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1. – Samstag.
Der erste April! Nur noch drei Monate. Das ist einer der schönsten Morgen des ganzen Jahres gewesen. Ich war zufrieden in der Schule, denn Coretti hatte mir versprochen, übermorgen zu kommen, um den König ankommen zu sehen, zusammen mit seinem Vater, »der ihn kennt«, wie er zu sagen pflegt, und weil mir meine Mutter am gleichen Tage versprochen hatte, mich in die Kinderbewahranstalt auf dem Corso Valdocco zu führen. Auch war ich heiter gestimmt, weil sich das Maurermeisterlein besser befindet, und weil gestern abend der Lehrer zu meinem Vater im Vorbeigehen sagte: – Es geht gut, es geht gut. Und zudem war es ein schöner Frühlingsmorgen. Durch die Fenster der Schule sah man den blauen Himmel, die Bäume des Gartens, ganz mit Knospen bedeckt und die geöffneten Fenster der Häuser mit Kistchen und Töpfen, in denen es schon grünte. Der Lehrer lachte nicht, denn er lacht nie, aber er war guter Laune, so sehr, daß man die gerade Furche auf der Mitte der Stirne fast nicht mehr sah, und er erklärte scherzend ein Rechenexempel an der Wandtafel. Man sah, daß er sich freute die frische Luft des Gartens einzuatmen, die durch die offenen Fenster hereinzog, erfüllt von einem guten, frischen Erd- und Blättergeruch, der an die Spaziergänge auf dem Lande erinnerte. Während er erklärte, hörte man in einer benachbarten Straße einen Schmied auf den Amboß schlagen, und in dem Hause gegenüber eine Frau singen, um ihr Kind einzuschläfern; weit weg in der Kaserne Cernaia tönten Trompeten. Alle schienen zufrieden, mit Ausnahme Stardis. Auf einmal schlug der Schmied stärker, die Frau sang lauter. Der Lehrer unterbrach sich und lauschte. Dann sagte er langsam, durch das Fenster blickend: – Ein lachender Himmel, eine Mutter welche singt, ein Ehrenmann der arbeitet, Knaben welche studieren … wie schön ist das alles! – Als wir aus der Schule traten, sahen wir, daß auch alle andern lustig waren; alle gingen in Reihen, trällernd und mit den Füßen stampfend, wie am Vorabend einer viertägigen Vakanz; die Lehrerinnen schäkerten; die mit der roten Feder hüpfte hinter ihren Kinderchen her, wie eine kleine Schülerin; die Eltern sprachen und lachten zusammen, und die Mutter Crossis, die Gemüsefrau, hatte im Korbe so viele Veilchensträußchen, daß der Wohlgeruch das ganze, große Vorzimmer erfüllte. Ich fühlte mich noch nie so froh wie diesen Morgen, besonders als ich meine Mutter auf der Straße auf mich warten sah. Und ich sagte zu ihr, als ich ihr entgegenging: – Ich bin so froh; was ist es nur, das mich diesen Morgen so fröhlich macht? – Und meine Mutter antwortete mir lächelnd, es sei die schöne Jahreszeit und das gute Gewissen.
3. – Montag
Punkt zehn Uhr sah mein Vater durch das Fenster Coretti, den Holzhändler und dessen Sohn, welche mich auf dem Platze erwarteten, und er sagte zu mir: – Da sind sie, Heinrich; gehe und schaue deinen König an.
Ich ging hinunter, geschwind wie der Blitz: Vater und Sohn waren noch lebhafter als gewöhnlich und es schien mir, sie hätten sich noch nie so ähnlich gesehn, wie diesen Morgen; der Vater hatte auf der Jacke die Ehrenmedaille zwischen zwei Denkmünzen und trug den Schnurrbart frisiert und spitz wie zwei Nadeln.
Wir machten uns sofort auf den Weg nach dem Bahnhof, wo der König um halb elf Uhr ankommen sollte. Vater Coretti rauchte die Pfeife und rieb sich die Hände. – Wisset ihr, – sagte er, daß ich ihn seit dem Kriege von Sechsundsechzig nicht mehr gesehen habe? Die Kleinigkeit von fünfzehn und einem halben Jahre!
Coretti nannte den König: – Humbert, – wie einen Kameraden. – Humbert befehligte die 16. Division, Humbert war zweiundzwanzig Jahre und so und so viele Tage alt, Humbert ritt ein Pferd so und so. –
– Fünfzehn Jahre! – sagte er laut, indem er den Schritt beschleunigte. – Ich wünsche wirklich von Herzen, ihn wieder zu sehen. Ich habe ihn verlassen als er Prinz war, ich werde ihn als König wieder sehen. Und auch ich habe meinen Beruf gewechselt: ich bin vom Soldaten zum Holzhändler avanciert. – Und er lachte.
Der Sohn fragte: – Wenn er Euch sähe, würde er Euch wieder erkennen?
Der Vater fing an zu lachen.
– Du bist nicht gescheidt, – antwortete er. – Das müßte seltsam zugehen. – Er, Humbert, war nur einer und wir so viele wie die Fliegen. Und dann, ja, da hatte er wohl mehr zu thun, als uns einen nach dem andern zu betrachten!
Wir gelangten auf den Corso Viktor Emanuel; dort war eine große Menge, die sich dem Bahnhofe zuwälzte. Eine Kompagnie Alpenjäger zog unter Trompetenklang vorüber. Zwei Carabinieri galoppierten vorbei. Alles funkelte und blitzte.
Wir waren am Bahnhof angelangt; da war eine große Menge Kutschen, Wachen, Carabinieri, Gesellschaften mit Fahnen. Eine Regimentsmusik spielte. Vater Coretti versuchte unter die Halle zu treten, aber es wurde ihm untersagt. Nun suchte er sich in die vorderste Reihe der Menge, welche Spalier bildete, durchzudrängen, und indem er sich Bahn brach, gelang es ihm auch uns vorwärts zu bringen. Aber die wogende Menge drängte uns bald hier-, bald dorthin.
Der Holzhändler richtete seine Augen auf den ersten Stützpfeiler der Halle, wo die Wachen niemanden stehen ließen. – Kommt mit mir, – sagte er plötzlich; und indem er uns bei den Händen zog, durchlief er in zwei Sprüngen den leeren Raum und stellte sich dort auf, mit den Schultern an der Mauer.
Sofort lief ein Polizeimann herbei und sagte zu ihm: – hier darf man nicht stehen.
– Ich bin vom vierten Bataillon des Neunundvierzigsten – antwortete Coretti, indem er seine Medaille berührte.
Der Brigadier sah ihn an und sagte: – Bleibt.
– Hab' ich es nicht gesagt? – rief Coretti triumphierend aus; – es ist ein magisches Wort, dieses vierte vom Neunundvierzigsten! Habe ich nicht das Recht, meinen General ein wenig bequem zu sehen, ich, der in seinem Heere gedient hat!
Indessen sah man im Wartesaal und vor demselben eine große Menge von Herren und Offizieren und vor der Türe hielten in einer Reihe die Kutschen bei denen sich rot gekleidete Dienerschaft befand.
Ja, damals! rief Vater Coretti. Der Teufel war los! Sie stürzten auf uns los wie Furien. Sie umschwirrten die Haufen, die Carrés, die Kanonen, wie wenn sie ein Wirbelwind herumgedreht hätte und hieben alles zusammen. Es war ein Durcheinander von leicht bewaffneten Reitern von Alexandrien, von Lanzenträgern von Foggia, von Infanterie, Uhlanen, Schützen, ein Höllenlärm, daß man nichts mehr verstand. Ich hörte rufen: – Hoheit! – ich sah die gesenkten Lanzen kommen, wir feuerten die Gewehre ab, eine Rauchwolke verdeckte alles … Dann verzog sich der Rauch … Die Erde war mit verwundeten und toten Pferden und Uhlanen bedeckt. Ich kehrte mich um und sah in unserer Mitte Humbert, mit einem Ausdruck als wolle er fragen: – Ist von meinen Jungen keiner verletzt? Und wir schrieen ihm zu: – Evviva! – ihm gerade ins Gesicht, wie verrückt. Heiliger Gott, welcher Augenblick! … Da kommt der Zug an.
Die Musik spielte, die Offiziere liefen herbei, die Menge erhob sich auf die Fußspitzen.
– O, er kommt nicht sogleich heraus, – sagte eine Wache; – jetzt halten sie ihm eine Rede.
Vater Coretti wollte aus der Haut fahren. – Ach! wenn ich daran denke, – sagte er, – ich sehe den König immer inmitten des Schlachtgewühls mit dem ruhigen Angesicht. Ein Held ist er, unser König. Ihr wisset, ihr Jungen, wie er, als die Cholera in Neapel wütete und die Menschen dort vor Angst den Kopf verloren hatten, ruhig und fest selber die Spitäler besuchte und furchtlos auf den Stätten des Todes wandelte. Ja, das Volk Italiens glaubt an seinen König, denn er ist ein guter Vater seines treuen Volkes.
Brausende Rufe unterbrachen ihn, Tausende von Hüten erhoben sich in die Luft, vier schwarzgekleidete Herren stiegen in den ersten Wagen.
– Er ist's! – schrie Coretti und schwieg wie bezaubert.
Dann sagte er leise: – Heilige Madonna, wie ist er grau geworden!
Wir alle drei zogen die Hüte: die Kutsche kam langsam vorwärts, mitten durch die Menge, welche schrie und die Hüte schwang. Ich betrachtete Vater Coretti. Er schien mir ein anderer, er schien größer geworden zu sein, ernst, ein wenig bleich, gerade stehend, an den Pfeiler gelehnt.
