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Verena Stadler.
Die junge Verena Stadler fuhr mit dem Dampfschiff von Herrlibach her nach St. Felix hinunter. Die Räder klapperten, und der See schäumte; langsam glitten die ländlichen Ufer hinauf und langsam kam die Stadt näher geschwommen, die gleich einem steinernen Ring das See-Ende umschlossen hält.
Das Schiff war mit Menschen gefüllt. Ein heimliches Leuchten, von dem man nicht wußte, aus welcher Falte des leise dunkelnden Himmels es brach, lag über ihren Gesichtern, die zumeist nach der Richtung gewendet waren, aus der das Schiff kam. Der See lag glatt und doch wie gehoben, gleich einer dunkeln gebohnten Fläche, die so glänzt, daß sie dem Auge wie leise gewölbt erscheint. Er schimmerte metallen und dunkler, je ferner er sich dehnte; an seinem Saume aber war verschwommener Dunst und aus diesem stieg eine Kette von Bergen. Sie traten, an den Himmel gebaut, daraus hervor und schauten auf das ziehende Schiff, hatten schwere dunkle Glieder und von Schnee leuchtende Häupter. Dieser lag auf den einen nur in schmalen weißen Bändern, so daß ihre Umrisse wie mit feinem Pinsel unendlich scharf und sorglich an den Himmelsgrund gemalt schienen; die andern bedeckte er wie ein Helm aus mattem getriebenem Silber. Alle hatten etwas Geheimnisvolles und fast Unwirkliches, weil ihren Fuß der Dunst und die Weite verbargen, und es lag etwas Großes und Herzbewegendes in dem Schweigen und der Klarheit, mit denen sie aus der verlorenen Ferne und der wachsenden Nacht auf den See und das Schiff und die nahe Stadt niederleuchteten.
Verena stand am Geländer des Schiffvorderteils, nahe den Plätzen, auf denen das Landvolk und diejenigen reisen, die sich weder zu den Hablichen noch zu den Fürnehmen rechnen. Sie schaute wie die übrigen nach den schönen, schweigsamen Bollwerken, die der Herrgott ihrer kleinen Heimat ins Herz hineingebaut hat; aber ihr Blick glitt des öfteren davon ab und dem linken Seeufer zu, wo Dorf um Dorf und Haus um Haus in immer schwerer sich senkenden Schatten untergingen. Einmal klang ein Läuten aus einem dieser verschwindenden Dörfer herüber, aber das Schiff trug Verena von dem Klingen hinweg, so daß es war, als schwanke dieses ängstlich ihr auf dem Wasser nach und versinke plötzlich seufzend und wie am Ende seiner Kraft im See. –
Am Ufer, lange im Abendnebel verschwunden, und nicht dicht am Wasser, sondern oben im Berg, stand ein Bauernhaus, das dem Gemeindeammann Stadler zu dessen Lebzeiten eigen gewesen, aus dem sie aber den aufrechten Mann und gemeindlichen Würden- und Bürdenträger vor wenigen Tagen an einen stillen Ort vertragen hatten, wo unsers Wissens Würde wie Bürde ein Ende hat. Es blieben Verena zwei Brüder und zwei Schwestern im väterlichen Hause zurück, auch ohne die lange verstorbene Mutter Menschen genug, von einer kleinen und kargen Scholle zu leben. So war Verena frei, dem Rufe der Base und Bäckerswitwe Waser zu St. Felix zu folgen, die schon mehrmals und dringend und gar in den letzten Tagen mit einem Beiklang von Angst und schwerem Sinnen sie zu kommen gebeten hatte. Diese Base war erst seit drei Tagen verwitwet; den Bäcker hatte man unten in der Stadt nur kurze Zeit nach seinem Vetter vom Land oben in Herrlibach begraben. So reiste Verena gleichsam von einem Tod zum andern, und ihre Fahrt war keine fröhliche. Sie trug aber weder die kopfhängerische Miene eines unter seiner Trauer schlotternden, noch die ebensowenig erbauliche eines mit seinem Schmerze prahlenden Menschen zur Schau, sondern hatte in den wohlgestalteten Zügen einen freundlichen Ernst und in den nicht sehr großen braungrauen Augen einen Ausdruck von stiller Entschlossenheit wie einer, der mit einem: »So muß es eben weitergehen!