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Ich bin der jüngste Sohn des Handarbeiters Martin Masch und wurde am 28. April 1824 im Forsthaus Brunken bei Berlinchen geboren. Meine Eltern zogen bald nach meiner Geburt nach Hohenziethen, wo ich in die Schule gegangen und konfirmiert worden bin.
Mein Vater trank, war aber fleißig und kam selten den Tag über nach Hause. Die Sorge für die Erziehung der Kinder überließ er der Mutter.
In die Schule ging ich ungern, das Lernen wurde mir zwar leicht, aber ich hatte keine Freude an den Büchern und sprang lieber in Feld und Wald umher. Ich fing Tauben ein und verkaufte sie, stellte Sprenkel, nahm Vogelnester aus und plünderte mit meinen Kameraden die Obstgärten der wohlhabenden Bauern. Die Mutter strafte mich zwar mitunter, aber ihre Züchtigungen waren mir meistens sehr gleichgültig; wenn sie ja einmal derb zuschlug, lief ich davon und hielt mich tagelang verborgen, damit sie sich recht ängstigen sollte.
Der Vater kränkelte viel und starb, nachdem ich eingesegnet war. Im Jahre 1838 trat ich auf dem Rittergute Hohenziethen in Dienst; anfangs mußte ich die Ochsen hüten; als meine Körperkräfte zunahmen, wurde ich zu den gewöhnlichen Arbeiten der Knechte herangezogen.
Es verdroß mich, daß mein Herr nicht zufrieden mit mir war, am liebsten wäre ich bei dem ersten unfreundlichen Wort weggelaufen, denn Tadel vertrug ich nun einmal nicht. Vier Jahre hielt ich aus, dann wurde ich weggeschickt, weil ich mich betrunken und im betrunkenen Zustande unbesonnene Streiche gemacht hatte.
Bei einem Bauern in Beyersdorf fand ich ein Unterkommen. Mein Bruder Johann Gottlieb diente in demselben Orte und richtete sich damals durch seine Leidenschaft, die er nicht beherrschen konnte, zugrunde. Er hatte mit der Tochter seines Dienstherrn eine Liebschaft angeknüpft und überwachte das Benehmen seiner Geliebten mit eifersüchtigen Augen. Es fiel ihm auf, daß sie auch gegen andere Burschen freundlich war, er bildete sich ein, daß er von ihr betrogen werde, und schwor ihr Rache.
Als er sie eines Tages bei der Arbeit allein traf, stieß er ihr ein Messer in die Brust und sprang darauf in den nahen Brunnen, um sich den Tod zu geben. Allein das Wasser wollte ihn nicht haben, immer wieder trieb es ihn an die Oberfläche, und nachdem er viermal untergetaucht und viermal wieder in die Höhe gehoben worden war, wurde er ergriffen.
Das Mädchen starb infolge des Messerstichs, mein Bruder wurde als ihr Mörder zum Tode durch das Rad verurteilt, aber zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt.
Ich war ebensosehr zum Jähzorn geneigt wie Johann und wundere mich jetzt noch darüber, daß mir sein Geschick nicht zur Warnung gedient hat. Ich kann indes nicht anders sagen, als daß der Eindruck der ganzen Sache auf mich nicht tief ging, ich schlug mir das Unglück des Bruders aus dem Sinn, und am wenigsten fiel es mir ein, daß mir mein heißes Blut je einen ähnlichen Streich spielen könnte.
Im Dienste behagte es mir gar nicht, ich überwarf mich mit meinem Herrn und wollte mich dafür rächen, daß er mich schalt. Am Abend war die Rede davon, es solle am nächsten Morgen Getreide in der Scheune ausgedroschen werden; dabei stieg in mir der Gedanke auf, daß ich dem Bauern alle Unbill vergelten könne, wenn ich die gefüllte Scheune in Asche lege.
Der Gedanke wurde mir immer süßer und reifte allmählich zum festen Entschluß. Mit dem Grauen des Tages machte ich das mir anvertraute Gespann zur Abfahrt nach dem Felde zurecht; ehe ich den Hof verließ, nahm ich noch ein Stück glimmenden Schwamm, umwickelte es mit einer tüchtigen Menge Flachs und steckte das Bündel unter das Strohdach. Ich rechnete darauf, daß der Flachs erst allmählich in Brand geraten und das Feuer erst in einigen Minuten aufgehen würde.
Ich hatte mich nicht geirrt, denn ich war schon auf dem Felde, als die Lohe emporstieg. Schnell eilte ich mit den Pferden nach Hause und half retten. Kein Mensch hatte Verdacht auf mich, und doch schwebte ich in einer entsetzlichen Angst. Der Bauer dauerte mich, denn der Schaden war größer geworden, als ich gewollt hatte; in jedem Augenblick dachte ich, man würde kommen und mich festnehmen.
Als das Gericht zur Feststellung des Tatbestandes eintraf, war meine Unruhe so stark, daß ich glaubte, man müßte mir das böse Gewissen ansehen; mehreremal nahm ich einen Anlauf, freiwillig alles zu gestehen, die Furcht vor der Strafe hielt mich indes ab. Nach einigen Tagen war ich bereits sicher geworden und machte mir nun Vorwürfe über meine Dummheit.
Ich wußte jetzt aus Erfahrung, daß nicht alles Unrecht an den Tag kommt, und schritt deshalb auf dem einmal betretenen Wege mutiger vorwärts. Zunächst entwendete ich einem meiner Mitknechte etliche Groschen aus der Lade, dann wechselte ich den Dienst und zog nach Neuendorf; auch hier blieb ich nur kurze Zeit, ich wurde fortgeschickt und auf dem Rittergute Hohenziethen, wo ich schon früher gedient hatte, wieder aufgenommen.
Von dort schlich ich mich eines Nachts nach Neuendorf in das Geschäft meines früheren Brotherrn. Ich schnitt den Pferden die Schwänze ab, nahm die Messer von der Häckselschneidebank mit und warf sie ins Wasser. Ich war hocherfreut darüber, daß ich mich auf diese Weise an dem Bauern hatte rächen können. Auf dem Rittergute war meines Bleibens nicht lange, der Herr jagte mich vom Hofe, weil er nicht zufrieden mit meiner Arbeit und mit meiner Führung war; ich befand mich in Not, verschaffte mir aber Geld, indem ich eine Gans stahl und sie in Pyritz verkaufte.
Inzwischen kam die Zeit heran, wo ich Soldat werden mußte. Ich wurde im Jahre 1844 bei den damals in Soldin garnisonierenden zweiten Bataillon des 14. Infanterieregiments eingestellt und hatte eine zweijährige Dienstzeit zu bestehen. Ich war klug genug, einzusehen, daß es für mich vorteilhafter war, wenn ich mich der strengen Disziplin ohne Murren fügte. Ich fühlte den eisernen Zwang zu gehorchen und war daher auch gehorsam. Geldmittel besaß ich außer der Löhnung nicht, folglich mußte ich auf die Teilnahme an öffentlichen Vergnügungen verzichten; ich blieb meist in meinem Quartier und vertrieb mir die Zeit durch Lesen.
Schon in Hohenziethen hatte ich mit einem dort dienenden Mädchen ein Verhältnis angeknüpft. Meine Geliebte kehrte zu ihren Eltern nach Soldin zurück, und wir setzten hier den Umgang fort. Meine Vorgesetzten waren mit mir zufrieden, ich wurde als Soldat nur ein einziges Mal wegen Nachlässigkeit im Dienst mit Arrest bestraft.
Vom Militär entlassen, trat ich wiederum auf dem Rittergute in Hohenziethen in Dienst; ich wurde zum drittenmal angenommen, weil man glaubte, daß ich nun gefügiger geworden wäre. Ich blieb indes nicht lange, sondern vermietete mich bald darauf als Knecht in der Brennerei zu Dertzow, später bei einem Fleischer in Soldin und zuletzt auf dem Gutshofe in Naulin, wo ich einem anderen Knechte aus der Lade etliche Taler entwendete.
Im März 1848 wurde mobilgemacht, ich trat als Reservist in das 9. Infanterieregiment ein und marschierte mit nach Berlin. Der Aufstand war bei unserem Eintreffen schon vorüber, es kam nicht zum Gefecht, wir blieben in der Hauptstadt, und mir gefiel es da sehr gut. Im Herbst wurde ich ausgekleidet und fand in meiner Heimat, in der Brennerei zu Mellenthin, Beschäftigung. Nach wenigen Monaten als Landwehrmann einberufen, zog ich mit dem 8. Landwehrregiment nach Schlesien und von da nach Dresden. Auch in dieser Stadt war der Kampf bei unserer Ankunft vorüber, das Regiment verweilte nur kurze Zeit dort und trat den Marsch nach Baden an. In Erfurt wurde ich in das Lazarett geschickt, um von einem Flechtenübel geheilt zu werden. Nach etlichen Wochen bekam ich den Abschied, das Leiden war indes nicht völlig behoben und ist bis jetzt immer wieder einmal aufgetreten.
