Ernst von Wolzogen
Die tolle Komteß
Ernst von Wolzogen

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebentes Kapitel.

In welchem wahrheitsgetreu berichtet wird, warum Fräulein Sophie Kamillenthee, die Gräfin Baldriantropfen und der Graf Fliederthee zu sich zu nehmen genötigt waren. Berichtet auch von einer gar seltsamen Zwiesprache zwischen dem Oberverwalter und der Stütze.

Als an diesem denkwürdigen Morgen die Herrin von Räsendorf nach dem verhängnisvollen Besuch im Nutzgarten in Begleitung der hart beklagten Stütze wieder in ihrem Eckzimmer angelangt war, ließ sie sich erschöpft auf den kleinen Runddiwan fallen und begann sich mit dem Taschentuch Kühlung zuzufächeln. Dabei bemerkte sie sofort die purpurnen Spuren, welche die heftige Berührung mit Beatens verletztem Geruchsorgan darin zurückgelassen hatte und eröffnete infolge solcher Wahrnehmung die hochnotpeinliche Verhandlung mit den Worten: »Ach, holen Sie mir doch erst mal ein reines Schnupftuch, Fräulein. Gleich links vornan, in der obersten Schublade.«

Und während Fräulein Sophie sich entfernte, um den Auftrag auszuführen, griff die erregte alte Dame nach dem Pappfutteral mit den Herrnhuter Losungen, deren Orakel sie in allen schwierigen Lagen zu befragen pflegte und das daher stets auf ihrem Schreibtisch zur Hand war. In ungeduldiger Hast zog sie einen Zettel heraus und las: »Und weil du Gott lieb warst, so mußte es so sein; ohne Anfechtung mußtest du nicht bleiben, auf daß du bewähret würdest.« Tobias 12, 13.

»Hm!« machte die Gräfin und blickte sinnend auf den Spruch nieder. »Ja nun weiß ich nicht: geht das auf mich oder auf sie?« murmelte sie kopfschüttelnd. »Geht das auf mich, dann darf ich gar nicht mal recht was sagen. Und geht es auf sie – je nun: eigentlich ist sie ja doch man angefochten worden; denn daß sie angefangen hat, das lügt 119 die Pastorsdirn einfach – dazu kenne ich meinen Helmut doch zu gut! Er hat sich immer gern zum Werkzeug gebrauchen lassen, wenn der Himmel mal einem hübschen Mädchen eine kleine Anfechtung bereiten wollte. Eigentlich ist die Sache so: weil sie dem Herrn Grafen lieb war, darum mußte sie angefochten werden, auf daß ich bewähret würde – als eine christliche Ehefrau, die ihr Kreuz in Geduld trägt. Hm, hm! Tetete! Der liebe Gott mag ja nichts dafür können; aber eine verdrehte Welt ist das doch: die Damen haben das Malheur und die Herren das Pläsir! – Na, meine Ansicht sollen sie alle beide zu hören kriegen – dat helpt nu nich!«

Sie schob den Zettel in die Schachtel zurück und schickte sich an, das Orakel zum andernmal zu befragen, als Fräulein Sophie wieder eintrat und ihr das reine Taschentuch überreichte.

Die Gräfin riegelte die Thür nach dem Speisesaal ab, nahm wieder auf dem Diwan Platz, legte ihr Gesicht in möglichst strenge Falten und begann: »Erinnern Sie sich vielleicht, was ich Ihnen sagte, als ich Sie gestern an dieser selben Stelle willkommen hieß?«

»Frau Gräfin legten mir Komteß Viktoria ganz besonders ans Herz,« erwiderte mit leichtem Zögern die Stütze.

»Das meine ich nicht. Ich sagte Ihnen: Sie kämen in ein christliches Haus und Sie müßten auf Ihren Lebenswandel selbst ein bißchen achtgeben, sonst . . .«

»Ich erinnere mich wohl, Frau Gräfin.«

»So, wirklich? Na, dann haben Sie wohl bloß an einer augenblicklichen Gedächtnisschwäche gelitten, wie Sie sich da an der Weinmauer von meinem Mann abküssen ließen, wie?«

Das Fräulein verbarg ihr Antlitz in ihren Händen und seufzte gar herzbrechend auf, ohne jedoch ein Wort zu äußern.

Die gestrenge Gräfin fuhr daher nach einer kleinen Pause der Erwartung fort: »Pastors Beate, die die ganze Geschichte durchs Schlüsselloch beobachtet hat, sagt zwar aus, daß Sie 120 meinen Mann erst durch Ihre Mätzchen dahin gebracht hätten, daß er sich so weit vergessen konnte; doch das will ich noch gar nicht einmal annehmen – daran sollen Sie unschuldig sein! Aber was ich unverzeihlich finde bei einem Mädchen, das meiner Vicki zum Vorbilde dienen soll, das ist, daß Sie sich so ganz gemütlich, gleich am zweiten Tage Ihrer Anwesenheit, von dem Gatten, Vater und Brotherrn abküssen lassen, ohne auch nur zu mucksen! Es scheint, Sie haben der Welt doch noch nicht so recht gründlich entsagt; denn wissen Sie, mein Kind, ein Mädchen, das der Welt entsagt hat, läßt sich nicht küssen; und wird es doch geküßt – dann quietscht es wenigstens!«

Das Fräulein wandte sich ab. Ihre Schultern gerieten in Zuckungen. Sie weinte offenbar heftig.

