, weil es fortbesteht;
Das ist das Schlechte, weil es untergeht.«
So lautet euer trefflicher Beweis.
Nur Schade, daß man weiß:
Die edleren Geschöpfe dieser Erden,
Sie können sämmtlich ausgerottet werden;
Unsterblich ist das plagende Geschmeiß.
*
Wer dumm,
Der scheine, rath' ich, stumm;
Es wird ihm herrlich bei den Klugen frommen.
Wer aber klug,
Nie still genug
Kann dieser sein, von denen, welche dumm,
Nicht Schläge zu bekommen.
*
»Gieb Etwas her zum Almanach,
Ein Paar unschuldig-kleine Sachen!«
Der Teufel bring' alle die Unschuld her
Zu Albums und zu Almanachen!
Ich geb' euch aber einen Rath:
Holt euch – es wird vortrefflich passen –
Was Wickelkinder klein und zart
In ihre Windeln fallen lassen!
*
Ich machte neulich ein Gedicht,
Das war an meine Frau gericht't.
Drob wunderten die Leute sich,
Fanden die Sache lächerlich.
»So schwärmt man für ein Mädchen wohl;
Die Frau, die kocht mir meinen Kohl;
Was braucht es da solch einen Schnack?«
So kritisirte dieses Pack.
Drauf hab' ich eine Maid geschaut,
Die mich durch ihren Glanz erbaut.
Auf diese minnigliche Pracht
Hab' ich ein zartes Lied gemacht.
Weh mir! Da haben sie geschrie'n:
»Ein Ehebrecher! Steinigt ihn!«
So mißlich ist Poetenamt,
Woferne der Poet verdammt,
Zu leben im Philisterheer.
Ist's ihm gegönnt, so wander' er!
Verbietet das sein Mißgeschick,
So bleibt ihm nur der Hängestrick.
*
Daß heimliche Wege das Mädchen geht,
Nicht alles offen eingesteht,
Darob ereifert die Mutter sich,
Drob schilt die Tante gewaltiglich.
Daß sie's gerade so gemacht,
Da noch ihr Jugendlenz gelacht,
Daß sie auch gegangen auf Liebespfaden,
Gethan so manche stille Thaten
Und Müttern und Tanten nichts verrathen –
Das ist schon etwas lange her,
Dran denken die guten Alten nicht mehr.
*
Sich in der Schenke
Versammelt haben
Viel tiefgelehrte,
Berühmte Männer,
Herbeigeströmt
Zur Jahressitzung
Aus allen Gauen
Des Vaterlandes,
Des buntgescheckten,
Hanswurstigen.
Sie haben heute
Getagt zusammen
Und viel gehadert;
Es braust noch immer
In ihrem Haupte,
Es grollt noch immer
Aus ihrem Munde
Der ernste Streit.
Dergleichen Köpfe,
So hart, wie Eisen,
Sie pflegen sich
Niemals zu einen;
Ein jeder besteht
Auf eigenem Sinn;
Es ist ein jeder
Sich selbst die höchste
Autorität.
Nur Eines ist,
Da sind sie Alle,
So viel sie sind,
Ganz nur derselben
Opinion:
Der Wein ist gut,
Und reizend ist sie,
Die ihre Reihen
Mit Flasch' und Teller
So flink durchwallet,
Die Kellnerin.
Ein Jeder wünschet,
Daß sie ihm nahe,
Es winket ihr,
Es rufet ihr,
Der Eine da,
Der Andre dorten;
Ein Kühnerer
Umfaßt sie wohl
Und sucht ein Küßchen
Ihr aufzudringen;
Sie ringt sich los,
Die Andern lachen.
Die Lust wird lauter,
Die Gläser klingen,
Die Kämpfe ruh'n.
Die Unität
Der deutschen Lande,
Die hoch verpönt-
Unmögliche,
Man sieht sie hier
Im Wirthslokale
Mit einem Male
Realisirt,
Und nichts dagegen
Hat Polizei
Und Stadtcommissär.
So große Wunder
Verrichten Wein
Und Mädchenwonne;
Was uns auch immer
Entzweien möge,
Das Süße dünket
Uns Allen süße,
Das Schöne finden
Wir Alle schön.
*
Zaubern kann die alte Mutter;
Aus dem Lehme macht sie Butter;
Aus dem Sande macht sie Graupen;
In die Gärten schickt sie Raupen.
Zaubern kann auch ihre Maid;
Doch die übertrifft sie weit.
Aus den Klugen macht sie Thoren;
Wer sie sieht, der ist verloren.
Wo sie lachet, allerwärts
Schickt sie in der Männer Herz
Gluth auf Gluth und Schmerz auf Schmerz.
*
Was ist Sünde? – Will's euch sagen.
Riesenschuld habt ihr zu tragen,
Ohne daß es euch bewußt.
Langeweile machen, haben;
Weder
geben ächte Lust,
Noch sie
fühlen in der Brust,
In der todten; schon begraben
Bei lebendigem Leibe sein –
Das ist Sünde, das allein.
