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Thorwaldsen.

I.
Jason und der Alexanderzug.

(Geschrieben zum Fest am 7. Octbr. 1838.)

Des Schiffes Rumpf steht fertig ganz,
Stolz hat es sich erhoben;
Mit weh'ndem Danebrog ein Kranz
Zum Ruhm des Werk's prangt droben!
Als es ein alter Matrose sah,
Rief er: »Ruhm wird's dem Lande!«
Im Winkel lag auch ein Knabe da
Im ärmlichen Gewande.
Doch Dänemarks Genius trat heran
Mit unsichtbarem Walten,
Sah fest darauf den Knaben an,
Sprach nach die Worte des Alten.
Die Schiffe, den wilden Schwänen gleich
Sie fuhren nach fernen Schranken,
Und kehrten an köstlichen Schätzen reich,
Das machte dem Knaben Gedanken.
Er sah die Schiffe mit Namen genannt;
Auf einem, des Namens würdig, stand
»Jason« am hohen Steven hehr,
Und der Knabe ließ sich erzählen die Mähr
Von der Argonauten Zuge, die dreist
Das goldne Vließ schlugen in Banden;
Nachzog gen Kolchis des Knaben Geist:
In ihm war Jason erstanden.
Die Muse kam zur nächtlichen Stund'
In des alten Bildschnitzers Zimmer;
Sie küßte des kleinen Knaben Mund,
Auf der Stirne spielt ihm ein Schimmer.
Das Kolchis der Kunst lag vor ihm da,
Mit Farben, mit Düften und Tönen;
Die hohen Götter er vor sich sah,
Die Strahlen der Macht sie umkrönen.
Doch die Christussonne stieg groß und rein,
Sie mußten wie Nebel zerstieben;
Verwandelt in weißes Marmorgestein,
Nah christlichen Städten sie blieben.
Die glänzende Wand, sie war zu seh'n,
Doch klang es wie Orgeltöne:
»Wer erlöst uns wieder aus diesen Weh'n
Zu Göttern und Formen voll Schöne?«
Da fiel des Trostes mildes Wort
Als Thau auf die Blätter im Haine:
Ein Jüngling ist kommen vom hohen Nord,
Der belebt Euch gar mächtig die Steine!
Das Gesicht war verschwunden, der Traum auch mit,
Der Kleine lag wachend zu Hause.
Der Gedanke trieb ihn auf Schritt und Tritt,
Die Mus' erfüllt' jegliche Pause.
Es wuchs sein Talent, zwar unbewußt noch,
Wie mächtig er vorwärts gegangen;
Ein Sehnen, Verlangen fühlt' er jedoch,
Hielt auch Mutterlieb' ihn umfangen.

Nach Kolchis-Italia trieb es ihn an,
Er zog von den dänischen Buchen,
Der Genius adelt den Knaben zum Mann,
Und der Mann muß im Kampf sich versuchen.
Ein jeglicher Künstler ist Argonaut,
Sein Weg geht auf trügenden Wellen;
Die Stymphalide verfolgt ihn laut,
Wenn Stürme sein Schiff nicht zerschellen.
Das edelste Herz kann treffen ein Pfeil
Von der Mißgunst vergifteten Pfeilen;
Wer ein Jason ist, dem wird Kolchis zu Theil:
Wir sehen nach Kolchis ihn eilen. –
Jene Mythe ihm stets vor dem Ohre klang,
Still war er, in ernstester Stimmung;
Jetzt schlug er den Fels und Jason entsprang,
Nun begriff er erst seine Bestimmung.
Nicht Mythe war mehr der Genius,
Zur Klarheit sah man ihn dringen;
Ein Alexander vom Scheitel zum Fuß,
Der die Welt will, und muß sie bezwingen.
Zwar bangt er: »Gewonnen ist Alles schon,
Was gibt's, das mir noch verbliebe?«
Die Grenzen der Kunst kennt kein Erdensohn,
Sie wächst, wie beim Künstler die Liebe.
Gezähmt zum Kampfe Bucephalus geht,
O die Erd' ist rasch zu durchschreiten!
Ein Alexander der Genius steht,
Ein Markstein ewiger Zeiten.

Die Klänge der Siegesfanfaren
Durchtönen das weite Rund,
Vom Vatikan zum Schlosse des Czaren,
Hin über die Thems' und den Sund.
Der Genius zog ein in Babylon,
Den Siegszug wollt' er uns zeigen;
Die Grazien sangen am Helikon:
Dir wird ein Gleicher zu eigen!
Ein herrlicher Tag im September war,
Die dänischen Flaggen sich breiten,
Und Dänemarks Genius stolz und wahr
Schrieb die Mythe von Jason dem Zweiten,
Vom Alexanderzug hehr und hoch,
Als das Volk das Ufer umstrandet,
Und unter dem Banner der Künste zog
Entgegen ihm, jubelnd: »Er landet!«
Des Himmels siebenfarbiger Bogen
War drüber als Ehrenpforte gezogen.

Des Alltagslebens erbärmlicher Dunst
Muß doch auf Minuten entweichen;
In ihm huldigten wir der heiligen Kunst,
Dem Apostel aus geistigen Reichen!

II.
An Thorwaldsen

bei seiner Aufnahme in den Studentenverein. Die Mitglieder dieses Vereins in Copenhagen sind ältere und jüngere Männer der Wissenschaft; nur Solche, die studiren oder studirt haben, können demselben beitreten; allein mit Thorwaldsen wurde eine Ausnahme gemacht. – Nur im October findet auf der Copenhagener Universität die Immatriculation Statt.