»Nun! Wissen Sie darauf nichts zu sagen? Oder haben Sie vielleicht gar gequietscht? So reden Sie doch endlich einmal!«

»O wie darf man so die edlen Motive des ehrwürdigen Greises verkennen!« rief Sophie pathetisch aus und schlug die Augen, in welchen übrigens noch keine Thräne zu entdecken war, anklagend zur Decke auf.

»Na, das ist man schön, daß das der Graf nicht gehört hat,« bemerkte hierauf die Gräfin mit drolliger Ironie. »Ehrwürdiger Greis!! Ich glaube, ihn rührte der Schlag! Und mit den edlen Motiven – Schnickschnack! Ich will zu Ihrer Ehre annehmen, daß Sie doch noch nicht viel Erfahrung haben, sonst wüßten Sie wohl, daß die alten Herren immer die Schlimmsten sind. Motive? Ich dächte, Ihre schwarzen, blanken Guckeln wären schon Motive genug. Und Sie werden sie auch nicht gerade in die Tasche gesteckt haben, wie der – der ehrwürdige Greis sich da um Sie niedlich machte.«

Wieder erfolgte keine Antwort. Sophie stand abgewandt, mit den Händen vor dem Gesicht, die Gräfin saß mit übereinander geschlagenen Armen da, hochrot bis an den Hals, und ihre 121 losen, vollen Wangen schwankten noch eine ganze Zeit lang nach, wie der Boden nach einem Erdbeben. Da wandte sich plötzlich das Fräulein ihr zu, führte mit niedergeschlagenen Augen eine tadellose Verbeugung aus und schritt dann rasch der Thür zu.

»Was soll das? Wohin?« rief die Gräfin erstaunt.

Und in dem Tone dumpfer Ergebung versetzte Fräulein Bandemer: »Ich gehe, meine wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken. In einer halben Stunde bin ich fertig. Wenn Frau Gräfin vielleicht die Gnade haben wollten, mich nach dem Bahnhof fahren zu lassen? Aber nein, das wäre wohl zu viel verlangt! Ich kann ja auch zu Fuße gehen – mein Köfferchen ist ja nicht schwer.«

»Ach was – papperlapapp! Habe ich Ihnen vielleicht schon die Thür gewiesen?« Die Gräfin erhob sich ärgerlich, ergriff das Fräulein ziemlich unsanft beim Arme und führte es ins Zimmer zurück. Dann setzte sie sich wieder auf ihren Lieblingsplatz unter dem Thorwaldsenschen Christus und sagte: »Kein überflüssiges Echauffement, bitte! Wo wollen Sie denn jetzt so Knall und Fall hin?«

»In die weite Welt, wo ich zu Hause bin. Ich bin es ja gewohnt, auf dem Ozean des Lebens ruhelos umhergeworfen zu werden, wie die letzten Splitter eines gescheiterten Schiffes. Die Flut trägt mich in einen Hafen, die Ebbe spült mich wieder hinaus. Lassen Sie mich ziehen, Frau Gräfin – ich sehe es ja ein: es war eine dreiste Anmaßung von mir, zu erwarten, daß mir in diesem Hause endlich das Glück der Ruhe, des Vergessens beschieden sein werde. Ach, wie heimelte mich hier alles an, wie kam mir alles mit Liebe entgegen! Es war mir zu Mute, als ich die Schwelle dieses Schlosses betrat, als riefe der fromme Geist des Hauses mir den schönen Christengruß entgegen: Friede sei mit dir!«

Hier machte die Rednerin eine Kunstpause. Eine Hand hatte sie aufs Herz gelegt, die andre leicht erhoben 122 vorgestreckt, als begrüße sie demütig den »frommen Geist des Hauses« mit einem Palmenwedel. Dann hob ein Seufzer ihren zarten Busen, ihre Arme und ihr dunkles Köpfchen sanken matt herab.

Die gute Gräfin saß da wie in der Kirche und faltete die Hände andächtig im Schoße. Sie hatte ganz vergessen, daß sie ja eigentlich diesem Mädchen eine gehörige Strafpredigt zugedacht hatte. Und sie wartete begierig auf den zweiten Teil.

