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Einunddreißigstes Kapitel.
Land

Die bisher stetig schnelle Fahrt litt mit Eintritt in die milderen Breiten unter wechselnden, zum Teil widrigen Winden. Wir kamen nur langsam vorwärts.

Endlich, am 18. Februar, zeigten meine Berechnungen, daß, falls der Wind anhielt, wie er war, wir die Insel innerhalb zwölf Stunden erreichen konnten. Es mußte also scharfer Ausguck gehalten werden.

Ich teilte dies Lush mit, dessen ewig mürrisches Holzgesicht sich bei der Nachricht in freudiger Erregung rötete.

Na, wir werden nicht schlecht aufpassen, darauf können Sie sich verlassen, sagte er grinsend, und schritt eiligst davon, die Kunde nach vorn zu tragen. Dieselbe verursachte einen ungeheuren Jubel; kein Mann blieb unter Deck, alles lief zusammen. Einige sprangen und tanzten wie Kinder, andere redeten eifrig mit lebhaften Gesten durcheinander, ein Teil stürzte sogleich zwischen die Backen und lugte aus, als ob die lang ersehnte Insel jetzt schon jeden Augenblick auftauchen könnte.

Auch nachdem die erste Aufregung sich gelegt hatte, zeugte das Wesen der Leute von der sie beherrschenden Unrast und Ungeduld. Fortwährend rannten sie unstät umher, immer von neuem sich über die Seiten hängend und ihre Blicke in die Ferne bohrend. Dabei dampften die Pfeifen wie Schornsteine und spritzte der Priemchensaft in Fontänen. Alles krampfhaft, alles fieberhaft.

Und mir erging es nicht besser. Ich empfand den Druck der Spannung nicht minder, als die Leute, wenn ich es mir auch nicht so merken ließ. Ich saß mit Fräulein Temple unter dem kleinen Sonnendach, suchte ebenfalls Beruhigung in meiner Pfeife, konnte mich aber auch nicht enthalten, von Zeit zu Zeit an die Reling zu treten und mit dem Teleskop die See voraus zu sichten. Allerdings hatte ich von zwölf Stunden gesprochen, indessen konnte ich mich auf eine solche Genauigkeit meiner Berechnungen nicht verlassen; es war recht wohl möglich, daß die Insel, falls sie sich wirklich da befand, wo der Wahnsinnige sie angegeben, jeden Augenblick vorwärts oder seitwärts des Bugs erscheinen konnte.

Fräulein Temple bewahrte unter der allgemeinen Aufregung äußerlich eine bewunderungswürdige Fassung, obwohl ich ihr wohl ansah, welche Angst und Sorge sie innerlich durchlebte. Es war in der letzten Woche eine seltsame Veränderung mit ihr vorgegangen. Ihr Wesen war sanft und freundlich geworden; ihr Mund hatte den hochmütigen Zug verloren und der gebieterische Blick ihres lebhaften Auges war verschwunden. Abgesehen hiervon saß sie jetzt – wenn auch mit schmalerem Gesicht – ganz so vor mir, wie seinerzeit auf dem Ostindienfahrer, denn bei der wärmeren Temperatur hatte sie das selbstgefertigte Jackett abgelegt und ihren Strohhut wieder aufgesetzt.

Als ich nach einer wieder einmal abgehaltenen Umschau zu ihr zurückkehrte, sagte sie, ihre kleine Handarbeit tief atmend in den Schoß legend: Morgen um diese Zeit kennen wir unser Schicksal.

Vielleicht noch nicht, entgegnete ich sinnend, ich wünschte aber, es wäre so, denn immer besser Gewißheit als dieses ewige aufreibende Schweben zwischen Furcht und Hoffnung. Ich bin schon ganz mürbe davon und sehne mich darnach, endlich bestimmt handeln zu können. Die Gelegenheit dazu naht. Auch Sie müssen sich bereit halten.

Ich bin bereit, erwiderte sie mit vor Aufregung zitternder Stimme. Sie brauchen mir nur zu sagen, was ich tun soll. Haben Sie denn nun einen Plan entworfen?

