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Zigeuner sind so schlimm nicht;
Zigeuner sind gute Leute.
Als unser Herr noch jung war,
Da hielt er's mit den Zigeunern;
Nichts thaten ihm die zu Leide,
Sie waren ihm hold und freundlich;
Dann ging er unter die Fremden,
Die haben ihn gekreuzigt.
*
Die Straße hinab, wo die Liebste wohnt,
Tief rück' ich in's Gesicht den Hut,
Zu bergen ihrer Mutter so
In meinem Blicke die Minnegluth.
*
»Bedecke deine Brüste, Kind!
Ein Knabe sieht sie, ein loser Dieb.« –
Er sehe sie oder er sehe sie nicht;
Denn diesen Knaben, ich hab' ihn lieb.
*
Komm, Mädchen, an dein Fenster,
Komm, wenn die Schatten düstern,
Komm, wenn die Sterne funkeln,
Und halte deine Wacht!
Ich werde dir im Dunkeln
Ein Wörtchen, ein geheimes,
Zigeunerisches, flüstern;
Dann rette dich in's Freie,
Dann wirf dich an die Brust mir,
Dann fliehe mit dem Liebsten
Vertraulich in die Nacht.
*
Gieb mir die Hand, o gieb sie,
Auf welche du geweint hast!
Ich sammle diese Feuchte;
Es ist geweihte Fluth.
*
Laß Jahr auf Jahr vergangen sein,
Seitdem ich in die Nacht hinein
Gesunken aus der Sonne Schein;
Du komme nur, du rufe nur
In meine dunkle Stube!
So wie du meinen Namen nennst,
Tief wird dir aus der Grube
Antworten mein Gebein.
*
Mit jedem Morgengraue,
Bei jedem ersten Licht –
Nicht mit der frischen Quelle,
Nicht mit dem Morgenthaue,
Mit meiner Augen Welle
Wasch' ich mein Angesicht.
*
Ich schlage dich, mein Tamburin;
Ich schwinge mich als Tänzerin;
Ich schlage dich so wild, so wild,
Weil ich so trüb, so trübe bin,
Beschwüre gerne meine Pein,
Betäubte gerne meinen Sinn;
Doch ewig ist mein Kummer wach,
Doch ewig ist mein Friede hin.
Ach käme dir ein Ahnen nur,
Wie krank ich im Gemüthe bin,
Du tönetest nur Herzeleid
Ob deiner armen Schlägerin.
*
Um Wasser fleht' ich,
Um einen Trunk nur,
Und wurde geschmäht
Und ausgestoßen,
Der Lechzende.
Nie mehr seitdem
Hab' ich gefleht;
In die Berge ging ich
Und ward ein Räuber.
*
Zigeuner sitzt auf seinem Pferd;
Sein Mädchen hat er hinter sich;
Zu Händen hat er sein Gewehr,
Das feige Volk, es fürchtet sich.
*
Zigeuner, sie lagern
Im Walde gelinde;
Da kommen die Schergen,
Da flieh'n sie geschwinde.
*
Ich wandert' in des Kerkers
Vermaledeite Hut.
Ich ward herausgerissen
Aus seiner Nacht; ich wurde
Gesetzt auf einen Esel;
Es wurde mir die Schulter,
Die nackte, wund gegeißelt;
Zur Erde rann mein Blut.
*
Zigeuner ist unter die Truppen gegangen,
Ist mit dem Handgeld durchgegangen;
Man hat ihn aber eingefangen,
Und jetzo muß der Arme hangen.
*
»Mutter, es ist so kalt, so kalt;
Es friert mich in das Herz hinein.«
Da hast du, liebes Kindelein,
Da hast du eine Schnur so fein;
Mit selbiger umgürte dich,
Und denk', es sei ein Hemdelein!
*
Ich ging zu einem Priester,
Ich warb mir einen Pathen
Für mein zu taufend Kindelein
Und fischte zwei Dukaten.
Es ist nunmehr das zehnte Mal,
Daß es ein Christ geworden ist;
Das ist ja wohl kein Schaden.
*
Mir unter die Füße kommt ein Schwein;
Ich sehe mich so ganz allein;
Da hebt es an, so laut zu schrei'n:
»Zigeunerlein, Zigeunerlein!
Ich bin ja dein, ich bin ja dein;
Rasch zugelangt, die Müh' ist klein,
Und hurtig in's Gebüsch hinein!«
*
Sah in einer Gasse
Einen Galgen hübsch und fein;
Sprach zu mir der Galgen:
»Hüte dich, Zigeunerlein!«
*
Ein Krieg, der ist so wunderlich;
Er macht zu allen Stunden
Ganz ohne Stahl und ohne Stich
Die tiefsten aller Wunden;
An Aug' und Aug' erinn're dich,
So hast du ihn gefunden.
