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Und der Lenz kam und der Sommer,
Pfirsich reiften schon und Feigen,
Und der Sonne Gluthen kochten
Auch das süße Blut der Trauben.
An der steilen, heißen Halde
Ueberm Eisackthale zogen
Sich die Pergeln und Puntaunen,
Drüber sich die Reben rankten,
Stufenartig, reihenweise
Gleich langhin gestreckten Lauben.
Hoch am Berge unter einem
Dieser künstlichen Gehänge
Saß auf einem hölzern Bänklein
Ofterdingen, vor ihm aber,
Leicht gelehnt an die Puntaune,
Stand ein lieblich blühend Mädchen.
Beide plauderten wie Freunde
Hier im Schatten dichten Weinlaubs,
Und nur all' die Trauben lauschten
Hinter ihren breiten Blättern,
Die im warmen Sonnenscheine
Keines Lüftchens Hauch bewegte.
»Aber wenn ich Dich nun frage,
Liebe Otta,« sprach Tannhäuser,
»Ob sich niemals in Dein Herzchen
Hat ein ander Bild geschlichen,
Als von Vater oder Mutter,
Was wirst Du darauf erwidern?«
»Eingeschlichen?« sagte Otta,
»Ja, warum denn eingeschlichen?
Meines Herzens Thür steht offen,
Und hinein, heraus kann Jeder
Ohne Brückenzoll und Weggeld.
Wie die Menschen mir begegnen,
Kommt von ungefähr wohl Einer
Auch mal wieder in den Sinn mir,
Der mir längst schon aus den Augen.«
»Aber wenn recht oft kommt Einer
Und recht lange auf Besuch bleibt,
Daß Du ihn aus Deinem Herzen
Gar nicht wieder los wirst, Otta,
Ist Dir das noch nie begegnet?«
»Doch, Herr, und das warst Du selber
Damals, als Du mit Herrn Leutold
Und Herrn Walther zu uns kamest
Und beim rothen Weihnachtsweine
Meines Vaters ihr so froh wart,
Weißt Du's noch? es war im Frühling,
Und Du sangst so schöne Lieder
Und sahst dabei immer mich an,
Und dann kamst Du öfter wieder,
Sprachest auch mit mir und freundlich:
Damals, wenn ich dann allein war,
Mußt' ich Deiner viel gedenken,
That's auch gern, Du lagst am meisten
Mir im Sinn von allen Menschen.«
»Und das ist jetzt anders worden?«
Fragte überrascht Tannhäuser.
»Jetzt, o jetzt sind wir ja Freunde,
Wie Du sagst, jetzt kenn' ich Dich,
Und wir sehn uns ja fast täglich;
Also brauch' ich nicht soviel mehr
Wie vordem an Dich zu denken,
Wo Du oftmals ungerufen
Dich in meine Seele drängtest.«
»That ich das? o so verzeihe,
Wenn mein Bild Dir nachgewandelt
Wie Dein Schatten in der Sonne
Und bei Dir um Herberg flehte,
Ohne daß ich's selber wußte!
Sieh, so tauschten wir die Seelen,
Deine war bei mir, ich hielt sie
Fest in meines Herzens Kammer,
Und Dein Bild stand mir vor Augen
Tag und Nacht, in Traum und Wachen.
Wenn wir uns nun ein paar Tage
Gar nicht sahn, hatt'st Du nicht Sehnsucht
Dann nach mir? und hast Du niemals
Noch gewünscht, wir möchten immer
Ungetrennt beisammen bleiben?«
»Herr, Du bist ein edler Ritter,
Ich nur eines Bauers Tochter,
Winzerin nur, das bedenke!«
»O Du liebes, holdes Mädchen,
Züchtig wie ein Edelfräulein!
Wenn ich nun ein Hirte wäre
Auf der Alm mit eigner Herde,
Möcht'st Du dann wohl bei mir bleiben?«
»Weiß nicht, Herr! Du fragst zu Vieles,
Willst zu Vieles von mir wissen,
Woran ich noch niemals dachte,
Niemals denken mag,« sprach Otta
Ihre langen Wimpern senkend.
Nicht daran gedacht und niemals
Daran denken mögen? fragte
In Gedanken sich Tannhäuser
Und begriff nicht, wie das möglich.