Die Kutsche kam vor uns an, einen Schritt vom Pfeiler. – Evviva! – riefen viele Stimmen.
– Evviva! – rief Coretti nach den andern. Der König sah ihm ins Gesicht und heftete seinen Blick auf die drei Medaillen.
Nun verlor Coretti den Kopf und schrie: – Viertes Bataillon vom Neunundvierzigsten!
Der König, der sich schon nach einer andern Seite gedreht hatte, kehrte sich gegen uns, und indem er Coretti in die Augen sah, streckte er die Hand aus der Kutsche.
Coretti machte einen Sprung vorwärts und drückte sie ihm. Die Kutsche fuhr vorbei, die Menge brach herein, und trennte uns, wir verloren Vater Coretti aus den Augen. Aber nur einen Augenblick. Sofort fanden wir ihn, schwer atmend, mit feuchten Augen, den Sohn beim Namen rufend, indem er die Hand in die Höhe hielt. Der Sohn warf sich gegen ihn und er rief: – Hier, Kleiner, meine Hand ist noch warm! – und er fuhr ihm mit der Hand um das Gesicht herum, indem er sagte: – Das ist eine Liebkosung vom Könige.
Und wie träumend blieb er stehen, die Augen auf die sich entfernende Kutsche heftend, lächelnd, die Pfeife zwischen den Händen, mitten in einer Gruppe von Neugierigen, die ihn betrachteten. – Es ist einer vom Neunundvierzigsten, – sagten sie. – Es ist ein Soldat, der den König kennt. – Und der König hat ihn wieder erkannt. – Und hat ihm die Hand gedrückt. – Er hat dem König eine Bittschrift gegeben, – sagte einer laut.
– Nein, – sagte Coretti, indem er sich rasch umwandte – ich habe ihm keine Bittschrift gegeben, ich. Ich würde ihm etwas anderes geben, wenn er es verlangte. –
Alle betrachteten ihn.
Und er sagte einfach: – Mein Blut.
4. – Dienstag.
Meine Mutter führte mich gestern, wie sie mir versprochen hatte, nach dem Frühstück in die Kleinkinder-Anstalt am Corso Valdocco, um der Direktorin die kleine Schwester von Precossi zu empfehlen. Ich hatte nie ein Asyl gesehen. Wie lustig war es darin! Zweihundert Knaben und Mädchen, so klein, daß die unserer unteren Abteilung der ersten Klasse im Vergleich zu ihnen Riesen sind. Wir kamen gerade in dem Augenblicke an, als sie in einer Reihe in den Speisesaal traten, wo zwei sehr lange Tische mit vielen runden Löchern waren und in jedem Loch ein Suppennapf voll Reis und Bohnen, mit einem zinnernen Löffel daneben. Kaum waren sie eingetreten, als einige auf dem Boden zu spielen anfingen, bis die Lehrerinnen kamen und sie aufrichteten. Viele hielten vor einem Napf an, da sie glaubten, dies sei ihr Platz, und verschlangen schnell einen Löffel voll. Dann kam eine Lehrerin und sagte: – Vorwärts! – und nun rückten jene um drei oder vier Schritte weiter und mausten einen andern Löffel voll. Dann gings wieder vorwärts, bis sie an ihrem Platze ankamen, nachdem sie fast eine halbe Portion Suppe stibitzt hatten. Endlich, nach vielem Stoßen und Rufen: – Geschwind! Geschwind! – stellten sich alle nach der Ordnung auf und das Gebet begann. Aber alle von der innern Reihe, welche um zu beten dem Suppennapf den Rücken wenden mußten, drehten den Kopf rückwärts, um den Napf im Auge zu behalten, daß niemand darin fische, und dann beteten sie so, mit gefalteten Händen und den Augen gegen den Himmel, aber mit dem Herzen beim Brei. Dann setzten sie sich zu Tische. Ach, welch' lustiges Schauspiel! Eines aß mit zwei Löffeln, das andere mit den Händen; viele lasen die Bohnen eine um die andere heraus und steckten sie in die Tasche, andere hingegen drehten sie in den kleinen Schürzen fest und klopften darauf, um einen Kuchen zu machen. Es waren auch solche da, welche nicht aßen, um die Fliegen herumschwirren zu sehen. Es kam mir vor wie ein Hühnerhaus. Aber köstlich war es! wahrlich ein schöner Anblick, diese zwei Reihen kleiner Mädchen, alle mit auf dem Wirbel gebundenen Haaren, in welche viel rote, grüne und blaue Bänder geschlungen waren. Eine Lehrerin fragte eine Reihe von acht Mädchen: – Wo wächst der Reis? – Alle acht sperrten den Mund voll Suppe auf, und antworteten mit einander in singendem Tone: – Er – wächst – im – Wasser. – Dann befahl die Lehrerin: – Die Hände in die Höhe! – Und nun war es schön zu sehen, wie diese Ärmchen, die vor wenig Monaten noch in den Wickelbändern waren, in die Höhe schnellten, und wie sich alle diese Händchen wie ein Schwarm weißer und rosenfarbiger Schmetterlinge bewegten.
Nach dem Essen war die Freistunde; zuerst nahmen alle ihre Körbchen, die an der Wand aufgehängt waren, mit den Eßwaren darin, herunter, dann gingen sie in den Garten und zerstreuten sich, indem sie ihre Vorräte hervorzogen: Brot, gekochte Pflaumen, ein Stückchen Käse, ein gesottenes Ei, kleine Äpfel, eine Hand voll gesottener Erbsen, den Flügel eines Hahns. In einem Augenblick war der ganze Garten mit Krümchen bedeckt, als ob man sie für einen Schwarm Vögel gestreut hätte. Sie aßen auf die seltsamste Weise, wie die Kaninchen, wie Ratten, oder wie Katzen, nagend, leckend, saugend. Da war ein Kind, das einen Zwiebackstengel auf der Brust hielt und mit einer Mispel rieb, als wolle es einen Säbel glänzend machen. Mädchen preßten in der Faust kleine, weiche Stückchen Käse, welcher wie Milch durch die Finger und in die Ärmel hineinlief; und sie bemerkten es gar nicht! Sie liefen und jagten sich, mit den Äpfeln und den Brötchen zwischen den Zähnen, wie Hündchen. Ich sah drei, welche mit einem Holzspahn ein gesottenes Ei aushöhlten, als glaubten sie Schätze darin zu entdecken. Sie streuten die Hälfte auf die Erde und lasen dann Stückchen für Stückchen mit großer Geduld auf, als ob es Perlen wären. Um diejenigen, welche etwas Außergewöhnliches hatten, standen zu acht oder zehn mit geneigtem Kopfe, um in das Körbchen zu sehen, als hätten sie den Mond im Sodbrunnen entdeckt. Wohl zwanzig umstanden ein winzig kleines Kerlchen, das in der Hand ein Päckchen mit Zucker hatte, und alle machten ihm Komplimente, um die Erlaubnis zu bekommen, das Brot tunken zu dürfen und er erlaubte es einigen, andern aber, so sehr sie baten, lieh er nur seinen Finger und sie durften daran saugen. Unterdessen war meine Mutter in den Garten gekommen und liebkoste bald das eine, bald das andere. Viele liefen ihr nach, kletterten sogar an ihr hinauf, um einen Kuß zu erhaschen, indem sie das Gesicht in die Höhe streckten, als ob sie in ein drittes Stockwerk hinaufschauten und den Mund öffneten und schlossen. Eines bot ihr ein angebissenes Viertel einer Orange, ein anderes eine Brotkruste; ein Mädchen gab ihr ein Blatt; ein anderes Mädchen zeigte ihr mit großer Ernsthaftigkeit die Spitze des Zeigefingers, wo man beim aufmerksamen Hinsehen eine mikroskopisch kleine Geschwulst bemerkte, die es sich am Tage vorher zugezogen hatte, indem es die Flamme der Kerze berührte. Sie zeigten ihr, als wären es große Wunder, die kleinsten Insekten, daß ich nicht wußte, wie sie es nur machten dieselben zu sehen und aufzuheben, halbe Flaschenkorke, Hemdknöpfchen, kleine Blüten, die sie von Topfblumen abgerissen. Ein kleiner Knabe mit verbundenem Kopfe, welcher um jeden Preis gehört sein wollte, stammelte ihr, ich weiß nicht was für eine Geschichte von einem Purzelbaum vor, von der man kein Wort verstand; – ein anderer wollte, daß meine Mutter sich zu ihm herunterneigte und er sagte ihr ins Ohr: – Mein Vater macht Kleiderbürsten. – Und währenddem gab es da und dort tausend Unglücksfälle, so daß die Lehrerinnen hinzuliefen: Mädchen, welche weinten, weil sie einen Knoten am Taschentuch nicht auflösen konnten, andere, welche mit Kratzen und Kreischen um zwei halbe Äpfel stritten, ein Knabe, der mit Gesicht und Bauch auf ein umgestürztes Bänkchen gefallen war und über dieses Unglück schluchzte, ohne sich wieder erheben zu können.