Die militärische Disziplin hatte mich genötigt, meinen Willen unterzuordnen und ohne Widerspruch zu tun, was mir befohlen wurde. Nun war ich wieder ein freier Mann und suchte mich schadlos zu halten für alles, was ich entbehrt hatte. Ich wollte zwar Bediensteter sein, aber mir nichts gefallen lassen; so kam es, daß ich mich mit dem Oberinspektor auf dem Gute in Dertzow, wo ich eine Stelle erhielt, sehr bald überwarf und abziehen mußte. Ich überlegte mir nun, daß das Dienen auf dem Lande doch eine harte Plage sei. Das Leben in den großen Städten, von dem ich einen Begriff bekommen hatte, schien mir weit verlockender, namentlich reizte es mich, daß man so leicht und frei mit dem weiblichen Geschlecht verkehren konnte.
Ich machte mich auf den Weg nach Berlin und wurde dort von einem Gärtner angenommen, für den ich Gemüse feilhalten mußte. Diese Beschäftigung war mir gerade recht, denn ich konnte stundenlang an den Straßen sitzen, mich mit den Käufern unterhalten und brauchte mich nicht im geringsten anzustrengen.
Zufällig wurde ich mit einem Restaurateur bekannt, der öfter von mir Gartenfrüchte bezog. Meine Persönlichkeit gefiel ihm, und er bot mir die Stelle eines Hausdieners an. Ich griff mit Freuden zu, siedelte in die Restauration über und trat zu meinem Herrn nach und nach in ein sehr intimes Verhältnis. Wir verschafften uns durch uns selbst sinnliche Genüsse, wie sie auf natürlichem Wege nur bei Verschiedenheit der Geschlechter möglich sind. Er konnte nicht ohne mich leben und behandelte mich mehr als Freund denn als Diener.
In der Folge gab er die Gastwirtschaft auf und übernahm die Stelle eines Siedemeisters in einer Zuckersiederei bei Magdeburg, mich aber brachte er dort zuerst als Arbeiter, später als Aufseher unter, weil er sich nicht von mir trennen wollte. Da er mit dem Besitzer der Siederei uneinig wurde, löste sich das Verhältnis bald; wir gingen nach Berlin zurück und von hier nach Potsdam, wo wir kurze Zeit in einer Destillation arbeiteten. Ich begleitete meinen Herrn unter dem Namen seines Bedienten überallhin, sogar nach Hamburg, wo er sein Glück versuchen wollte.
Bei der Rückkehr in die Residenz traf ich mit meiner alten Geliebten zusammen, die mir nachgereist war. Das bestimmte mich, meinen Dienst, der mir ohnehin nicht mehr zusagte, zu quittieren. Ich wanderte mit meiner Verlobten nach Soldin und beabsichtigte, sie zu heiraten und mich dort häuslich niederzulassen. Wir zogen in eine und dieselbe Wohnung, ich arbeitete als Tagelöhner, sie besorgte den Haushalt, und wir waren im Begriff, uns trauen zu lassen, da kam mir plötzlich ein von fremder Hand adressierter Brief zu Gesicht. Die Aufschrift ließ mich vermuten, daß ein Nebenbuhler ihn geschrieben habe; ich geriet darüber in heftigen Zorn und verließ das Mädchen, weil ich fest daran glaubte, daß sie mir untreu geworden sei.
Später sah ich freilich ein, wie grundlos meine Eifersucht gewesen war, allein das Band zwischen uns hatte ich einmal gelöst, und es gelang mir nicht, es von neuem zu knüpfen.
Wenn ich die Geliebte geheiratet und mit ihr den eigenen Hausstand gegründet hätte, so wäre ich vielleicht ein braver, tüchtiger Mensch geworden. Da ich mich also von ihr betrogen wähnte, trieb es mich fort aus der Gegend von Soldin, ich ging nach Berlin, von da nach Potsdam, wo ich bei einem Kaufmann, und dann nach Buckow, wo ich bei einem Bauern diente.
Hier wurde ich krank, man duldete mich nicht länger, ich mußte mich, vom Fieber geschüttelt, in meine Heimat betteln und nahm in Dertzow die Hilfe meines Bruders Martin in Anspruch. Er hatte zwar Frau, Kinder und die Mutter zu erhalten, aber dennoch wies er mich nicht ab, der schmale Bissen wurde bereitwillig mit mir geteilt, ich fand bei ihm ein gastliches Obdach.
Nachdem ich genesen war, gab mir meine Schwägerin zu verstehen, daß es nun wohl an der Zeit sei, ihr Haus zu verlassen und ihnen nicht länger lästig zu fallen. Sie sprach ihre Meinung eines Tages ganz unverhohlen aus, und das brachte mein Blut so in Wallung, daß ich ein Tischmesser ergriff und in voller Wut auf sie losstürzte.
Ich hätte sie unfehlbar erstochen, wäre nicht meine Mutter schützend dazwischengetreten. Sie warf sich dem gezückten Messer entgegen und trug eine leichte Verwundung davon, ich aber mußte mir nach dieser Szene ein anderes Unterkommen suchen.
Der Dienst als Knecht war mir im höchsten Maße zuwider, ich hielt nirgends aus und fing an, im Lande herumzustreichen und zu betteln. Den Sommer über arbeitete ich bei Wriezen an der Oder, mit dem Winter hörte jedoch die Arbeit auf, und es blieb mir nichts übrig, als mich abermals nach Dertzow zu wenden und die Meinigen um Verzeihung zu bitten. Sie nahmen mich auf, und nun war ich wieder auf einige Zeit versorgt.
Freilich sah ich ein, daß ich nicht monatelang auf Kosten meines Bruders leben konnte, doch ich hatte auch keine Lust, schwere Arbeit zu verrichten, ich wollte eben ein bequemes Leben führen wie ehemals in Berlin.
Da hörte ich zufällig von dem Kriege, den England und Frankreich gegen Rußland führten, und daß englische Fremdenlegionen gebildet würden. Mir war im Vaterlande kein Glück beschieden, ich hoffte es in der Ferne auf den Schlachtfeldern zu finden. Mut besaß ich, das Leben war mir nicht so teuer, daß ich es nicht hätte riskieren sollen, und nach überstandenen Gefahren stand reicher Lohn in Aussicht. Ich beschloß, mich anwerben zu lassen.
Ohne Geld und in dürftiger Kleidung trat ich bei rauhem Wetter die Wanderung nach Hamburg an. Die notwendige Nahrung erbettelte ich vor den Türen, die Nächte verbrachte ich meist im Freien, im glücklichsten Falle schlief ich in einer Scheune oder auf einem Boden. Ich hatte unsägliche Anstrengungen zu überstehen. Das kalte, nasse Wetter und der Mangel an kräftigen Speisen erschütterte meine Gesundheit, ich kam auf das äußerste erschöpft in Hamburg an. Die Werber überwiesen mich den Depots auf Helgoland, und voll freudiger Hoffnung bestieg ich das Schiff, das mich dem Ziele meiner Wünsche zuführen sollte.
Nachdem ich in Helgoland gelandet war, mußte ich mich einer ärztlichen Untersuchung unterwerfen und wurde – man denke sich meinen furchtbaren Schrecken! – als untauglich abgewiesen. Diese Stunde war die schwerste meines Lebens, ich fühlte, daß ich mit jedem Schritte rückwärts meinem Verderben näher kam, und doch mußte ich zurück auf den deutschen Boden, von dem ich schon für ewig Abschied genommen hatte.
Zum Glück war ausgemacht worden, daß jeder, der in die Fremdenlegion eingestellt würde, zum Besten der Zurückgewiesenen einen Taler bezahlen sollte. Mit Hilfe dieser Unterstützung erreichte ich Hamburg und gelangte auf dieselbe elende und klägliche Weise wieder nach Dertzow. Das war im Januar des Jahres 1856. Mein Bruder Martin wies mich auch diesmal nicht von seiner Tür, und ich lebte von neuem mit ihm und seiner Familie zusammen.
Um mir ein Anrecht auf den Platz im Hause und am Tische zu erwerben, sann ich auf Gelegenheit zum Stehlen. Martin, den ich von meinen Plänen unterrichtete, war damit einverstanden, ich brach in den Getreideboden des Gutshofes ein, entwendete Getreide und gab es meinem Bruder als Zahlung für Kost und Wohnung.