Noch nicht. Der Augenblick muß ihn erst bringen; wenn der aber kommt, werde ich ihn mit aller Entschlossenheit ausnützen. Vertrauen Sie mir nur ganz. Und sollten uns wirklich noch weitere Prüfungen beschieden sein, so wollen wir sie mit Mut ertragen, in der festen Zuversicht, daß Gott uns helfen und mir vergönnen wird, Sie wohlbehalten in die Arme Ihrer Mutter zurückzuführen.

Sie reichte mir wehmütig lächelnd ihre Hand.

Ja, Gott helfe uns. Mögen auch noch neue Leiden über uns kommen – ich werde das Vertrauen und die Hoffnung auf einen endlichen guten Ausgang nicht verlieren, und darin die Kraft finden, alles furchtlos zu tun, was Sie von mir verlangen werden.

Das waren Worte zur rechten Zeit; sie gaben mir Freiheit für jeden auch noch so kühnen Entschluß, den ich in dem nächsten Augenblick vielleicht schon fassen mußte. Um vieles ruhiger sah ich jetzt dem Augenblick entgegen, der unser Schicksal entscheiden sollte.

Abwechselnd promenierend und uns wieder setzend suchten wir, durch die verschiedensten Gesprächsstoffe die peinigende Spannung etwas zu betäuben. Oefter schien es mir, als ob der häufig in unsere Nähe kommende Zimmermann mich gern angesprochen hätte, doch ich tat, als ob ich ihn nicht bemerkte. Ich wünschte jetzt keine Unterredung mit ihm.

So kam der Abend heran. Ich fürchtete die während des Nachmittags immer flauer gewordene Brise könnte mit Sonnenuntergang zur Windstille werden, doch zu meiner großen Erleichterung frischte im Gegenteil der Wind wieder auf, als das letzte Scharlach den wolkenlosen Himmel im Westen färbte. Wenn der Chronometer unten richtig zeigte, durfte ich hoffen, bald Gewißheit zu erlangen, ob das Ziel unserer Fahrt vorhanden war oder nicht.

Als die Nacht niedersank, schien kein Mond, doch der Wind besaß eine so eigentümlich belebende Frische, wie man solche auf keinem anderen Ozean findet. Deshalb verließ ich auch das Deck nicht, wiewohl Lush die Wache von 8 bis 12 Uhr hatte. Fräulein Temple redete mir zwar zu, die Zeit bis 12 Uhr zum Schlafen zu benutzen, um nicht die ganze Nacht einzubüßen, doch ich fühlte mich zu fieberhaft erregt, um ruhen zu können.

Es war 11 Uhr, als wir in die Kajüte zurückkehrten, und dort gelang es mir, sie zu bewegen, sich, wenn auch nicht zu Bett, so doch wenigstens auf die Polsterbank zu legen. Wer konnte wissen, ob sie nicht sehr bald all ihrer Kräfte bedürfen würde. Nur mit Widerstreben ließ sie sich ein Kissen unter den Kopf legen und eine leichte Decke überbreiten.

Während sie so lag und ich am Tisch saß, wechselten wir noch ab und zu ein paar Worte, dann aber schlief sie ein. Nichts unterbrach mehr die Stille als das Ticken der Uhr unter dem Oberlicht, der gleichmäßige Tritt des oben hin- und herschreitenden Zimmermanns, und das leise Geplätscher der gegen die Seiten der Bark spielenden kleinen Wellen.

Mich überkam beim Anblick des Mädchens, welches so sanft schlummerte – am Vorabend von, Gott allein wußte, welchen Ereignissen – eine unnennbar weiche Stimmung. Sie lag so friedlich da in ihrer durch den Schlaf sozusagen vergeistigten Lieblichkeit und Schönheit, und doch standen wir vielleicht an der Schwelle einer schrecklichen uns vernichtenden Zukunft. Aber konnte Gott denn das zugeben? Wie wunderbar waren wir zusammengeführt worden; wie vertraut hatten uns die gemeinsamen Leiden gemacht; wie tief hatte die Liebe zu ihr in mir Wurzel geschlagen! Ja, in mir – aber – was barg ihr Herz für mich? War es wohl möglich, daß sie in der Zeit auch für mich eine verborgene Neigung gefaßt hatte? Ich blickte mit der törichten Hoffnung auf ihre Lippen, daß sie vielleicht im Traume meinen Namen lispeln würde. – Ich war der Wirklichkeit ganz entrückt. – Da tönten plötzlich die Klänge der Glocke, acht Glasen, durch die Stille, die mich zur Wache riefen. Ein tiefer Seufzer entstieg meiner Brust. Betenden Herzens erhob ich mich, fast unbewußt meine Hände segnend über die Schlafende erhebend; dann verdunkelte ich die Lampe und schlich leise hinauf.