War denn dieses holde Wesen,
Das in lieblicher Verwirrung
Hier ihm gegenüber lehnte,
Dessen anmuthsvolle Schönheit
Er mit stillen Freuden schaute,
Nicht geschaffen wie zur Liebe?
Wohnte in der Jugendfülle
Dieser blühenden Gestalt
Nicht mit Wünschen und Gefühlen
Eine Seele wie die seine,
Stets bereit, das Glück der Liebe
Zu gewähren, zu genießen?
Wozu ist mit Kraft und Schönheit,
Reizumhüllt des Menschen Körper?
Wozu ist mit Lust und Sehnsucht
Glutherfüllt des Menschen Seele?
Wozu Wonne und Bewußtsein
Seiner Sinne ihm verliehen?
Wozu gab ihm Gott die Liebe? –
Diese Fragen schwirrten heimlich
Durch Tannhäusers Hirn, derweilen
Seine träumerischen Blicke
Unverwandt auf Otta ruhten,
Und er fand nur eine Antwort,
Wie des Minnehofes Schüler
Sie nicht anders finden konnte.
Und er sprang nicht auf vom Sitze?
Und er schlang nicht seine Arme
Jubelnd um das schöne Mädchen?
Preßte nicht die heißen Lippen
Auf den rothen Mund im Kusse?
Nein! ihn fesselte und bannte
Eine fromme Scheu vor Otta,
Ob er gleich in seinem Herzen
Wirklich Liebe zu ihr fühlte.
Eines schlichten Bauers Tochter
Nannte sie sich selbst und war's auch,
Doch es schwebte um das Mädchen
Eine unbewußte Hoheit.
Wie gefällig, unwillkürlich
Sich in jeglicher Bewegung
Angeborne Anmuth kundgab,
Also sprach in ihren Zügen
Sich ein seelisch vornehm Wesen,
Einfach doch und ohne Stolz aus,
Das in einem reinen Herzen
Und warmsonnigen Gemüthe
Seine tiefe Quelle hatte.
Frei und unbefangen blickte
Sie den Menschen in die Augen,
Traf mit klugem, klarem Sinne
Für die richtige Empfindung
Immer auch den rechten Ausdruck.
Ihre heitre Ruhe konnte
Bis zur Lustigkeit und Schalkheit
Sich in Augenblicken steigern
Ohne jemals übermüthig
Kühnen Wunsch herauszufordern
Und so wirkte ihre Nähe
Nicht berauschend, sinnbethörend,
Doch mit stillen, sanften Kräften
Ihres Freundes Herz bezwingend,
Das sich gegen solchen Eindruck
Freilich niemals lange sträubte.
Aber neu war die Erfahrung
Doch dem einst'gen Minnesucher,
Und des Mädchens Macht und Herrschaft
Ueber ihn ganz unerklärlich.
War er fern von ihr und rief er
Ihre blühende Erscheinung
Sich vor seiner Seele Spiegel,
So versenkt' er sich in Träume
Süßen Liebesglücks und malte
Mit der Bildnerkraft des Geistes,
Die ihm schrankenlos gehorchte
Wie kein Pinsel seinem Meister,
Schritt vor Schritt sich Lust und Freuden,
Deren oftmals mit Entzücken
Er gedachte, und in denen
Er nichts Sträfliches erkannte.
Dann verwarf er alle Zagheit,
Faßte muthige Entschlüsse,
Sann sich Worte aus und Reden,
Die er Otta sagen wollte;
Aber stand er ihr dann wieder
Gegenüber, sah die Jungfrau
So treuherzig ihm ins Auge,
Sprach sie mit ihm schlicht und einfach
Wie als Schwester mit dem Bruder,
War es wieder ihm unmöglich,
Und er kam damit nicht weiter,
Als bis zu den Fragen heute,
Die er, seines Herzens Wallung
Meisternd, wie im Scherze stellte,
Und auf die sie den Bescheid gab,
Der ihn, weil er ihn voll Hoffnung
So ganz anders sich erwartet,
Beinah außer Fassung brachte.