Bevor meine Mutter fortging, nahm sie einige der Kleinen auf den Arm und nun liefen sie von allen Seiten herbei, um auch aufgehoben zu werden. Sie hatten die Gesichter mit Eierdotter und Orangensaft gefärbt, und einige ergriffen ihr die Hände, andere faßten sie am Finger um den Ring zu sehen; das eine zog sie an der Uhrkette, das andere wollte sie an der Haarflechte zausen. – Geben Sie acht, – sagten die Lehrerinnen, – sie verderben Ihnen das ganze Kleid. – Aber meine Mutter achtete nicht auf das Kleid und fuhr fort sie zu küssen und die Kinder drängten sich immer näher, die vordersten breiteten die Arme aus, als wollten sie sich anklammern, die entferntern suchten durch den Haufen zu dringen und alle schrieen: – Addio! Addio! Addio! Endlich gelang es ihr, aus dem Garten zu schlüpfen. Und nun liefen alle, steckten ihre Köpfchen zwischen die Eisenstäbe des Gitterwerkes, um sie vorbeigehen zu sehen, und streckten die Arme hinaus, um sie zu grüßen, wozu sie ihr immer noch Stückchen Brot, Bissen von Mispeln und Kasrinde anboten und alle schrieen miteinander: – Addio! Addio! Addio! Komm morgen wieder! Komm ein anderes Mal! – Meine Mutter streifte, als sie davoneilte, mit einer Hand über diese hundert erhobenen Händchen, wie über einen Kranz frischer Rosen und endlich rettete sie sich auf die Straße, ganz mit Krümchen und Flecken bedeckt, zerknittert und zerzaust; eine Hand voll Blumen und die Augen voll Thränen, befriedigt, als käme sie von einem Feste. Und man hörte noch den Lärm von drinnen, wie ein Gezwitscher von Vögeln: – Addio! Addio! Komm ein anderes Mal!
5. – Mittwoch.
Da das Wetter immer sehr schön ist, turnen wir nicht mehr im großen Saale, sondern an den Geräten im Garten. Garrone war gestern im Zimmer des Direktors, als die Mutter Nellis kam, die blonde, schwarz gekleidete Dame, um ihren Sohn von den neuen Übungen dispensieren zu lassen. Jedes Wort kostete sie große Anstrengung und sie sprach, indem sie eine Hand auf das Haupt des Sohnes legte. – Er kann nicht … – sagte sie zum Direktor. Aber Nelli zeigte sich so betrübt, daß ihm die Geräte vorenthalten wurden und er auch diese Demütigung noch erfahren müsse. – Du wirst sehen, Mama, – sagte er, – daß ich es kann wie die andern. – Seine Mutter sah ihn stillschweigend mit einem Ausdruck von Mitleid und Zärtlichkeit an. Dann bemerkte sie mit Zurückhaltung: – Ich fürchte seine Kameraden … – Sie wollte sagen: Ich fürchte, daß sie ihn necken. – Aber Nelli antwortete: – das macht mir nichts … und dann ist ja Garrone da. Es genügt mir, wenn nur er nicht lacht. – Und dann ließen sie ihn kommen. Der Lehrer, der mit der Narbe am Halse, der unter Garibaldi gedient hat, führte uns sofort ans Klettergerüst, das sehr hoch ist, und man mußte bis zu oberst klettern und sich aufrecht auf den Querbalken stellen. Derossi und Coretti gingen hinauf wie zwei Affen; auch der kleine Precossi stieg schnell, obgleich gehindert durch seine große Jacke, die ihm bis auf die Knie geht; und um ihn lachen zu machen, während er hinaufstieg, wiederholten alle seine stehende Redensart: – Entschuldige mich, entschuldige mich; – Stardi schnaubte wie ein welscher Hahn, biß die Zähne aufeinander, daß er aussah, wie ein toller Hund; aber mit Ach und Krach wollte er doch oben ankommen und er kam wirklich an und Nobis auch, und als er dort oben war, nahm er die Haltung eines Kaisers an; aber Votini rutschte zweimal herab, trotz seines schönen, neuen Kleides mit blauen Streifen, das eigens für das Turnen gemacht ist. Um leichter hinaufzukommen hatten sich alle die Hände mit griechischem Pech, Kolophonium nennt man es, bestrichen; versteht sich, war es der Schacherer Garoffi der allen das Pulver verschafft, indem er die Schachtel für einen Soldo verkauft und natürlich etwas daran gewinnt. Dann kam die Reihe an Garrone, der hinaufstieg, indem er Brot kaute, wie wenn das nichts wäre, und ich glaube, er wäre imstande gewesen, einen von uns auf den Schultern hinaufzutragen, so sehr ist er untersetzt und stark, dieser junge Stier. Nach Garrone kam Nelli. Kaum sahen sie ihn, wie er seine langen und dünnen Hände an die Stangen legte, als viele zu lachen und zu spotten begannen. Aber Garrone kreuzte seine dicken Arme auf der Brust und ließ seine Augen so unzweideutig umherblitzen, gab so deutlich zu verstehen, daß er sofort, auch in des Lehrers Gegenwart, einige Ohrfeigen fliegen lassen würde, daß alle im Augenblick zu lachen aufhörten. Nelli begann zu klettern; er hatte große Mühe, der Arme, sein Gesicht wurde bläulich, er atmete stark, der Schweiß rann ihm von der Stirne. Der Lehrer sagte: – Komm herunter. – Aber nein, er gab sich alle Mühe, war hartnäckig; ich erwartete von einem Augenblick zum andern, ihn halb tot herunterrollen zu sehen. Armer Nelli! Ich dachte, wenn ich an seiner Stelle wäre und meine Mutter mich sähe, wie sie darunter leiden würde, meine arme Mutter, und als ich dieses dachte, war ich Nelli so gut, und würde alles mögliche gegeben haben, wenn ich ihn unbemerkt von unten hätte schieben können, damit es ihm gelänge, hinaufzukommen. Unterdessen sagten Garrone, Derossi und Coretti: – Auf, hinauf, Nelli, Kraft, noch einen Ruck, Mut! – Und Nelli machte noch eine heftige Anstrengung, einen Seufzer ausstoßend, und befand sich nun noch zwei Spannen vom Querbalken. – Bravo! – riefen ihm alle zu. – Mut! noch einen Ruck! – Und wirklich, Nelli hatte den Balken ergriffen. Alle klatschten in die Hände. – Bravo! – sagte der Lehrer, – aber nun ist's gut; steige nur herab. – Aber Nelli wollte bis zu oberst steigen, wie die andern, und nach einer kleinen Anstrengung gelang es ihm die Ellbogen auf den Balken zu stützen, dann die Knie, dann die Füße: endlich erhob er sich aufrecht und keuchend, und lächelnd betrachtete er uns. Wir klatschten von neuem in die Hände und nun sah er in die Straße. Ich drehte mich nach jener Seite und sah durch die Büsche, welche das Geländer des Gartens bedecken, seine Mutter, welche auf dem Trottoir spazierte, ohne daß sie herzuschauen wagte. Nelli stieg herunter und alle lobten ihn; er war außer Atem, sein Gesicht rosig, die Augen glänzten, er schien nicht mehr der Gleiche. Dann beim Hinausgehen, als seine Mutter ihm entgegenkam, ihn küßte und ein wenig beunruhigt fragte: – Nun, armer Sohn, wie ist's gegangen? – antworteten alle seine Kameraden zusammen: – Er hats gut gemacht! – Er ist hinaufgestiegen wie wir. – Er ist stark, wissen Sie. – Er ist behend. – Er bleibt nicht hinter den andern zurück. – Da hätte man die Freude der Frau sehen sollen! Sie wollte danken und konnte nicht, drückte dreien oder vieren die Hand, machte Garrone eine Liebkosung und zog den Sohn fort, und wir sahen sie noch ein Stück weit in Eile gehen, miteinander reden und gestikulieren, alle beide so froh, wie sie noch niemand gesehen hatte.
11. – Dienstag.
Welch schöne kleine Reise machte ich gestern mit meinem Vater! Als er vorgestern beim Mittagessen die Zeitung las, entfuhr ihm auf einmal ein Ausruf der Verwunderung. Dann sagte er: – Und ich glaubte ihn seit zwanzig Jahren tot! Wißt ihr, daß mein erster Elementarlehrer, Vincenzo Crosetti, der jetzt vierundachtzig Jahre alt ist, noch lebt? Ich sehe, daß ihm das Ministerium für sechzig Jahre Unterrichten die Verdienstmedaille gegeben hat. Sechzig Jahre, versteht ihr? Und erst vor zwei Jahren hat er das Schulhalten aufgegeben. Armer Crosetti! Er wohnt eine Eisenbahnstunde von hier, in Condove, im Dorfe unserer alten Gärtnerin des Landhauses. – Heinrich, fuhr er fort, wir wollen ihm einen Besuch machen. – Und den ganzen Abend sprach er nur noch von ihm. Der Name seines ersten Lehrers rief ihm tausend Dinge aus seiner Knabenzeit ins Gedächtnis zurück, von seinen Gefährten, von seiner verstorbenen Mutter. – Crosetti! – rief er aus. – Er war schon vierzig Jahre alt, als ich zu ihm ging. Es scheint mir, ich sehe ihn noch. Ein schon etwas gebeugtes Männchen, mit klaren Augen, mit immer glatt rasiertem Gesicht. Er war streng, behandelte uns jedoch gut und wohlwollend wie ein Vater, ließ aber nie etwas durchgehen. Er hatte sich vom Bauern emporgearbeitet, durch vieles Studieren und durch Entbehrungen. Ein Ehrenmann. Meine Mutter verehrte ihn und mein Vater behandelte ihn wie einen Freund. Wie ist's wohl zugegangen, daß er nun in Condove ist, soweit von Turin weg? Er wird mich gewiß nicht mehr erkennen. Thut nichts, ich erkenne ihn. Vierundvierzig Jahre sind vorübergegangen. Vierundvierzig Jahre, Heinrich! – morgen werden wir ihn besuchen.
