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Die List des Admirals

Djou Yü, der Admiral von Wu, spionierte die Seebefestigungen des Fürsten Tsao Tsao aus und fand sie schön, wohl eingerichtet und in Wahrheit so vortrefflich, daß es nichts Besseres für den Seekrieg geben mochte. Als er nun fragte, wer Tsao's Admiral sei, entgegnete das Gefolge: »Tsai Mao und Dschang Yün.« »Die beiden« dachte Djou Yü, »haben lange im Lande östlich des Flusses Land östlich des Flusses – Land Wu. gelebt und verstehen sich wohl auf den Seekrieg. Ich muß sie fortschaffen, dann kann ich Tsao zu Boden werfen.«

Als Tsao davon vernahm, sprach er zu seinen Offizieren: »Unsere Befestigungen sind vom Feinde ausspioniert worden. Welche List müssen wir anwenden, um ihn wirksam anzugreifen?« Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, so meldete sich einer: »Ich war,« sagte er, »in meiner Jugend ein Schulgenosse und naher Freund des jungen Djou. Ich will meine drei Zoll lange Zunge, die noch nie versagt hat, nützen, um ihn zu überreden, daß er zu uns in das Land östlich des Flusses komme und Wu an uns verrate.« Tsao war hoch erfreut und blickte ihn an. Es war ein Mann aus Kiu Kiang, Dschang Kan mit Namen und mit dem Beinamen Tse J genannt, der zur Zeit Schreiber im Generalstabe war. Da fragte Tsao: »Seid Ihr, Tse J, in Wahrheit mit Djou Yü so nahe befreundet?« »Seid ohne Sorgen,« erwiderte jener, »wenn Kan in das Land links des Flusses geht, so wird es keinesfalls ohne Erfolg geschehen.« »Was wollt Ihr mitnehmen?« fragte Tsao. »Nur einen Knaben zur Bedienung und zwei Knechte für die Schiffahrt, sonst nichts«, erwiderte Kan. Da wurde Tsao fröhlich und ließ ein Festmahl bereiten, um Abschied von Tse J zu feiern.

