Johanna Zürcher-Siebel
Das Freudengärtlein
Johanna Zürcher-Siebel

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7. Im Osterland

«Kathrinli», sagte die Mutter zu ihrem kleinen achtjährigen Mädchen, «ich muss heute den ganzen Nachmittag im Lindenhof beim Putzen helfen. Die Herrschaften erwarten Besuch morgen zum Osterfest. Ich weiss nicht, wie spät es wird. Dann musst du schon allein bei uns aufräumen. Wir wollen doch alles blitzblank haben auf Ostern. Wenn es dann auch bei uns nicht so viele Hasen und Ostereier gibt wie bei den reichen Leuten, so haben wir es sonst schön miteinander. Gell, Kathrinli?»

Kathrinli lachte fröhlich über sein sauberes Gesichtchen, um das die zarten, blonden Löckchen wie ein goldiges Kränzlein strahlten, und in seinen braunen Augen blitzte es vor Eifer und Unternehmungslust. «Ich mache alles aufs Tüpfeli, so wie du, Mutter», sagte es «ich weiss dann schon, wie es laufen muss.»

«Recht so!», lobte die Mutter; sie knotete sich das weisse Kopftuch unter dem Kinn zusammen und ging.

Nun begann das Kathrinli zu schaffen. Es band sich zuerst eine blaue Schürze der Mutter über sein rotes Röckchen, so dass der obere Rand an das feine rosige Hälschen stiess. Alsdann holte es aus dem kleinen sauberen Haus, das so freundlich unter den Bäumen am Seerand lag, allerhand Holz und Messinggeschirr, Teller, Eimer und Kessel und stellte die Sachen auf die Holzbank vor dem Hause. Es fegte und putzte, dass es eine Art war, und sein Gesicht blühte dabei, wie die Pfirsichblüten an der Hauswand. Mit den grössern Sachen ging es hinunter zum See und reinigte sie dort. Für das Messinggeschirr rupfte es sich Grasbüschlein und Pflanzenblätter und scheuerte zuerst damit. Und hernach rieb es eifrig mit saubern Tüchern und ruhte nicht, bis alles glänzte und funkelte und kein Flecklein mehr zu sehen war. Am Ende stellte es die ganze strahlende Herrlichkeit sauber und stattlich auf die Bank vor der Haustür, dass die Sonne sich in dem Kupfergeschirr spiegelte und die Holzteller trocknete. Als Kathrinli noch die Stube und den kleinen Hausgang gefegt hatte, räumte es alles wieder nett und ordentlich ein. Wie es auch damit fertig war, streuselte es mit zierlichen Bewegungen weissen feinen Sand auf den Boden.

Nun glaubte es wirklich, alles so gemacht zu haben, wie seine Mutter und setzte sich mit glücklichem Aufatmen vor die Türe auf die Hausbank. Der See glitzerte unter dem warmen klarblauen Frühlingshimmel hell zu ihm herauf. Da fiel dem Kathrinli ein, dass es sich nun selber sauber machen wolle. Es wusch und rieb sich Gesicht und Arme und Beine, dass es am Ende um die Wette glänzte mit den blitzenden blinkenden Wellen. Als es nun wie ein kleiner strahlender Festtag da stand, kam ihm der Gedanke, dass zu einer rechten Osterstube auch ein Osterstrauss gehöre. Das Kathrinli hatte dabei eine heimliche Hoffnung, dass auf einen netten bunten Ostermaien der Osterhas aus dem Osterland etwa ein farbiges Ei oder auch zwei legen möchte. Kathrinli musste ordentlich ein Tänzchen machen vor Freude bei dieser Aussicht. Es wusste schon, wo die Schlüsselblumen am schönsten und goldhellsten blühten und die Blauveilchen am süssesten dufteten. So nahm es dann sein rundes Körbchen und machte sich ungesäumt auf den Weg; es wollte wieder daheim sein, wenn der Vater vom Fischfang, oder die Mutter vom Putzen nach Hause kommen sollten.

Bis zum Wald war es eine gute halbe Stunde, die Sonne brannte frühlingswarm hernieder und die Luft flirrte vor Licht.

Dem Kathrinli wurde ordentlich heiss, wie es mit seinem Körbchen über die einsame weissliche Landstrasse trappelte. So kam es endlich an den klaren Buchenwald, in dem einzelne helle Birken standen. Die glatten Stämme leuchteten, und jedes Reislein schien sich mit seinen zarten drängenden Knospen des Lebens zu freuen.