Wie war anders Brauch und Sitte
Doch in Avellenz gewesen,
Wo man auf der Minne Spuren
Mehr als halben Wegs entgegen
Und wie willig! ihm gekommen,
Wo ihm zweifellos bewiesen,
Daß doch Sehnsucht wie im Manne,
Und vielleicht noch stärker, heißer,
Wenn auch tiefer und versteckter,
Auch in Weibes Seele wohnte.
Frei auch durft' er sich gestehen,
Daß er später in Wildonie
Und dann auf den vielen Burgen
An der Drau sich ohne Mühe
Manches Frauenherz gewonnen,
Das in Liebe zu besitzen
Vielleicht nur von seinem Willen,
Meint' er, abgehangen hätte.
Und nun hier bei dieser Einen
War vergeblich Wunsch und Werben?
Wie er mehr darüber nachsann,
Kam er endlich zu der Meinung,
Daß der Frauen Art und Wesen
Sehr verschieden von einander
Und nicht unschwer zu durchschauen,
Daß nicht alle sei'n wie manche,
Eine kaum der andern gleiche.
Sehr enttäuscht und muthlos trennte
Sich Tannhäuser jetzt von Otta,
Stieg allein den Berg hinunter
Und begegnete im Thale
Walther von der Vogelweide.
Dieser kam daher mit Heimo,
Der mit seinem Kinderherzen
Sich an Walther innig anschloß,
Und den dieser beim Ergehen
Plaudernd unterwies in Manchem,
Was dem aufgeweckten Knaben
Anregung und Lust gewährte.
Als Tannhäuser diese Beiden
Hier im Thale antraf, wandte
Seine Schritte er mit ihnen;
Heimo überließ die Männer
Dem beginnenden Gespräche
Und brach Blumen, um der Mutter
Doch ein Sträußchen mitzubringen.
An dem kurz verlegnen Gruße,
Den Tannhäuser ihm geboten,
Merkte Walther schon, daß jenem
Die Begegnung nicht erwünscht sei,
Und nach einem raschen Blicke
In des Freundes Antlitz sprach er:
»Heinrich, Deiner Harfe Saiten
Sind verstimmt, ein Mißklang zittert
Ungelöst Dir nach im Herzen,
Und ich weiß auch, wer ihn anschlug,
Denn ich sah, von wessen Weinberg
Schritte Dich hernieder trugen,
Die kein Siegerglück beschwingte,
Und ein braves Mädchen ist es,
Das Dir Deinen Sieg gewißlich
Nicht mit leichtem Herzen wehrte.«
Auf Tannhäusers Wangen flammte
Scham und Zorn, und heftig wollt' er
Schon ein barsches Wort erwidern,
Aber als er finstern Blickes
In die hellen, blauen Augen
Walthers sah, die so tiefinnig,
So voll reiner Herzensgüte
Antheil nehmend auf ihm ruhten,
War ihm aller Groll entflogen.
Mit unsagbar mildem Lächeln,
Das des liebenswürd'gen Sängers
Mund wie Sonnenschein umspielte,
Sagte Walther: »Ruhig, Heinrich!
's ist ein Freund, der Dir ins Herz schaut
Und das Unkraut, das da wuchert,
Gern mit guten, ernsten Worten
Tilgen und ersticken möchte.
Seit dem Frühling schon mit Sorgen
Seh' ich Dich auf falschen Wegen;
Sage, wohin soll das führen?
Denke doch an Otta's Ruhe
Und an ihren Ruf und wecke
Ihr nicht trügerische Hoffnung.«
»Sorge nicht um Otta's Ruhe!
Sie ist ruhig, o sehr ruhig,«
Sprach mit beinah bitterm Tone
Zu dem ältern Freund der jüngre,
»Denn sie ahnt nicht die Gefühle,
Die für sie mein Herz durchzittern,
Und mir stockt das Wort im Munde,
Wenn ich vor dem theuren Mädchen
Wie vor einer Heil'gen stehe,
Die in ihrer Engelsreinheit
Wie unnahbar, wie gefeit ist.
Doch ich kann nicht von ihr lassen;
Bin ich fern von ihr, verzehrt mich
Tiefe Sehnsucht, mein zu nennen,
Was ich wie den Schmelz der Blume
Nicht mal zu berühren wage.