*
Frisch, wie der Morgen;
Frei, wie die Bergluft;
Sanft, wie ein Lämmchen;
Zart, wie ein Blümchen;
Klug, wie ein Schlängelchen,
Ja, wie ein Dämon
Listig und fein,
Bist du, mein Engelchen –
Könnte was eigener,
Einziger sein?
*
Alles so nebelgrau;
Himmel und Luft und Au
Jeglicher Heitre bar.
Aber dein Aug' ist blau;
Aber dein Aug' ist klar.
Wie die Welt auch düstere,
Hier ist heller, herrlicher,
Hehrer Himmel immerdar.
*
Versäumst du, Kind, dein angewohntes Beten,
Beruhige dein bängliches Gewissen!
Dein Beten, es ist überreich vertreten;
Das ächte Beten ist
das ächte Küssen.
*
Verloren ist das alte Paradiese;
Das neue liegt vor uns äonenweit;
Doch mitten in unendlichem Verdrieße
Schwelget die Lieb' in Edens Seligkeit.
*
»Man tritt in Leid aus Wonne,
Man tritt in Nacht aus Sonne,
In Tod aus Leben ein.«
Deß kann ich Unglücksel'ge
Wohl ein Exempel sein.
Stell' dir einmal drei alte Jungfern vor,
Die eine länger und dürrer als die andre,
Mit Physiognomien, wie die Ruinen
Von Luxor, ernst und steif und würdevoll,
Von ihres Amtes hohem Werthe ganz
Durchdrungen, ganz petrificirt und ganz
Krystallisirt – das sind die idealen
Gestalten, sind die edlen Muster, denen
Ich übergeben bin, die mich allhier
In ihre schauerliche Zucht genommen,
Mich,
deine Freundin,
deine Schülerin!
Und nicht genug, daß drei so infernale
Pädagogische Parzen mir mein Schicksal spinnen –
Der schrecklichste von allen Schrecken ist
Der düstre, frömmlerische Trauerflor,
Mit welchem Alles hier behangen ist.
In meinem holden Vaterlande haben,
So mächtig auch Kapuz' und Kutte dort,
Mir doch zuweilen liebliche Madonnen
Das Aug' erfreut. Doch hier ist Alles grau
Und farbelos, nichts waltet hier, als kalte,
Egoistische Sorge für das Seelenheil,
Als unbarmherzig-richterliche Strenge
Mit Anderen, Entbehrung und Erwartung
Des jüngsten Tages und des Weltgerichts.
O Freund! Die Farben meines Narrenkäppchens,
Die sonst so bunten, lustigen, sie sind
Sehr bleich geworden und die Glöckchen dran,
Die sonst so heiter und so helle klangen,
Sind mit Katarrh und Heiserkeit behaftet.
Bonbons für meine Schellchen! Solche hast
Nur du allein, o eile,
Schick' unverzüglich eine Düte voll!
*
Laß mich! Ich habe keine Lust zu tafeln,
So lange du im Blicke mir; es dünkt
Mir roh; es wäre, mein' ich,
Beleidigung für dich, woferne du
Mir nicht allein genug,
Du mein ambrosisch Leben, andere noch,
Gemeinere Bedarfe
Für mich vorhanden wären. Kennst du nicht
Den schönen Spruch: »Es lebt der Mensch nicht nur
Von Brod allein; er lebt
Von jedem Wort, von jedem Hauch der Huld,
Der aus dem Munde der Geliebten weht;
Von jedem Blicke lebt er,
Der ihn vom Auge der Geliebten grüßt?« –
Du lächelst über mein Citat, du meinst,
Nicht ganz so laute sie, die Bibelstelle,
Die ich citirt – sie steht so allerdings
Nicht in der schwarzen auf dem Schranke dort;
Doch in der rosenrothen Liebesbibel,
Da steht sie so, wie ich sie angeführt. –
»
Die Bibel möcht' ich sehen;
Die ist mir leider völlig unbekannt;
Ich hörte nie davon
Ein Wörtchen nur in Schul' und Kirche sagen.« –
Blick' in dein Herz, da ist sie aufgeschlagen,
Und brauchst du einen Commentar dazu,
Die Lieder nimm, die ich dir gab, zur Hand!
*
Jung sein und alt – da kommt's auf Jahr und Tag
Mit nichten an; so lange man dich liebt,
So lange bist du jung; und du bist alt,
So wie die Liebe dir den Abschied giebt.
*
Von wegen meiner Streiche
Laßt keinen Unmuth keimen!
Viel ungereimte Dinge
Thun jene, welche reimen.
Die Unschuld ihres Wesens
Mach' euer Urtheil linder!
Apollo's Söhne sind
Und bleiben ewig Kinder.
*
Entsprossen war er aus gallischem Blut,
Erwachsen in jesuitischer Hut –
Der ward mir nimmer und nimmer gut.
Und warum haßt' er mich so sehr?
Ich war nicht so bigott, wie er,
Und nicht zugleich so dissolut.
*
Es pfeift in unserem Dichterhain
Ein Heer von Spatzen frisch und munter.
Da hebt es an und singt so fein –
'S ist eine Nachtigall darunter.