*
Woferne meine Worte dich
Mit falschem Eid berücken, –
So viele goldne Sterne dort
Auf uns herunter blicken,
So vieler Dolche spitze Wuth
Soll meine Brust durchzücken.
*
Ein leicht Gevögel wenn ich wär',
Zu deinem Munde zög' ich;
Dann rasch das ein' und andre Mal
Die süße Lippe sög' ich;
Dann wieder rasch mit meinem Raub
In alle Weite flög' ich.
*
Ich möchte wohl ein Spiegel sein
Und im Gemache blinken,
Um jene reine Wohlgestalt
Ohn' Unterlaß zu trinken,
Zu staunen ihr, so oft sie steht,
Und Brust und Locke zieret,
Und wiederum ganz Aug' zu sein,
So oft sie sich entschnüret.
*
Steh'n dir Korintherbeerchen an
Und Muskateller-Trauben?
Da nimm sie hin! Doch mußt du mir
Auch einen Kuß erlauben.
Ein Kuß, er kostet dir nicht viel;
Doch ich, für eine Gabe
So süßer Art, ich gebe dir
Gern meine ganze Habe.
*
Von dir geküßt, ich wurde siech,
Ich wurde krank zum Sterben;
Da scheucht' ein neuer Kuß von dir
Gelinde das Verderben.
Doch immer wieder wandelt sich
In bitterböse Noth mir
Das süße Heil – o küsse fort!
Sonst droht der rasche Tod mir.
*
Noch warst du klein und ungereift,
Schon warst du mir so theuer.
Es wölbte sich der Busen dir,
Da flammte welch ein Feuer!
Ein Anderer entraffte dich,
Die Königin der Bräute;
Ihn hat Charonras hingerafft,
Nun bist du
meine Beute.
———
VII.
Charontas oder
Charos, der Engel des Todes, vorgestellt als strenger, mürrischer Greis. Steht im Zusammenhang mit dem
Charon des Alterthums.
*
Und nähm' ich auch zur Dinte mir
Der See gesammte Wogen,
Und nähm' ich auch zum Schreibpapier
Den ganzen Himmelsbogen,
Und schrieb' ich also weit und breit
Ohn' Ende fort – es blieben
Mein Leid und deine Grausamkeit
Doch ewig unbeschrieben.
*
»Deine kecken Liebesscherze,
Loser Knabe, laß sie sein!
Wirf sie, deine Zuckerstückchen,
Andern in die Brust hinein!
Wirst du keine Ruhe gönnen,
Zeig' ich es dem Bischof an,
Und du wirst, geschornen Hauptes,
Schmählich in den Bann gethan.« –
»Deiner Augen Zauberspiele,
Schöne Dirne, laß sie sein!
Wirf sie, diese Feuerbrände,
Andern in das Herz hinein!
Wirst du keine Ruhe gönnen,
Zeig' ich es dem Herrgott an;
Der wird sagen: Dieser Knabe
Werde dieser Dirne Mann!«
*
Zephyros, so leise spielend,
Mein geheimes Wehe fühlend
In gerührter Sympathie –
Ein getreuer Bote zieh',
Hin zu meiner Wonne flieh',
Aber nicht gelinde kühlend,
Flammenhauchend fächle sie!
Dann, so wie die heißen Plagen
Ihre zarte Wange schlagen,
Welche du von ihrem Zagen
Wieder rasch erlösen mußt –
»Zephyros,« so wird sie fragen,
»Welche Gluthen herzutragen,
Kam dich an die seltne Lust?« –
»Seine Seufzer,« sollst du sagen,
»Sendet dir die treuste Brust.«
*
Dein Auge, Dimos, so bezaubernd schön,
Und dein Gemüth, so kalt –
Sie klag' ich an, beugt Jammer ohne Maß
Die Blume meines Seins.
Beschleunige mein Ende, stoße mir
Dein Eisen in die Brust;
Dann mit des Herzens flüssigem Geblüt
Durchnässe dir ein Tuch,
Durch sämmtliche Bezirke trag' es um,
Durch alle Dörfer rings,
Und zeig' es im Triumphe jedem Aug',
Und staunt man an, so sprich:
»Seht das Geblüte jener Aermsten hier,
Die mir ein Uebermaß
Von Huld geweiht und welcher ich dafür
Den Stoß in's Herze gab!«
*
Dort unten in dem Grunde,
Dort unten auf der Trift,
Da wohnt ein alter Unhold
Und eine graue Hexe,
Mit einem Ungethüme
Von bissig argem Hunde,
Und einer holden Dirne,
Die mit des Auges Feuer
Tief in die Seele trifft.