« einen unterbrochenen Weg rüstig wieder unter die Füße nimmt. Ihre Gestalt unterstützte dabei den Eindruck, daß ein Mißgeschick sie nicht niederzubeugen vermöge, denn sie war, obwohl nur mittelgroß, doch von biegsamem, geschmeidigem Wuchs. Das schlichte schwarze Kleid legte sich wohl um schlanke Hüften und gutgeformte Arme. Die Hände, die aus den engen Ärmeln sahen, waren weder klein noch fein; sie hatten nadelzerstochene Fingerspitzen und von schwerem Bauernwerkzeug breitgedrückte Ballen; aber sie waren nicht plump und nicht rot. Der Hals hatte einen schlanken Bau und trug den Kopf wohl, wenn auch bescheidentlich vornübergesenkt. Kein Hut saß auf dem dunkelbraunen, ob auch straff zum Knoten gebundenen, doch in unzähligen Kräuseln sich windenden Haar. Das Gesicht war bleich; der Bug der feinen Nase lief gerade und schmal zwischen die schönen Brauen hinauf, ihre Öffnungen aber waren groß und rosig und flogen beim Atmen wie die Nüstern einer edeln Pferdes.
Auf dem Schiff erscholl ein Glockenzeichen. Gleich darauf stieß das räderklappernde Fahrzeug aus mächtiger Pfeife ein ohrenbetäubendes Stöhnen aus. Die Stadt lag dicht vor den Blicken seiner Insassen, und eine Unruhe fuhr in diese. Verena nahm, während das Schiff anlegte, einen schwarzen, runden Korb auf, der neben ihr gestanden und ihre Habe barg, und hing ihn sich an den Arm, ließ die Menschen drängen und wartete mit einigen Verständigen, bis die Reihe, über den kleinen Steg ans Land zu gehen, an sie kam. Hier war niemand, der sie erwartete; so kümmerte sie sich nicht um die Menge der Umstehenden noch um das ihr nicht ganz vertraute Getöse der großen Stadt. Sie schritt, ihren Korb am Arm, mit mäßiger Eile dem Wasser entlang, das hier kaum mehr See, sondern schon Ablauf und Fluß war; zu ihrer Rechten stand ein prahlendes Gebäude, ein Stück des neuen St. Felix, wie es aus dem alten emporgestiegen, und eines von denen, die seit langem und stetig die früheren engen Quartiere überwucherten und gleichsam in sich selber erstickten. Dann lag eine breite und von buntem Getriebe der Wagen und Fußgänger unruhige Straße vor ihr. Sie setzte den Fuß auf dieselbe. Da flog ihr Blick zur Linken und fiel auf die Bronzestatue des Reformators von St. Felix, die eine alte, kleine Kirche im Rücken hatte und von grünen Bäumen und Buschwerk zu beiden Seiten umstanden war. Es war nicht das erstemal, daß Verena das Standbild des Reformators erblickte; manchmal hatte sie ihn stehen sehen und mit andern das Gefühl geteilt, als biete der mächtige Mann den willkommen seiner Stadt. In diesem Augenblicke aber lag über dem Bilde ein seltsamer Rosenschein, wie das Aufleuchten eines versinkenden Feuers, und es war in der Tat das letzte Blitzen des sterbenden Tages, das voll über die erzene Gestalt sich ergoß. Dadurch erhielt das tote Metall Leben, die klare Stirn des Gottesmannes schien zu leuchten, und in der Stellung des einen vorgesetzten Fußes lag eine Bewegung, als täte er in Wirklichkeit einen Schritt dem ankommenden Mädchen entgegen. Dabei hatte dieses nicht sowohl das naheliegende Empfinden, als werde ihm ein freundlicher oder ein liebevoller Gruß geboten, sondern