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Im Kreise Tsou lebte einmal ein Beamter, namens Su Lüang He, der mit der Tochter des Si verheiratet war. Er bekam viele Töchter, aber keinen einzigen Sohn, nur seine Nebenfrau hatte ihm einen Knaben mit Namen Meng Pi geboren. Aber dieser war durch eine Erkrankung seiner Füße gelähmt. So entschloß sich He, in die Familie Yien hineinzuheiraten, in der es fünf Töchter gab. Da aber He schon sehr alt war, sprach Vater Yien zu seinen Kindern: »Welche unter Euch will des Beamten aus Tsou Gattin werden?« Keine von den Töchtern gab eine Antwort, nur die jüngste, namens Djing Tsai, trat vor und sagte: »Solange ein Mädchen noch zu Hause ist, muß sie dem Willen ihres Vaters gehorchen. Ist dies aber ihre Pflicht, wozu fragst du noch?« Der alte Yien staunte über ihre Rede und ließ Djing Tsai sogleich dem He anverloben. Als Tsai mit He Hochzeit machte, begaben sich die Neuvermählten miteinander nach einem Tale des Nigebirges, um daselbst einen Sohn für sich zu erflehen. Während Djing Tsai in das Gebirge stieg, siehe, da richteten sich die Blätter aller Bäume und alle Gräser in die Höhe. Als sie zu Ende gebetet hatte und herniederstieg, siehe, da richteten sich die Blätter aller Bäume und alle Gräser wieder nach unten. In derselben Nacht aber träumte Djing Tsai, ein schwarzer Gott riefe sie zu sich und spräche also zu ihr: »Du wirst einen Wundersohn gebären. Doch soll dies nirgends sonst geschehen als inmitten von Kung Sang.«
Als sie erwachte, fühlte sie, daß ihr ein Kind im Leibe wuchs. Eines Tages war es ihr wie im Traume, da sah sie fünf Greise im Zimmer stehen. Sie nannten sich die Geister von den fünf Sternen und hatten ein Tier mit sich gebracht, das hatte das Ansehen eines Kalbes, aber nur ein einziges Horn und die Haut von der Farbe der Drachenschuppen. Es legte sich zu Djing Tsai's Füßen hin, und aus seinem Maule kam ein edelsteinerner Stab, darauf die Inschrift: »Der Sohn des Wassergeistes wird nach der schwachen Dynastie Djou heimlicher König über die Menschen sein.« Djing Tsai ahnte ein Wunder: mit seidenem Bande umwand sie das Horn des Tieres, da war es verschwunden. Als sie dem Su Liang He davon erzählte, sagte er: »Es muß das Einhorn gewesen sein.« Als dann die Zeit der Geburt herannahte, fragte Djung Tsai, ob es einen Ort gebe, der Kung Sang genannt werde. Da entgegnete He: »Im Südgebirge liegt eine Felsenschlucht. Die Schlucht hat eine steinerne Öffnung, aber es fließt kein Wasser daraus. Diese nennt man gemeinhin Kung Sang.« »So will ich dahin gehen, um dort niederzukommen«, sprach Djing Tsai und erzählte ihm, als er nach dem Grunde fragte, was ihr zuvor geträumt hatte. So nahm er sie mit sich und hieß sie in der Felsschlucht liegen.
In derselben Nacht aber erschienen daselbst zwei dunkelblaue Drachen vom Himmel herab und bewachten das Gebirge links und rechts. Auch zwei Engel schwebten daher, nahmen, in der Luft schreitend, wohlriechenden Tau, badeten Djing Tsai darin, verharrten und schwanden. Als dann Kung Fu-Tse geboren war, kam plötzlich ein klarer Quell aus dem steinernen Tor der Schlucht geflossen. In dem Wasser, das schon erwärmt aus dem Felsen sprang, badete sie das Kindlein. Kaum aber hatte sie das Bad beendet, so versiegte der Quell sogleich. Heute nennt das Volk im Kreise Küfu die Gegend, die achtundzwanzig Meilen weiter gen Süden liegt, den Mädchenhügel. Dies ist das nämliche Kung Sang, wo Kung Fu-Tse geboren ward. Wunderbar genug war das Ansehen, das er mit auf die Welt brachte: er hatte Ochsenlippen und Tigertatzen, die Schultern eines Vogels und den Rücken einer Schildkröte. Sein Mund war groß, sein Hals dick, das Gesicht inmitten flach und ringsum gewölbt. Da sprach der Vater: »Das Kind ist geboren als der Geist des Nigebirges. Deshalb wollen wir es Kiu, der Berg, nennen und ihm, da es nach meinem lahmen Sohne Meng Pi zur Welt gekommen ist, den Ehrennamen Tsung Ni, das ist des Zweitgeborenen vom Gebirge Ni, geben.«
Tsung Ni war noch klein, als sein Vater starb, und wurde daher von Djing Tsai erzogen. Als er herangewachsen war, maß er neun Fuß und sechs Zoll, so daß er auch den Namen des Riesen erhielt. Seine Tugend war wunderbar, sein Fleiß unermüdlich. Er durchwanderte alle Länder, seine Schüler erfüllten die ganze Welt, und es gab keinen Herrscher, der seinen Namen nicht geehrt hätte.