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Heloise an Abaelard


Heloise an Abaelard

I.

Tief im schattenden Ried,
Wenn die Nachtigall singt,
Ihr ein antwortend Lied
Aus dem Dunkel erklingt.

Wenn hinsegelt wie Schnee
Eine Wolke, und schwillt,
Dann bespiegelt im See
Sich ihr wanderndes Bild.

Wenn der Wasserfall hallt
Durch Geröll und Gesteil,
Aus benachbartem Wald
Wird ihm Echo zuteil.

Was da sucht, was da ruft,
Was da wirbt, was da klagt,
Aus dem Busch, aus der Luft,
Wird ihm Antwort gesagt.

Nur dein Auge sieht fort,
Und dein Mund, er bleibt stumm
Meinem sehnenden Wort,
Und ich sterbe darum.

II.

Weißt du es nicht, daß du zu allen Dingen
Der einzige und wahre Weg mir bist?
Mit dir fuhr ich dahin auf Adlerschwingen
Und ahnte, daß der Geist lebendig ist.

Da du mir nah warst, mußt ich alles lieben,
Wenn du mir sprachst, ward mir der Himmel kund,
Wenn du mich küßtest, glühte in den sieben
Geschaffnen Farben mein beredter Mund.

Da du mich liebtest, ward das Weltall brennend,
Und Gott schritt durch die Flammen auf mich zu.
Ich kniete nieder, betend und erkennend,
Und meiner Inbrunst Wurzel warest du.

Doch da du schwandest, schlossen sich die Tore,
Da du mir gingst, losch der erlauchte Strahl,
Die hohen Hymnen schweigen meinem Ohre,
Mein heller Sangesmund verstummt in Qual.

Da du mich hart aus deinen Armen ließest,
Ward finstrem Stern mein Leben unterstellt.
Die Zeit erkrankte, weil du mich verstießest,
Und Gottes Geist floh klagend aus der Welt.

III.

Ich esse immer noch von meiner Liebe,
Dem roten Zauberapfel,
Der neu wird jede Nacht.

Je mehr ich von ihm zehre,
Je schneller wächst er nach,
Je schwerer und runder
Ruht er mir auf der Brust.

Die Tage der Süße freilich
Sind lange dahin.
Mit Bitterkeit füllt er
Mir Seele und Mund.

Doch es hungert mein Herz,
Das alterslose,
Unstillbar nach der gewaltigen Speise,
Die lind ist und grausam,
Herbe und hold,
Es hungert und ißt
Und wird ihrer auf ewig nicht satt.

IV.

Abaelard in ferner Zelle,
Ach, was soll dein Brief mir taugen?
Lieber säh ich deiner Augen
Frühgeliebte, klare Quelle.

Lieber würde ich das leise
Streicheln deiner Hände fühlen,
Statt zu lesen diese kühlen
Worte wie von einem Greise.

Ob wir gleich zwei Herzen waren,
Schlug uns einstmals doch nur eines.
War es meines? War es deines?
Zweie sind in eins gefahren.

Da nach unsres Blutes Takte
Furchtlos wir durchs Feuer gingen
Und mit jubellautem Singen
Sprangen durch die Katarakte:

Leben damals, ohnegleichen,
Strömte uns aus Höh' und Tiefe.
Aber heut in deinem Briefe
Les ich kalte Todeszeichen.

V.

Vor den Menschen muß ich von dir schweigen,
Keinem darf mein Lechzen ich bekennen,
Denn sie würden böse auf mich zeigen,
Ahnten sie mein nie verlöschend Brennen.

Zu den Bienen, zu den stummen Fischen
Rede ich von dir, und zu den zahmen
Tannenmeisen an den Futternischen.
Scheuen Amseln nenn ich deinen Namen.

Diese rechnen es mir nicht als Sünde,
Wenn von unsrer Liebe ich erzähle,
Und die wilde Trauer ihnen künde
Meiner heimwehkranken armen Seele.

VI.

Seit du dich von mir wandtest,
Ward ich dem Tod verwandt;
Seitdem du mich verbanntest,
Hat mich die Nacht erkannt.

Dieweil du mich gerichtet,
Verworfen, ausgespien,
Hat sich mein Wald gelichtet,
Der ohne Ende schien.

In grünen Sommergründen,
Da liefen Wege viel;
Nun weiß ich's, wo sie münden,
Bei welchem nahen Ziel.

Da mir dein Blick vertraute,
Wie lebt' ich hell und heil.
Die Rose und die Raute,
Die waren da mein Teil.

Nun raschelt und nun knistert
Es welk in meiner Hand.
Ich bin dem Tod verschwistert,
Seit du dich abgewandt.

VII.

Wach ich auf, so sitzt das übergroße
Leiden schmalgesichtig mir am Bette,
Äugt nach mir im fahlen Morgenschimmer.

Was ich immer schaffe, schafft's mit mir.
Mischt die Farben, rüstet die Geräte,
Will, daß meine Arbeit seine sei.

Esse ich, so nimmt's von meiner Schüssel,
Bricht mein Brot und trinkt aus meinem Kruge,
Sättigt sich gemach von dem, was mein ist.

Geh ich schlafen, liegt es schon als erstes
Auf dem Lager, herrisch mich erwartend
Dort als mein Gebieter und Gemahl.

Meine Stimme spricht mit seinen Lauten,
Meine Augen schaun mit seinen Blicken
Und sein Same wächst in meinem Schoß.

VIII.

Meine Stirn darf deine nicht berühren,
Meine Schulter nicht an deiner lehnen,
Deines Mannesherzens Schlag zu spüren,
Ist mir untersagt bei Christi Tränen.

Bist du traurig, darf ich es nicht wissen,
Bist du müd, darf ich dich nicht geleiten,
Bist du krank, darf ich die frischen Kissen
Dienend nicht dir unter'n Nacken breiten.

Aber wenn zu kärglich kaltem Gruße
Deine Finger sich um meine biegen,
Zittern wir, wie wenn im Hochzeitskusse
Andre selig beieinander liegen.


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