Der Zimmermann hatte mich offenbar schon sehnlichst erwartet; er sprach mich sogleich an:

Der Wind hat uns ein gut Stück vorwärts gebracht. Keiner ist schlafen gegangen; wir haben uns alle die Augen blind gesehen, aber noch nichts entdeckt. Was meinen Sie, müßten wir nicht bald da sein?

Ja, wenn die Insel existiert, kann sie nicht mehr weit sein; sie kann sogar ganz plötzlich vor uns auftauchen, denn nach der Beschreibung des Kapitäns hat sie keine hohen Ufer, die weit sichtbar wären. Wir müssen jetzt doppelt scharfen Ausguck halten, um nicht am Ende gar unversehens auf das Riff aufzulaufen. Kommen Sie, ich will das dem Ausguckposten sagen und gleich selbst einmal sehen, ob ich nichts entdecken kann.

Damit gingen wir nach vorn, wo ich viele Leute fand, die weit über die Schanzkleidung gebeugt in die Dunkelheit hinausstarrten. Als sie mich bemerkten und sahen, wie ich mit dem Teleskop das Wasser absuchte, blickten mich alle atemlos gespannt an, als wenn sie jeden Augenblick einen Ausruf von mir erwarteten. Doch so angestrengt ich auch die Dunkelheit bis da, wo Meer und Himmel ineinander verschmolzen, zu durchdringen strebte, bot sich mir nichts als die leicht bewegte leere Wasserfläche. Selbst die Bark schien von der allgemeinen Spannung erfaßt; am ganzen Körper leise zitternd glitt sie fast geräuschlos durch das Wasser.

Die Aufregung steigerte sich, nachdem ich den Leuten gesagt hatte, wie aufmerksam und vorsichtig wir jetzt sein müßten. Es herrschte eine unheimliche Stille, selbst die schattenhaften Gestalten, die da und dorthin huschten, schienen auf Katzenpfoten zu gehen, um kein Geräusch zu machen und die ersten Anzeichen einer entfernten Brandung zu vernehmen.

Die Minuten wurden uns zu Stunden. Endlich, kurz vor vier Uhr, brüllte der in der Spitze postierte Ausguck: Hallo!

Ich war mit wenigen Sprüngen bei ihm. Was gibt es?

Grad' voraus 'n dunkler Streifen!

Wo?

Da! keuchte Lush, mit dem Arm über die Spitze des Klüverbaumes deutend.

Ich hatte es sofort. Das Glas zeigte mir einen Schatten – einem niedrigen Wolkenstreifen ähnlich – wie solcher oft des Abends über der Seelinie liegt. – Es war festes Land!

Ist sie's? Ist es die Insel? krächzte Lush mit vor Aufregung heiserer Stimme.

Meine Verblüffung, mein Erstaunen, meine Ueberraschung, nun doch, trotz all meiner Ungläubigkeit, da Land zu finden, wo der Kapitän angegeben – obwohl die Karte dort nichts als Wasser bis zur Osterinsel zeigte, welche dieser niedrige Streifen aber keinesfalls sein konnte – ließ mich die Frage des Zimmermanns nicht sogleich beantworten. Ich stand wie erstarrt. Er wiederholte seine Frage.

Ja, wenn sie es nicht ist, dann weiß ich nicht, was es sein kann, stieß ich schwer atmend hervor. – Wie weit schätzen Sie die Entfernung?

Die Leute drängten heran, uns zu hören.

Etwa drei Meilen, schätzte Lush.

Na, Fünfe könnten's schon sein, meinte ein junger Matrose.

Du Grasaffe – kaum zwei – belehrte ein Graubart, der aufmerksam hinaushorchte. – Haltet die Mäuler, seid still – ich glaube, man hört die Brandung.

Eine Grabesstille trat ein. Alles lauschte mit verhaltenem Atem. – Dumpf, aber doch vernehmbar, hörte man ein fernes leises Rauschen.