Und gestern morgen um neun Uhr waren wir an der Station der Eisenbahn nach Susa. Ich wollte, daß auch Garrone mitkäme; aber er konnte nicht, denn seine Mutter ist krank. Es war ein schöner Frühlingstag. Der Zug flog durch grüne Wiesen und blühende Hecken dahin und man sog eine balsamische Luft ein. Mein Vater war gut gelaunt und jeden Augenblick legte er mir den Arm um den Hals und sprach zu mir, wie zu einem Freunde, indem er die Landschaft betrachtete. – Armer Crosetti! – sagte er. – Er ist der erste Mensch nach meinem Vater, der mir gut war und mir Gutes erwies. Einige seiner guten Ratschläge und ein paar barsche Vorwürfe, die mir noch auf dem Heimweg die Kehle zuschnürten, habe ich niemals vergessen. Er hatte dicke, kurze Hände. Ich sehe ihn noch, wie er beim Eintreten in die Schule den Stock in den Winkel stellte und den Mantel immer mit der gleichen Bewegung am Kleiderständer aufhängte. Und alle Tage dieselbe Heiterkeit, immer gewissenhaft, voller Güte und aufmerksam, als ob er jeden Tag zum erstenmale Schule halten würde. Ich erinnere mich, als hörte ich es jetzt, wie er mir zurief: – Bottini, eh, Bottini! Zeigefinger und Mittelfinger auf die Feder! – Er wird sich sehr verändert haben in vierundvierzig Jahren. –
In Condove angelangt, suchten wir unsere alte Gärtnerin von Chieri, welche einen kleinen Laden in einem Gäßchen hat, auf. Wir fanden sie mit ihren Kindern; sie empfing uns mit großer Freude, gab uns Nachrichten von ihrem Mann, der aus Griechenland, wo er seit drei Jahren arbeitet, zurückkehren sollte, und von ihrem ältesten Mädchen, das in der Taubstummenanstalt in Turin ist. Dann bezeichnete sie uns den Weg zum Hause des Lehrers, der allgemein bekannt ist.
Wir verließen das Dorf und schlugen einen Fußweg ein, der zwischen blühenden Hecken auf eine Anhöhe führte.
Mein Vater sprach nicht mehr, er schien ganz in seinen Erinnerungen aufzugehen; oft lächelte er und dann schüttelte er wieder den Kopf.
Plötzlich stand er still und sagte: – Da ist er. Ich wette, er ist's.
Uns entgegen den Fußweg herunter kam ein kleiner Greis mit weißem Bart und einem breiten Hut; er stützte sich auf einen Stock, schleppte die Füße nach und seine Hände zitterten.
– Er ist's, – wiederholte mein Vater, den Schritt beflügelnd.
Als wir in seiner Nähe waren, hielten wir an.
Auch der Greis stand still und betrachtete meinen Vater. Er hatte noch ein frisches Gesicht, klare und lebhafte Augen.
– Sind Sie, – fragte mein Vater, indem er den Hut zog, – der Lehrer Vincenzo Crosetti?
Auch der Greis zog den Hut und antwortete mit etwas zitternder, aber voller Stimme: Ich bin's.
– Nun, – sagte mein Vater, indem er seine Hand ergriff, – erlauben Sie einem Ihrer alten Schüler Ihnen die Hand zu drücken und Sie zu fragen, wie es Ihnen ergeht. Ich bin von Turin gekommen, um Sie zu sehen.
Der Alte betrachtete ihn verwundert. Dann sagte er: – Sie thun mir zuviel Ehre an … ich weiß nicht … Wann, mein Schüler? entschuldigen Sie. Ihren Namen, mit Erlaubnis.
Mein Vater nannte seinen Namen: Alberto Bottini, und das Jahr, in dem er zu ihm in die Schule gegangen war und wo; und fügte bei: – Sie werden sich meiner natürlich nicht mehr erinnern. Aber ich erkenne Sie so gut.
Der Lehrer senkte den Kopf und sah auf die Erde, nachdenkend, und murmelte zwei- oder dreimal den Namen meines Vaters; dieser betrachtete ihn unterdessen mit unverwandtem, lächelndem Gesicht.
Plötzlich erhob der Greis das Gesicht mit weit geöffneten Augen und sagte langsam: – Alberto Bottini? der Sohn des Ingenieurs Bottini? der auf dem Platze Della Consolata wohnte?
– Derselbe, – antwortete mein Vater, ihm die Hände hinstreckend. – Dann … – sagte der Greis, – erlauben Sie mir, lieber Herr, erlauben Sie mir, – und er ging auf meinen Vater zu und umarmte ihn; sein weißes Haupt reichte meinem Vater kaum bis an die Schultern. Mein Vater lehnte die Wange an seine Stirne.
– Haben Sie die Güte mit mir zu kommen, – sagte der Lehrer.
Und ohne zu sprechen wandte er sich um und ging auf sein Haus zu. In wenig Augenblicken langten wir bei einem Häuschen mit zwei Türen an. Um die eine herum war die Mauer ein wenig geweißt.
Der Lehrer öffnete die zweite und hieß uns in ein Zimmer treten: Es waren vier weiße Wände; in einem Winkel ein Feldbett mit einer weiß und blau gewürfelten Decke, in einem andern ein Pult mit einer kleinen Bibliothek; vier Stühle und eine alte, an eine Wand genagelte Wandkarte; ein guter Geruch von Äpfeln war wahrnehmbar.
Wir setzten uns alle drei. Mein Vater und der Lehrer sahen sich einige Augenblicke stillschweigend an.
– Bottini! – rief der Lehrer aus, indem er die Augen auf den mit Ziegelsteinen belegten Boden heftete, wo die Sonne spielte. – O! ich erinnere mich gut, Ihre Mutter war eine so gute Frau! Sie saßen im ersten Jahre eine Zeit lang in der ersten Bank linker Hand, in der Nähe des Fensters. Laßt sehen, ob ich mich noch erinnere. Ich sehe Ihren lockigen Kopf noch. – Dann blieb er ein wenig nachdenkend. – Sie waren ein lebhafter Knabe, nicht wahr? gewiß! Das zweite Jahr waren Sie an der Bräune krank. Ich erinnere mich noch, als man Sie wieder in die Schule brachte, abgemagert und in einen Shawl eingewickelt. Es sind seither vierzig Jahre, nicht wahr? Sie sind recht freundlich, daß Sie sich Ihres armen Lehrers erinnern. Auch andere meiner alten Schüler sind schon gekommen, wissen Sie, in frühern Jahren, mich hier zu besuchen: ein Oberst, Geistliche, mehrere Herren. – Er fragte meinen Vater, welches sein Beruf sei. Dann sagte er: – Ich freue mich, ich freue mich von Herzen. Ich danke Ihnen. Seit langer Zeit habe ich keinen mehr gesehen. Und ich fürchte sehr, Sie seien der letzte, lieber Herr.
– Was sagen Sie nur! – rief mein Vater aus. Sie sind gesund und noch rüstig. Sie dürfen nicht so reden.
– Eh nein, – antwortete der Lehrer; – sehen Sie dieses Zittern? – und er zeigte die Hände. – Das ist ein schlechtes Zeichen. Es hat mich vor drei Jahren gepackt, als ich noch Schule hielt. Anfangs achtete ich es nicht; ich glaubte, es werde vergehen. Aber im Gegenteil, es blieb und nahm zu. Es kam ein Tag, an dem ich nicht mehr schreiben konnte. Ach! jener Tag, jenes erste Mal, da ich einen Klecks auf das Heft eines meiner Schüler machte, war ein Schlag für mein Herz, lieber Herr. Ich schleppte mich noch einige Zeit; aber endlich konnte ich nicht mehr. Nach sechzig Jahren Schulhaltens mußte ich der Schule, den Schülern, der Arbeit lebewohl sagen. Und es war hart, wissen Sie, es war hart. Das letzte Mal, da ich unterrichtete, begleiteten mich alle nach Hause und feierten mich; aber ich war traurig, ich sah ein, daß mein Leben zu Ende sei. Schon das Jahr vorher hatte ich meine Frau und meinen einzigen Sohn verloren. Es blieben mir nur zwei Enkel, welche Bauern sind. Jetzt lebe ich von einigen hundert Franken Pension. Ich leiste nichts mehr; die Tage wollen nie zu Ende gehen. Meine einzige Beschäftigung, sehen Sie, ist die, meine alten Schulbücher, Sammlungen von Schulzeitungen, einige Bücher die mir geschenkt worden sind, zu durchblättern. Da sind sie, sagte er, indem er auf die kleine Bibliothek wies; sie sind meine Erinnerungen, meine ganze Vergangenheit … Es bleibt mir sonst nichts auf der Welt.
Dann in einem plötzlich heitern Tone: – Ich will Ihnen eine Überraschung bereiten, lieber Herr Bottini.
Er erhob sich und nachdem er zum Pulte getreten war, öffnete er ein langes Schubfach, das mehrere kleine Pakete enthielt, alle mit Schnürchen zusammengebunden und auf jedem war ein Datum in vier Ziffern geschrieben. Nachdem er ein wenig gesucht hatte, öffnete er eines, durchblätterte viele Papiere, zog ein schon vergilbtes Blatt heraus und überreichte es meinem Vater. Es war eine seiner Schularbeiten aus der Zeit vor vierzig Jahren! Oben stand geschrieben: Alberto Bottini. Diktat. 3. April 1838. – Mein Vater erkannte sofort seine große Knabenschrift und fing lächelnd an zu lesen. Aber auf einmal wurden seine Augen feucht. Ich erhob mich und frug ihn, was er habe.
