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Mai.

»Du lehrtest mich, Du schöner Mai,
Daß Poesie die Liebe sei!«

Ein jeder aus der Monden Reih'
Hat sein besondres Wesen:
Als junger Dichter ward der Mai
Vom Jahre auserlesen.
Mai hauchet Lieb' und Lebenslust
Und Poesie in jede Brust!

Von oben strömt der Lebenstrieb
Im milden Strahl der Sonne;
Das Herz erfreuet Duft und Lieb'
Und frische Lebenswonne.
Der Wand'rer singt schon in der Früh'
Von Liebeslust und Poesie.

Im Thal ein Sehnsuchtsseufzer klingt
Und rauscht im grünen Walde;
Ein Lied von treuer Minne dringt
Herab von Berges Halde.
Von Liebe singt als Troubadour
Die ganze blühende Natur.

In diesem grünen Waldessaal'
Kam Odin einst geschritten,
Traf Freya hier zum ersten Mal',
In hoher Buchen Mitten.
Hier pflanzten sie im Morgenschein
Den südlich-frischen Rosenhain.

Am klaren Bache lag einst da
Das Linnen auf der Bleiche,
Als Signe nach den Schiffen sah,
Am Strand' hier, bei der Eiche.
Hier ward ihr Hagbarths erster Kuß,
Sein Lebewohl, sein Abschiedsgruß.

Die Woge küßt mit sanftem Laut
Die Blumenau' am Strande;
Was sie in fernem Land geschaut,
Das plätschert sie im Sande
Hier, wo in ihres Meermanns Arm
Agnete ruhte liebeswarm.

Sie flüstert: »Wo die Fluth sich bricht
An Grönlands Eisgestaden,
Wo bei der Sonne mattem Licht
Wallross' und Robben baden:
Auch in des Eskimoen Brust
Am öden Strand wohnt Liebeslust.

Und weiter zog ich ruhevoll
Nach glücklich'ren Gefilden.
Musik erklang, die Trommel scholl
Im Palmenland der Wilden.
Von Lieb' der Indianer sang,
Als jubelnd er im Tanze sprang.«

So schwatzt die Welle mit dem Rain
In kosendem Geflüster;
Mich aber treibt der Sonnenschein
Hin in des Waldes Düster.
Die Lerche steigt zum Himmelsblau
Vom Brautbett auf der grünen Au.

Am Teich, aus breiter Blätter Reif,
Den weißen Kelch ich breche.
Der Fisch schlägt munter mit dem Schweif,
Und sonnt sich auf der Fläche,
Taucht schweigend und schwimmt stille fort;
Der Liebe fehlet oft das Wort!

Es zieht ein Wölkchen über's Feld,
Beschattet halb die Auen;
Doch doppelt ist die Stadt erhellt:
Was will man dort erbauen?
Wozu der Baum mit Flaggen? sag'!
– »Es ist ja heut' Walpurgistag!«

Der Bauerbursch', am Hut ein Band,
Aufs Pferd sich fröhlich schwinget:
Den Sommer reitet er in's Land;
Horch! die Musik erklinget.
Die Melodie ist einfach, alt,
Der Burschen Lied gar lieblich schallt:

»Im Frühlingsschmuck prangt die Natur,
Was wir erfleh'n, gewähr' uns!
Schenk Obst dem Baum und Gras der Flur;
Der Liebe Gott, erhör' uns!

D'rum tragen wir zur Stadt den Mai:
Was wir erfleh'n, gewähr' uns!
Des Himmels Herr gelobet sei!
Der Liebe Gott, erhör' uns!

Laß Hopfen, laß das Korn gedeih'n,
Was wir erfleh'n, gewähr' uns!
Daß wir des Segens uns erfreu'n;
Der Liebe Gott, erhör' uns!

Behüt' vor Noth das Vaterland,
Was wir erfleh'n, gewähr' uns!
Den König schütz' mit gnäd'ger Hand;
Der Liebe Gott, erhör' uns!

Das, was uns frommt, bekannt ist's Dir:
Was wir erfleh'n, gewähr' uns!
In Jesu Namen beten wir:
Der Liebe Gott, erhör' uns!«

»O, holder Mai, sei uns gegrüßt!«
Die Mädchen Antwort sagen.
Zum Tanze Paar an Paar sich schließt,
Wer wird den Kranz wohl tragen?
– Erröthend tritt sie aus der Schaar,
Den Kranz in dem gelösten Haar.

Spiel' nur die alte Melodie,
O Greis! zum frohen Tanze,
Denn heut' wird Alles Poesie
Im Maiensonnenglanze.
Du lehrtest mich, Du schöner Mai,
Daß Poesie die Liebe sei!


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