Ich geriet in Verdacht und wurde verhaftet, aber das Gefängnis war nicht fest genug verwahrt, ich kroch mit Leichtigkeit durch das Eisengitter. Ursprünglich hatte ich gar nicht die Absicht zu fliehen, ich wollte mir nur ein Brot holen, weil ich von der Gefangenenkost nicht satt wurde. Im Freien besann ich mich jedoch anders, ich nahm aus den Ställen des Gutshofes eine Partie Brot und Kleider und flüchtete in den Wald. Hier kam ich zu einer Köhlerhütte, der Köhler schlief, neben ihm stand ein mit Eßwaren gefüllter Kober. Ich ergriff den Kober und schlich mich davon. In der folgenden Nacht brach ich auf dem Rittergut in Hohenziethen in die Speisekammer ein und holte mir Fleischvorräte.
Ich befürchtete, daß man mich verfolgen, festnehmen und zu langer Freiheitsstrafe verurteilen würde, deshalb beschloß ich, mich ins Ausland zu begeben, vorher aber die Kasse des Oberinspektors in Dertzow zu plündern. Ich zerschlug eine Fensterscheibe, stieg ein und holte vom Feuerherd eine glühende Kohle, die ich im Kopf meiner Pfeife verbarg. Darauf entfernte ich mich wieder aus dem Hause und stieg auf einen Zaun, von dem aus ich das Strohdach erreichen konnte. Ich steckte die Kohle hinein und erwartete nun, daß das Feuer aufgehen und der Inspektor sein Zimmer verlassen würde. Ich lehnte ein Pfluggestell an sein Fenster, um jeden Augenblick bequem hineinkommen zu können, und hoffte, daß ich in der durch den Brand entstehenden Verwirrung das Geld ohne große Schwierigkeit rauben könnte. Nach wenigen Minuten schlugen die Flammen empor, der Nachtwächter aber machte einen Strich durch meine Rechnung, denn er gab das Feuerzeichen erst, als das Dach licherloh brannte und die Umgebung des Hauses so erhellt war, daß ich nicht länger auf meinem Platze bleiben durfte. Ehe noch der Inspektor durch den Feuerlärm geweckt war, mußte ich um meiner Sicherheit willen die Flucht ergreifen.
Ich lebte etliche Wochen im Walde, verlor aber den Mut und stellte mich freiwillig dem Gericht. Wider mein Erwarten wurde ich nach Lippehne zurückgebracht und auch wegen der Brandstiftung in Untersuchung genommen.
Das machte mich doch bedenklich, ich brach zum zweitenmal aus und verließ nun ohne Zaudern die dortige Gegend. Ich stahl an verschiedenen Orten, verkaufte das gestohlene Gut und schlug mich nach Hamburg durch. Hier ging ich von einem Schiff zum anderen und bat, mir Arbeit zu geben, aber meine Bemühungen waren umsonst, ich hatte keine Legitimationspapiere und sah heruntergekommen aus, deshalb wiesen mich die Kapitäne, bei denen ich mich meldete, ab. Nun stahl und bettelte ich mich durch nach Glückstadt, auch hier nahm man mich nicht an.
Ich war in einer verzweifelten Lage. In meiner Heimat wagte ich mich nicht zu zeigen, in der Fremde war ich keinen Tag sicher vor der Polizei, denn ich besaß weder Geld noch einen Paß. Ich wünschte mir den Tod und machte einen Versuch, mich mit Gift umzubringen.
Ich kochte eine gehörige Menge Schwefelhölzer in Wasser und genoß den stark nach Phosphor schmeckenden Trank. Mir wurde danach übel, ich bekam Leibschmerzen, aber nach einigen Tagen war ich wieder völlig gesund, und die Lust zum Leben erwachte von neuem. Ich dachte an die Wälder, in denen ich als Knabe umhergestreift war, und beschloß endlich, mich dort zu verbergen, mein Leben auf jede mögliche Art zu fristen und es jedenfalls so teuer als möglich zu verkaufen, wenn man mich verfolgen sollte.
Hätte ich früher den Mut gehabt, die verdiente Strafe zu leiden und einige Jahre Gefängnis zu überstehen, so wäre ich nicht zum Brandstifter, hätte ich mich nachher nicht vor dem Zuchthause gefürchtet, so wäre ich nicht zum Mörder geworden.
Zunächst wanderte ich fechtend und stehlend durch Mecklenburg nach Pommern. In den Wäldern, die sich von Stettin bis über Pyritz hinaus erstrecken, verbrachte ich den Sommer. Um mich vor dem Unwetter zu schützen, wühlte ich an einsamen Stellen im Dickicht Löcher in die Erde und schlug dort mein Lager auf. Des Nachts machte ich Streifzüge in die benachbarten Dörfer.
Allmählich gewöhnte ich mich daran, im Freien zu schlafen, nur bei anhaltendem Regen lag ich so gut wie im Wasser. Dieser Übelstand brachte mich auf den Gedanken, mir eine ordentliche Höhle zu bauen.
Ich stahl mir nach und nach alle dazu nötigen Werkzeuge und Bretter zusammen und begann mit dem Bau. Ich legte Bretter über ein etwa zwei Fuß tiefes Erdloch und deckte sie mit Erde, die ich sorgfältig einebnete, zu. Die Oberfläche konnte man von dem übrigen Boden nicht unterscheiden, so vorsichtig war ich zu Werke gegangen. Nachdem ich nun eine Decke für die Höhle hatte, die ich darunter ausgraben wollte, fing ich an, die Erde unter der Bretterlage hervorzuholen.
Diese Arbeit erforderte geraume Zeit, denn ich konnte in einer Nacht immer nur einen geringen Teil Erde ausgraben und durfte in der Nähe keine Spur davon zurücklassen. Wenn ich eine bestimmte Masse Erde vor mir liegen sah, füllte ich sie in ein Gefäß, ging abwechselnd nach verschiedenen Richtungen weit fort und verstreute sie in kleinen Brocken.
Nach nicht geringer Anstrengung war ich so weit, daß ich Seitenpfosten einsetzen konnte, die als Stützen für die Decke dienten. Ich grub und minierte fort, bis der Raum groß genug war, dann ging ich an die innere Einrichtung.
Schon vor dem Eintritt des Winters hatte ich einen Feuerherd und den Rauchfang fertig, den Rauch leitete ich durch eine blecherne Röhre, die an der Erdoberfläche mündete, ins Freie und sorgte dafür, daß sich weder außen an der Mündung noch im Rohr Ruß ansetzen konnte.
Ich lebte nun ungleich behaglicher als vorher, ein Dorf um das andere wurde geplündert, meist machte ich wertvolle Beute und kehrte schwerbeladen in meine unterirdische Wohnung zurück. Wenn die Windrichtung günstig war und ich mich überzeugt hatte, daß sich kein Mensch in der Nähe befand, brannte ich Feuer an und kochte mir Speisen auf Vorrat. Heizung brauchte ich nicht, denn es war ziemlich warm in der Höhle, und sooft heftige Kälte eintrat, deckte ich mich mit Kleidungsstücken zu, die ich in großer Menge besaß.
Bei allen Diebstählen nahm ich Bedacht darauf, mir Licht und Öl zu verschaffen; war ich so glücklich gewesen, das zu finden, dann erleuchtete ich meine Behausung, oft freilich mußte ich im Finstern sitzen.
Der Aufenthalt wurde wegen der Stickluft unangenehm, wenn Schnee fiel und ich mich tage-, ja wochenlang nicht hinauswagte. In solchen Zeiten wurde auch die Kost knapp, und mein Lager an Wein und Branntwein ging auf die Neige; dann schaute ich sehnsüchtig ins Freie und war sehr erfreut, sobald ich nur Wildfährten in meiner Nähe erblickte. Ich folgte mit den Fußspitzen der Fährte und gab so genau acht, daß auch der geübteste Jäger den Fuß eines Menschen nicht zu erkennen vermochte.
Mit der Zeit wurde ich dreister, meine Höhle hatte ich mit jungen Buchen bepflanzt und sie so gut versteckt, daß zu wiederholten Malen Leute in die Nähe gekommen und darüber weggegangen waren, ohne etwas Auffälliges zu bemerken. Bei dem Anbruche des Frühlings atmete ich erleichtert auf, nun konnte ich Abstecher in die Ferne machen, mich dort verproviantieren, an einer beliebigen einsamen Stelle des Waldes übernachten und brauchte nicht immer an demselben Tage in die Höhle zurückzukommen.
Ich hatte mich nach und nach an diese Lebensweise gewöhnt und entbehrte eigentlich nur das eine schmerzlich, daß ich niemals Gelegenheit fand, mich dem weiblichen Geschlecht zu nähern. Ich sann oft darüber nach, ob es kein Mittel gäbe, diesen meinen heißesten Wunsch zu befriedigen.
So lag ich eines Tages im Frühsommer 1857 im Walde zwischen Soldin und Bahn unfern der Landstraße, als ich ein junges, blühendes Mädchen erblickte.