Bei Gott, das ist die Brandung! bestätigte Lush. –

Ich halte es auch dafür, stimmte ich bei. Nun denn, so lassen Sie an die Segel gehen. Wir müssen die Fahrt bis zum Tageslicht verkürzen.

Wie ein Jubelschrei klang es, als er sofort rief:

Alle Mann zum Segel bergen! Und nie in meinem Leben habe ich Matrosen auf einem Handelsschiff so frohsinnig und schnell an die Arbeit gehen sehen. Sie sprangen wie Besessene an das hängende Tauwerk und in die Wanten, und während sie da unter Gesang, Lachen und freudigem Geschrei hantierten, stieg ich auf das Kampanjedeck, um einen besseren Blick auf das Land zu gewinnen.

Der Lärm hatte Fräulein Temple geweckt und auf Deck geführt. Bebend fragte sie: Was ist los? Ist etwas entdeckt?

Land! erwiderte ich, ihr mit mattem Lächeln die Hand reichend.

Was? Die Insel?

Ich kann nicht daran zweifeln. Blicken Sie genau in die Richtung des Bugspriets.

Es dauerte eine kleine Weile, bis sie den dunkeln Streifen auf dem Wasser zu unterscheiden vermochte, dann wandte sie sich mit staunenden Augen zu mir:

Kann das wirklich die Insel sein? Es ist doch fast undenkbar, daß Sie das Schiff so schnurgerade darauf zugesteuert haben. Und wenn sie es ist – wenn sie nicht nur der Traum eines Wahnsinnigen war – warum sollte dann nicht auch der Schatz Wahrheit sein, und alles jetzt noch für uns gut werden können? Welch wunderbare, unerwartete Fügung wäre das!

Ich hörte kaum, was sie sprach. Ich war wie betäubt; mir wirbelte der Kopf von dem ungeahnten Wechsel der Dinge. Erst der Zimmermann, der nach beendetem Festmachen der Segel soeben heraufstieg, rüttelte mich wieder auf.

Herr Dugdale, redete er mich in einem ganz andern Ton wie sonst an: Alles, was wahr ist, und allen Respekt – das macht Ihnen sobald keiner nach. Sie haben ein Seemannskunststück geleistet, daß Sie das Schiff schnurgerade mit der Nase auf die Insel führten. Nun werden Sie doch auch an das Gold glauben?

Ja, ich muß wohl. Und was wollen Sie tun, wenn Sie es haben?

Das wird sich dann schon finden. Erst wollen wir's holen, nickte er grinsend.

Wenn es nur auch die richtige Insel ist, bemerkte ich bedenklich. Ich zweifle zwar nicht daran, aber man kann doch nicht wissen. Ich wünschte, es wäre erst Tag. Jedenfalls müssen Sie jetzt loten lassen.

Da haben Sie recht, stimmte er zu. Das muß ich gleich besorgen. Hab' an alles für die Landung gedacht, daran aber nicht. Damit machte er sich wieder eilig auf den Weg.

Allmählich fing es an zu dämmern. Das Land wurde immer deutlicher, und als die Sonne emportauchte, zeigte es sich in seiner ganzen Gestalt, kaum eine Meile entfernt.

Dieser Anblick löste auf einmal alle bisherige Disziplin. In wildem Lauf stürmte die gesamte Mannschaft, um besser sehen zu können, auf das Kampanjedeck. In einen dichten Haufen gedrängt, nicht weit von mir und dem Mädchen, betrachteten die Leute mit durstigen Blicken das Eiland, auf dessen Erscheinen seit vielen Wochen all ihr Sinnen und Trachten gerichtet gewesen war.

Der Augenschein ergab, daß es eine kleine Koralleninsel war, die in Form und Größe der gesuchten glich. Die vielen Augen entdeckten bald alle Einzelheiten. Nach Norden umgab das glatte Wasser eine lange Sandbank von Korallenkies, der im frühen Sonnenschein wie Schnee glitzerte.

In der Mitte der Insel erhob sich eine kleine, grün bewachsene Anhöhe. Uns fast gegenüber trat das Land in einem Halbkreis, gleichsam hufeisenförmig, zurück – genau die auf der Karte bezeichnete Lagune bildend, mit der aus ihrer Mitte emporragenden säulenartigen Korallenformation. Von hier aus landeinwärts eine kleine Strecke hartes Gras und Gestrüpp und daran anschließend mehrere kleine Baumgruppen. Alles stimmte aufs Haar.