Er schlang einen Arm um meinen Leib und mich an seine Seite drückend sagte er: – Schau dieses Blatt. Siehst du? Das sind die Korrekturen meiner armen Mutter. Sie verstärkte immer die l und t. Und die letzten Zeilen sind ganz von ihr. Sie hatte meine Buchstaben nachahmen gelernt und wenn ich müde und schläfrig war, beendigte sie die Arbeit für mich. Meine gute, heilige Mutter!
Und er küßte diese Seite des Blattes. – Das, – sagte der Lehrer, auf die andern Pakete zeigend, – das sind meine Erinnerungen. Jedes Jahr habe ich eine Arbeit von jedem Schüler bei Seite gelegt und alle sind geordnet und numeriert. Hie und da durchblättere ich sie, und lese da eine Zeile und dort eine und tausend Dinge kommen mir ins Gedächtnis zurück, es scheint mir, als sähe ich die vergangenen Zeiten wieder. Wie viele sind vorbeigegangen, lieber Herr! Ich schließe die Augen und sehe Gesichter hinter Gesichtern, Klassen hinter Klassen, Hunderte und Hunderte von Knaben, von denen wer weiß wie viele schon tot sind. An viele erinnere ich mich gut. Ich erinnere mich gut an die Besten und an die Schlimmsten, an die, welche mir viel Freude bereiteten und an die, welche mir traurige Augenblicke verursachten; denn es mußte auch Schlangen geben, das versteht sich, in einer so großen Zahl! Aber jetzt, Sie begreifen es, ist's, als ob ich schon in der Welt dort oben wäre und ich habe alle gleich lieb.
Er setzte sich wieder und nahm eine meiner Hände zwischen die seinigen.
– Und von mir, – fragte mein Vater lächelnd, erinnern Sie sich keines tollen Streiches?
– Von Ihnen, mein Herr! – antwortete der Greis, auch lächelnd. Nein, im Augenblick nicht. Aber das will gar nicht heißen, als hätten Sie keine begangen. Sie waren jedoch vernünftig, Sie waren ernst für Ihr Alter. Ich erinnere mich an die große Zuneigung, die Sie für Ihre Mutter hatten … Aber das ist recht gut, recht hübsch von Ihnen, daß Sie gekommen sind, mich zu besuchen! Wie haben Sie Ihre Arbeiten im Stiche lassen können, um einen armen, alten Lehrer aufzusuchen?
– Hören Sie, Herr Crosetti – antwortete mein Vater lebhaft, – ich erinnere mich an das erstemal, da meine Mutter mich in die Schule begleitete. Es war das erstemal, daß sie sich für zwei Stunden von mir trennen und mich außer Hause in andern Händen als in denen meines Vaters lassen mußte; in den Händen einer im ganzen genommen unbekannten Person. Für dieses gute Wesen war mein Eintritt in die Schule wie der Eintritt in die Welt, die erste von einer Reihe notwendiger und schmerzlicher Trennungen; zum erstenmal nahm ihr die Gesellschaft den Sohn, um ihn ihr nie mehr ganz zurückzugeben. Sie war gerührt und ich auch. Sie empfahl mich Ihnen mit zitternder Stimme und als sie fort ging, grüßte sie noch durch die Türspalte mit thränengefüllten Augen. Und im gleichen Augenblick machten Sie ihr eine Gebärde mit einer Hand, indem Sie die andere auf die Brust legten, als ob Sie ihr sagen wollten: – Meine Dame, setzen Sie Vertrauen in mich. – Nun, diese Ihre Gebärde, Ihren Blick, der mir zeigte, wie Sie alle Gefühle, alle Gedanken meiner Mutter verstanden hatten, diesen Blick, der sagen wollte: – Mut! – diese Gebärde, die ein ehrliches Versprechen von Schutz, Zuneigung und Nachsicht war, ich habe sie nie vergessen, sie blieben mir für immer ins Herz gegraben und dieses Andenken ist es, das mich von Turin hieherkommen ließ. Und da bin ich nun, nach vierundvierzig Jahren, um Ihnen zu sagen: Dank, lieber Lehrer.
Der Lehrer antwortete nicht; er streichelte mir die Haare, und seine Hand glitt mir zitternd von den Haaren auf die Stirne, von der Stirne auf die Schultern.
Unterdessen betrachtete mein Vater die nackten Wände, das ärmliche Bett, ein Stück Brot und ein Öllämpchen, die auf dem Fenstersims waren, und es schien, als wolle er sagen: – Armer Lehrer, nach sechzigjähriger Arbeit ist das dein ganzer Lohn?
Aber der gute Alte war zufrieden und er begann wieder mit Lebhaftigkeit von unserer Familie, von andern Lehrern aus jenen Jahren und von den Schulkameraden meines Vaters zu sprechen; dieser erinnerte sich an einige, an andere nicht und einer gab dem andern Nachricht über diesen und jenen; endlich unterbrach mein Vater die Unterhaltung, um den Lehrer zu bitten ins Dorf hinab zu steigen, um mit uns zu frühstücken. Er antwortete mit gedehnten Worten: – Ich danke Ihnen, ich danke Ihnen; aber er schien unentschieden. Mein Vater ergriff seine beiden Hände und bat ihn wieder. – Aber wie mache ich es nur, um zu essen, – sagte der Lehrer, – mit meinen armen Händen, die immer tanzen? Es ist eine Plage auch für die andern! – Wir werden Ihnen helfen, Herr Lehrer, – sagte mein Vater. Und nun nahm er an, indem er mit dem Kopfe wackelte und lächelte.
– Ein schöner Tag ist heute, – sagte er, indem er die äußere Türe schloß, – ein schöner Tag, lieber Herr Bottini! Ich versichere Ihnen, daß ich mich daran erinnern werde, so lange ich lebe.
Mein Vater gab dem Lehrer den Arm, dieser nahm mich bei der Hand und wir stiegen den Fußweg hinab. Unterwegs begegneten wir zwei Mädchen, welche barfuß waren und Kühe führten, und einem Knaben, der mit einer großen Bürde Stroh vorbei lief. Der Lehrer sagte uns, es seien zwei Schülerinnen und ein Schüler der zweiten Klasse, welche am Morgen das Vieh auf die Weide führten und barfuß in den Feldern arbeiteten, und am Abend die Schuhe anzögen und in die Schule gingen. Sonst trafen wir niemand an. In wenig Augenblicken langten wir im Wirtshause an und setzten uns an einen großen Tisch, den Lehrer in der Mitte und begannen sofort zu frühstücken. Das Wirtshaus war ruhig wie ein Kloster. Der Lehrer war sehr heiter und die Rührung verstärkte sein Zittern; er konnte fast nicht essen. Mein Vater schnitt ihm das Fleisch, brach ihm das Brot, legte ihm das Salz in den Teller. Um trinken zu können, mußte er das Glas mit beiden Händen halten, und dann klapperte es noch gegen seine Zähne. Aber er sprach lebhaft, mit Wärme, von den Lesebüchern aus der Zeit da er noch jung war, von den Stundenplänen jener Zeit, von den Lobsprüchen, welche ihm seine Vorgesetzten gemacht hatten, von den Reglements aus den letzten Jahren, immer mit demselben heitern Gesicht, das etwas geröteter als früher war und mit einer lustigen Stimme und einem Lachen, das fast tönte wie das eines Jünglings. Und mein Vater betrachtete ihn, betrachtete ihn mit dem gleichen Ausdruck, den ich oft an ihm wahrnehme, wenn er mir zu Hause zusieht, wenn er seinen Gedanken nachhängt und lächelt, das Gesicht auf die Seite geneigt. Der Lehrer ließ sich Wein über die Brust fließen; mein Vater erhob sich und wischte ihm den Rock mit der Serviette ab. – Aber nein, mein Herr, das gebe ich nicht zu! – sagte er und lachte. Er sprach einige lateinische Worte. Und zum Schlusse erhob er das Glas, das ihm in der Hand tanzte und sagte sehr ernst: – Auf Ihre Gesundheit, also, lieber Herr Bottini, auf die Ihrer Kinder, zum Andenken an Ihre gute Mutter! – Auf die Ihrige, mein guter Herr Lehrer! – antwortete mein Vater, indem er ihm die Hand drückte. Und hinten im Zimmer waren der Wirt und andere, welche uns betrachteten und lächelten, als ob sie die dem Lehrer ihres Dorfes erwiesene Aufmerksamkeit zu schätzen wüßten.
Nach zwei Uhr gingen wir fort und der Lehrer wollte uns an den Bahnhof begleiten. Mein Vater gab ihm von neuem den Arm und er nahm mich wieder bei der Hand: ich trug ihm den Stock. Die Leute standen still, um uns nachzuschauen, denn alle kannten ihn; einige grüßten ihn. Unterwegs hörten wir aus einem Fenster viele Knabenstimmen, die mit einander lasen und buchstabierten. Der Alte hielt an und schien traurig zu werden.