Es war die siebzehnjährige Tochter des Försters Frank, der in Neuendorf diente. Ich rief ihr zu, sie möge doch ein wenig warten, gesellte mich zu ihr und begleitete sie eine Strecke durch den Wildenbrucher Wald. Anfänglich sprachen wir über gleichgültige Dinge, bald aber wurde ich zudringlicher und trug ihr meine Liebe an. Sie wies mich mit kurzen entschiedenen Worten ab, ich aber, von rasender Leidenschaft ergriffen, stürzte mich auf sie, schnürte ihr mit der einen Hand den Hals zu, umfaßte sie mit der ändern und trug sie seitwärts unter die Bäume. Ich legte sie auf die Erde und holte dann den Korb, der auf der Straße stehengeblieben war. Das Mädchen hatte die Besinnung verloren, sie kam aber wieder zu sich, als ich, den Korb in der Hand, an ihre Seite trat.
Ich war nicht dreist genug, die Gewalttat zu erneuern, und da ich überdies einen Wagen rollen hörte, zog ich mich in den Wald zurück und überließ meine Gefährtin ihrem Schicksal.
Den Winter von 1857 auf 58 überstand ich in der Höhle bei Pyritz, im März 1858 wurde sie durch einen Zufall entdeckt, und ich sah mich nun gezwungen, mir einen andern Wirkungskreis zu suchen.
Ich ging in die Gegend von Friedeberg in der Neumark und grub in dem Tankow-Wildenower Forst ein Loch in die Erde, ohne es jedoch zu einer förmlichen Wohnung auszubauen. Den Tag über hielt ich mich teils im Walde, teils in einem beliebigen Heuschober oder einer Scheune auf, die Nacht verwendete ich zum Stehlen. Im Monat April hatte ich ein prächtiges Heulager in einem Schafstall bei Wormsfelde und konnte da ungestört den Tag über schlafen.
Als ich eines Nachts das Dorf umkreiste, um eine Gelegenheit zu einem Diebstahl zu erspähen, kam ich in die Nähe eines verlassenen Backofens. Ich trat hinein, um die Mitternachtsstunde abzuwarten und dann meine Arbeit zu beginnen, allein ich fand den Platz schon besetzt.
Zuerst erschrak ich, bald aber verwandelte sich mein Schrecken in Freude, denn ich befand mich in weiblicher Gesellschaft. Die Frau war eine Bettlerin, sie nannte sich Wall aus Altenfließ und erzählte mir, im Kruge habe man sie nicht beherbergt, deshalb sei sie hierher gegangen. Wir kamen dahin überein, daß wir den warmen Platz am Backofen für diese Nacht teilen wollten, und legten uns nieder.
Nach einiger Zeit machte ich der Witwe Wall Anträge, von denen ich hoffte, daß sie bereitwillig auf sie eingehen würde, wurde aber schnöde abgewiesen; ich faßte sie liebkosend an, um sie mir geneigter zu machen, sie sträubte sich aber desto hartnäckiger.
Nun übermannte mich der Zorn, ich war entschlossen, da mich Güte nicht zum Ziele führte, Gewalt zu brauchen, packte sie an der Kehle und würgte sie zu Tode. Sie leistete nur geringen Widerstand und stöhnte: »Mann! Mann!« Dann ergab sie sich.
Den entseelten Körper lud ich auf meine Schultern und warf ihn in den See.
Unruhe habe ich nach dem vollbrachten Morde nicht empfunden, der einzige Gedanke, der mich beherrschte, war der, daß es allgemein heißen würde, das unnütze, liederliche Weibsbild habe sich ertränkt und sehr recht daran getan. Die ganze Sache kam mir wie ein unvorhergesehener interessanter Zwischenfall vor, ich schlug sie mir schnell aus dem Sinn, führte noch in derselben Nacht den beabsichtigten Diebstahl in Wormsfelde aus und begab mich dann aus der Nähe des Dorfes eiligst hinweg.
Gewissensbisse hatte ich auch in der Folge nicht, vielmehr faßte ich, durch das glückliche Gelingen meiner Tat kühn gemacht, den Plan, in Zukunft auch das Leben nicht zu schonen, wenn mir bei meinen Raubzügen jemand in den Weg träte.
Nach einigen Monaten, es war im August 1858, kundschaftete ich das herrschaftliche Wohnhaus in Albertinenburg aus. Ein Fenster war erleuchtet, und in der Stube sah ich ein junges Mädchen, das ich für die Wirtschafterin hielt. Ich vermutete, daß die Person im Besitz von Geld sein würde, und überlegte mir, daß es für mich ein leichtes sei, einzusteigen, sie zu töten und zu berauben.
Nachdem ich mich über die Lage der Zimmer und die Örtlichkeit genau unterrichtet hatte, wartete ich die Nacht ab. Das Licht erlosch, ich stieg durch ein offenes Fenster und fand durch mehrere unverschlossene Zimmer den Weg in jene Stube.
Hier schlich ich auf den Zehen zu dem schlafenden Mädchen und tastete leise an ihrem Körper herauf bis zum Halse, dann setzte ich beide Daumen an und drückte zu. Mit einem langgedehnten »Hu!« und dem Rufe »Herr Gott!« hauchte sie ihr Leben aus.
Ich durchsuchte alles, fand aber nur anderthalb Silbergroschen in einer Kleidertasche; darauf büßte ich an dem noch nicht erkalteten Körper meine sinnliche Lust und verließ dann das Haus.
Mein Gewissen regte sich auch nach diesem Verbrechen nicht, ich zog gleichmütig meine Straße weiter.
Bei einem meiner nächsten Diebstähle erbeutete ich ein Gewehr; mit dem versehen, machte ich einen Ausflug über Bärwalde und Wriezen nach Berlinchen.
Der Heidekruger Forst bot einen versteckten Lagerplatz, von dem aus ich einzelne Streifen in die Umgegend unternehmen konnte. Auf einer dieser Streifen kam ich nach Berlin und verübte dort einen Einbruch im Keller eines Hauses in Moabit, in dem mein früherer Herr wohnte. Die Örtlichkeit war mir bekannt, und ich kehrte, reich mit Lebensmitteln, namentlich mit Würsten beladen, in den Wald zurück.
Von meinem damaligen Quartier aus konnte ich die Landstraße nach Berlin ohne Mühe erreichen; ich lauerte da den Fuhrleuten auf, die Getreide nach der Hauptstadt fuhren und gewöhnlich mit vollen Beuteln heimkehrten.
Einen tätlichen Angriff habe ich nur gegen einen einzigen Fuhrmann, einen gewissen Wattrow, gewagt, und dieser mißglückte, weil die Pferde, durch den Schuß erschreckt, in vollem Lauf davonjagten und der Wagen meinem Gesichtskreis entschwand.
In dieser Zeit versuchte ich noch einen zweiten Raubanfall in dem Dorfe Hasselberg bei Wriezen, der jedoch ebenfalls fehlschlug. Am Ende des Dorfes wohnte ein jüdischer Handelsmann, ich wußte, daß er stets bares Geld liegen hatte, und machte ihm deshalb eines Nachts einen Besuch. Zunächst zerbrach ich eine Fensterscheibe, dann griff ich durch die Öffnung, hob das Fenster aus und stieg ein. In dem Zimmer, in dem ich mich nun befand, lagen ein Mann, eine Frau und mehrere Kinder in den Betten und schliefen.
Ich öffnete, um mir den Rückzug zu sichern, die Stubentür und die Haustür, trat an das Bett des Mannes und erhob das Beil, das ich bei mir trug, zum Schlage; da hörte ich es im Nebenzimmer husten. Schnell ließ ich den Arm sinken und entfernte mich.
Wie ich erst nachträglich erfahren habe, war ich gar nicht am Lager des Handelsmannes, sondern in der Schlafstube des Tischlermeisters Lauersdorff und seiner Familie, die mit dem Juden zusammen wohnen, und das Husten des nebenan schlafenden Juden hat mich vertrieben.
Dann kehrte ich in ein Gebiet zurück, das meiner Heimat näher lag.
Im Oktober 1858 wanderte ich eines Abends durch Bernstein und weiter auf der nach Dölitz führenden Chaussee. Als ich an einem Chausseehaus vorüberging, sah ich durch das erleuchtete Fenster in das Zimmer: Der Chausseegeldeinnehmer lag im Bett und schlummerte. Rasch entschlossen machte ich mir einen Schießstand zurecht, indem ich mehrere lose Bretter über den Chausseegraben legte und eine Karre darüberstürzte. Nun stand ich hoch genug, um den Mann auf das Korn nehmen zu können, ich ergriff mein mit Rehposten und Schrot geladenes Gewehr und feuerte es ab.
Ehe ich mich von der Wirkung des Schusses überzeugen konnte, vernahm ich Schritte auf der Chaussee und hielt es nun doch für geratener, querfeldein das Weite zu suchen. Meine Absicht, den Chauseegelderheber zu erschießen und mir die Chausseekasse anzueignen, war also vereitelt.