Auf dem Waldgrund blühten Anemonen und Schlüsselblumen, und von einem kleinen Abhang her wehte lockend und verheissungsvoll Veilchenduft. Kathrinli war ganz benommen von der Frühlingsherrlichkeit und pflückte so viel und so schnell es nur konnte, so dass sein weidengeflochtenes Körbchen sich schön und beglückend füllte. Wie es derart eifrig bei der Arbeit war, sprang auf einmal ein Hase durch den lichten Frühlingswald, und fast im gleichen Augenblick stob auch gackernd ein weisses Huhn daher. Kathrinli war masslos überrascht, so dass ihm fast vor lauter Staunen sein Blumenkörbchen zu Boden gefallen wäre. Und auf einmal kam ihm der Gedanke, dass dieser Hase und dieses Huhn zum Osterland gehörten, und dass dieses Wunderreich demnach ganz in der Nähe sein müsse. Eilfertig machte es sich auf, den beiden zu folgen, und flink wie ein Rehlein sprang es ihnen nach, über den moosigen blumenübersäten Waldboden. Am Ende indessen war es so ausser Atem, dass es sich auf einen Baumstrunk setzte, der wie ein Trönlein inmitten der Frühlingsblüten stand und über und über mit Moos wie mit einem weichen, grüngoldnen Teppich bedeckt war.

Als das Kathrinli wieder zu Atem gekommen und sich umschaute, in welcher Richtung es weiter laufen sollte, um in das Osterland zu kommen, glaubte es plötzlich seinen Augen nicht zu trauen: gar nicht weit von ihm, auf einer Lichtung im Walde, entfaltete sich ein wunderbares Leben, und ein buntes Gewimmel verwirrte zuerst förmlich Kathrinlis Sinn. Bald aber konnte es in dem Hin und Her Einzelheiten erkennen. Eine dicke stattliche Häsin, in blau und weiss gestreiftem Röckchen, roter Schürze und grünem Halstuch und ein prächtiger schöner Hase in gelb und roten Hosen und einem kecken Filzhütchen zwischen den steifen, langen Ohren, dirigierten und kommandierten eine ganze Menge kleiner und grosser Hasen, und dazwischen gackerten Hühner, und ein stolzer Hahn mit rot geschwollenem Kamm tat, als habe er hier auch etwas zu sagen, obwohl sich in der Geschäftigkeit ringsum niemand um ihn bekümmerte. Die Augen weit aufgerissen vor

Staunend, sein Blumenkörbchen dicht an sich gedrückt, näherte sich Kathrinli mit angehaltenem Atem der bunten märchenhaften Herrlichkeit.

Das weisse Huhn und der Hase, die vorhin durch den Wald gelaufen waren, befanden sich auch auf der Wiese. Als sie Kathrinli erblickten, sagten sie: «So, du bist uns nachgesprungen; wir sahen dich vorhin im Wald beim Blumenpflücken. Du kannst von Glück sagen, dass du den Weg hierher gefunden hast; die meisten Kinder kommen nur im Traum dahin. Dies ist das Osterland. Bitte, halte uns nun aber nicht auf mit Fragen; du siehst, wir sind alle sehr beschäftigt. Wir haben noch ungeheuer viel zu tun bis morgen. Du kannst deine Augen gut aufmachen und dir alles ansehen!»

«Darf ich helfen?», fragte Kathrinli schüchtern.

«Wende dich an die Hasenmutter, wenn sie Zeit hat!», sagte das weisse Huhn. «Sie bestimmt hier alles; auch wir Hühner müssen ihr folgen!»

Kathrinli näherte sich der Hasenmutter und brachte höflich mit einem Knixchen sein Anliegen vor. Die Hasenmutter stemmte einen Augenblick die Arme in die Seiten und sah Kathrinli prüfend an: «Du kannst aus deinem Körbchen Blumen in die gefüllten Nestchen legen», entgegnete sie, «und hernach den Bisquithasen Glöckchen anhängen!»

Überglücklich begab sich Kathrinli an die Arbeit. Dabei hatte es Zeit, sich in dem überwältigend bunten Treiben im Osterland zurecht zu finden. In zierlichen kleinen Hütten am Waldrand war ein lebhafter Betrieb. Kleine Hasen sprangen mit leeren Körben zu den offenen Türen und kamen mit gefüllten wieder heraus. Als Kathrinli einen Blick in die Hütten warf, sah es darin lauter schöne, saubere Nester, auf den einen sassen Hasen, auf den andern Hühner, und es herrschte ein förmlicher Wetteifer, welcher die meisten und grössten Eier legte. Kathrinli klatschte ordentlich in die Hände vor Vergnügen.