es war Verena, als gehe aus der Wucht des starken und großen Mannes, dessen verehrungswürdige Persönlichkeit ihr in der Schule nahegebracht worden war, ein geheimes Kraftgefühl auf sie selber über. Ihre Brust hob sich in einem weiten Atemzuge, und sie ging mit großen und freien Schritten über die Straße. Sie gelangte zwischen dem Standort der Statue und einem Häuserviereck hindurch auf einen kleinen, freien, gepflasterten Platz und über diesen vor eine weite Front stattlicher, aber nicht in die letzten Baujahre der rasch wachsenden Stadt zu zählender Häuser. In dieser Front war eine Lücke, einer schweren Scharte in einem geraden Messer zu vergleichen. Darinnen stand zurückgeschoben ein schmales, hohes Haus mit einem niedrigen, zinnengekrönten Vorbau. An dem Geländer der Zinne war auf einer braunen, wetterverwaschenen Tafel zu lesen: »Bäckerei zum Höflein von Balthasar Waser.«
Verena überschritt den kleinen Hof, von dem Haus und Bäckerei ihren Namen hatten, und stieg über die zwei Sandsteinstufen zur Tür des im Vorbau gelegenen Ladens. Die Tür klingelte hell und nicht unlieblich, als sie eintrat. Ihr dicht zuneben, nur durch den alten Ladentisch von ihr getrennt, erhob sich eine bislang hinter der Auslage des Fensters, den Broten aller Art und Form, verborgen gewesene Frau.
»Bist es, Verena,« sagte die letztere, nahm mit runzligen Händen eine stählerne Brille von der spitzen, bleichen Nase und bot über den Ladentisch hin dem Mädchen die Rechte. Mit umständlicher Freundlichkeit leitete sie dasselbe, herseits des Ladentisches schreitend, tiefer in den von Mehlduft erfüllten Raum hinein, bis wo der Tisch endete und ihr Platz geboten war, ihren Willkomm herzlicher und mit einer unverhehlten Dankbarkeit zu wiederholen. Ihre kleinen Augen füllten sich dabei mit Tränen, und in ihrem hageren, farblosen Gesicht zuckte es; aber sie verwand die Wallung in einer Weise, die erkennen ließ, daß sie in ihrem Leben nicht das erste Leid verbiß.
»Ich bin gern gekommen, Base,« sagte Verena einfach, »früher konnte ich freilich nicht.«
»Ich weiß, ich weiß,« gab die andere zurück, und als sie sah, daß eine trübe Erinnerung auch dem Mädchen den Blick verschleierte, war sie die Stärkere und fügte hinzu: »Da sind wir jetzt in einem ähnlichen Spittel krank; nur was einem in deinen Jahren verloren geht, kann irgendwie wieder gutgemacht werden; uns Alten bleibt nur das Leere, die Lücke zurück.« Während dieser Worte nahm sie Verena den Korb ab und führte sie in die hinter dem Laden liegende Backstube, wo sie sie auf einer der Bänke Platz nehmen hieß, die einem langen tannenen Tisch entlang standen. Dann kamen sie ins Reden von dem, was war, gewesen und werden sollte. Als sie so neben der Base Katharina saß, schien es Verena, als sei jene, seit sie sie das letztemal gesehen, sonderbar gebrechlich geworden. Ihr Haar war grauer und, wo es vorn schlicht an den Kopf gescheitelt war, spärlich und dünn. Um den Mund trug sie einen kranken Zug. Verena konnte sich nicht enthalten, zu fragen: »Ihr seid wohl selber jetzt schlimm zuweg, Base?«
»Ich habe böse Nächte, Kind,« gab sie zurück; »just darum bin ich froh, daß du jetzt da bist. Ich lege dich in die Kammer neben die meine.«