Und das wühlt mir in der Seele,
Denn mir ist's wie Lebensodem
Eingehaucht und eingewurzelt:
Wo ich liebe, da begehr' ich,
Und wo ich begehre, will ich
Auch besitzen, was ich liebe!«
»Das ist Troubadoursgesinnung
Und Moral vom Minnehofe;
Zähme Deines Blutes Triebe
Und dem edleren Gefühle,
Das Dich vor der Stillgeliebten
Scheu und schüchtern sein läßt, folge.«
»Ich will selber auch geliebt sein;
Liebe ohne Gegenliebe
Ist unmöglich mir zu denken.
Kommt mir Liebe nicht entgegen,
Kann ich sie mir nicht erwerben,
Nicht erstehen, nun so will ich
Sie ertrotzen und erzwingen,
Doch geliebt sein muß ich, Walther!«
»Warum mußt Du denn geliebt sein?
Rasch Begehren, frech Genießen
Ist nicht echte deutsche Minne,
Deutsche Minne liebt und schweiget.«
»Hast Du selber es erprobt schon?
Hast Du es vermocht zu schweigen,
Wo Du liebtest?« – »Ja ich hab' es,
Hab' es, Heinrich!« sagte Walther,
»Dir will ich es anvertrauen,
Was noch nie ein Mensch erfahren.
Sieh' dort oben« – und er zeigte
Mit dem Finger nach Burg Seben –
»Wohnet eine Frau, holdselig
Wie an Tugend reich, ich aber
Liebte sie schon heiß und innig
Ins Geheim, als sie noch Jungfrau
Und noch unverlobt und frei war;
Und so lieb' ich sie noch heute,
Sehe sie beglückt von Liebe
In des Freundes Arm – und schweige.«
»Frau Hildgunde?! Du! Du liebst sie?
Und erträgst es, im Besitze
Eines Andern sie zu sehen?
Hast es niemals ihr gestanden?
Hast auch nie um sie geworben?
Aber sag' mir, Walther, warum
Nahmest Du sie nicht zum Weibe?«
Walther blieb im Gange stehen,
Blickt' in Ofterdingens Antlitz,
Und um seine Lippen zuckte
Wieder jenes holde Lächeln,
Doch umschwebt von milder Wehmuth:
»Weil ich arm bin, Heinrich, darum!«
Sprach er, und die treuen Augen
Leuchteten in feuchtem Glanze.
Heinrich aber lief ein Schauer
Uebers Herz, er schwieg betroffen.
Weil er arm ist! wie? – so dacht' er –
Diesem Herrlichen und Hohen,
Der so reich an Kunst, so selig
Von der Minne weiß zu singen,
Diesem grade hat das Schicksal
Doch versagt das Glück der Liebe,
Weil er arm ist, der, ein König
Aller Sänger, stolz und prächtig
Im Genießen schwelgen sollte?
Und er trägt's und liebt und schweiget?
Und du wolltest wie ein Knabe
Dir verbotne Früchte stehlen
Und im Uebermuth ertrotzen,
Wenn ein Walther darbt und leidet? –
Beide schritten mit einander
Still dahin und Jeder hegte
Seine eigenen Gedanken.
Balde aber nahm die Rede
Walther wieder auf und sagte:
»Ich will nicht von Dir verlangen,
Daß Du Deine scheue Minne
Wegwirfst oder von Dir schüttelst,
Da ich selbst es nicht vermochte;
Doch Du mußt sie hüten, hehlen,
Wie Du sie bisher verhohlen.
Auf! Du bist ein Sänger, Heinrich!
Suche Trost Dir im Gesange,
Mach' das Herz Dir frei in Liedern,
Sinne, schaffe und vertiefe
In die Kunst Dich, alles Andre
So bewältigend, vergessend.
Und ich weiß, Du wirst im Leben
Nicht aus Freude bloß und Sanglust,
Nein, wohl auch im tiefsten Leide
Noch zu Deiner Harfe greifen.
Wenn das Schicksal Dich geschlagen,
Dich gemartert und gebeugt hat,
Wird Dir aus dem Klang der Saiten
Friede und Erlösung strömen
Und Begeist'rung Dich erleuchten,
Die Dich über Angst und Elend
Der Verzweiflung hoch empor hebt.
