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Gerichtstag

Vier Elegien


Die »Elegie an den Einsamen« und die »Elegie von der Ferne« sind in dem 1936 bei Anton Pustet, Salzburg, erschienenen Gedichtband der Verfasserin »Lob Gottes im Gebirge« enthalten.

Elegie vom Mitleid

Hast du des Mitleids Gewalt in dir und die tollkühne Liebe,
Helfenwollender, der du für einen Christen dich ausgibst?
Willst du dem Klagenden nicht fortschwatzen die Nacht seiner Trauer,
Eifrig einredend ihm, es sei sein Gram ein Geringes,
Irrtum nur sei seine Trübsal, sein Bettlertum fröhliche Habe?
Sind seine Qual und sein Mangel nicht lästige Last dir gewesen,
Dich verpflichtend, wozu du zu träge bist und zu lieblos?
Bist mit dem Weinenden du getaucht an den Born seiner Tränen,
In seines pfadlosen Leides tiefschwarze und fremde Vermauerung,
Wahrhaft leidend mit ihm vielliebend verströmenden Herzens,
Wenn keine Hilfe mehr war und alle Hoffnung geschwunden?

Hast du den schwatzenden Alten gelauscht; von verlassenen Mädchen
Angehört in Geduld das trübselige Lied ihrer Liebe,
Immer zu redlichem Mitschmerz bereit, deine Seele verwandelnd
In die gequälte der Klagenden; vor ihre Leiden dich stellend,
Ausgebreiteten Arms, auf daß sie sie nimmer gewahrten?
Hast du die frierende Angst im Auge von Kindern gesehen,
Die man in lieblosem Hause herumstieß und neidisch ernährte;
Bist du gekniet bei den Scheuen und Schreckhaften, Vater und Mutter
Wieder ihnen erschaffend aus deinem großen Erbarmen?
Hast beim vergessenen Dichter im grau verstaubenden Zimmer
Hell und still du gesessen, aus innerstem Herzen ihn ehrend,
Um sein verjährendes Werk dich gemüht und Sonne entzündet
An verschüttetem Orte, umlastet von eisigem Schweigen?
War der Verstorbene, den sie versenkt an nebligem Abend,
War er dir Bruder, und hast du beweint ihn getreu mit den Eltern
Nachts im verödeten Haus, das gähnte von hallender Leere,
Eilig am Friedhofstor nicht schon abgeschüttelt die Trauer,
Wandelnd stramm deines Wegs, ein Unbetroffner und Kühler,
Der von den Tränen sich losgekauft mit dem Kranz und der Schleife?
Hast du nicht die Ergebung in Gottes urewigen Willen
Gerne jenen gemalt als ein Billiges, Nahes und Leichtes,
Während sie bitter und schwer ist, ein Letztes und schrecklich Erhabnes,
Das man mühseligsten Weges durch tödliche Wildnis erwandert?
Wohl, so erlote es ihnen, erspür es, ergrab es, erflieg es,
Mensch du, Getaufter, Erlöster, das Kleinod der wahren Ergebung,
Ach, der geläuterten Lust, zu tun, was der Meister verhängte,
Ohne Gestöhne zu leeren die Becher, die bitter bereitstehn,
Auszuschreiten die Wege des Leidlands, die ewig geplanten.
Aber dir sei es kund, dir, dem das Mit-Leid gegeben,
Der du die Ärmsten belehrst, sich in Gottes Willen zu fügen,
Daß Gottes Wille für dich ist, im fremden Leide zu wohnen,
So, und so ganz allein, entfesselnd die Quellen des Trostes,
Daß es die Weinenden wissen: hier ist ein Mensch, der uns liebt.
Blut vom Blute der Armut sei, Fleisch vom Fleische des Jammers!
So wie der Eine gehangen am Kreuz für die Sünden der vielen,
Also hange auch du an der Ratlosen zehrender Marter,
Sei an die Peinen genagelt der Siechen in dumpfigem Bette,
Trinke den Essig der Qual mit allen treulos Verratnen,
Lieg mit den Toten im Grab und steige zur Vorhölle nieder.
Endlich tauche empor ins Licht der wahrhaftigen Hoffnung,
Sei du schimmernd von Trost, sternfunkelnd von lauterer Freude.
Schwer ist das Mitleid, und lange nicht lernt sich die tragende Güte,
Wohlgefällig und niedlich nicht kleidet Erbarmen den Tröster.
Erst bis du tapfer geschultert die ganze Fülle der Schmerzen,
Erst bis einwohnend im Wehsal, im fremden, dein Ich du verstoßen,
Dann erst erblüht dir die Liebe, zu der dich dein Name verpflichtet,
Helfenwollender, der du für einen Christen dich ausgibst.


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