»Es hat nicht sollen sein!« schloß das Fräulein mir bebendem, thränenschwerem Tone und suchte dann eifrig in ihrer Kleidertasche nach dem Zährentüchlein. Leider hatte sie dies nützliche Requisit der Sentimentalen beizustecken vergessen; doch ist ja bekanntlich der trockene Seelenschmerz der herbste, und auch dieser stand ihr sehr gut zu Gesichte. Sie rang also die kleinen Hände ineinander, starrte düster in die Zimmerecke und wiederholte nochmals das mit Recht so beliebte Citat: »Es wär' so schön gewesen – es hat nicht sollen sein!«

»Das sagt ja wohl Schiller, meine Liebe?« fragte die Gräfin, durch den bekannten Klang jener Phrase wie aus einer Betäubung erweckt. Und da das Fräulein wehmütig verneinend den Kopf schüttelte, fuhr sie gleichgültig fort: »Nicht? Na, dann sagt es eben jemand anders! Ich meine man, weil die meisten Sachen doch immer Schiller sagt. Aber recht hat er doch nicht mit seinem: es hat nicht sollen sein! Im Gegenteil: es hat doch wohl am Ende so sein sollen; denn die Schrift sagt: ›Und weil du Gott lieb warst, so mußte es so sein! Ohne Anfechtung mußtest du nicht bleiben, auf daß du bewähret würdest!‹ Wissen Sie wo das steht?«

Wieder verneinte das Fräulein durch wehmütiges Kopfschütteln.

Und die Gräfin versetzte mit lächelnder Genugthuung: 123 »Sehen Sie, das wissen Sie wieder nicht! Das steht im Buch Tobiä, Kapitel 12, Vers 13. Merken Sie sich den schönen Spruch, meine Liebe. ›Ohne Anfechtung mußtest du nicht bleiben, auf daß du bewähret würdest!‹ Sehen Sie, die Anfechtung, das war mein Mann; der hat ja wohl seine Schuldigkeit als Werkzeug des Himmels ganz schön gethan – aber ich finde nicht, daß Sie sich besonders bewährt haben. Na, na, weinen Sie nur nicht gleich! Ich kann das alte dumme Geheul nicht ausstehen. Ich will Sie gar nicht vor die Thür setzen; nur das muß ich Ihnen als Gattin, Mutter und Hausfrau ans Herz legen, daß Sie ein andermal, wenn die Anfechtung wieder kommen sollte, doch ein bißchen energischer gegen ankämpfen und besonders – das Quietschen nicht vergessen!« Sie lachte gutmütig und klopfte der Vermahnten dabei die Wange. »Wenn man ein so hübsches Lärvchen hat, dann läßt die Anfechtung meist nicht lange auf sich warten.«

Da warf die schöne Sophie sich ganz plötzlich der Gräfin zu Füßen und rief in leidenschaftlicher Bewegung: »O, dies Gesicht, dies verhaßte, glatte Gesicht! Wenn ich nur einmal den Mut fände, es mit diesen Nägeln zu zerfleischen, bis ich es so entstellt hätte, daß mir die Menschen mit mitleidigem Grauen auswichen! Dann erst fände ich vielleicht wirklich den Frieden, den ich bisher noch stets vergebens gesucht habe. Ich hasse mein Gesicht, ich hasse meine Augen – auslöschen möchte ich ihre Flammen, die so unheiligen Brand in die Herzen der Männer werfen!«

»Aber Kind, wie können Sie sich so versündigen,« suchte die erschrockene Gräfin sie zu beschwichtigen. »Hat Ihnen Gott dies Angesicht nicht gegeben, damit die Menschen den Schöpfer in seinen Werken preisen sollen?«

»Ja, aber der Herr sagt auch: So dich dein rechtes Auge ärgert, so reiß es aus und wirf es von dir!«

»Herr Jemine! Aber doch nicht gleich beide!« rief die 124 Gräfin ganz entsetzt ob solcher Schriftauslegung. »Ueberhaupt – so was ist doch man bildlich zu verstehen. Denken Sie doch bloß an: wenn sich jeder gleich so ein Auge ausreißen wollte, wie einen hohlen Zahn! Puh! Das wäre ja gräßlich! Fi donc! Nein, nein – ein hübsches Gesicht ist eine gute Gabe Gottes!«