Das ist, Freund, das Loos des Sängers,
Ist sein Fluch und doch sein Segen;
Aufgespart für ihn sind Schmerzen,
Womit andre Menschenkinder
Gar verschont hienieden bleiben,
Und bereitet sind ihm Wonnen,
Wie sie andre Menschenherzen
Niemals nur von ferne ahnen.
Nicht der immerwährend heitre,
Wolkenlose Lebenshimmel,
Nein, die wildesten der Stürme,
Die die Seele ihm durchtoben,
Kampf und Noth und Drangsal sind es,
Die zuletzt den wahren, echten,
Die den großen Sänger machen,
Die zur Freiheit ihn, zum Siege,
Zu des Ruhmes Gipfel führen,
Heinrich, wenn die Zeit erfüllt ist,
Denk' an mich, Du wirst's erfahren!« –
Keiner sprach mehr, beide schritten
Zu der Burg hinauf mit Heimo,
Doch von Walthers Prophezeiung
War Tannhäuser im Gemüthe
Mächtig, ahnungsvoll erschüttert,
Und es kam ihm die Erinnrung
An den letzten Traum der Mutter.
Hoch im kleinen Thurmgemache,
Das man ihm auf seine Bitte
Eingeräumt, saß nun Tannhäuser,
Hatte Pergament und Tinte
Vor sich und gab mit dem Schreibrohr
Form und Sprache den Gedanken,
Die ihm damals auf dem Ritte
Durch das wilde Schlerngebirge
Zwischen hohen Felsenkegeln
Aufgetaucht, und die er sinnig
Zu umfänglichem Gedichte
Voller Märchenzauber ausspann,
Das er »König Luarin
Und sein Rosengarten« nannte.
Doch er hielt's geheim, vergebens
Baten ihn die trauten Freunde
Auf der Burg, es ihnen stückweis
Vorzulesen, nur vollendet
Sollten sie es kennen lernen.
Aber wie die frohe Arbeit
Ihn auch fesselte und spannte,
Konnte sie ihm die Gedanken,
Die auf Otta's Spuren schweiften,
Doch nicht ganz und gar vertreiben.
Wenn er da in seinem Sange
Von der lieblichen Similde
Etwas hinschrieb und erzählte,
Wie sie ihrem Bruder Dietlieb
Unter jenem Lindenbaume
Aus den Augen schnell entrückt ward,
Mußt' er wieder Otta's denken,
Die ihm ebenso entschwunden,
Weil er selbst sich vorgenommen,
Sie auf lange Zeit zu meiden,
Und in Stunden solcher Stimmung
Kam es ihm wie angeflogen,
Und er mußte seiner Sehnsucht
Worte leihn in manchen Liedern.
Bleib stehn! daß nur ein Hauch vom Winde,
Der über Deine Wangen geht,
Des durst'gen Athmers Lippen finde,
Eh' er im weiten All verweht.
Er wallt so mild wie Maienlüfte,
So würzig süß wie Blumendüfte,
Doch käm' er auch wie Eisespfeil
Hoch von der Alpen Gletscherflur,
Willkommen wär' er, brächt' er nur
Mir Deines Odems kleinsten Theil.
O zürn' ihm nicht ob seinem Raube,
Den er zu mir herüber lenkt,
Und zürn' auch mir nicht, wenn ich glaube,
Du habest ihn für mich beschenkt.
Mein Herz allein will er bethören,
Sonst Keiner kann ihn sehn und hören
Den Boten, der wie Schwalbenflug
Den einz'gen Kuß, in Luft getaucht,
Im Abendroth dahin gehaucht,
Von Deinem Mund zu meinem trug.
Für alle die Schätze, für alle die Ehre,
Für alle die Freude des fröhlichen Mai
Gönnt' ich mir selber nichts minder noch mehre,
Als daß die Vielgute zu eigen mir sei.
Ein holdes Erröthen, ein minniges Grüßen,
Mit blanken Armen ein sanftes Umfahn,
Ich wollt' es mit Hungern und Dürsten verbüßen,
Und wäre dabei doch nicht Sünde gethan.