Der Zimmermann – mit der Zeichnung Braines in der Hand und umgeben von der bei jedem neu entdeckten Merkmal aufjubelnden und durcheinander schreienden Mannschaft – zeigte und erklärte alle Angaben der Karte.

Ich vermochte noch immer nicht meinen Augen zu trauen. Kann das denn Wirklichkeit sein? wandte ich mich verwirrt an meine Gefährtin. Ein Gefühl von Schwindel überkam mich. Ich mußte mich an dem Geländer festhalten.

In dem Moment schrie auf einmal Lush:

Drei Hurras für ihn, Jungens! Und wie drei mächtige Salven donnerte es durch die Luft. Mützen, Hüte, Arme wurden geschwenkt. Das Geschrei und der Jubel wollten kein Ende nehmen. Die Leute waren wie verrückt im Uebermaß ihrer Freude. Ich war nicht fähig, ein Wort hervorzubringen; ich nickte nur mechanisch.

Und jetzt, Herr Dugdale, fuhr Lush fort, denk ich, wird's Zeit, nach unserm Ankergeschirr zu sehen.

Gewiß, jawohl, erwiderte ich fast tonlos und kaum mehr imstande, mich auf den Beinen zu halten. Ich habe meine Schuldigkeit getan. Alles weitere ist nun Ihre Sache. Wenn Sie mich als Navigator wieder brauchen, werden Sie mich bereit finden.

Damit setzte ich mich auf die einzige hier oben befindliche kleine Bank, und alle Leute, geführt vom Zimmermann, stiegen eilig und lärmend die Treppe hinunter.

Fräulein Temple nahm neben mir Platz und sah mir ängstlich und sorgenvoll ins Gesicht. Mein Gott, wie blaß Sie sind! Ihnen ist unwohl! Ich hole Ihnen eine Stärkung.

Sie flog davon.

Meine Sinne wollten mir schwinden. Die vielen schlaflosen Nächte, die beständigen Sorgen, die fortwährende Angst und Aufregung, was geschehen würde, wenn die Insel sich nicht finden ließe, die ewige furchtbare Nervenspannung machten sich nun, nachdem die Insel gefunden, in einem Schwächeanfall geltend, den ich trotz aller aufgebotenen Willenskraft nicht zu besiegen vermochte. Es flimmerte mir vor den Augen, ich zitterte an allen Gliedern, kalte Schweißperlen traten mir auf die Stirn. Ich war nicht imstande, das Glas zu ergreifen, welches meine Gefährtin mir brachte. Sie mußte es mir an die Lippen halten. Fast bewußtlos trank ich es aus. Es war ein sehr starker kalter Brandygrog, eine Dosis, die mich unter anderen Umständen berauscht haben würde, mir jetzt aber eine wirkliche Herzstärkung wurde. Ich kam bald wieder zu mir, nur mit Anstrengung aber vermochte ich starker, kräftiger Mann einen Weinkrampf zu unterdrücken.

Meine Schwäche abschüttelnd stand ich auf, küßte meiner treuen Gefährtin mit einem dankerfüllten Blick die Hand und trat mit ihr wieder an das Geländer, zu sehen, was die Leute machten.

Es war jetzt heller Tag. Unter der Leitung von Lush war alles emsig an der Arbeit, die letzten Vorbereitungen zur Landung zu treffen. Abteilungsweise holten sich zwischendurch die Leute ihr Frühstück aus der Kombüse und verschlangen es stehend in aller Hast. Schneckengleich kroch die Bark der Insel näher und näher, während auf jeder Seite des Bugs ein Mann beständig das Lot warf.

Endlich wurde Grund gemeldet. Das Wasser wurde seichter und seichter, je mehr wir uns der Lagune näherten. Auf den Ruf des Zimmermanns rauschten die wenigen Tagsegel nieder, die das Schiff noch in Fahrt erhalten hatten. Die Bark schaukelte jetzt nur noch bewegt von den schwachen Wellen. Die Leute holten die Ankerkette über. Fallen Anker! dröhnte die Stimme von Lush, und unter dem Hurra der Mannschaft rasselten die eisernen Kettenglieder durch die Klüsen. – Die Lady Blanche lag still – eine halbe Meile vor der Lagune.


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