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Der hiermit abgeschlossene erste Teil des Romans ist aus dem täglichen Erleben heraus geschrieben. »Durch graue Gassen« führt eine junge Menschenblume der Weg, den sie selbst sich gesucht hat. Leidend unter dem Vorurteil ihrer Klasse, der sie nach Geburt und Rang angehört, strebt sie aus grauen Gassen eines thüringischen Kleinstädtchens hinaus in die Freiheit und Ungebundenheit der Großstadt, zum Studium der Kunst, fliehend vor allem dem, was sie einzuengen sucht und was ihr als Behinderung erscheint.
Der Leser fühlt wohl selbst, wie dann alle Erwartungen die entwickelte Künstlerin täuschen, wie sie auch auf den Höhen des Lebens keine Befriedigung zu finden vermag. Fast möchte man meinen, als sei Aniane von Rainer eine Nörglerin, die das Leben nicht versteht, die nicht zu leben weiß. Aber die Verfasserin hat ja keine Schilderung geben wollen, wie angenehm der von ihr im Romane dargestellten Hauptperson das Leben sich hätte gestalten können, wenn sie »zugefaßt« hätte, wie es wohl manch Andere an ihrer Stelle getan haben würde. Aniane sollte Charakterperson bleiben, die schlicht und recht nach ihrem Herzen lebt und vor sich selbst gerecht bleiben will. Darum endet dann der Roman mit einer hausbackenen Ehe, die Aniane mit dem Rittmeister von Rammelsburg eingeht, um endlich aus den »grauen Gassen« des Lebens herauszukommen.
Der Leser fühlt aber, daß einer solchen Romanperson noch etwas mehr beschieden sein muß als eine hausbackene Ehe. Er möchte wohl gern wissen, was aus Aniane, was aus dem Prinzen und was aus den Geheimratstöchtern geworden ist, die sicherlich nicht nur als Begleiterscheinungen gedacht sind.
Das beantwortet in wiederum fesselnder und schöner Schreibart der zweite Teil des Romans mit dem Titel
»Auf hoher Warte«.
Im Engadin, am St. Moritz-See finden wir nach Jahren alle die Gestalten des ersten Romanteiles wieder. Der Prinz hat als Fürst den Thron seiner Väter bestiegen. Hofluft weht nüchtern und streng in die Gesellschaft hinein.
Der Prinz ist ein anderer geworden. Er führt eine unglückliche Ehe und sucht wieder Anianens Liebe zu gewinnen. Aber sein Bemühen hat jetzt ein anderes Gepräge, man liest gern, wie er in ernsten Worten um Aniane wirbt und bedauert wohl innig, wenn diese mißtrauisch alle Bewerbungen zurückweist.
Aniane ist Witwe des Barons von Rammelsburg und jetzt ist sie hochgefeierte weitberühmte Künstlerin, die auf der hohen Warte des Lebens steht. Neben ihr stehen alle die bekannten Gestalten wieder auf, die Geheimratstöchter, die humoristische Tante Amalie, Roald Harnsen, der Künstler, und Witta von Monbert, Anianens Widersacherin.
Und wie sie alle nach soviel langen Jahren wieder miteinander oder gegeneinander leben, das hat zu schildern die Verfasserin meisterhaft verstanden, das fesselt den Leser von neuem und weit höher als im ersten Teile des Romans. Und so beginnt er gern, den zweiten Teil zu lesen mit der Frage:
Wie wird er enden? – Wie kam Aniane von Rainer aus grauen Gassen auf eine hohe Warte? – –