So vieles begehren, so wenig erlangen,
So stetes Gedenken, so seltenes Sehn,
In Träumen sich trösten, in Sorgen sich bangen,
Mit Blumen sich kränzen, vor Trauer vergehn,
Du leidige Lust und ihr wonnigen Schmerzen,
Du Lachen und Weinen in einem Gesicht,
O laßt mich in Frieden, nehmt Urlaub vom Herzen
Und schweiget und schwindet im kommenden Licht!
Du zähltest wohl die Regentropfen
Und alle Blätter im Grödner Thal,
Eh' daß Du meines Herzens Klopfen
Verstündest und der Sehnsucht Qual.
Umsonst such' ich in Deinen Blicken
Durch Deiner langen Wimpern Nicken
Nach einer Hoffnung Sonnenstrahl.
Und wenn ich Deiner nur gedenke,
Wie wird es mir im Busen heiß!
Doch still! aus dieses Thales Senke
Brech' ich mir bald das letzte Reis.
Fahr wohl! und daß Dich Gott behüte
In Deiner sternenkeuschen Blüthe,
Du felsumgürtet Edelweiß!
Einstens, als auf stillem Wege
Er im Thale einsam hinschritt,
Traf Tannhäuser unvermuthet
Unter schattender Kastanie
Otta sitzen, ganz versunken
Und nicht wissend, daß ein Blümlein
Sie in ihrer Hand zerpflückte.
Sie erschrak bei seinem Anblick
Heftig bis zur Stirn erröthend
Und verhüllte schnell ihr Antlitz.
Da umschlang er sie und fragte:
»Woran dachtest Du denn, Otta,
Daß Du so vor mir erschrocken?«
Aber unter leisem Schluchzen
Schüttelte sie stumm das Haupt nur,
Und sie an sich drückend frug er:
»Hast Du mich denn lieb, o Liebe?«
Sie entzog sich sanft ihm, sah ihn
Tief und traurig an und sagte
Unter hellen Thränen zitternd:
»Herr, was hab' ich Dir gethan?
Bin ich keck und ungebührlich
Dir begegnet, daß Du lange,
Lange Dich von mir geschieden?«
Sprachlos stand er vor dem Mädchen,
Das in seiner Herzensunschuld
Mit der demuthvollen Frage
Und dem thränenfeuchten Blicke
Seine Neigung ihm verrathen.
Was ihr sagen? seine Liebe
Ihr gestehen? niemals! niemals!
Denn er hatte sich geschworen
Zu verschweigen, was er fühlte,
Und er glaubte nah die Stunde,
Wo auf Nimmerwiedersehen
Er von hinnen ziehen würde.
»Otta! liebe Otta!« rief er
Und fand keine andern Worte;
Doch er streckte ihr die Hand hin,
Die sie nahm und leise drückte,
Und dann sprach sie: »Herr, nun weiß ich's,
Daß Du mir nicht grollst im Herzen,
Nun lebwohl! lebwohl auf immer
Und gedenke mein im Guten!«
Dann entwich sie und schritt eilig
Von ihm fort zum Hof des Vaters.
Er stand da wie angewurzelt,
Wollt' ihr nach und war am Boden
Wie gefesselt doch, er konnte
Nicht mal ihren Namen rufen.
Wie ein fliehend Glück entschwand sie
Seinem träumerischen Blicke,
Und er ging zur Burg und setzte
Sich mit Eifer an die Arbeit.
Wochen schwanden, fertig endlich
War der Sang vom Zwergenkönig,
Und nach ungeheurem Kampfe,
Drin die Zwerge und die Riesen
Todtgeschlagen, Luarin selbst
Ueberwunden und gefangen,
Waren aus dem Zauberberge
Frei die Amelungenhelden.
In dem Pergamentheft blätternd
Freute sich der fleiß'ge Sänger
Des mit Lust geschaffnen Werkes,
Und am Schluß schrieb er darunter:
Der dies Lied gemacht hat, das ist
Heinerich von Ofterdingen.
Jetzt verbarg er's auch nicht länger,
Und an einem Herbsttag trat er
Mit dem Hefte in die Halle,
Wo die Andern just versammelt.
Groß die Freude und noch größer
War die Spannung, lesen mußt er's
Und that's gerne, Alle lauschten,
Selbst die Kinder durften's hören,
Ob's auch manche Stunde währte.