So fuhr Kan in einem hänfenen Hut und Baumwollkleidern, mit einem kleinen Boote geradewegs in das Lager Djou Yü's und ließ melden, sein alter Freund Dschang Kan sei zu Besuche gekommen. Djou Yü befand sich gerade im Zelt, um eine Beratung abzuhalten. Als er von Kans Ankunft vernahm, freute er sich: »Da kommt der Überredungskünstler!« rief er aus und flüsterte sogleich mehreren Offizieren in die Ohren, wie man sich verhalten solle. Als sämtliche Offiziere ihre Befehle erhalten hatten, wurden sie entlassen. Dann brachte Yü Hut und Gewänder in Ordnung und trat mit seinem Gefolge, einigen hundert Leuten, die sämtlich mit seidenen Kleidern und buntfarbigen Hüten angetan waren und teils vor, teils hinter ihm hergingen, Schar um Schar aus dem Zelte heraus. Dschang Kan hieß seinen schwarzgekleideten Knaben mitkommen und ging ihm furchtlos entgegen. Als Yü sich gebeugt und Kan begrüßt hatte, fragte dieser: »Bist Du, seit wir uns getrennt haben, stets wohl geblieben, teuerster Freund?« »Ich bedaure Tse J aufrichtig,« erwiderte Yü, »daß er so weit über Fluß und See gefahren ist, um mich wegen des Fürsten Tsao zu überreden.« Da sprach Kan: »Lange habe ich Dich nun nicht gesehen. Ich komme zu keinem andern Zwecke, als um Dich zu besuchen. Wenn Du daran zweifelst, so kehre ich unverzüglich um.« Da lachte Yü und nahm ihn beim Arme: »Ich fürchtete nur,« sagte er, »Du wollest mich wegen des Fürsten Tsao überreden. Wenn Dir aber dergleichen Gedanken ferne sind, weshalb willst Du so rasch wieder fort?« Sogleich trat er mit ihm in das Zelt und ließ, als die Empfangszeremonien beendet waren und man die Plätze eingenommen hatte, die Ritter aus dem Lande links des Flußes antreten, um sie Tse J vorzustellen. Bald waren alle Beamten, sämtlich in seidenen Gewändern, und selbst die einfachsten Unteroffiziere und das Gefolge in silbernen Panzern hereingekommen und stellten sich in zwei Reihen auf. Als sie den Gast begrüßt hatten, setzten sie sich geteilt zu beiden Seiten des Tisches. Eine große Festtafel wurde gedeckt, die Musik spielte den Siegesmarsch, die Becher kreisten. »Dieser«, sagte Yü zu den übrigen Beamten, »ist mein Schulgenosse und lieber Freund. Ob er auch aus dem Lande rechts des Flußes kommt, er will uns nicht abtrünnig machen. Daran, befehle ich, soll kein Zweifel unter Euch herrschen!« Sogleich gürtete er sein Schwert ab und reichte es einem der Offiziere, die dabei saßen: »Ihr mögt dieses Schwert tragen«, sprach er, »und mit ihm die Trinkordnung aufrechterhalten. Das heutige Mahl soll nur dem Gespräch über unsere persönliche Freundschaft gelten, wer mit einem Worte daran erinnert, was es zwischen Wu und Tsao auszutragen gibt, der soll sogleich des Todes sein.« Der Offizier gehorchte und saß, die Hände auf das Schwert gestützt, bei Tische. Dschang Kan war erschrocken und wagte nur wenig zu sprechen. Da sagte Djou Yü: »Seit ich die Flotte befehlige, habe ich nie einen Tropfen Weins mehr getrunken. Heute aber habe ich meinen alten Freund getroffen, so soll denn, nun ich nicht mehr an ihm zweifle, getrunken sein, bis ich am Rande bin.« Als er dies gesprochen hatte, lachte er laut auf und trank wacker immerzu. Auf der Tafel sah man nichts mehr als das Kreuzen der Becher und Schalen. So zechten sie, bis sie halb berauscht waren, da faßte Yü zuletzt Kans Hand und führte ihn aus dem Zelte. Links und rechts war alles voll von Soldaten, die bis an die Zähne bewaffnet mit Lanze und Säbel dastanden. »Ist unser Heer nicht wahrhaft ruhmwürdig und tüchtig zum Kampfe?« fragte Yü. »Wahrlich, sie sind wie Tiger und Bären«, entgegnete Kan. Nun führte Yü ihn weiter, bis sie hinter das Zelt kamen, wo man das Getreide wie ein Gebirge aufgestapelt sah. »Ist unser Proviant nicht reichlich und wohl vorbereitet?« fragte Yü. »Tüchtig sind die Soldaten, reich der Proviant,« erwiderte Kan, »es ist wahrlich kein Märchen.« Yü tat betrunken und sprach unter lautem Gelächter: »Als ich mit Dir zusammen auf der Schule war, wer hätte damals gedacht, daß ich so hoch steigen würde?« »Bei Deiner Fähigkeit – wie konnte es anders kommen?« antwortete Kan. Nun faßte Yü wieder Kans Hand und sagte: »Wenn ein großer Mann geboren wird und findet einen Fürsten, der ihn versteht, und der Fürst hört an, was er ihm sagt, wie möchte es anders sein, als daß beide Glück und Unglück miteinander teilen? Und kämen noch einmal Redner zur Welt, wie Su Tsin oder Dschang J gewesen, mit Lippen, aus denen die Rede stürzt wie ein senkrechter Strom, und mit Zungen schneidend wie Schwerter, mein Herz vermöchten sie doch nicht zu bewegen.« Als er dies gesagt hatte, lachte er wieder laut auf, Dschang Kans Gesicht aber erbleichte.