Im Weinmond da wird man Student:
Wenn im Examen man bestanden,
Kann Griechisch, Römisch excellent,
Weiß, wie Euklids Gesetz' sich fanden,
Und gut erzählt, was Klio schrieb. –
Dies trugen wir einst leidlich vor;
Die trefflichste Censur Dir blieb:
– Du Antwort gabst in Marmor.

Du wardst Student und, glaub' es mir,
October just muß das bescheeren.
Du hast Dich durchgeschlagen, hier
Bringst Du die Redensart zu Ehren.
»Was lasest wohl Du im Homer,
Mit welchem Buch machst Du Parade?«
– Da stelltest Du in Thon uns her
Die ganze Iliade.

Wie Phidias dereinstens sprach,
Sprichst herrlich Du in allen Landen;
Was in Horazens Tönen lag,
Gabst plastisch Du: Du hast's verstanden.
Der Schönheit Kreise zogest Du,
Riefst Götterform aus Erdenschooße,
Und in Geschichte stelltest Du
Selbst Klio dar, die Große.

Man fragt nach Deinem Christenthum:
– In Marmor lässest Du's erblicken.
Sieh! Christus kam in's Heiligthum,
Mit Kraft und Mild' uns zu erquicken.
Du triebest so Astronomie,
Daß uns Copernikus geblieben;
Du machst den Stein zur Poesie:
Den Styl hast Du geschrieben.

Dänisch, Latein, mit Marmorwort
Sprachst Du, daß wieder Todtes lebte;
Vernommen ward's im Süd, im Nord,
Daß Dänmarks Mutterherz stolz bebte.
Ein Jünglingskreis steht um Dich her,
Die Augen glüh'n wie Freudenkerzen;
Wer liebt wohl und bewundert mehr,
Als frische, junge Herzen?

III.
An Thorwaldsens Sarge,

gesungen von dem Gesangverein der Studenten.

Ihr Armen, Niedern, kommt zum Sarge her,
Und sprecht, denn ihr seid seine Standsgenossen:
Ein Stolz für unser Land und Volk war er,
Glanz über Dänmarks Reich hat er ergossen!
Gott legt' ihm Reichthum, Adel in den Sinn,
Und hat in ihm sich herrlich uns erwiesen.
Sein Tod schallt durch die weiten Lande hin;
Wer seinen Sarg nur sieht, wird schon gepriesen!
Vollbracht ist seine Sendung hier, er schwand;
Wir haben ihn gekannt!

Sein Leben war beglückt, schön war sein Tod,
Herrlich sind seine Werke, wer schuf gleiche?
Im Kreis des Volks und ohne Krankheitsnoth,
Schwang geistesfrei er sich zu Gottes Reiche.
Wir steh'n betäubt: es war von Gott ein Strahl,
Aus nied'rer Hütt' erleuchtend allerwege.
Der Strahl erglänzt: er präget sich ein Mal
In Stein, dem Nord unsterbliches Gepräge!
Schmilz im Gesange hin, mein Weh'!
Gesegneter, Ade!

IV.
Die Tänzerin. Ganymedes. Amor und Psyche.

In einer Familie, die Thorwaldsen fast täglich besuchte und wo er bei den Tanzübungen der Kinder mit lebhafter Theilnahme den Zuschauer machte, wurde beschlossen, ihn am Abende des ersten März, seinem sogenannten römischen Geburtstage, durch die Kinder mit einem Tanze um seine Werke: die Tänzerin, Ganymedes mit dem Adler und Amor und Psyche zu überraschen. Ein hierauf Bezug habendes Lied sollte abgesungen werden. Alles war geordnet, das Lied geschrieben, – da starb der große Künstler.

Künstler, mild und groß! der Du
Freundlich schau'st den Kleinen zu,
Die im Tanze schweben hin
Wie die schöne Tänzerin;
Sie, die steh'n wird, unerreicht,
Wenn der Kinder Haar gebleicht,
In des Marmors weißer Hülle:
Holdes Kind mit Weibes Fülle!
Anmuth hauchst Du in den Stein,
Weckst ihn zu lebend'gem Sein.
Unschuldsfroh die Kinderschaar
Reicht den Lorbeerkranz Dir dar.

Wie des Adlers Klau' den Blitz,
Schwingt Genie des Geistes Witz.
Ganymed reicht hier dem Aar
Knie'nd den güldnen Becher dar:
So knie't vor des Genius Macht
Die Natur in hehrer Pracht.
Wo das rechte Wort uns fehlet,
Spricht der Stein, den Du beseelet:
Das Genie trinkt rein und hell
Labung aus des Geistes Quell,
Der dem Born des Alls entfließt –
Ganymed vom Aar geküßt.

Unsre volle Lieb' gewann
Jene Psyche, edler Mann!
Die in Deinem Herzen wohnt,
Und die hier im Steine thront,
Seit dem Marmor Leben gab
Deines Meißels Zauberstab.
Ein Gedicht hast Du vollführet,
Das der Lorbeer würdig zieret!
Sieh', es thut der Kleinen Mund
Einst noch ihren Enkeln kund:
»Ihm, mit Genius' Strahl geschmückt,
Hab' ich Aug' in Aug' geblickt!«


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