Ich irrte zwar noch immer unstet und flüchtig umher und hatte nach der Zerstörung meiner Höhle bei Pyritz noch keine neue Wohnung gefunden, aber der Zufall ließ mich doch wenigstens einen Schlupfwinkel entdecken, der mir als Speicher für meine Beute und als Hauptquartier für meine Unternehmungen diente. Es war ein nicht mehr benutzter Ziegelbrennofen bei Trampe. Eine Öffnung in dem alten Gemäuer war von innen mit morschen Hölzern zugesetzt. Ich schob sie beiseite, stieg ein und rückte das Holz dann wieder so zurecht, daß kein Mensch von meinem verborgenen Eingang etwas merken konnte.
Der Brennofen war vom Eigentümer offenbar vergessen worden, und ich fühlte mich darin allmählich ganz wohnlich und sicher. Feuer anzünden und kochen durfte ich freilich nicht, das würde mich verraten haben. Ich tat es an einer einsamen Stelle des Tangow-Wildenower Waldes.
Im November 1858 traf mich ein Förster dort und nahm mich fest; ich entsprang ihm zwar, aber meine Lage war doch sehr bedenklich, denn in den Forst wagte ich mich nun nicht mehr und zu meinem Bruder erst recht nicht. Als ich noch die Pyritzer Höhle bewohnte, hatte ich ihn mitunter besucht, ich gab ihm auch von meiner Vertreibung Nachricht und verabredete eine Zusammenkunft mit ihm auf dem Markte in Bernstein. Seitdem hatte ich ihn nicht wiedergesehen. Ich dachte wohl daran, ihn um ein Obdach anzusprechen, jedoch überwog die Besorgnis, daß ich ihn und mich dadurch ins Unglück stürzen würde.
Meine Hoffnung, durch einen glücklichen Fang eine hübsche Summe Geld zu erwerben und noch vor dem Winter über das Meer nach Amerika zu kommen, war bisher immer enttäuscht worden.
Ich kam nun auf den Einfall, einmal in eine Kirche einzubrechen und zu sehen, ob ich darin einen Schatz heben könnte. In Großlatzkow ging ich ans Werk, öffnete gewaltsam die Tür zum Turm und gelangte von da in das Innere der Kirche. Es war totenstill, höchstens eine Eule oder eine Fledermaus sah mir aus der Mauernische zu; ich nahm mir daher mehr Zeit als gewöhnlich, alles recht gründlich zu durchstöbern.
Auf dem Altar stand nichts Wertvolles, wohl aber entdeckte ich hinter ihm einen Kasten, der gut verschlossen war. Bei dem Gedanken, daß er voll klingender Münze sein könnte, durchzuckte mich ein wonniges Gefühl, ich war förmlich aufgeregt und stieß das Stemmeisen mit kräftiger Hand in den Deckel, daß er aufsprang. Aber nur der Altarkelch und das übrige Abendmahlsgerät blinkten mir entgegen.
Was konnte mir das Silberzeug nützen? Ich hatte ja doch keine Gelegenheit, es zu verkaufen. So ließ ich es ruhig an seinem Ort und nahm mir fest vor, meine kostbare Zeit niemals wieder mit dem Besuch einer Kirche zu verschwenden.
Der Winter brach herein, und ich hatte kein Geld zur Reise, keinen Zufluchtsort gegen die Kälte. Erst dem harten Froste verdankte ich einen Unterschlupf in dem Kanal, der bei Neumellenthin zur Entwässerung des Bermlingsees angelegt ist.
Der Kanal geht durch einen aus Feldsteinen gebauten Tunnel, der Eingang ist durch enge Eisenstäbe verschlossen. Da ich ja daran gewöhnt war, mich nach Art der Katzen zu recken und schmal zu machen, kroch ich hindurch und machte mir auf dem festgefrorenen Eise ein Lager zurecht.
Bevor Schneefall eintrat, versah ich mich mit Eßwaren, Wein, Branntwein, Kleidungsstücken und Bettzeug, dann mußte ich mehrere Wochen in meinem Versteck bleiben, um mich nicht durch die Fußspuren im Schnee zu verraten.
Der Aufenthalt war fürchterlich; da der Kanal nicht so hoch ist, daß man darin aufrecht stehen kann, war ich genötigt, mich kriechend und rutschend fortzuschieben. Die Knie hatte ich nun zwar durch Lederstücke geschützt, die ich um die Beine wickelte, doch die Glieder wurden durch diese ungewohnte Bewegung stark angegriffen. Das Stillsitzen auf dem Eise war fast noch unangenehmer, die waagerechte Lage der Beine auf die Dauer beim Sitzen geradezu unerträglich.
Ich hackte mir nun ein Loch in den gefrorenen Schlamm und schob die Beine hinein, allein das Blut erstarrte in den rings vom Eise eingeschlossenen Gliedern, ich hätte sie bestimmt erfroren, wenn ich sie nicht bald wieder herausgezogen und gehörig umhüllt auf dem Eise ausgestreckt hätte. Dazu kam noch, daß ich mich nirgends mit dem Rücken anlehnen konnte als an die eiskalte Steinmasse des Tunnels und daß die Luft, die ich atmete, dick und dunstig war.
Sooft die Fluren schneefrei wurden, entrann ich meinem schrecklichen Gefängnis und erholte mich im Freien; leider mußte ich um meiner Sicherheit willen immer wieder hinein.
Und doch wäre ich einmal beinahe entdeckt worden. Der Besitzer des nahe bei dem Tunnel gelegenen Gutes und sein Sohn gingen eines Tages mit ihren Hunden vorüber. Die letzteren sprangen nach dem Eingange des Kanals und schnupperten dort umher. Ihre Herren wurden dadurch aufmerksam und schickten sie in den Tunnel hinein. Ich kauzte, das geladene Gewehr in der Hand, darin und lugte durch die Eisenstäbe.
Wäre einer von den Hunden mir nahe gekommen, so hätte ich losgedrückt; glücklicherweise weigerten sich die Tiere, vorwärts zu gehen, vermutlich hatten sie wegen des starken Dunstes die Spur verloren. Sie entfernten sich, und ich blieb in meiner Kellerwohnung unbelästigt bis zum Frühling.
Als das Eis schmolz und der Schlamm weich wurde, räumte ich mein Winterquartier. Ich hatte so unsäglich viel ausgestanden, daß ich mich unverzüglich daranmachte, eine neue Höhle zu bauen, die mir im Vergleich mit dem Kanal wie ein Paradies vorkam.
Zunächst suchte ich mir in einer zum Gute Warsin gehörigen Waldung einen passenden Platz aus, dann stahl ich mir alles zusammen, was ich zum Bau und zur Einrichtung brauchte. Ich verfuhr wieder ebenso wie bei der Pyritzer Höhle und beobachtete dieselben Vorsichtsmaßnahmen, die sich damals bewährt hatten. Ich verwendete, wenn ich nicht gerade gezwungen war, Nahrungsmittel zu stehlen, jede Nacht auf die Arbeit, im Herbste stand das im Frühjahr begonnene Werk ziemlich vollendet da; es fehlte mir indes noch manches an dem Komfort, den ich mir wünschte; ich legte mich daher wieder eifriger auf den Diebstahl und schleppte eine große Menge von brauchbaren Sachen in meine Behausung.
Leider hatte ich mir keinen Wasserbehälter verschaffen können und sah mich deshalb genötigt, die kalten Monate meist in dem luftigeren Brennofen bei Trampe zuzubringen, in dessen Nähe ich Wasser fand. Den Ofen bewahrte ich möglichst vor den Einflüssen der Witterung und saß jedenfalls diesen Winter ungleich wärmer als das Jahr zuvor in dem Eisloche bei Neumellenthin.
Kaum war die ungünstige Jahreszeit vorüber, so glückte mir der Diebstahl eines großen Fasses mit eisernen Reifen. Ich transportierte es mit Aufbietung aller Kräfte in meine weit davon abgelegene Höhle und hatte nun ein Wasserreservoir, wie ich es mir nicht besser wünschen konnte.
Ich wohnte abwechselnd bald im Brennofen, bald in der Höhle, mußte mich aber nach kurzer Zeit auf die Höhle beschränken, denn ich brachte in Erfahrung, daß der Ofen abgebrochen werden sollte. In aller Eile schaffte ich in den folgenden Nächten die in dem Brennofen aufgespeicherten Sachen in die Höhle, dann häufte ich Holz und andere brennbare Stoffe um den Ofen herum auf und zündete sie an. Die Flammen ergriffen die Holzteile des Gebäudes und äscherten es ein.
Mein Hauptzweck bei dieser Brandstiftung war, daß niemand den Rest meiner im Brennofen zurückgelassenen Beute finden und mir auf die Spur kommen sollte.