Als er Kan wieder in das Zelt zurückgeführt hatte, ging das Zechen mit den andern aufs neue an. Während sie tranken, wies Yü auf die Anwesenden: »Dies alles«, rief er, »sind Helden aus dem Lande östlich des Flusses. Die heutige Zusammenkunft kann man füglich die «Versammlung der vielen Helden nennen.« So tranken sie bis zum Abend, die Lichter wurden angezündet, da hub sich Yü von seinem Platze, schwang das Schwert und sang:

Ist ein großer Mann auf Erden,
schafft er sich Gefolg und Namen.
Hat er dann Gefolg und Namen,
ist er froh, solang er lebt.

Ist er froh, solang er lebt,
wird er weidlich sich betrinken.
Ist er weidlich dann betrunken,
singt er Unsinn Tag und Nacht.

Als er geendet hatte, lachten alle Gäste in fröhlichem Übermut. So ging es bis tief in die Nacht hinein, bis Kan abwehrte und erklärte, die Kraft des Weines nicht mehr zu ertragen. Da befahl Yü, die Tafel abzudecken. Die Beamten nahmen Abschied und entfernten sich. »Lange habe ich nicht mit Tse J im gleichen Bette geschlafen,« sagte Yü, »heute müssen wir Sohle gegen Sohle schlafen.« Nun stellte er sich gänzlich betrunken und führte Kan in das Schlafzimmer, um mit ihm zu Bette zu gehen. Yü warf sich in den Kleidern auf das Bett, stöhnte und übergab sich, alles durcheinander. Dschang Kan aber vermochte nicht einzuschlafen, lehnte in den Kissen und horchte. Eben schlug zum zweiten Male die Nachttrommel, da setzte er sich auf und sah, daß die Lampe fast herabgebrannt war, aber noch Licht verbreitete. Djou's Schnarchen schallte wie Donner. Da gewahrte Kan auf dem Tische im Zimmer hochgehäuft eine Menge Schriftstücke liegen. Er verließ das Bett und sah verstohlen nach: es waren lauter Briefschaften. Darunter befand sich ein Schreiben, worin die Unterschriften von Tsao's Admiralen Tsai Mao und Dschang Yün zu lesen waren. Kan erschrak heftig. Heimlich las er das Schreiben. Es handelte sich darum, Gelegenheit zu suchen, um Tsao zu töten und das Land an Wu zu verraten. »Wahrlich,« dachte Kan bei sich, »Tsai Mao und Dschang Yün sind heimlich im Einverständnis mit Wu,« und steckte sogleich den Brief in sein Kleid. Da drehte sich Yü im Schlafe auf die andere Seite, Kan blies rasch die Lampe aus und legte sich nieder. Da sprach Yü aus dem Traum, indem er die Worte undeutlich im Munde wälzte: »Tse J, binnen wenigen Tagen werde ich Dich Tsao's Kopf bei mir sehen lassen.« »Schon gut«, sagte Kan, dem nichts andres übrigblieb. Da sprach Yü abermals: »Tse J, bleibe hier, ich werde Dich Tsao's Kopf bei mir sehen lassen.« Als aber Kan weiterfragte, war Yü wieder fest eingeschlafen.

Kan lehnte im Bett. Es war etwa um die Zeit der vierten Nachttrommel, als er plötzlich jemand kommen und rufen hörte: » Admiral, seid Ihr erwacht?« Djou Yü, schlaftrunken, stellte sich, als ob er plötzlich erwache. Absichtlich fragte er den Ankömmling, wer denn da bei ihm auf dem Bette liege? »Ihr selbst habt Tse J eingeladen, mit Euch zusammen zu schlafen,« sprach jener, »habt Ihr es schon vergessen?« Yü entschuldigte sich sehr: »Ich bin des Trinkens ungewohnt,« sagte er, »gestern aber war ich betrunken und hatte die Selbstbeherrschung verloren. Ob ich nicht nachts aus dem Schlafe gesprochen habe?« Da erwiderte der andere: »Es ist einer aus dem Lande rechts des Flusses angekommen.« »Leise!« schalt Yü und rief Kan beim Namen. Dschang Kan aber tat, als ob er fest schliefe. Da ging Yü leise aus dem Zimmer. Kan horchte heimlich. Da vernahm er, wie draußen jemand sagte: »Unsere Admirale Tsai Mao und Dschang Yün erklären, vorläufig sei die Gelegenheit nicht günstig, ihn zu töten.« Dann wurde nur noch geflüstert, so daß man die Worte nicht mehr unterscheiden konnte.