In der nähe der Hüttchen waren niedrige lange Bänke, auf denen Farbtöpfe standen. Hasenkinder tauchen die Pinsel tief hinein und bemalten die Eier, die ihnen von den huschenden Häslein zugetragen wurden. Andere Hasen rieben die roten, lila, grünen, gelben und blauen Eier mit Speckschwarten ab, dass sie noch glänzender wurden. Und wieder andere legten die fertigen Eier in Körbe und Kisten, die sie kleinen Hasenmädchen und Buben zur Weiterbeförderung übergaben. Dazwischen machten die allerkleinsten Häslein Purzelbäume oder spielten «Häslein in der Grube!» Eins war gerade in einen Farbtopf gefallen, darum wollte die Hasenmutter keins von ihnen mehr helfen lassen. «Ich werde euch an den Ohren nehmen!», drohte sie. Ausser den bunten Eiern wurden in grossen Kupferkesseln etwas abseits auch Schokoladeneier, rote Zuckereier und gelbliche Eier aus einer Zucker- und Mandelmasse gekocht. Kathrinli sah, wie ein kleiner Hasenbub immer heimlich den Löffel abschleckte, wenn er wieder ein Ei geformt hatten und wie sich ihm dabei vor Wohlbehagen die Schultern ordentlich hoben. Einmal wurde er von der Hasenmutter ertappt. «Dich will ich!», rief sie und schwenkte dabei das zappelnde Bürschchen gründlich bei den Ohren. In einem andern Winkel waren verschiedene Hasen damit beschäftigt, aus Schokolade, roter und gelber Zuckermasse Hasen zu formen in allen Grössen. Einige Hasen mussten dazu Modell stehen und lustige Stellungen einnehmen; ein Hase, der hier das Oberkommando führte, probierte gerade neue Haltungen, und weil er eine Brille trug und recht rund war, so sah es komisch aus, wie er mit den Vorderpfoten kreisförmig und in allen Richtungen hin und her wehte und mit dem Schwänzchen wackelte.

In einer Hütte war eine saubere Bäckerei untergebracht, in welcher die schönen goldhellen Bisquithasen gebacken wurden; und diesen durfte Kathrinli an himmelblauen Bändern die zarten bimmelnden Glöckchen umhängen.

Die Hasenmutter, welche allenthalben die Oberkontrolle hatte, war überall zu sehen. Kaum erblickte man sie mit ihrem grossen Holzlöffel in dieser Ecke des Betriebes, so hörte man ihre Befehle auch schon in der entgegengesetzten Richtung. «Das muss gehen wie das Bisiwetter», sagte sie, «flink, flink, morgen muss auch das ärmste Kind sein buntes Eilein haben, und wenn immer möglich, einen süssen Hasen dazu. Kathrinli, gib mal dein Körbchen her, – du hast brav geholfen, du bist überhaupt ein gutes Kind und tust keinem Tier etwas zu leide – ich will dir jetzt schon deine Eier geben!» Sie füllte dem Kathrinli das Körbchen mit roten, blauen und grünen Eiern und setzte ihm einen prächtigen Osterhasen dazu. «Jetzt musst du sorgen, dass du heim kommst», sagte die Hasenmutter, «damit deine Eltern nicht in Angst geraten. Ich lasse sie schön grüssen. Und morgen kannst du den Kindern im Dorf erzählen, dass du im Osterland gewesen, und dass es damit seine Richtigkeit hat. Es ist nichts geschwindelt dabei. Leb wohl, Kathrinli!»

Kathrinli machte ein Knixchen wie vor der Schlossfrau und sagte: «Danke schön, Frau Osterhäsin, wirklich, ich hätte nie geglaubt, dass es so etwas Schönes gibt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte!» –

Und dann? Ja, dann sass Kathrinli urplötzlich wieder auf dem moosüberzogenen Baumstumpf und rieb sich die Augen und sah verdutzt um sich. Es meinte schon, es hätte das ganze Märchenwunder vom Osterland geträumt. Aber neben ihm stand sein Körbchen und zwischen den goldhellen Schlüsselblumen und den kleinen duftenden Veilchenbüscheln lagen die farbigen Eier, und der stattliche Schokoladenhase war auch da. Kein Zweifel, Kathrinli war im Osterland gewesen. Voll Staunen und Wundern lief es heim.

«Närrlein!», sagte die Mutter, als Kathrinli alles erzählt hatte, «du hast das alles geträumt!» «Aber die Eier, Mutter», rief Kathrinli, «und der schöne Schokoladenhas?»

«Das ist mir, meiner Seel, auch ein Rätsel!», sagte die Mutter. «Vielleicht hat ein guter Mensch dir armem Tröpflein und sich selber eine Freude machen wollen. Nun, wie dem auch sei, Kathrinli, ein Wunder ist es jedenfalls; da hast du recht!»


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