– Das, lieber Herr Bottini, – sagte er, – thut mir weh. Die Stimmen der Knaben in der Schule hören und nicht mehr dort sein können, denken müssen, daß es ein anderer ist! Ich habe sie sechzig Jahre lang gehört, diese Musik und meinem Herzen war so wohl dabei. Jetzt bin ich ohne Familie. Ich habe keine Kinder mehr.
– Nein, Herr Lehrer, – sagte mein Vater, den Weg fortsetzend, – Sie haben noch viele Kinder, zerstreut über die ganze Welt, die sich an Sie erinnern, wie ich mich Ihrer immer erinnert habe.
– Nein, nein, – antwortete der Lehrer mit Traurigkeit; – ich habe keine Schule mehr, ich habe keine Kinder mehr. Und ohne Kinder werde ich nur noch kurze Zeit leben. Meine Stunde wird bald schlagen.
– Sagen Sie das nicht, Herr Lehrer, denken Sie so etwas nicht, – sagte mein Vater. – Wie viel und wie mancherlei Gutes haben Sie gewirkt! In wie edler Weise haben Sie Ihr Leben ausgefüllt!
Der alte Lehrer neigte einen Augenblick das weiße Haupt auf die Schulter meines Vaters und gab mir einen Druck mit der Hand.
Wir waren in den Bahnhof getreten. Der Zug war zur Abfahrt bereit.
Leben Sie wohl – Herr Lehrer! – sagte mein Vater, indem er ihn auf beide Wangen küßte.
– Addio, Dank, Addio, – antwortete der Lehrer, indem er mit seinen beiden zitternden Händen eine Hand meines Vaters ergriff und sie an sein Herz drückte.
Dann küßte ich ihn und fühlte, daß sein Gesicht in Thränen gebadet war. Mein Vater schob mich in den Wagen und im Augenblick, da er einsteigen mußte, nahm er dem Lehrer seinen einfachen Stock schnell aus der Hand und gab ihm statt dessen seinen schönen Stock mit silbernem Knopf und seinen Initialen, indem er sagte: – Behalten Sie ihn zu meinem Andenken.
Der Greis versuchte ihn wieder zu geben und den seinigen zu nehmen; aber mein Vater war schon drinnen und hatte die Türe geschlossen.
– Addio, mein guter Lehrer!
– Addio, mein Sohn, – antwortete der Lehrer, während sich der Zug in Bewegung setzte; – und Gott segne Sie für den Trost, den Sie einem armen Greise gebracht haben.
– Auf Wiedersehen! – rief mein Vater mit bewegter Stimme.
Aber der Lehrer schüttelte das Haupt, als wollte er sagen: – Wir werden uns nicht mehr sehen.
– Doch, doch, – wiederholte mein Vater, – auf Wiedersehen.
Und jener antwortete, indem er die zitternde Hand zum Himmel erhob: – Dort oben!
Und so, die Hand erhoben, entschwand er unsern Blicken.
20. – Donnerstag.
Wer hätte es mir gesagt, als ich so heiter mit meinem Vater von der kleinen Reise zurückkehrte, daß ich zehn Tage lang weder Feld noch Himmel sehen sollte! Ich bin sehr krank, in Lebensgefahr gewesen. Ich habe meine Mutter schluchzen hören, ich habe meinen Vater sehr bleich gesehen, wie er mich starr ansah, und meine Schwester Silvia und meinen Bruder, die mit leiser Stimme sprachen, und den Arzt mit der Brille, der jeden Augenblick da war und mir Dinge sagte, die ich nicht verstand. Wirklich, ich bin auf dem Punkte gewesen, allen Lebewohl zu sagen. Ach, meine arme Mutter! Es sind wenigstens drei oder vier Tage vergangen, deren ich mich fast nicht mehr erinnere, gerade als ob ich einen verwirrten, dunkeln Traum geträumt hätte. Es schien mir, als hätte ich beim Bette meine gute Lehrerin der ersten Klasse gesehen, die sich zwang mit dem Taschentuch ihren Husten zu unterdrücken, um mich nicht zu stören; ich erinnere mich dunkel an meinen Lehrer, der sich über mich beugte um mich zu küssen und der mich im Gesichte mit dem Barte ein wenig kitzelte, und wie durch einen Nebel habe ich den roten Kopf Crossis, die blonden Löckchen Derossis, den schwarz gekleideten Kalabresen gesehen, und auch Garrone, der eine kleine Orange mit den Blättern brachte und sofort wieder davoneilte, weil seine Mutter krank war. Dann erwachte ich wie aus einem sehr langen Schlafe und fühlte, daß es besser um mich stehe! ich sah meinen Vater und meine Mutter lächeln, und Silvia, welche trällerte. O welch trauriger Traum ist es gewesen! Dann besserte sich mein Befinden jeden Tag. Das Maurermeisterlein kam und machte mich mit seinem Hasenmäulchen zum erstenmal lachen; und wie schön er es jetzt macht, da sein Gesicht durch die Krankheit ein wenig länger geworden ist, der Arme! Coretti ist gekommen, Garoffi ist gekommen und schenkte mir zwei Lose seiner neuen Lotterie für ein Federmesser mit fünf Klingen, welches er von einem Trödler in der Straße Bertola kaufte. Gestern dann, als ich schlief, ist Precossi gekommen und hat die Wange auf meine Hand gelegt, ohne mich zu wecken, und da er aus der kohlengeschwärzten Werkstatt seines Vaters kam, ließ er mir den Abdruck auf dem Ärmel, was mir, als ich es beim Erwachen sah, großes Vergnügen machte. Wie die Bäume in diesen wenigen Tagen grün geworden sind! Und wie ich die Jungen beneide, die ich mit ihren Büchern unter dem Arm in die Schule eilen sehe, wenn mich der Vater ans Fenster trägt! Aber in einigen Tagen werde auch ich wieder dorthin zurückkehren. Ich bin ungeduldig alle diese Knaben, meine Bank, den Garten, die Straßen wieder zu sehen; alles zu vernehmen, was in dieser Zeit vorgefallen ist; mich wieder zu meinen Büchern und Heften zu setzen; es ist mir als hätte ich sie seit einem Jahre nicht mehr gesehen! Meine arme Mutter, wie sie mager und bleich geworden ist! Mein armer Vater, wie ermüdet er aussieht! Und meine guten Kameraden, die mich besuchten und auf den Fußspitzen zu mir traten und mich auf die Stirne küßten! Es macht mich traurig zu denken, daß wir uns eines Tages trennen werden. Mit Derossi, mit einigen andern werde ich die Studien fortsetzen, vielleicht; aber alle die andern? Wenn einmal die vierte Klasse beendet ist, dann Lebewohl! wir werden uns nicht mehr sehen; sie werden nicht mehr an mein Bett kommen, wenn ich krank bin; Garrone, Precossi, Coretti, so viele brave Knaben, so gute und liebe Kameraden, niemals mehr!
20. – Donnerstag.
Warum Heinrich, »niemals mehr?« Das wird von dir abhängen. Wenn du die vierte Klasse beendet hast, wirst du auf das Gymnasium gehen und sie werden Handwerker; aber ihr bleibt in der gleichen Stadt, vielleicht für viele Jahre. Und warum denn, werdet ihr euch nicht mehr sehen? Wenn du auf der Universität oder im Lyceum bist, wirst du sie in ihren Läden, in ihren Werkstätten aufsuchen und es wird dir grosses Vergnügen machen, deine Jugendgefährten als Männer der Arbeit wieder zu finden. Ich möchte sehen, ob du Coretti oder Precossi nicht aufsuchtest, wo sie auch wären. Du wirst hingehen und wirst ganze Stunden in ihrer Gesellschaft zubringen, und du wirst sehen, wenn du das Leben und die Welt studierst, wie viele Dinge du von ihnen lernen kannst, welche kein anderer dich lehren kann, über ihr Handwerk, über ihre Gesellschaft und über dein Land. Und siehe wohl zu, wenn du diese Freundschaften nicht bewahrst, wird es für dich sehr schwierig sein in Zukunft andere ähnliche anzuknüpfen, Freundschaften, will ich sagen, ausser der Klasse der du angehörst; und so wirst du in einer Klasse allein leben, und der Mensch, der nur mit einer gesellschaftlichen Klasse Umgang hat, ist wie der Lernbegierige, der nur ein Buch liest. Nimm dir also von nun an vor, diese guten Freunde zu bewahren, auch nachdem ihr getrennt sein werdet, und behandle sie von jetzt an mit Vorzug, gerade weil sie die Söhne von Handwerkern sind. Höre: die Menschen der obern Klassen sind die Offiziere, und die Handwerker sind die Soldaten der Arbeit; aber in der Gesellschaft wie im Heere ist der Soldat nicht weniger edel als der Offizier, denn der Adel liegt in der Arbeit, und nicht im Gewinn, im Wert und nicht im Grade; aber wenn es einen Vorzug des Verdienstes giebt, so ist er auf Seite des Soldaten, des Handwerkers, welche aus der eigenen Arbeit weniger Gewinn ziehen. Liebe also, achte vor allen unter deinen Gefährten die Söhne der Soldaten, der Arbeit, ehre in ihnen die Mühen und die Opfer ihrer Eltern; verachte die Unterschiede von Vermögen und Klasse, wonach nur die niedrig Gesinnten den Grad ihrer Zuneigung und ihrer Höflichkeit abmessen; denke, dass aus den Adern der Arbeiter der Werkstätten und des Feldes fast alles das gesegnete Blut geflossen, das unser Vaterland befreit hat; liebe Garrone, liebe Precossi, liebe Coretti, liebe dein »Maurermeisterlein«, denn diese kleinen Handwerker tragen den Adel im Herzen, und schwöre dir selbst, dass kein Glückswechsel imstande sein solle dir jemals diese heiligen Jugendfreundschaften aus der Seele zu reissen. Versprich, dass, wenn du nach dreissig Jahren auf einer Eisenbahnstation in den Kleidern eines Maschinisten deinen alten Garrone mit schwarzem Gesicht erkennen wirst … ah, es bedarf keines Schwures: ich bin sicher, dass du auf die Lokomotive springen und ihm die Arme um den Hals werfen würdest, wärest du auch Senator des Königreichs.