»O gewiß, für ein Mädchen, das unter der treuen Obhut liebender Eltern in die Welt der guten Sitte eingeführt und von zarter Aufmerksamkeit und ritterlicher Huldigung getragen wird. Aber für ein armes Mädchen, das in der Fremde sich sein Brot suchen muß, ist es ein Fluch – ja, meine teure, edle Frau Gräfin – ein grausamer Fluch! Dies Gesicht hat mich aus dem Elternhause vertrieben, als ich noch kaum erwachsen war. Mein guter Vater starb an den Folgen der Wunden, die er im Feldzuge 1866 erhalten hatte und ließ meine Mutter in bitterer Not zurück. Sie hatte einst bessre Tage gekannt – sie konnte sich in das Elend nicht schicken, ihr schwacher Charakter brach darunter zusammen. Da wurde ihr die Aussicht eröffnet, ihre Lage glänzend zu verbessern – mein Gesicht hatte einen reichen Wüstling so gefesselt – – – O, lassen Sie mich davon schweigen! Ich floh vor solcher Mutter über das Weltmeer. Meine bescheidenen Kenntnisse und Fertigkeiten sollten mir drüben eine selbständige Existenz gründen. Ich wurde überall wohl aufgenommen, Unterstützung aller Art wurde mir versprochen und zugleich Bedingungen gestellt – oh! Ich verlobte mich mit einem jungen Manne in bescheidenen Verhältnissen, dem aber Fleiß und Begabung eine sichere Zukunft gewährleisteten – am Vorabend unsrer Hochzeit löste er das Verlöbnis auf, weil eine wahnsinnige Eifersucht ihn erfaßt hatte gegen den Prediger, der uns trauen sollte! Damals übermannte mich die Verzweiflung, ich verlor allen Halt. Ich wollte werden, was die Welt und mein Schicksal nun einmal aus mir machen wollten. Die Nachricht, 125 daß meine Mutter gestorben sei, bewahrte mich vor dem Sprung in den Abgrund – ich kehrte in die Heimat zurück – und . . .«

In leidenschaftlicher Hast hatte sie bis hierher gesprochen und hätte sicher noch lange so fortfahren können, denn ihrem erfinderischen Kopfe ging der Märchenstoff so wenig aus, wie ihren beredten Lippen die Worte – wenn nicht ein heftiger, krampfartiger Hustenanfall ihr hier die Rede abgeschnitten hätte. Jene verdächtigen, thalergroßen roten Flecke um die Backenknochen zeigten sich wieder, hart, hohl und schrecklich mühsam klang ihr Husten und die Augen, die dunklen, feurigen Augen wurden groß, glasig glänzend und richteten sich wie in starrer Todesangst zur Gräfin empor.

Die gute Dame hatte längst vergessen, daß sie guten Grund hatte, mehr als zurückhaltend gegen dies gefährliche Fräulein aufzutreten. Sie glaubte eine so erleuchtete Menschenkennerin zu sein und ließ sich doch durch eine wenig geschickte Schauspielerei so gänzlich in den Sumpf locken, wie das unerfahrenste junge Mädchen. Ja, sie hatte eben trotz ihres derben Wesens ein Herz so weich, gläubig und naiv wie ein Kind, und wenn sie gar einen Nebenmenschen leiden sah, wie hier das unglückliche, vom Schicksal grausam verfolgte schöne Geschöpf, so war sie ganz Mitleid, ganz christliches Erbarmen, opferfreudige, werkthätige Liebe.

Sie klingelte sofort nach der Köchin, bestellte den Brustthee, half Sophien vom Boden auf, tröstete, redete gut zu und war mütterlich liebreich um sie besorgt, bis der Anfall vorüber war. Dann kam die Komteß Vicki, die schon das ganze Haus und den ganzen Park nach ihrem Fräulein abgesucht hatte, gerade zur rechten Zeit, um die weitere Pflege zu übernehmen. Sie geleitete Sophien in ihr Zimmer hinauf, schleppte alle möglichen und unmöglichen Essenzen, Bonbons 126 und Pastillen herbei und war, unaufhörlich schwatzend, um sie beschäftigt, bis sie sich so weit erholt hatte, um auch ihrerseits das Räderwerk ihres »Sprechanismus« von neuem aufzuziehen und, natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit, dem neugierigen Komteßchen in zweckentsprechender Fassung die Ereignisse an der Gartenmauer mitzuteilen. Und dann ließ das arme unglückliche Mädchen auch ihre Schutzbefohlene Einblick thun in die Nacht ihres Lebensschicksals, nicht ohne wiederum einen großen Aufwand mit den bewährtesten und beliebtesten Romanwendungen zu treiben. Komteß Vicki fand natürlich das alles »furchtbar interessant« und schluckte gierig die sentimentalen Phrasen in ihren Kindermagen ein, als ob das Haremskonfekt mit Rosenlikör gewesen wäre. – –

Inzwischen war ihre treffliche Frau Mutter, nachdem sie durch eine reichliche Gabe Baldriantropfen ihr Nervensystem notdürftig beruhigt hatte, zu ihrem Gemahl, dem unglückseligen »ehrwürdigen Greis« hinübergerauscht, um diesem den wohlverdienten Text zu lesen.

»Nun, lieber Helmut, schon fertig mit deiner Korrespondenz?« begrüßte sie ihn freundlich.

»Ja, endlich – lieber Schatz,« erwiderte der Graf ebenso freundlich.

»Lieber Schatz? Na, na – inkommodiere dich nicht! Du wolltest wohl eben wieder ausgehen?«

Er war ihr nämlich schon mit Hut und Stock entgegengetreten.

»Ja, ich will doch mal sehen, wie sie mit dem Dampfpfluge fertig werden. Man kann nicht wissen, vielleicht bin ich doch noch nötig. Norwig hat noch nie mit solchem Dings gearbeitet,« sagte der Graf, indem er einen Schritt auf die Thür zu machte.