Schon zwei Jahre früher hatte ich eine zum Gute Eichwerder gehörige Ziegelscheune in Brand gesteckt, um die Leute herauszulocken und dann im Gute zu stehlen. Es entstand auch großer Lärm, und alles eilte nach der Brandstätte, aber der Gutsherr ließ im Wohnhause einen Wächter mit einem Hunde als Wache zurück. Ich sah den Mann auf seinen Posten ziehen und stand deshalb von meinem Vorhaben ab.
Bald darauf zündete ich in Hohenziethen einen Bauernhof an, damit das Nachbarhaus von den Flammen ergriffen und verzehrt werden sollte. In diesem Hause wohnte die Frau des Tagelöhners Becker; ihr hatte ich Rache geschworen, weil sie durch ihr Gerede daran schuld war, daß man den Verdacht des Diebstahls, weswegen ich in Dertzow festgenommen worden war, auf mich geworfen hatte. Frau Becker war damals krank, sie konnte sich und die Kinder mit genauer Not retten, das Wohnhaus, eine Scheune, mehrere Ställe und sieben Stück Rindvieh verbrannten: Meine Rache war gesättigt.
Meine erste Brandstiftung in Beyersdorf bei meinem Dienstherrn und die zweite in Dertzow, wo ich die Kasse des Oberinspektors stehlen wollte, habe ich bereits gestanden, zum letztenmal legte ich Feuer in Lebbehne im Kreise Pyritz an. Mein Plan war auch hier der, die Leute mit Löschen zu beschäftigen und in der Verwirrung zu stehlen. Das Feuer verbreitete indes einen so hellen Schein, daß ich wieder nicht zu meinem Ziele gelangte.
Von der Warsiner Höhle aus machte ich im Jahre 1860 Streifzüge nach allen Richtungen. Schon früher war ich in die Gegend von Bärwalde gekommen und hatte auch die Krugwirtschaft in Stölpchen besucht. Es kannte mich dort niemand von Person, deshalb wagte ich mich hinein.
Als ich in den Krug trat, fand ich es sehr unruhig. Gerichtsbeamte waren anwesend, es gingen Leute ab und zu, ich hörte, daß der Pächter gestorben sei und ein Verzeichnis seines Nachlasses aufgenommen werden sollte. Da alle hin und her liefen, machte ich auch einen Gang durch das Haus und sah mir die Lage und den Zusammenhang der Stuben und Kammern genau an.
Einige Zeit nachher wollte ich meine Bekanntschaft in dem Kruge verwerten. Ich schlich um das Gebäude herum, bis das Licht erloschen war, dann öffnete ich mittels eines Bohrers und eines Stemmeisens die nach dem Felde zu führende Tür zur Häckselkammer und begab mich von da in die Wohnstube. Ich war im Begriff, den Spind zu öffnen, es entstand aber dadurch ein Geräusch, die in der anstoßenden Kammer schlafenden Menschen regten sich, und ich ergriff die Flucht.
Als ich ein Jahr später, im September 1860, wieder dorthin kam, dachte ich an das fehlgeschlagene Unternehmen und beschloß, es noch einmal zu wagen. Ich trug einen doppelläufigen Gewehrstutzen, ein Taschenmesser, ein Stemmeisen und eine zum Dolch umgearbeitete Feile bei mir und dachte schon daran, daß ich die Krügersleute erst ermorden müßte, ehe ich sie berauben könnte.
Eines Abends legte ich mich auf die Lauer, wurde aber durch den Hund des Wirtes verscheucht; am folgenden Tage jagte mich der Hund eines Feldwächters weg; am dritten Abend endlich war ich ungestört. Ich sah, wie Brandt und seine Frau zu Bett gingen, und wartete noch etliche Stunden, bis ich annehmen durfte, daß sie fest schliefen.
Nun erbrach ich mit Hilfe des Stemmeisens das Fenster zur Häckselkammer und stieg ein. Die Tür zum Hausflur war aber verschlossen, ich mußte mir daher einen anderen Eingang bahnen und versuchte, von der Längsseite des Hauses aus durch die Küchenkammer einzudringen. Ich zerbrach einen vor dem Fenster angebrachten Holzstab, öffnete beide Fensterflügel und schwang mich hinein. Die Tür zum Flur war von außen verriegelt, ich mußte deshalb zum zweitenmal den Rückzug antreten. Ich stellte nun eine Schneidebank unter das Fenster der Polterkammer, hob es heraus und sprang in die Kammer. Die von hier nach dem Hausflur gehende Tür war unverschlossen, ich machte vor allen Dingen auch die Haustür von innen auf, damit ich jeden Augenblick den Rücken frei hatte, dann schlich ich leise nach der Küche, zündete da meine Pfeife an und erblickte beim Scheine des Schwefelhölzchens ein Beil, das ich an mich nahm.
Durch die Gaststube kam ich in die Schlafkammer. Hier brannte ich wieder ein Schwefelholz an, erhob das Beil und zerschmetterte erst dem Manne und dann der Frau den Kopf. Brandt rief: »Spitz, komm her!« In diesem Augenblick fuhr ein Hund auf mich los, ich versetzte dem Krüger einen zweiten Schlag und scheuchte den Spitz unter das Bett zurück. Hierauf hing ich die Fenster zu, zündete ein Stearinlicht an, das ich mitgebracht hatte, schnitt dem Mann und der Frau mit einem Messer die Kehle ab und durchsuchte die Kleider, die Wäsche und die Schränke.
Der Pächter mußte Michaelis seinen Pachtschilling von sechzig Talern bezahlen, und ich hoffte, daß er diese Summe vorrätig haben würde; diese Hoffnung wurde indes enttäuscht; ich fand nur etwas über sechs Taler. Das Geld, eine Flasche mit Branntwein, eine Pistole und etliche Zigarren nahm ich zu mir.
Ich gestehe, daß ich die Leichen aus den Betten gezogen, das Bettstroh durchwühlt und den Körper der Frau geschändet habe. Wenn eine Taschenuhr in jener Nacht abhanden gekommen ist, so vermag ich es nicht zu erklären, ich habe keine entwendet.
Ich versichere, daß ich allein und ohne die Hilfe eines Gefährten den Mord verübt habe, insbesondere ist der Bruder der Frau Brandt, Karl Liebig, nicht dabeigewesen. Ich war viel zu sehr darauf bedacht, das Geheimnis über mein Tun und Treiben zu bewahren, als daß ich irgend jemand in meine Pläne eingeweiht hätte. Auch würde ich in Gegenwart eines Zeugen meiner Sinnenlust an der weiblichen Leiche nicht haben frönen können.
Nach vollführter Tat eilte ich zurück in meine Höhle; ich brach so zeitig auf, daß ich den Wald bereits erreicht hatte, ehe noch der Morgen graute.
Im Oktober 1860 richtete ich mein Augenmerk auf das zwischen Soldin und Lippehne liegende Adamsdorf. Den Tag über verbarg ich mich im Glasower Busche, am Abend wagte ich mich heraus und begegnete auf der Chaussee einer Frauensperson, die einen Korb trug, an dessen Henkel ein Paar Stiefel hingen. Ich knüpfte ein Gespräch an und gab ihr zu verstehen, daß ich Wohlgefallen an ihr fände und mich ihre Reize entflammt hätten. Da sie mir nicht gutwillig ihre Gunst gewähren wollte, packte ich sie an, drückte ihr mit beiden Händen den Hals zusammen, schleppte sie eine Strecke seitwärts und erdrosselte sie mit einem Strick, den ich in der Tasche hatte. Die Tote mußte mir gestatten, was mir von der Lebenden verweigert worden war.
In ihrem Korbe fand ich einige Pflaumen, die verzehrte ich mit dem größten Appetit, und schritt dann unverweilt dazu, den Diebstahl, den ich mir für diese Nacht vorgenommen hatte, auszuführen.
Im nächsten Winter wohnte ich in meiner Höhle, die ich mir immer bequemer einrichtete, ganz erträglich; sie war gemütlicher als die erste und die Luft darin weit besser, weil ich durch zahlreiche Löcher, die außen unter Wurzeln und Bäumen mündeten, eine genügende Ventilation hergestellt hatte. Meine Vorräte schützten mich vor Hunger und Durst, gegen den Frost deckte ich mich durch wärmere Kleidungsstücke, an die Einsamkeit und an das freie, unstete Räuberleben war ich gewöhnt und wünschte kaum eine Änderung dieses Lebens herbei. Nur eins fehlte mir: weibliche Gesellschaft.