Da steigen aus den Tiefen
Der Seele mir die Wünsche:
Ich wollte, der Teufel holte
Die Hexe sammt dem Unhold,
Ich wollte, der Hund verschluckte
Das allerschärfste Gift.
*
Der Pfaffe klagt, der Pfaffe tobt,
Der Pfaffe von Sankt Peter.
Was that ich ihm, dem Albernen,
Daß er so heult und winselt?
Ich hatte seine Schnur im Arm
Und seine beiden Töchter,
Und einige hundert Stücke Gold
Aus seiner Kiste nahm ich.
*
Wir zechten einen ganzen Tag,
Wir zechten einen zweiten,
Doch wie die dritte Sonne schien,
Zu Ende ging der Wein uns.
Da sandte mich der Hauptmann aus,
Um neuen aufzutreiben;
Doch ich, zu fremd und unbekannt
Mit Wegen und mit Stegen,
Ich folgte schlimm berechnetem,
Ganz irrigem Gewinde.
Dasselbige verlockte mich
Auf eine steile Höhe,
Wo ein Bezirk ganz übersät
Mit Pallikarenhügeln.
Von diesen einer stand allein
Und abgeflacht zur Seite;
Hinüberschreitend setzet' ich
Auf ihn die rasche Sohle.
Da scholl Gedonner und Gestöhn
Aus hohlem Unterreiche.
»Was ficht dich an? Was hast du so
Zu donnern und zu stöhnen?
Ist sie so schwer, die Erde dir,
So groß die Wucht der Platte?« –
»Nicht ist so schwer die Erde mir,
So groß die Wucht der Platte;
Was meine tiefe Ruhe stört,
Was mich so heftig aufregt,
Ist, daß du so unehrenhaft
Mir auf das Haupt getreten.
Ich war ja doch kein Schlechterer,
Kein Feigerer, denn
du bist;
Ich war ein Jüngling, wohlbewährt
Im Pallikaren-Ansturm,
Und reichbeglückt durch Liebeshuld,
Wenn ich im Monde streifte.«
*
Auf des Olympos Höhe senkt
Ein mächtiger Aar die Schwinge,
Ein abgehauenes Menschenhaupt
In seiner Räuberkralle,
Ein trotziges im Tode noch,
Das Haupt von einem Braven.
Und wie er sitzt und wie er schaut
Auf seine Beute, fragt er:
»Da du noch Eins mit deinem Rumpf,
Wer du gewesen, sage!« –
»»Friß, Vogel, meine wilde Kraft,
Verzehre meine Mannheit!
Noch eins so lang, noch eins so breit
Wird Schwinge dir und Kralle.
In Luros und Xeromeros
Da war ich Armatole;
Zwölf Jahre lang behorstet' ich
Als Klephte den Olympos.
Ich brachte sechzig Agas um
Und zündet' ihre Dörfer,
Unzählige Türken außerdem
Und Albanesen würgt' ich.
Der Unterricht genüge dir;
Nun stille deinen Hunger!
Nicht deiner unwerth ist der Raub,
Gewaltiger Vogelklephte!««
*
Auf der Ebene des Vardari
Schlaffen Armes, matten Auges,
Liegt der hingestreckte Vevros,
Und es neigt zu ihm sein Rappe
Das besorgte Haupt und spricht:
»Hebe dich, o mein Gebieter
Und besteige meinen Rücken!
Unsre Schaar, sie zieht von hinnen;
Mehr der Ruhe pflege nicht!« –
»»Guter Rappe, mich erheben
Von der Erde werd' ich nimmer,
Nie besteigen deinen Rücken
Fürderhin, ein rascher Reiter;
Rasten ohne Wandel werd' ich,
Denn ich fühl's, mein Auge bricht.
Eine Grube, guter Rappe,
Grabe mir mit deinen Hufen,
Hebe, wenn du sie gegraben,
Mich hinein mit deinen Zähnen,
Wiederum sodann mit Erde
Fülle sie, die Füße rührend,
Mich zu bergen vor dem Licht.
Dann ergreife dieses Tüchlein,
Trag' es hin zu der Geliebten,
Daß sie drauf, die treue Seele,
Jene Perlen niederregne,
Die so reichlich rollen werden
Von dem holden Angesicht.««