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Trostpsalm für den Bringer der heiligen Unrast

Der du die Unruhe Gottes in die Herzen trägst,
Der du die Trägheit aufscheuchst aus den langsamen Seelen,
Der du durchblutest mit ewiger Wahrheit, was verkalkt
war durch leblosen Brauch:

Dachtest du, die Kleinmütigen würden dich lieben
Um deiner heiligen Unrast willen?
Sie werden dich höhnen mit hämischem Haß,
Sie werden dich verfolgen mit emsiger Tücke,
Wie in Vogelfallen und Fuchseisen wirst du dich
fangen in der Enge ihrer Herzen.

Sie werden dich anklagen als einen, der den Frieden stört,
Werden mit Fingern auf dich zeigen, wie auf einen, der gesetzlos ist,
Werden dich verfemen und verlassen, als hättest du
Weihen und Eide gebrochen.

Denn lieber als die freifliegende Locke ist ihnen das
filzig gebändigte Haar,
Lieber als Wandeln auf schwebendem Steg das Liegen
auf schummriger Ofenbank,
Lieber ist ihnen die jahrealte Stickluft der Stuben,
Als wilder, herrlich wehender Wind.

Du aber, wenn die Alternden dich liebten, wärest nicht, der du bist,
Wenn die Tückischen dir vertrauten, so müßtest du dir selbst mißtrauen.
Wenn die Trägen dir folgten, so müßtest du stillestehn
Nur der, dessen Herz jung ist, kann dich Jungen begleiten,
Nur wer wahrhaftig ist, kann dir Wahrhaftigem glauben,
Nur wer lebendig ist, kann dich Lebendigen lieben.

Den Zögernden wirst du voraneilen in reisigen Märschen,
Die Zweifler wirst du überdröhnen mit der Stimme deiner Getreuen,
Und die Kaltherzigen beschämen durch die Glut deiner Besessenheit.
Der Sturm, den du entfacht hast, wird den Himmel reinigen,
Die Wasser, die du entfesselt hast, werden das Land befruchten,
Und in die Zukunft leuchten wird das Feuer, das du entzündet hast.

Sei getrost denn: wenn die Schmähworte gellen, so höre sie nicht,
Wenn die Steine fliegen, so ducke dich nicht,
Wenn Verfemung dich vereisen will,
So wisse, du bist nicht allein.

Du bist Gottes eilige Pflugschar,
Gottes brausendes Wasser,
Gottes singender Föhnsturm –

Und du willst dich härmen?!


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