Die Gräfin hatte ihre Arme übereinander geschlagen und trommelte etwas nervös mit den Fingern der Rechten 127 auf den linken Oberarm, während sie möglichst gleichgültigen Tones die Worte hinwarf: »O ja, da magst du ja wohl nötig sein – das will ich gerne glauben. Um unsre Weintrauben brauchst du dich aber nicht mehr zu bemühen.«

»Weintrauben? Wieso Weintrauben?« fragte der Graf und klopfte dabei, um ihrem Blicke auszuweichen, ein Federchen von seinem grauen Beinkleid ab.

»O, ich meine bloß so!« versetzte die Gräfin leichthin. »Uebrigens, da wir gerade davon sprechen: du weißt wohl noch nicht, daß die alte Thür nach Pastors Garten hin eingebrochen ist? Du erinnerst dich: da wo die schönen Weintrauben überhängen.«

Der gute Graf sah das Ungewitter hereinbrechen. Er wurde doch ein wenig bleich, wenn er auch zunächst noch, Gleichgültigkeit heuchelnd, seine Bartspitzen ungeduldig aufzwirbelte. »Gartenthür? Was Gartenthür! Wie kann denn die Gartenthür so ohne weiteres einbrechen?«

»Ohne weiteres ist sie nun wohl gerade nicht eingebrochen,« erwiderte seine Gattin gedehnt, sich mit offenbarer Schadenfreude an seiner schuldbewußten Ungeduld weidend. »Aber so etwas kann freilich die beste Gartenthür nicht vertragen.«

»Aber was denn – zum Kuckuck!«

»Na zum Beispiel, wenn so eine neugierige Pastorsdirn da eine halbe Stunde lang durch das Schlüsselloch zu gucken hat, wie unklug.«

Der Graf holte in eigentümlicher Hast sein gelbseidenes Taschentuch hervor und betupfte sich damit die Stirn. »Ih zum Teufel, was hat denn die Pastorsdirn durch das Schlüsselloch zu gucken?«

»Ja, das frage ich auch! Was glaubst du wohl, was sie da zu sehen gekriegt hat?«

»Aber liebe Aurelie, das kann mir doch tout égal sein! Ich habe wirklich keine Zeit zu verlieren.«

128 Er machte einen Versuch, sich durch schleunige Flucht dem Arme der Gerechtigkeit zu entziehen, als welchen seine erzürnte Gemahlin soeben mit großer Geschwindigkeit nach ihm ausstreckte. Es war vergebens. Sie führte ihn in das Zimmer zurück und sagte mit einer Liebenswürdigkeit, bei der es ihn kalt überlief: »Willst du nicht gefälligst noch einen Augenblick Platz nehmen? Es wird dich doch vielleicht interessieren zu erfahren, was die Pastorsdirn gesehen hat.«

Mit der Miene eines Mannes, der den Entschluß gefaßt hat, sich einen Zahn ziehen zu lassen, nahm der »ehrwürdige Greis« in seinem Schreibsessel Platz, in welchen ihn seine Gemahlin mit sanfter Gewalt niederdrückte, während sie selber in statuenhafter Würde vor ihm stehen blieb.

Ohne erst eine ausdrückliche Kundgebung seines Interesses abzuwarten, sprach sie das Donnerwort: »Ich will dir sagen, was die Pastorsdirn gesehen hat: Einen gräßlichen, unverbesserlichen alten Sünder hat sie gesehen! einen Menschen, der . . .«

»Ach verflucht!« entfuhr es unwillkürlich dem Grafen.

»Fluche nicht noch! Lade nicht noch mehr Sünden auf dein Gewissen, denn ich brauche dir wohl nicht erst zu sagen, wer der Mann war!«

»Du weißt also?« sagte der Graf kleinlaut, während er dabei aufmerksam seine wohlgepflegten Fingernägel betrachtete.

»Ich weiß alles!« rief die Gräfin mit gedämpfter Stimme und trat ein paar Schritte weiter zurück, wie um des Geknickten ganze Gestalt leichter mit einem Blicke überschauen zu können. Und dann fuhr sie mit vernichtender Eindringlichkeit also fort: »Es ist mir unbegreiflich, wie ein Mann in deiner Stellung, in deinen Jahren, der Herr eines Hauses, in welchem das Wort Gottes sozusagen von allen 129 Wänden widerschallt, der eine christliche Gemahlin besitzt, welche nicht müde wird . . .«

»Aber teuerste Aurelie,« unterbrach er ihren Redefluß: »wenn du dich doch gewöhnen wolltest, solche Dinge etwas objektiv zu betrachten!«

