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Was ist die Poesie? – Im Traumgebild
Wirst Du sie, wie im Ewigwahren finden;
Einzelnes bald, bald was das All erfüllt,
Wird wechselnd Dir das kleine Wort verkünden.
Das Ird'sche, wie des Himmels Harmonie
Ist Poesie.
Der mächt'ge Fels, der in die Wolken ragt,
D'rauf durch Gestein der Quell den Weg sich bahnet,
Auf dessen Höh' der Gemsenjäger zagt,
Wo ehrfurchtsvoll der Mensch die Gottheit ahnet;
Die hehre, herrliche Natur, auch sie
Ist Poesie!
Im tiefen Schachte bei der Lampe Schein
Pocht still der Knappe und mit heiterm Sinne.
Sein Herz blieb oben bei dem Liebchen fein,
Er singt ein leises Lied von treuer Minne.
Auch dieses Leben, voll Gefahr und Müh',
Ist Poesie.
Hell blitzt das Schwert; es fliegt das glüh'nde Erz;
Dort brennt die Stadt; hier stürmt man eine Schanze;
Zerschmettert bricht so manches Heldenherz,
Und träumt im Tode noch vom Lorbeerkranze.
Auch hier, wenn die Karthaune Kugeln spie,
Wohnt Poesie.
In Banden seufzen in dem engen Raum
Des Sklavenschiffes unsre schwarzen Brüder. –
Ein Leichnam sinkt herab – mit weißem Schaum
Hat ihn die Fluth bedeckt – sie schließt sich wieder.
Im sanften Tod – daß er der Schmach entflieh' –
Wohnt Poesie.
Erkorst Du Dir ein süßes, holdes Lieb,
Dem Deine Seele und Dein Herz zu eigen;
Wenn Dir das Ihre nicht verschlossen blieb,
Und spricht ihr Aug', wenn ihre Lippen schweigen:
Dann findest Du in ihres Blicks Magie
Die Poesie.
Des Knaben Traum von Glück und Macht und Ruhm,
Wie die Erinnerung des schwachen Greisen;
Der Gattin Walten in dem Heiligthum
Des Hauses, daß in seinen stillen Kreisen
Des Gatten und der Kinder Glück erblüh',
Ist Poesie.
Verrieth
sie Dich, der Du geweiht Dein Herz,
Wenn kalt der Jugendfreund sich von Dir wendet,
Selbst in der Seele Leid wohnt, wie im Schmerz,
Wenn Dir der Himmel herbe Täuschung sendet –
Und ward zur Wirklichkeit Dein Hoffen nie –
Noch Poesie!
Der Freiheitsrausch verflog und jener Held
Büßt in Sibirien sein heiß Gelüste.
Er welkt dahin – die Eiche ward zerspellt –
Allein mit seinem Weh in eis'ger Wüste.
Auch sein Gebet, wenn fleh'nd er sinkt aufs Knie,
Ist Poesie.
Es ragt ein kahler Fels im Ocean,
Dort ruht der Held, nicht wo er es geboten;
Mit Pilgern legt hier an so mancher Kahn,
Sie wollen knie'n am Grab des großen Todten.
Die tiefe Stille hier ist Melodie,
Ist Poesie.
Der Harfe Klang, der frohe Jugendtanz,
Die Welt im Samenkorn wie in dem Sterne;
Das Grab mit seinem welken Blumenkranz,
Des Busens Drang nach ungekannter Ferne;
Genuß des Lebens, wie Philosophie
Ist Poesie.
Zur Sonne stieg ich einst, ein junger Aar;
Ich wollte kühn zur Himmelspforte dringen;
Jetzt steht mein Lebensbaum der Blüthen baar:
Zu früh geknicket, sanken meine Schwingen.
Mein Dichterglaube – ach, er schwand zu früh! –
War Poesie.