Dein Vater.
29. – Samstag.
In die Schule zurückgekehrt, erfuhr ich sofort eine traurige Nachricht. Seit mehreren Tagen kam Garrone nicht mehr, weil seine Mutter schwer krank war. Samstag abend ist sie gestorben. Gestern morgen sagte der Lehrer zu uns, als er kaum in die Schule getreten war: – dem armen Garrone ist das größte Unglück begegnet, das einem Kinde zustoßen kann. Die Mutter ist ihm gestorben. Morgen wird er in die Schule zurückkehren. Ich bitte euch schon jetzt, Knaben: achtet den fürchterlichen Schmerz, der ihm die Seele zerreißt. Wenn er in die Schule tritt, so grüßt ihn freundlich und ernst; keiner scherze, keiner lache mit ihm, ich empfehle es euch. – Und heute morgen, ein wenig später als die andern, trat Garrone herein. Es ging mir durch's Herz, als ich ihn sah. Er war abgezehrt im Gesichte, hatte rote Augen und stand unsicher auf den Beinen: es schien, als wäre er einen Monat krank gewesen: man kannte ihn fast nicht mehr; er war ganz schwarz gekleidet; er dauerte mich. Keiner atmete; alle sahen auf ihn. Kaum war er eingetreten und hatte zum erstenmal die Schule gesehen, wo ihn seine Mutter fast alle Tage abgeholt hatte, diese Bank, auf die sie sich oftmals an Prüfungstagen gebeugt hatte, um ihm den letzten Zuspruch zu geben und wo er so oft an sie gedacht und mit Ungeduld auf das Hinausgehen gewartet hatte, um ihr entgegenzulaufen, brach er in verzweifeltes Weinen aus. Der Lehrer zog ihn an sich, drückte ihn ans Herz und sagte zu ihm: – Weine, weine nur, armer Knabe; aber fasse Mut. Deine Mutter ist nicht mehr hier, aber sie sieht dich, liebt dich noch, lebt noch in deiner Nähe, und eines Tages wirst du sie wieder sehen, denn du bist eine gute und rechtschaffene Seele wie sie. Fasse Mut! – Als er dies gesagt hatte, begleitete er ihn zur Bank, neben mich. Ich wagte nicht, ihn anzusehen. Er zog seine Hefte und seine Bücher, die er seit vielen Tagen nicht mehr geöffnet hatte, hervor; und als er das Lesebuch öffnete, in dem ein Titelbild ist, das eine Mutter mit dem Sohn an der Hand darstellt, brach er von neuem in heftiges Weinen aus und senkte den Kopf auf den Arm. Der Lehrer machte uns ein Zeichen, ihn gewähren zu lassen, und begann den Unterricht. Ich hätte ihm gerne etwas gesagt, aber ich wußte nichts. Ich legte ihm eine Hand auf den Arm und sagte ihm ins Ohr: – Weine nicht, Garrone. – Er antwortete nicht, und ohne das Haupt von der Bank zu erheben, legte er die Hand in die meinige und hielt sie ein wenig. Beim Hinausgehen sprach keiner mit ihm, alle umgaben ihn mit Achtung und Ruhe. Ich sah meine Mutter, die mich erwartete und lief hin, sie zu umarmen; aber sie stieß mich zurück und sah auf Garrone. Ich verstand nicht sofort warum; aber dann bemerkte ich, daß Garrone, allein abseits, mich betrachtete; und er betrachtete mich mit einem Blick unsäglicher Traurigkeit, der sagen wollte: – Du küssest deine Mutter und ich werde sie nie mehr küssen! Du hast deine Mutter noch, und die meine ist tot! Nun verstand ich, warum meine Mutter mich zurückgewiesen hatte, und ging hinaus, ohne ihr die Hand zu geben.
29. – Samstag.
Auch diesen Morgen kam Garrone bleich und mit vom Weinen geschwollenen Augen in die Schule; und er würdigte die kleinen Geschenke, die wir ihm auf die Bank gelegt hatten um ihn zu trösten, kaum eines Blicks. Aber der Lehrer hatte ein Buch gebracht, woraus er ihm eine Seite vorlesen wollte, um ihm Mut einzuflößen. Vorher benachrichtigte er uns, daß wir morgen um zwölf Uhr auf das Rathaus gehen werden, um zu sehen wie man einem Knaben die Bürgermedaille gebe, weil er ein Kind aus dem Po gerettet hat, und daß er uns am Montag die Beschreibung dieses Festes anstatt der monatlichen Erzählung diktieren werde. Dann sagte er zu Garrone, der gesenkten Hauptes dasaß: Garrone, fasse dich und schreibe auch du, was ich diktiere. – Alle ergriffen die Feder. Der Lehrer diktierte:
Giuseppe Mazzini, geboren in Genua im Jahre 1805, gestorben in Pisa 1872, ein Mann mit großer patriotischer Seele, ein großer schriftstellerischer Geist, der Anführer und erste Apostel der italienischen Revolution; welcher aus Vaterlandsliebe vierzig Jahre, des Landes verwiesen und verfolgt, in Armut lebte, heldenhaft, unerschütterlich in seinen Grundsätzen und in seinen Plänen; Giuseppe Mazzini, der seine Mutter anbetete und der ihr verdankte, was in seiner starken und schönen Seele Höchstes und Reinstes war, schrieb so an einen seiner treuen Freunde, um ihn im größten Unglück zu trösten. Es sind ungefähr seine Worte: »Freund, du wirst deine Mutter auf dieser Erde nie mehr sehen. Das ist die fürchterliche Wahrheit. Ich besuche dich nicht, denn dein Schmerz ist einer der feierlichen und heiligen Schmerzen, die man allein tragen und überwinden muß. Verstehst du was ich mit diesen Worten sagen will: – Man muß den Schmerz überwinden? – Dasjenige überwinden, was am Schmerze weniger heilig, weniger veredelnd ist; das was anstatt die Seele zu bessern, sie schwächt und erniedrigt. Aber der andere Teil des Schmerzes, der edle, derjenige der die Seele groß macht und hebt, dieser soll in dir bleiben und dich nie mehr verlassen. Hienieden kann nichts die Mutter ersetzen. In den Schmerzen, in den Tröstungen, die das Leben dir noch geben kann, wirst du sie nie mehr vergessen. Aber du sollst dich an sie erinnern, sie lieben, trauern in einer Weise, die ihrer würdig ist. O Freund, höre mich an. Der Tod existiert nicht, er ist nichts. Man kann ihn nicht einmal verstehen. Das Leben ist Leben und es folgt dem Gesetz des Lebens: der Entwicklung. Du hattest gestern auf Erden eine Mutter: heute hast du anderwärts einen Engel. Alles was gut ist, lebt fort. Also auch die Liebe deiner Mutter. Sie liebt dich jetzt mehr als je. Und du bist ihr für deine Handlungen verantwortlich, mehr als je. Es hängt von dir ab, von deinen Werken, sie wieder anzutreffen, wieder zu sehen in einem andern Dasein. Du sollst also, aus Liebe und Ehrfurcht zu deiner Mutter, besser werden und ihr Freude bereiten. Du mußt von nun an bei jeder deiner Handlungen zu dir selbst sagen: – Würde meine Mutter dies billigen? – Ihre Verwandlung hat für dich einen Schutzengel in die Welt gestellt, vor den du alles bringen sollst. Sei stark und gut; widerstehe dem verzweifelten und niedrigen Schmerz; habe die Ruhe der großen Leiden in großen Seelen: Das ist es, was sie will.«
– Garrone, – sagte der Lehrer; – sei stark und ruhig, es ist das, was sie will. Hörst Du?
Garrone nickte mit dem Kopfe »ja« und unterdessen fielen ihm große, schwere Thränen auf die Hände, auf das Heft, auf die Bank.
(Monatliche Erzählung.)
Um zwölf Uhr waren wir mit dem Lehrer vor dem Stadthaus, um der Überreichung der Bürgermedaille an einen Knaben beizuwohnen, der ein Kind aus dem Po gerettet hatte.
Von der Terrasse der Vorderseite wehte eine große Trikolore herab.