Als eine geraume Zeit verstrichen war, kehrte Yü wieder ins Zimmer zurück und rief: »Tse J!« Dschang Kan aber antwortete nicht, zog sich die Decke über den Kopf und stellte sich weiter schlafend. Nun zog auch Yü sich aus und legte sich nieder. »Djou Yü ist ein kluger Mann«, dachte Kan. »Wenn er morgen früh den Brief nicht mehr findet, läßt er mich umbringen.« Er blieb liegen, bis die Trommel zum fünften Male schlug, dann stand er auf und rief Djou Yü beim Namen. Als er ihn aber fest schlafend fand, setzte er seinen Hut auf und schlich auf den Zehen hinaus. Dort nahm er den kleinen Knaben mit sich und trat aus dem Tor. Die Wache fragte: »Herr, wo wollt Ihr hin?« »Ich fürchte, den Admiral bei seinen Arbeiten zu stören,« entgegnete Kan, »so wollte ich mich denn auf diese Weise entfernen.« Die Wache hielt ihn nicht auf und ließ ihn passieren. Da bestieg Kan das Boot und fuhr mit großer Geschwindigkeit in sein Land zurück.

Als er vor Tsao Tsao erschien, fragte ihn dieser: »Welches ist der Erfolg?« »Der junge Djou«, erwiderte Kan, »ist so treu und beständig, daß er mit Worten nicht überredet werden kann.« »Nun ist wieder nichts geworden,« rief Tsao zornig, »wir werden nur von ihm verspottet werden.« »Ob es mir auch nicht gelang, Djou Yü zu überreden,« sprach Kan, »so habe ich dennoch etwas Wichtiges für Euch in Erfahrung gebracht. Bitte, laßt das Gefolge hinausgehen!« Dann holte Kan den entwendeten Brief hervor, reichte ihn Tsao und erzählte ihm alles, was er in Wu erlebt hatte. Tsao geriet in Wut: »Welche Niedertracht!« rief er aus und ließ sogleich Tsai Mao und Dschang Yün vor sich rufen. Als sie eingetreten waren, sprach Tsao: »Ich beabsichtige, Euch jetzt zum Angriff gegen Wu auszusenden. Seid Ihr bereit?« »Unsere Seemannschaft ist noch nicht ausreichend eingeübt«, erwiderte Mao. »Wir können nicht angreifen, solange es uns an Erfahrung fehlt.« »Wäre die Mannschaft reif zum Kriege,« rief Tsao zornig, »so hättet Ihr meinen Kopf längst dem Djou Yü überbracht.« Die beiden verstanden nicht, was Tsao meinte. Sie gerieten in Schrecken und vermochten nicht zu antworten. Dies steigerte Tsao's Verdacht so sehr, daß er sie sogleich enthaupten ließ.

Als man ihm die Köpfe der beiden überbrachte, sagte er bei sich selber: »Ich bin einer List zum Opfer gefallen.« Die übrigen Beamten fragten ihn, weshalb Tsai Mao und Dschang Yün enthauptet worden seien. Aber ob er auch wußte, daß er einer List zum Opfer gefallen war, mochte er dennoch vor den Untergebenen die Schuld nicht auf sich nehmen und gab vor, die beiden hätten seinen Befehlen zuwider gehandelt, deshalb seien sie zum Tode verurteilt worden. Dies schmerzte die Beamten tief.

Als aber Djou Yü vernahm, wie es mit Tsai Mao und Dschang Yün ergangen war, sprach er: »Niemand habe ich gefürchtet als diese beiden. Nun sie aber getötet worden sind, so werde ich künftig ohne Sorgen leben.«


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