Als er dann geendet, ward ihm
Aller Beifall, und ihr Glückwunsch
War so innig und so freudig,
Als wenn damit Jedem einzeln
Heil und Segen widerfahren.
Jeder dankt' ihm auch besonders;
Hadmut brachte als Geschenk ihm
Einen schön gestickten Lendner,
Den sie mit der Mutter Hülfe
Heimlich für ihn angefertigt;
Giselher und Heimo mußten
Ihm auf das Geheiß des Vaters
Einen Ehrentrunk kredenzen;
Mechtild flocht mit flinken Händen
Ihm von Immergrün ein Kränzlein,
Das sie selbst aufs Haupt ihm setzte,
Und Frau Hildegund besorgte
Für sie All' ein fröhlich Festmahl.
Ritter Leutold sagte scherzend:
»In Held Wittich hast Du selber
Dich gezeichnet, lieber Hitzkopf!«
Walthers blaue Augen aber
Funkelten vor Lust und Freude,
Und Tannhäuser herzlich, stürmisch
In die Arme schließend sprach er:
»Bist ein Sänger! bist ein Sänger!
Das sag' ich! die Welt wird's merken!«
Er allein von Allen wußte,
Daß der Sang vom Rosengarten,
Der so heiter und lebendig
Und so glänzend auch und wuchtig,
Eine Frucht war der Entsagung,
Angefangen und vollendet,
Um das Leid verhohlner Minne
Im Gesange zu vergessen.
Ueberglücklich war Tannhäuser;
Aber von den vielen Liedern,
Die er nebenbei gedichtet,
Schwieg er weislich still und hoffte,
Daß er sie dem Fiedelvogte
Wieder einmal geben könnte,
Der dann sicher dafür sorgte,
Daß sie auch gesungen würden.
Sehnlichst wartete Tannhäuser
Nun auf Kaiser Heinrichs Ankunft,
Um sich seinem Zug nach Deutschland
Im Gefolge anzuschließen.
Da kam eines Tags die Kunde
Von dem Tode des Gewalt'gen
Und erfüllte die Gemüther
Ueberall mit Schreck und Trauer.
Er, der Stolze, Unbeugsame
War nach eiseskaltem Trunke,
Den er jäh, erhitzt vom Jagen,
In dem Walde von Augusta
Selbst sich schöpfte, zu Messina
In der Blüthe seiner Jahre,
Auf der Höhe seiner Weltmacht
Hingerafft von jenem Stärkern,
Der allein ihn zwingen konnte.
Wer von den Lebend'gen hatte
Kraft genug, des Reiches Zügel,
Die dem Mächtigsten von Allen,
Die sie je geführt, entsunken,
Jetzo in die Hand zu nehmen?
Heinrichs Sohn, des Thrones Erbe,
Friedrich, zwar erwählter König,
War ja noch ein hilflos Kindlein.
Heinrichs jüngrer Bruder Philipp
War ein milder, sanfter Jüngling,
Hoch begabt, freigebig, freundlich
Und von unermessnem Reichthum,
Aber Stürmen nicht gewachsen,
Die von allen Seiten drohten.
Doch auf seine blonden Locken
Mußte er die Krone drücken,
Nach der sich schon andre Hände,
Aufgehetzt von den Parteien,
Unterstützt von starken Helfern,
Neidisch und begierig streckten.
Uebers weite Reich gezogen
Kamen böse, finstre Zeiten,
Ueberschwemmung, Raub und Plündrung,
Hungersnoth und Heuschreckschwärme;
Nacht ward's, Bürgerkrieg und Faustrecht,
Feinde rings und Widersacher,
Die Gewalt fuhr auf der Straße,
Und kein Heinrich, sie zu bänd'gen!
Auch die Freunde auf Burg Seben
Fühlten sich bedrückt, beklommen,
Und Tannhäuser wollte reiten.
Denn nun gab's im Reiche Fehde,
Also wünscht' er fast und wollte
Für die Hohenstaufen kämpfen.
Aber Leutold rieth ihm ernstlich,
Noch den weitern Lauf der Dinge
Bis zum Frühling abzuwarten.
Also blieb er noch und machte
In der Winterszeit die Reinschrift
Seines Sangs vom Rosengarten.
Dreimal schrieb er's ab und schenkte
Eins der Hefte Frau Hildgunde.