In der Backstube setzte jetzt eine alte Magd spröde klappernde, wenig vornehme Teller auf den Tisch und trug eine Suppe auf. Inzwischen traten zwei Männer durch eine Hintertür herein, in klatschenden Pantoffeln, die Hose nachlässig angetan, noch nachlässiger das Hemd hineingesteckt, eine weiße Schürze umgebunden und Haar und Gesicht von Mehl noch leise bestäubt. Weil schwere Beilhiebe, die bisher dumpf aus einem Hinterhofe heraufgeklungen, still geworden waren, wußte Verena, daß die beiden vom Holzhauen kamen. Sie gab dem einen, der mit lautem: »So, bist gekommen!« auf sie zutrat, die Hand und mußte, wie schon oft, lachen, daß sie, die doch nicht kleine, dem Vetter Wilhelm mit dem Kopf gerade unter die schweren Arme reichte. Sie hatte immer das Gefühl, als stehe sie unter einem großen Baume, wenn sie an ihm hinaufsah, denn es stand eines unwillkürlich in der Hut seines schweren, vornüberhängenden Körpers. Er war blond, hatte wolliges Haar und ein gesundes, festes Gesicht, in dessen roter Lebensfarbe die gelbweißen Brauen und der kurze struppige Schnurrbart wie angeklebt aussahen. Als er nachher, mit breit aufgestützten Armen seine Suppe löffelnd, Verena gegenübersaß, zeigte er ein treuherzig-drolliges Wesen, wie sie es an ihm gewohnt gewesen, und erreichte, daß über das Mädchen ein Gefühl der Behaglichkeit kam, das sie von jeher bei ihren Besuchen bei den Stadtverwandten gehabt hatte. In seinen großen blauen Augen war, wenn er seine trockenen Scherze hinwarf, etwas, was einem das Herz warm machte. Selbst über das fast strenge Sorgengesicht seiner Mutter ging immer ein Lächeln, wenn er sprach. Verena wußte, daß der Vetter Wilhelm im Höflein schon immer die Haussonne gewesen war.
Die Mahlzeit dauerte nicht lange. Der Knecht, der mit Wilhelm hereingekommen war, und die Magd saßen schweigsam am Tischende. Nachher erhob sich der erstere, wünschte »gute Nacht« und ging, die Magd räumte ab, Wilhelm aber ging hinaus und hängte am Laden die Fensterbalken ein. Als er nicht wiederkam, ging die Base nach ihm sehen, kam aber bald zurück und schloß von innen die Ladentür. »Er ist zum Bier,« sagte sie. Dabei war es, als seufze sie. Dann wandte sie sich an Verena und sagte: »Du wirst müde sein; laß uns nach oben gehen.«
Sie ließen die Magd zurück, eine starke, arbeitsame, die schon lange im Hause war. Die Base stieg die dunkelgewichste Holztreppe voran zur Wohnung hinauf. Verena trug ihren Korb und wunderte sich wieder, wie die Stadthäuser hoch waren. Die Treppe wollte immer kein Ende nehmen, und die Base, obwohl das Haus ihr gehörte, wohnte oben unterm Dach. Sie sprach nicht, während sie hinaufstiegen. Als sie endlich oben vor einer braun wie die Treppe glänzenden Stubentür anhielt, flüsterte sie: »Du weißt ja, ich mag nicht reden auf der Treppe; man muß froh sein, Mieter zu haben heutzutage, und ich will keinen stören.«
Verena nickte, und es fiel ihr ein, daß die Base immer so gewesen war, eine, die keinem im Weg sein wollte, eine Stille und im stillen Wackere.
Jene öffnete jetzt die Tür und sie traten in das Wohnzimmer mit dem graugestrichenen Täfelwerk. Es enthielt einen wachstuchbelegten runden Tisch, ein Sofa mit geblümtem Überzug, den weißen Kachelofen mit glänzender Messingtüre, einen Sekretär und ein paar Stühle. An der Wand hing ein Spruch: »Mit Gott fang an, mit Gott hör auf, das ist der beste Lebenslauf.« Der hatte zu Nachbarn alte Bilder in runden schwarzen Rahmen, die der Vetter und die Base an ihrem Hochzeitstag hatten machen lassen, und der Vetter trug ein schwarzseidenes Tuch wie zum Schutz vor Erkältung fest um den Hals gewunden, und die Base hatte noch den Reifrock an, der nun so lange aus der Mode war.