Es war mein sehnlichstes Verlangen, daß ich einmal einem weiblichen Wesen begegnen möchte, das ich mir geneigt machen, in mein Geheimnis einweihen und mit in meine Höhle nehmen könnte. Ich baute mir oft Luftschlösser und malte mir mit den schönsten Farben aus, wie glücklich ich an der Seite einer Frau in meiner unterirdischen Residenz sein würde. Ich fand aber niemals Gelegenheit, meinen schönen Traum zu verwirklichen, er blieb ein leeres Phantasiegebilde.
Dennoch empfing ich in meiner Häuslichkeit einige Male weiblichen Besuch. Meine Schwägerin, mit der ich längst wieder ausgesöhnt war, kam mit Vorwissen ihres Mannes von Zeit zu Zeit zu mir. Wenn sie in der Nähe der Höhle angelangt war, gab sie das zwischen Martin und mir verabredete Zeichen, ich stieg dann auf der Leiter, die mir als Treppe diente, empor, hob den Deckel ab, der die Eingangspforte verschloß, und geleitete meinen Gast hinab in meine dunkle Behausung.
Sie brachte mir stets etwas mit, namentlich versah sie mich mit gekochten Speisen; nachdem sie etliche Stunden mit mir geplaudert hatte, beschenkte ich sie mit Geld und anderen Dingen und führte sie auf dem Wege, den sie gekommen war, zurück. Mit meinem Bruder zusammen ist sie niemals bei mir gewesen.
In Schönow, wohin Martin gezogen war, stattete ich gelegentlich meine Gegenbesuche ab. Ich ging immer nur des Nachts und mit geladenem Gewehr dorthin. Außer meinen Verwandten hat niemand etwas von der Höhle gewußt.
Als der Winter vorüber war und der März des Jahres 1861 herankam, machte ich einen Angriff auf das Haus eines jüdischen Kaufmanns in Dobberphul, das ich mir bei früheren Patrouillen angesehen hatte. Ich war darauf gefaßt, daß ich, um zu dem Gelde des Mannes zu kommen, einen oder mehrere Menschen ermorden müßte, und versah mich deshalb mit Beil und Gewehr, als ich ausrückte.
In Dobberphul angelangt, holte ich aus der Nachbarschaft eine Leiter, kehrte sie an der Giebelseite des Hauses an ein Fenster, stieg ein, suchte nun vor allen Dingen die Haustür auf und öffnete sie, um mir den Rückzug zu sichern. In der einen Hand trug ich das Beil, die andere legte ich schon an den Griff der Stubentür, da vernahm ich ein Geräusch. Ich hatte mir zum Grundsatz gemacht, mich nie mutwillig in Gefahr zu begeben und stets die Flucht zu ergreifen, wenn ich mich nicht ganz sicher wußte. So tat ich auch hier und wandte mich zurück in den Wald.
Um jene Zeit hatte ich außer meiner Höhle noch ein zweites Absteigequartier: das unbewohnte Försterhaus zwischen Deetz und Trampe. Die Fenster waren herausgenommen und das Gebäude etwas verfallen. Wenn mir der Weg bis Warsin zu weit war, suchte ich das Forsthaus auf und logierte den Tag über auf dem Boden. Anfang Mai blieb ich fast immer dort, um näher an Chursdorf zu sein, auf das ich es jetzt abgesehen hatte. Am 5. Mai, einem Sonntag, ging ich am hellichten Tage frank und frei durch Chursdorf und auf dem Wege weiter bis zum Gehöft des Müllers Baumgart.
Da ich seit fünf Jahren unter der Erde gelebt hatte, so glaubte ich, auch einmal im Sonnenschein einen Gang riskieren zu können, und überdies lag mir daran, recht gründlich zu beobachten und mich genau zu orientieren.
An den nächsten Abenden schlich ich unausgesetzt um das Mühlengehöft herum und prägte mir die Örtlichkeiten fest ein. Ich sah immer nur den Müller, seine Frau und die Magd. Ein Kind bemerkte ich nicht, und ich war der Meinung, daß jene drei Personen das Haus allein bewohnten.
Baumgart sollte ein reicher Mann sein, mich lockte seine gefüllte Kasse, und ich beschloß, die Mühle zu überfallen, die Müllersleute und das Dienstmädchen zu erschlagen und dann Kisten und Kasten zu plündern. Den 10. Mai bestimmte ich zur Ausführung der Tat. Im Försterhause bei Trampe hatte ich eine kleine Niederlage von Wein und Kognak, ich trank davon eine tüchtige Portion, steckte Messer, Zange, Bohrer und Stemmeisen in die Tasche, nahm meinen doppelläufigen Stutzen zur Hand, an dessen Ende ich meinen Dolch als Bajonett befestigte, und steckte das Beil in einen als Gürtel um den Leib gebundenen Strick. Die Fenster der Mühle waren bei meiner Ankunft noch erleuchtet, ich wartete deshalb einige Zeit und begab mich nach dem nahen Tagelöhnerhause, um dort Ausschau zu halten.
Als die Mitternachtsstunde da war, zog ich meine Stiefel aus und stieg an der hinteren Seite des Hofes auf einen Zaun. Eine Hundehütte lag vor mir, und der Hund schlug an, eilig sprang ich herab, steckte eine Anzahl kleiner Steine in meine Tasche und kletterte über den Torweg, den ich von innen öffnete, um die etwa nötig werdende Flucht zu decken. Einer der Hunde knurrte, ich brachte ihn indes durch Steinwürfe zum Schweigen und wurde dann nicht weiter gestört.
Vom Hofe aus suchte ich zunächst in den Hausflur zu kommen, weil die meisten Zimmer durch Türen mit ihm verbunden zu sein pflegen und man gewöhnlich von da aus jeden beliebigen Ort im Innern ohne Schwierigkeit erreichen kann. Die Haustür zu erbrechen, hütete ich mich, sie war von festem Holze und mit starkem Verschluß versehen.
Ich bahnte mir daher den Weg in den Hausflur, wie ich das schon früher oft getan hatte, durch den Keller. Die Kellerluken waren mit eisernen Stäben verwahrt; ich holte von einem Holzstoße einen Hebebaum, mit dem ich die Eisenstäbe auseinanderbiegen wollte. Bei der einen Luke glückte es, ich steckte mein Gewehr unter den Gürtel zu dem Beile, schob die Füße in die Öffnung und zog den Körper langsam nach. Es war sehr eng, aber ich brachte mich doch durch, indem ich die Brust zusammendrückte.
Vom Keller tappte ich leise die Treppe hinauf, riegelte die Tür auf und stand im Flur. Nachdem ich die hintere Haustür aufgemacht hatte, tastete ich mich in die Küche; vor mir war eine Tür, ich legte die Hand an den Drücker, die Tür ging auf, und ich stand vor den Betten des Müllers und seiner Frau. Schleunigst zog ich mich in die Küche zurück, brannte an dem glimmenden Tabak meiner Pfeife ein Schwefelhölzchen und an diesem ein in der Küche stehendes Licht an. Ich nahm das Beil in die rechte Hand und trat in die Schlafkammer. Mit zwei schnell hintereinander geführten Schlägen schlug ich dem schlafenden Manne den Schädel ein, dann brachte ich mit mehreren Streichen die aus dem Schlafe aufgeschreckte, laut schreiende Müllerin zum Schweigen.
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür nach dem Wohnzimmer, ein Kind schritt über die Schwelle. Ich war nicht wenig betreten, denn ich hatte keine Ahnung davon, daß Kinder im Hause waren; aber ich durfte mich nicht lange besinnen, jede Minute des Zauderns konnte mich verderben. Mit einem Satze war ich bei der Kleinen, das hocherhobene Beil fiel auf ihr Haupt, sie brach zusammen und tat keinen Atemzug mehr.
Jetzt erst hörte ich, daß Baumgart noch röchelte, schnell ergriff ich mein Messer und schnitt ihm den Hals durch. Um ganz sicher zu sein, erhob ich auch noch das Gewehr und stach ihn mit dem Bajonett noch zweimal in die Brust. Mehr als zweimal habe ich meiner Erinnerung nach nicht gestochen.
Ich verließ nun die Kammer und ging in die Stube, fest entschlossen, jedes lebendige Wesen darin umzubringen, damit ich nicht verraten würde. Ich fand ein Bett und darin einen Knaben von etwa fünf bis sechs Jahren, der sich unter die Decke verkrochen hatte. Als ich das Deckbett aufhob, schlug das Kind die Augen auf und sah mich freundlich lächelnd an. Rührung erfaßte mich, es tat mir weh, daß diese hellen, lieblichen Augen brechen sollten, eine Sekunde lang war ich zu Milde und Barmherzigkeit geneigt. Gleich darauf rief ich mir ins Gedächtnis zurück, daß ich keinen Zeugen verschonen dürfte, ich tötete das Kind also mit mehreren Beilhieben und stürmte fort nach der Kammer der Magd. Bei meinem Eintreten schrie sie laut auf, ich gab ihr mehrere Schläge und würgte sie mit ihrem Nachthalstuch vollends tot. Die Blutarbeit war indes noch immer nicht zu Ende, es stand noch ein Bett in der Kammer, und in dem schlief noch ein Kind. Ich beförderte es mit einigen Streichen in die Ewigkeit und hatte nun das Feld frei.