»Objektiv! Ja wohl – komm du mir bloß mit objektiv!« rief die Gräfin ganz erbost. »Wenn man euch Männer mal bei einer recht großartigen Scheußlichkeit ertappt, dann kommt ihr immer mit dem alten dummen objektiv! Weißt du noch das letzte Mal? Die skandalöse Geschichte mit Albertine? Da kamst du mir auch mit objektiv! Und das war doch man ein ganz gewöhnliches Subjekt in meinen Augen!«

Der Graf machte einen schwachen Versuch, diesen Scherz zu belachen; aber die erzürnte Gattin unterbrach ihn sofort und rief: »Ich wüßte wirklich nicht, was es dabei zu lachen gibt! Damals hast du mir hoch und heilig versprochen, das mit Albertine sollte deine letzte Verirrung gewesen sein. Aber freilich, was man seiner eignen Frau schwört, das gilt für euresgleichen nicht.«

»Oh, oh, wie kannst du so etwas sagen! Ich hatte die besten Absichten; aber du weißt, liebe Aurelie: der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.«

»So, wirklich? Ich möchte lieber sagen: der Geist ist schwach, aber das Fleisch ist willig – ganz ungemein willig! Uebrigens schickt es sich gar nicht für solchen Mann wie dich, ein Wort der Schrift auch nur in den Mund zu nehmen!«

Der Graf wagte einige bescheidene Einwendungen zu erheben gegen solch vernichtendes Urteil seiner Gattin; doch beschwor er dadurch nur immer neue Entrüstungsstürme herauf. Auch sein Versuch, der Sache eine humoristische Seite abzugewinnen und sich als einen Märtyrer seines ritterlichen Mitgefühls für hübsche junge Witwen und Waisen hinzustellen, mißglückte vollständig. Seine Gattin war wie mit 130 Erz gepanzert gegen alle seine frivolen Finten. Immer erdrückender häufte sie ihre Anklagen auf sein Haupt, und zuletzt spielte sie, ganz nahe vor ihn hintretend, den höchsten Trumpf aus, indem sie ihm zurief: »Und weißt du auch, daß du beinahe zwei Menschenleben auf dein Gewissen geladen hättest?«

Der Graf blickte in starrem Entsetzen auf. »Zwei Menschenleben?« stotterte er.

»Ja wohl! Erstens einmal: Pastors Beate, die in der Eile, mir deine Tücke zu verraten, mit der Gartenthür eingebrochen ist – sie ist Gott sei Dank mit einer blutigen Nase davongekommen! Aber sie hätte sich doch ebenso gut das Genick brechen können!«

»Hätte sie doch!« murmelte der Graf ingrimmig.

»Und zweitens: das Fräulein Sophie. Die ist mir beinah in den Armen weggeblieben, das arme Ding – so hatte sie deine Arglist in ihrem Innersten verstört! Eine andre Frau hätte sie sofort aus dem Hause gewiesen. Aber glaube nur ja nicht, daß ich so etwas thun werde! Das wäre ja so gut, als wollte ich sie für die Schuldige erklären. Und ich weiß doch recht gut, wer hier der allein Schuldige ist. Vor dir ist ja doch keine sicher – und eine ganze Nachteule will man sich doch auch nicht ins Haus nehmen. Du gehst ja förmlich umher wie ein brüllender Löwe und suchest, welche du verschlingest.«

»Aber was hat denn das Fräulein eigentlich behauptet?« fragte der Graf mit einem sehr langen Gesicht; denn daß die reizende Sophie ihn so arg blamiert haben sollte, warf ihn aus allen seinen Himmeln.

»Sie hat mir alles gebeichtet,« erwiderte die Gräfin kurzweg. »Es ist ja nicht das erste Mal, daß ihr der Teufel seine Schlingen gelegt hat; aber der Herr hat ihr noch immer herausgeholfen! Weißt du nicht, wie Tobias 12, Vers 13 so schön sagt?«

131 Der arme Graf hatte natürlich keine Ahnung.

»›Weil du Gott lieb warest, darum mußte es so sein; ohne Anfechtung mußtest du nicht bleiben, auf daß du bewähret würdest.‹« Sie blickte ihn triumphierend an.

Der Graf wußte nicht recht, was er darauf erwidern sollte. Er nickte demnach nur zustimmend mit dem Kopfe und sagte kleinlaut: »So, so, sagt das Tobias? Hm – Tobias! Das war ja wohl der Mann mit der Fischleber?«

»Ganz recht,« entgegnete die Gräfin und warf den Kopf zurück. »Und du bist der Mann, der so gewißlich nicht in das Himmelreich kommen wird als ein Kamel nicht durch ein Nadelöhr geht! Denn du zeigst ja nicht einmal Reue! Du wärest im stande, mit dieser Sünde auf dem Gewissen vor deine unschuldigen Töchter hinzutreten . . .«

»Aber beste Aurelie, ich kann mich doch nicht vor meinen Töchtern verstecken!«

»So? Du willst also, daß sie es mit ansehen sollen, wie ganz Räsendorf und Umgegend mit Fingern auf dich weist? Denn du kannst dir doch wohl denken, daß Pastors Beate die Geschichte flink genug herumbringen wird.«

»Fatal, fatal!« brummte der Graf in seinen Bart.