»Pfui Teufel! Eine Nachtigall.«
So tönet es mit wildem Hall.
»Das ist ja Kunst und nicht Natur;
Das amüsirt die Sinne nur,
Und von Gehalt ist keine Spur.
Der Vogel ist ein fremdes Glied
In unserem ächten Deutschvereine;
Hinaus mit ihm aus diesem Haine!
Hier singt man nur das Spatzenlied.«
*
Für euere »sittliche Welt,« wenn ihr
Etwas befürchtet, das ist zum Lachen.
Es leidet ihre hehre Zier
Von Anderen Nichts und Nichts von mir.
Denn Niemand kann sie schlechter machen,
Als sie schon ist, das glaubet mir!
*
Die falsche Tugend müssen wir,
Die falsche Sitte schelten!
Doch um so heiliger dafür
Wird uns die ächte gelten.
*
»Eine tüchtige Tracht
Prügel« wünscht mir dieser Pöbel – ja,
Prügeln wär ihm lieber noch als Schimpfen;
Morden wär ihm lieber noch als Prügeln;
Auf die edlere, die feinere,
Wenn auch noch so bestienhaft mißbrauchte
Waffe des Wortes sich beschränkt zu sehen,
O wie schmerzlich ist's für Bestien!
*
Aber eure Liebesgaben
Sie erstrecken sich noch weiter:
Auch
Helene soll Prügel haben,
Eine doppelte Tracht sogar!
Würdig ist solch ein Betragen
Einer Kannibalenschaar.
Hört, was indische Weise sagen:
»Nicht mit einer Blume schlagen,
Sollst du einen Frauenleib,
Sollst du selbst ein schuldig Weib!«
Aber das sind Heiden. Ihr,
An der »Offenbarung« Brüsten,
Pranget in ganz anderer Zier,
Ihr, die christlichsten der Christen!
———
XXV.-XXVI.
S. Freimüthige Sachsenzeitung. Mit Gott für König und Vaterland. Juli 1853. <g>Helene</g>, diejenige, der die Frauenbilder gewidmet sind und die mich zur Herausgabe derselben ermuntert hatte. Der indische Spruch steht oben in der indischen Abtheilung Nr. XIII.
*
»Ein Seher ist der Dichter;«
So höret denn ein Lied!
Mir leuchten inn're Lichter;
Mein geistig Auge sieht.
Es macht die hohe Reise
Bis zu des Himmels Thor;
Da steht ein alter Greise,
Sankt Peter steht davor.
Oft scheuchet er Verdammte,
Giebt selten offne Bahn;
Doch bei so saurem Amte,
Kommt ihm ein Schläfchen an.
Er läßt die Arme hängen
Und den er ewig hält
In seiner Hand, der strengen,
Der große Schlüssel fällt.
Da, siehe, schleicht sich leise
Ein schönes Kind herbei
Und stiehlt dem alten Greise
Den Schlüssel frank und frei;
Dann winkt sie schweigend allen,
Die jammernd aus dem Licht,
Hinab zu Thale wallen
In's höllische Gericht.
Welch hastiges Gedränge!
Das Mädchen öffnet sacht;
Es huscht hinein die Menge
In die enthüllte Pracht.
Sankt Peter, der erwachte,
Fährt heftig auf und sieht:
Was keine Seele dachte,
Hilf Himmel, es geschieht.
Mit Myriaden Sündern
Füllt sich das hehre Haus;
Die Welt, mit ihren Kindern,
Die arge, dehnt sich aus;
Die Herde der Erkornen
Verliert sich allumher
Im Drange der Verlornen
Und kennt sich selbst nicht mehr.
Cäcilias Orgelklänge,
Der Halleluja-Schall
Der himmlischen Gesänge
Ersticket in dem Schwall.
Bacchantische Getöne
Beginnen in dem Glanz;
Hier küßt man eine Schöne,
Dort schlingt man einen Tanz.
Der Mode muß man dienen;
Bald geben in dem Saus
Sich hohe Cherubinen
Für Amoretten aus.
Da lacht auf seinem Throne
Sogar der liebe Gott;
Er spricht zu seinem Sohne:
»Nun sind wir bankerott.«
»Doch sei's! Die Langeweile
Verzehrte mich schon lang;
Drum setze mir die Keile
Des Donners nicht in Schwang!
Uns selbst hineinzumischen
Und durch ein Gläschen Wein
Die Seele zu erfrischen,
Das wird das Beste sein.
Du selber hast den Prassern
Zu Kana jenes Tags
Geschaffen aus den Wassern
Die Wonne des Gelags.« –
»Ja,« spricht der Sohn ganz munter,
»Da ging es lustig her.
Mir war seit jenem Wunder
Nicht so gemüthlich mehr.«
So steigen sie denn beide
Hinunter auf den Plan;
Da geht denn erst die Freude,
Da erst der Jubel an.
Denn von dem edlen Orden
Des trunkenen Vereins
Großmeister ist geworden
Der Meister alles Seins.
[Anmerkungen: unter den jeweiligen Text gestellt. Re. für Gutenberg]