Wir traten in den Hof des Rathauses. Er war schon voll von Leuten. Im Hintergrunde sah man einen Tisch mit einem roten Teppich und Papiere darauf, und dahinter eine Reihe vergoldeter Stühle für den Bürgermeister und den Gerichtshof; da waren auch die Türhüter des Municipiums mit der blauen Weste und den weißen Strümpfen. Auf der Rechten des Hofes stand ein Trupp Bürgerwachen, die viele Medaillen hatten und in ihrer Nähe ein Trupp Zollwächter; auf der andern Seite standen die Feuerwehrmänner und viele Soldaten ohne Ordnung, die auch gekommen waren um das Schauspiel zu sehen: Soldaten von der Kavallerie, Schützen, Artilleristen. Dann ringsherum Herren, Bürger, einige Offiziere und Frauen und Knaben, die sich herzu drängten. Wir zogen uns in einen Winkel zurück, wo schon viele Schüler aus andern Abteilungen mit ihren Lehrern waren; in unserer Nähe befand sich ein Rudel Knaben aus dem Volke zwischen zehn und achtzehn Jahren. Sie lachten und sprachen laut und man sah, daß sie alle aus dem Po-Quartier und Kameraden oder Bekannte desjenigen waren, der die Medaille bekommen sollte. Oben, an allen Fenstern, zeigten sich die Beamten des Municipiums; auch die Gallerie der Bibliothek war voll von Leuten, die sich gegen das Geländer drückten; und auf derjenigen der gegenüberliegenden Seite, über dem Eingangsthor standen zusammengepreßt eine große Zahl Mädchen der öffentlichen Schulen und viele Offizierstöchter mit ihren schönen blauen Schleiern. Es war wie im Theater. Alle plauderten fröhlich, jeden Augenblick nach der Seite des roten Tisches schauend, ob niemand komme. Die Musik spielte leise im Hintergrunde der Säulenhalle. Auf die hohen Mauern brannte die Sonne. Es war schön.
Auf einmal klatschten alle im Hofe, auf den Gallerien, an den Fenstern in die Hände.
Ich erhob mich auf die Fußspitzen um zu sehen.
Die Menge, die hinter dem roten Tische stand, hatte sich geteilt, und ein Mann und eine Frau waren hervorgekommen. Der Mann führte einen Knaben an der Hand.
Es war der, welcher seinen Kameraden gerettet hatte.
Der Mann war sein Vater, ein Maurer, festlich gekleidet. Die Frau – seine Mutter – klein und blond, trug ein schwarzes Kleid. Der Knabe, auch blond und klein, hatte eine graue Jacke.
Beim Anblick aller dieser Menschen und beim Hören dieser Beifallsrufe blieben alle drei stehen, als ob sie nicht mehr weder zu schauen, noch sich zu bewegen wagten. Ein Türsteher des Municipiums schob sie in die Nähe der Türe zur Rechten.
Alle blieben einen Augenblick still und dann brach der Beifallsturm noch einmal von allen Seiten los. Der Knabe schaute zu den Fenstern hinauf und dann zu dem Balkon der Offizierstöchter; er hielt den Hut zwischen den Händen und es schien, als wisse er nicht recht, wo er sich befinde. Es dünkte mich als ob er im Gesichte Coretti ein wenig gleiche, aber er war röter. Sein Vater und seine Mutter richteten die Augen fest auf den Tisch.
Unterdessen drängten sich die Knaben des Po-Quartiers, welche in unserer Nähe waren, vor, und machten Handbewegungen gegen ihren Kameraden hin, um sich zu zeigen, indem sie leise riefen: – Pin! Pin! Pinot! – Nach vielem Rufen wurden sie gehört. Der Knabe sah auf sie und verbarg ein Lächeln hinter dem Hute.
Auf einmal stellten sich die Wachen »in Achtung«.
Der Bürgermeister, begleitet von vielen Herren, trat ein.
Er hatte eine große, dreifarbige Schärpe, und begab sich an den Tisch, während alle andern Herren sich hinter ihm und zu beiden Seiten aufstellten.
Die Musik hörte auf, der Bürgermeister gab ein Zeichen, alle schwiegen.
Er begann zu sprechen. Die ersten Worte verstand ich nicht gut; aber ich hörte, daß er die That des Knaben erzählte. Dann erhob sich seine Stimme und sie verbreitete sich so hell und klangreich über den Hof, daß ich kein Wort mehr verlor. – … »Als er vom Ufer aus den Kameraden sah, der schon von Schrecken ergriffen im Flusse mit dem Tode rang, riß er sich die Kleider vom Leibe und lief, ohne einen Augenblick zu zaudern, herbei. Man rief ihm zu: – Du ertrinkst! – er antwortete nicht; sie hielten ihn, er machte sich los; sie riefen ihn beim Namen, er war schon im Wasser. Der Strom war angeschwollen, die Gefahr fürchterlich, auch für einen Mann. Aber er stürzte sich mit der ganzen Kraft seines kleinen Körpers und seines großen Herzens dem Tode entgegen; er erreichte und ergriff zur rechten Zeit den Unglückseligen, der schon unter Wasser war und zog ihn herauf; er kämpfte wütend mit den Wellen, die ihn fortreißen wollten, gegen den Ertrinkenden, der ihn zu umschlingen versuchte, und mehrere Male verschwand er unter dem Wasser und kam mit verzweifelter Anstrengung wieder hervor, beharrlich, unüberwindlich in seinem heiligen Vorsatz, nicht wie ein Knabe, der einen andern Knaben retten will, sondern wie ein Mann, wie ein Vater, welcher kämpft, um seinen Sohn zu retten, der seine Hoffnung, sein Leben ist. Endlich – Gott wollte nicht, daß so kühne Großherzigkeit erfolglos sei – entriß der jugendliche Schwimmer dem reißenden Strome sein Opfer, brachte es wieder aufs feste Land und ließ ihm noch mit andern die erste Sorge angedeihen; darauf kehrte er ruhig nach Hause zurück und erzählte offenherzig seine That.
»Meine Herren! Schön, verehrungswürdig ist der Heldenmut im Manne. Aber im Kinde, in dem noch kein Ehrgeiz oder anderes Interesse möglich ist; im Kinde, das um so mehr Beherztheit haben muß, als es weniger Kraft hat; im Kinde, von dem wir nichts verlangen, das zu nichts verpflichtet ist, das uns schon edel und liebenswürdig genug erscheint, nicht wenn es selbst etwas leistet, sondern dann schon, wenn es nur fremde Opferwilligkeit begreift und erkennt: der Heldenmut im Kinde ist göttlich. Ich werde nichts mehr sagen, meine Herren. Ich will nicht mit überflüssigen Worten eine so einfache Größe schmücken. Da steht er vor euch, der tapfere und edle Retter. Soldaten, grüßt ihn wie einen Bruder; ihr Mütter, segnet ihn wie einen Sohn; ihr Kinder, erinnert euch seines Namens, prägt euch sein Antlitz in euer Gedächtnis, daß es sich nie mehr in eurem Geiste noch in eurem Herzen auslösche. Komm hieher Knabe! Im Namen des Königs von Italien verleihe ich dir die bürgerliche Verdienstmedaille.«
Und der Palast widerhallte von dem stürmischen Hoch! in welches die Versammelten ausbrachen.
Der Bürgermeister nahm die Medaille vom Tische und befestigte sie an der Brust des Knaben. Dann umarmte und küßte er ihn.
Die Mutter legte eine Hand auf die Augen, der Vater senkte das Kinn auf die Brust.
Der Bürgermeister drückte beiden die Hand und nahm das mit einem Bande gebundene Diplom, um es der Frau zu überreichen.
Dann wandte er sich an den Knaben und sagte zu ihm: – Möge die Erinnerung an den für dich so glorreichen, für deinen Vater und deine Mutter so glücklichen Tag dich für dein ganzes Leben auf dem Wege der Tugend und der Ehre erhalten. Addio!
Der Bürgermeister ging hinaus, die Musik spielte und alles schien beendigt, als der Trupp der Feuerwehrmänner sich öffnete und ein Knabe von acht oder neun Jahren, von einer Frau, die sich sofort verbarg, vorwärts geschoben, auf den Dekorierten zueilte und ihm in die Arme fiel.
Ein neuer Sturm von Lebehoch und Beifall machte den Hof erdröhnen; alle errieten, daß dies der aus dem Po gerettete Knabe sei, der kam um seinem Retter zu danken. Nachdem er ihn geküßt hatte, hing er sich ihm an einen Arm, um ihn hinauszubegleiten. Sie beide zuerst, hinter ihnen Vater und Mutter, näherten sich dem Ausgange, indem sie Mühe hatten, die Menge zu durchschreiten, die zu beiden Seiten Spalier bildete: Wachen, Knaben, Soldaten, Frauen, alles durcheinander. Alle drückten sich vorwärts und hoben sich auf die Fußspitzen, um den Knaben zu sehen. Die, welche in der Nähe des Durchganges waren, berührten ihm die Hand. Als er bei den Schulknaben vorbeiging, schwenkten alle die Mützen in der Luft. Diejenigen des Po-Quartiers machten einen großen Lärm, indem sie ihn an den Armen und an der Jacke zogen und schrien: – Pin, viva Pin! Bravo Pinot! – Ich sah ihn nahe vorbeigehen. Sein Gesicht leuchtete und er war glücklich; die Medaille hatte ein weiß-rot-grünes Bändchen. Seine Mutter weinte und lachte; sein Vater zupfte sich den Schnurrbart mit einer Hand, die ihm stark zitterte, als ob er Fieber hätte. Und droben an den Fenstern und auf den Altanen fuhren sie fort, sich herauszulehnen und Beifall zu rufen. Mit einem Mal kam, als sie unter die Säulenhalle treten wollten, von der Gallerie der Offizierstöchter ein wahrer Regen von Pensées-, Veilchen- und Margueritensträußchen herab, welche auf den Kopf des Knaben, des Vaters, der Mutter fielen und die Erde bedeckten. Viele hoben sie in Eile auf und reichten sie der Mutter. Und im Hintergrunde des Hofes spielte die Musik leise, leise eine sehr schöne Arie, die wie Gesang vieler silberner Stimmen tönte, welche sich langsam den Ufern eines Flusses entlang entfernen.