Und die Gräfin nahm das Wort auf: »Fatal, fatal! Ja, das glaube ich gern! Aber Reue und Bußfertigkeit sehe ich noch nicht bei dir, und was du meinem Herzen angethan hast, danach fragst du gar nicht einmal.« Sie wurde weich und fuhr sich leicht mit dem Tuch über die Augen.

»Aber teuerste Aurelie,« versicherte der Graf: »Du siehst mich untröstlich! Wenn ich dich gekränkt habe, so bin ich auch natürlich zu jeder Sühne bereit. Wenn ich nur wüßte . . .«

»Wenn du mir versprechen willst, dich den Anordnungen zu fügen, die ich zu deinem Besten treffen will, so werde ich mein möglichstes thun, um die üblen Folgen dieser Geschichte 132 für dich abzuwenden. Die Hauptsache bleibt aber immer, daß wir deine unsterbliche Seele retten!«

Der Graf stieß einen tiefen Seufzer aus und sagte kläglich: »Du meinst doch nicht, daß ich mich wieder zu Bette legen soll?«

»Allerdings meine ich das!« versetzte die Gräfin streng. »Ein leichtes Unwohlsein ist ja in deinem Alter und nach solcher Gemütsbewegung eine ganz erklärliche Sache. Es ist durchaus nötig, daß du wenigstens einige Tage ganz in der Zurückgezogenheit zubringst, damit das Wort Gottes, mit dem ich dich unterdessen zu speisen gedenke, Zeit habe, dir in Fleisch und Blut überzugehen und dich zu stärken wider die Anfechtung. Du weißt doch wie Tobias sagt?«

»Ja, ja,« stöhnte der Graf verzweiflungsvoll.

»Na also – dann mach nur schnell, daß du ins Bett kommst, lieber Helmut. Ich lasse dir rasch einen schönen Fliederthee kochen. Das Schwitzen ist dir damals nach den dummen Geschichten mit Albertine auch so gut bekommen. Da muß der ganze alte Adam mit raus – ich komme auch nachher und lese dir aus dem Grolmus vor; denn ich fürchte, du wirst vorläufig noch nicht allein mit dem Teufel fertig.«

Mit diesen Worten rauschte sie, ihres Gatten schwache Einwendungen geflissentlich überhörend, im Bewußtsein erfüllter Christenpflicht feierlich zur Thür hinaus. – – –

Als die Glocke zum Mittagessen läutete, erschienen, pünktlich wie es Untergebenen ziemt, der Herr Oberverwalter und das Fräulein Sophie im Speisesaal. Sie fanden nur zwei Gedecke vor. Der Graf war wirklich zu Bett gegangen, Komteß Marie lag, von argen Schmerzen geplagt, gleichfalls zu Bette und die Gräfin teilte sich mit ihrer jüngsten Tochter in die Pflege der beiden. So geschah es, daß Herr von Norwig mit der schönen Stütze der Hausfrau allein speiste.

133 Sobald der Diener die Suppe abgetragen hatte, lehnte sich das Fräulein in ihrem Stuhl zurück und lachte höhnisch auf.

Herr von Norwig fixierte sie über den Tisch herüber mit einem strengen Blick und sagte: »Sie scheinen sehr guter Laune zu sein, Fräulein Bandemer.«

»Wundert Sie das, mein edler Herr von Norwig?« erwiderte sie, seinen strengen Ton nachäffend. »Warum sollte ich nicht lachen über das drollige Schicksalsspiel, das uns beide immer wieder zusammenführt? Wenn es nicht hier in Mecklenburg gewesen wäre, so hätte ich Sie sicherlich eines schönen Tages in den Pampas aufgefunden.«

Norwig machte eine Gebärde des Erstaunens, worauf sie sich weit über den Tisch beugte und mit drohend zusammengezogenen Brauen ihm zuflüsterte: »Ja wundre dich nur; ich weiß alles. Du kannst keinen Schritt thun, ohne daß ich es früher oder später erführe. Die Augen der Liebe sollen blind sein, aber die Augen des Hasses sehen um so schärfer – über Länder und Meere hinweg!«

»Verschone mich mit deinen Redensarten,« gab Norwig eben so drohend zurück. »Du wirst mich dadurch nicht glauben machen, daß du mich hier gesucht hast. Wie kämest du sonst dazu, diesen Namen anzunehmen und den harmlosen Leuten hier im Hause diese ganze unwürdige Komödie vorzuspielen?«

»Bin ich dir vielleicht Rechenschaft schuldig? Ich kenne nun einmal keine größere Lust, als dich immer wieder aus deiner hochmütigen Ruhe aufzuschrecken. Wenn du mir gegenüber keine Pflichten mehr anerkennst und dir selbst aus einem Verbrechen kein Gewissen machst, wenn du dich dadurch von mir zu befreien hoffst, so darfst du dich doch wohl nicht wundern, wenn ich mir das Vergnügen mache, dich vor mir zittern zu sehen.«