Die Base Katharina hieß Verena den Korb niedersetzen und ließ sich dann selber auf einen der beiden Stühle nieder, die am Fenster standen. »Ein wenig reden laß uns noch zusammen, weil wir allein sind,« sagte sie.
»Soll ich Licht machen?« fragte Verena, ehe sie sich setzte.
»Nein,« gab die Base zurück. Dabei merkte das Mädchen erst, daß ihr die Rede keuchend ging und daß sie sterbensbleich war. »Ihr habt das immer noch, daß Euch eng ist?« fragte sie.
»Mehr als früher, viel mehr,« stammelte die Base, lehnte sich einen Augenblick wie erschöpft in den Stuhl zurück und schloß die Augen.
Während sie so dalag, blitzte über den Dächern der nächsten hohen Häuser ein silberner Schein auf und leuchtete in die Stube. Verena mußte unwillkürlich aufsehen, wie es auf einmal hell war. Ganz nahe standen die dunkeln Schatten der Häuser, die die enge Hintergasse bildeten. Es war, als könnte eines mit der Hand an des Nachbars Mauer hinüberlangen. Das Geländer der Zinnen stand wie dunkles Flechtwerk vor dem eben heraufgebrochenen Mondlicht, und auf den Dächern lag es wie Schnee. Die Stufe der Base Katharina war still. Was vorn auf der breiten Seestraße hin und her wogte, rollte und schritt, hörte man hier nicht; nur wenn durch die enge Hintergasse ein Fußgänger kam, klangen die Steinplatten hohl und tönend unter seinen Füßen.
»Ja, das ist jetzt eben so, Verena,« begann die Base sich aufrichtend; »oft kommt es mich so an, daß ich keinen Atem mehr habe.« Sie erholte sich jetzt und sprach sodann der jungen Verwandten davon, wie sich ihr Leben im Hause gestalten solle. »Du verstehst mich,« schloß sie; »ich kann einmal krank werden, so kann ich, und – im Hause muß ein vertrauter Mensch sein, und – so bin ich dir dankbar, daß du gekommen bist, hoffentlich ist es auf lange.«
»Gewiß,« sagte Verena.
Dann brach die Base unvermittelt mit der Frage hervor: »Was sagst du – zum Wilhelm?«
Verena war verlegen. »Gut mag ich ihn,« sagte sie lächelnd.
Das Wort schien der andern wohlzutun. »Gut ist er,« fuhr sie eifrig fort. »Er arbeitet und ist gutmütig, und es muß einer manchmal lachen den Tag hindurch, wenn er so trocken und spaßig daherredet. Es ist gut mit ihm zusammenleben, mit dem Wilhelm. Aber –« ihre Stimme wurde leiser und stockte. Dann vollendete sie: »Leicht verlocken läßt er sich. Einen guten Freund sollte er immer um sich haben, der ihm recht bleiben hilft.«
Die Base sagte das wie zu sich selber; ihr Blick haftete am weißtannenen Stubenboden. Auf einmal schwieg sie ganz.
Verena mochte sie nicht stören. Aber den Wilhelm sah sie deutlich vor sich, den großen Menschen mit den breiten, ungeschlachten Schultern und dem gebogenen Rücken. Er hatte etwas ernsthaft Rechtschaffenes in seinem Äußern. Jetzt aber sagte die Base, leichtsinnig sei er, der Wilhelm! Verena wunderte sich; von der Seite kannte sie den Vetter nicht.
Sie saßen einige Augenblicke, ohne zu sprechen. Dann erinnerte sich die Base, daß Schlafenszeit sei. Sie machte nicht viel Worte; die Lust am Reden schien ihr vergangen. Aber als sie Verena in ihre Schlafkammer begleitete, tat sie ihr mit Blick und Wesen etwas wie mütterliche Liebe an, die sie erwärmte und ihr den Einzug in das Wasersche Haus lieb machte. Dann gingen sie mit einem wortkargen Gruß auseinander für die Nacht.