Ich kann nicht sagen, daß ich mich über das Blutbad entsetzt oder daß mich inmitten der Leichen Grausen ergriffen hätte, ich dürstete nach dem Gelde des Müllers und hoffte auf eine reiche Ernte.
Ohne Zeit zu verlieren, durchsuchte ich den Kasten mit Wäsche, der in der Magdkammer stand, dann das Schlafzimmer Baumgarts und die Wohnstube; in einer Kommode, die ich erbrach, fand ich zwei Beutel mit Geld; diese und einen Kalender steckte ich zu mir, die Kleider und Wäschestücke ließ ich liegen, wie ich sie herausgezogen und durcheinandergeworfen hatte.
Den Rückweg nahm ich durch die Hoftür und um das Haus herum nach der Straße. Hier überlegte ich mir, daß ich gewiß nicht gründlich genug gesucht hätte und am Ende noch mehr Geld finden würde. Ich kehrte nochmals um und entdeckte wirklich in jener Kommode noch einen dritten Beutel voll Geld.
Vor dem Hoftor zog ich meine Stiefel wieder an und eilte, da der Morgen schon zu dämmern anfing, mit möglichster Schnelligkeit nach dem Försterhause, wo ich den geraubten Schatz hervorholte und mich an dem Anblick des Geldes erfreute. Ich hatte übrigens nicht mehr als dreißig Taler erbeutet.
Ergänzend muß ich noch bemerken, daß ich mich auch in Chursdorf an den Leichen der Müllerin und der Dienstmagd vergangen habe. Ich ließ mir diesen Lohn niemals entgehen, wenn ich ein Weib ermordet hatte.
Mein Bruder Martin hat mir in keiner Weise Beihilfe geleistet, er ist nicht mit in der Mühle gewesen und weiß von der ganzen Sache nichts, vielmehr habe ich allein den Plan erdacht und allein den Überfall ausgeführt. Einige Tage vorher besuchte ich meinen Bruder zwar in Schönow, sagte ihm aber nichts von meinem Vorhaben; in der Nacht nachher ging ich wieder zu ihm und schenkte ihm sechzehn Taler und eine Flasche Rum. Von Schönow begab ich mich in meine Höhle.
Das Beil, das mir als Mordwerkzeug gedient hat, ist später dort in Beschlag genommen worden. Wenn man mir vorhält, daß an dreien meiner Beile Blutflecke und Menschenhaare entdeckt und auch an einem Beile meines Bruders Blutspuren und Fasern wie von der Nachthaube und dem Kopfkissen der Frau Baumgart gefunden worden sein sollen, so kann ich das nicht aufklären. Ich wiederhole, daß ich keinen Mitschuldigen und nur ein einziges Beil benutzt habe.
Am Freitag nach dem Morde, am 17. Mai, mußte ich meine mit so unendlicher Mühe angelegte Wohnung verlassen, weil mich zwei Bauern, deren Herankommen ich überhört hatte, aus der Höhle emportauchen sahen. Das war der härteste Schlag, der mich treffen konnte, ich flüchtete mit meinem unter den Rock geknüpften Gewehr in den Wald und teilte in der folgenden Nacht meinem Bruder mit, was mir passiert war. Wir nahmen auf unbestimmte Zeit Abschied voneinander, denn so viel war uns beiden klar, daß ich nicht in der Nähe bleiben durfte.
Ich ging zunächst nach dem Dammschen Forst und nach einem Rasttage weiter bis Stettin. Ich kehrte in der Vorstadt jenseits der Oder in mehreren Schenklokalen ein und lebte lustig und guter Dinge.
Unter anderem beteiligte ich mich auch an einem öffentlichen Tanzvergnügen, bei dem ich viel Geld draufgehen ließ und mich tüchtig betrank. In nicht geringe Verlegenheit geriet ich, als mir die Füße den Dienst versagten und etliche der Anwesenden, die mich nach Hause bringen wollten, nach meinem Namen und nach meiner Wohnung fragten. Ich bat, man sollte mich nur ruhig im Saale liegenlassen, schlief ein und wendete der Stadt Stettin am anderen Morgen schleunigst den Rücken.
Da ich kein Geld mehr besaß, war ich genötigt, mich von neuem aufs Stehlen zu legen. Ich baute mir in der Nähe von Kolbatz im Walde eine Laubhütte und unternahm von da aus Raubzüge in die nächsten Dörfer. Freilich sagte ich mir, daß ich hier nicht lange unentdeckt hausen würde, indes konnte sich kein Mensch nähern, ohne daß ich ihn sah, auf jeden Fall war also meine Flucht gefährdet.
Wirklich wurde ich bald von einem Manne, der Gras in der Heide schnitt, vertrieben und gelangte spätabends am 22. Juli nach Neuendorf.
In einem Zimmer des Gastgebäudes war Licht, am Tische saß ein schlafendes Mädchen, das mir die Wirtschafterin zu sein schien. Rasch entschlossen zu Mord und Raub, trat ich durch die offenen Türen in den Hausflur und in das Zimmer, schlug die Frauensperson mit einem Hammer auf den Kopf und schnürte ihr den Hals zu. Sie leistete jedoch heftigen Widerstand und erhob ein durchdringendes Geschrei, ich erschrak und zog unverrichtetersache ab.
Nun wanderte ich über Neustadt-Eberswalde in die Lauenburger Waldung. Ich nahm mir vor, den von Berlin heimkehrenden Fuhrleuten aufzulauern, wie ich es schon in früheren Jahren getan hatte.
In der Nacht vom 21. zum 22. August lag ich mit geladenem Gewehr an der Chaussee zwischen Tiefensee und Heckelberg, als ein Planwagen, nur mit einem Pferde bespannt, dahergerollt kam. Ich ließ ihn vorüber, schlich dann leise nach, hob vorsichtig von hinten die Plane auf und sah, daß der Fuhrmann allein darin saß. Ich legte meinen Stutzen auf den Wagenkorb auf, zielte nach dem Kopfe und drückte ab.
Die Kugel war tödlich; schleunigst fiel ich dem Pferde in die Zügel und lenkte den Wagen seitwärts in den Wald. Der Fuhrmann regte sich nicht mehr; ich schnallte ihm die Geldkatze ab, in der ich zweiundvierzig Taler fand, nahm die silberne Taschenuhr mit, vergrub die leere Geldkatze und entfernte mich.
Ich wollte nun nach Frankfurt an der Oder und von dort mit der Eisenbahn weiterreisen. Wohin, hatte ich mir noch nicht überlegt, das sollte von den Umständen abhängen.
In Müncheberg traf ich lustige Gesellschaft; ich gesellte mich dazu und verlebte den ganzen Tag vor meiner Verhaftung in Herrlichkeit und Freuden.
Ich war schon oft daran gewesen, meine Freiheit einzubüßen, und doch immer glücklich davongekommen. Mehreremal waren Leute an meinem Lager im Walde vorübergekommen, ohne es zu entdecken; wenn die Polizei und die aufgebotenen Gemeinden Jagd auf mich machten, lag ich bisweilen unter Strauchwerk versteckt und sah meine Verfolger an mir vorüberziehen, ja, einmal war ich im Hause eines befreundeten Tagelöhners sogar erkannt worden und wurde doch nicht ergriffen. In dem Hausflur stand eine Tonne von ziemlicher Größe, in der eine Henne brütete. Da man das Haus umstellt hatte, stieg ich in die Tonne, ließ Stroh über mich decken und die Henne mit ihren Eiern in ihrem alten Neste daraufsetzen.
Das zahme, um seine Brut besorgte Tier brütete ruhig weiter; alle Winkel wurden ausgeforscht, aber es kam niemand darauf, daß ich unter den Flügeln jener Henne verborgen sein könnte. Durch mein Glück war ich dreist geworden, ich glaubte, es würde mich niemals verlassen. In Frankfurt wich es indes von mir: In trunkenem Zustande bekam ich Händel mit der Polizei und wurde festgenommen.
Ich habe nichts Erhebliches verschwiegen und sehe dem Tode getrost entgegen, ausgesöhnt mit mir werde ich den letzten Gang gehen. Ich versichere, den Frieden gefunden zu haben; ich besaß ihn nicht, als mein Gewissen noch belastet war. Wenn ich mordete, so tat ich es nicht aus Blutdurst und weil das Morden mir Freude machte, sondern teils aus Sinneslust, teils um mir meinen Lebensunterhalt zu erwerben. Ich wollte meine Freiheit nicht aufgeben, und deshalb mußte ich zum Mörder werden.