»Ich vor dir zittern!« rief Norwig halblaut mit 134 zornfunkelnden Blicken. »Ein Wort von mir treibt dich aus diesem Hause und verfolgt dich, wohin du dich nur immer wenden magst.«

Wieder lachte Sophie höhnisch auf: »Warum sprichst du es dann nicht – dieses fürchterliche Wort? Hast du schon vergessen, was ich dir gestern nacht . . .«

»S'st! Nimm dich in acht – man kommt!«

Friedrich trat mit dem Braten herein, und sofort nahmen die Züge des Fräuleins wieder ihren gewöhnlichen Ausdruck an, und sie warf einige gleichgültige Bemerkungen hin, welche den Schein erwecken sollten, als ob sie in einem Gespräche über die Reize des Räsendorfer Parkes begriffen gewesen seien.

Norwig mußte im stillen die geschickte Schauspielerin in ihr bewundern, denn ihm selbst glückte es nicht so gut, seiner Erregung so bald Herr zu werden. Er erkundigte sich bei dem Diener nach dem Befinden der Komteß Marie und erhielt den Bescheid, daß Hinrich mit dem Wagen in die Stadt geschickt worden sei, um einen Arzt zu holen.

Als das Mahl beendet und Friedrich hinausgegangen war, trat Fräulein Sophie rasch auf Norwig zu, der sich gleichfalls erhoben hatte, und raunte ihm ins Ohr: »Du scheinst hier dein Glück auf ähnliche Weise begründen zu wollen, wie drüben – nur daß dein Geschmack sich bedenklich verschlechtert hat, armer Freund! Du hast alle Ursache, mir dankbar zu sein, damit dir nicht wieder ein solches Unglück passiert – ha ha! Diese garstige, vierschrötige Komtesse scheint Absichten auf dich zu haben; aber vor einem solchen Schatz will ich dich doch bewahren, wenn du es auch nicht um mich verdient hast! Du weißt, gutmütig war ich immer!«

Norwigs Lippen bebten vor verhaltenem Grimm, und verächtlich antwortete er: »Auf solchen Unsinn habe ich nichts zu erwidern. Ich erkläre dir aber bestimmt: Eines von uns beiden muß dies Haus verlassen. Deine Drohung, an 135 Miß Clark zu schreiben, läßt mich vollständig kalt. Du weißt ja aus Erfahrung, daß mit gerichtlichen Klagen von Amerika aus hier nicht viel zu erreichen ist! Uebrigens hättest du wohl selbst alle Ursache, dich hier unbehaglich zu fühlen; denn so gut wie ein toller Zufall uns beide gerade hier zusammengeführt hat, könnte dir doch auch plötzlich hier jemand entgegentreten, der dich und deine Vergangenheit kennt. Was soll dann aus Fräulein Sophie Bandemer werden?«

Sie lächelte boshaft: »Ah, daran erkenne ich meinen teuren Rolf – der immer so geneigt war, alle Welt außer sich für Narren und Dummköpfe zu halten! Wer sagt dir denn, daß ich meinen Namen nicht mit Recht führe? Willst du vielleicht meine Papiere einsehen? Sie sind vollständig in Ordnung – nur der Geburtstag fällt zufällig um fünf Jahre später, als der, den du einst so begeistert zu feiern pflegtest. Was thut das? Eine Frau ist immer so alt, wie sie aussieht. Wenn mir mein Spiegel unbequem wird, kann ich ja die Sophie Bandemer einpacken und wieder in meine alte Haut schlüpfen.«

Norwig griff sich an die Stirn. »Weib, Weib – deine Dreistigkeit sucht ihresgleichen! Bei welchem Teufel bist du in die Schule gegangen?«

»Weißt du denn, ob ich nicht vielleicht dich früher betrogen habe? Vielleicht ist dies mein wahrer Name!« Sie lächelte ihn dabei verschmitzt an und weidete sich an seiner Verwirrung.

Er wußte nicht sogleich, was er erwidern sollte. Dann aber rückte er mit einem heftigen Stoß seinen Stuhl unter den Tisch und knirschte: »Nun, ich bin recht begierig, was aus diesem allerliebsten Versteckspiel werden soll. Jedenfalls werde ich nicht wieder vor dir die Flucht ergreifen. Ich bleibe hier – komme was da wolle!« Damit schritt er eiligst zur Thür hinaus.

136 Als er gegangen war, blieb sie noch eine ganze Weile wie festgebannt auf derselben Stelle stehen und drückte ihre beiden Hände gegen ihr hochklopfendes Herz. Erst als sie den Tritt des Dieners sich nahen hörte, verließ auch sie das Zimmer, um ihren häuslichen Pflichten nachzugehen.

 


 


 << zurück weiter >>