Ach! das war ihm eine Mühsal,
Der Geduld zur harten Probe.
Helfen wollt' er sich nicht lassen,
Doch schon bei der zweiten Abschrift
Mußt' er an das bittre Stöhnen
Bruder Fruti manchmal denken,
Wenn im Adamunter Stifte
Der »etwas zu schreiben« kriegte.
Balde nahte so das Christfest,
Das in der geschmückten Halle
Unterm grünen Weihnachtsbaume
Von den Wirthen und den Gästen
Mit dem ganzen Burggesinde
Fromm und froh begangen wurde,
Und das jede düstre Sorge
Von den Feiernden verscheuchte.
Aber in des neuen Jahres
Ersten Wochen schallten wieder
Mönchgesang und Todtenklage.
Cölestin, der hochbetagte
Stellvertreter Christi, hatte
Alles Zeitliche gesegnet,
Und den Stuhl des heil'gen Petrus
Hatte Innocenz bestiegen,
Der gewaltigste der Päpste,
Der an Herrschergeist und Hochmuth
Wie an Willenskraft und Klugheit
Niemals seines Gleichen hatte.
Nun begann der Kampf aufs Neue
Um die höchste Macht auf Erden,
Und jetzt stand dem Hohenstaufen
Rom unbeugsam gegenüber.
Seinen Gegnern überlegen
War der Papst, und preisgegeben
Ohne sturmerprobten Führer
Das gespaltne Röm'sche Reich,
Walther von der Vogelweide
Ging das Unglück tief zu Herzen,
Gram und Grimm und Streitsucht füllte
Seine hochgemuthe Seele,
Und er griff zu Wehr und Waffen,
Die dem Sänger nur gegeben.
Treffend wie des Papstes Bannstrahl
Schleuderte er scharfe Lieder
Gegen Rom, und pfeilgeschwinde
Flogen sie durchs Reich, als wären
Sie auf Fittige von Falken
Statt auf Pergament geschrieben.
Als nun gar die stolzen Welfen
Dem gekrönten Hohenstaufen
Philipp einen Gegenkönig
In dem kampfgestählten Otto
Trotzig gegenüber stellten,
Brannte Walthers Zorn in Flammen.
Und doch war das Maß des Leides
Noch nicht voll dem kühnen Sänger.
Schon war's wieder Mai geworden,
Als der Fiedelvogt zur Burg kam,
Froh begrüßt von All'n, am frohsten
Von Tannhäuser, den zu finden
Auch der Spielmann hoch erfreut war.
»Hartmann von der Aue schickt mich,«
Sprach Spervogel, »Ihr sollt Alle
An den Hof zu Wiene kommen;
Herzog Friedrich ging zu Grabe,
Leopoldus gloriosus
Ist nun Herr und will die Sänger
Um sich sehn als seine Gäste.«
Tief betrübt vernahm es Walther:
»So ist hin mein letzter Hort auch,«
Sprach er seufzend, »Herzog Friedrich!
Wenig hab' ich ihm zu danken,
Doch er war mir ein Beschützer,
Und jetzt bin ich so verlassen,
Arm und schutzlos wie ein Bettler,
Dem versperrt das Thor der Sälde.«
»Walther!« rief der Ritter Leutold,
»Bin denn ich auch Dir gestorben?
Meine Burg ist auch die Deine!«
Doch der hört' ihn kaum und sagte:
»Nicht nach Wiene geh' ich wieder,
Leopold denkt meiner feindlich,
Weiß das Hartmann nicht? ich wende
Mich zum Hohenstaufen Philipp,
Mein Platz ist in seinem Lager;
Er auch ist ein Freund der Sänger,
Seinen Namen will ich preisen,
Seiner Sache will ich dienen,
Mit ihm will ich stehn und fallen.«
»Und ich reite mit Dir, Walther!«
Rief Tannhäuser. »Nein!« sprach Leutold,
»Er hat Recht, am Königsthrone
Ist jetzt unsers Walthers Stelle,
Und ich halt' ihn nicht, Du aber
Ziehst nach Wiene, und ich bleibe,
Wo ich bin und hingehöre.«
So geschah's; nach schwerem Abschied
Von den edlen Burgbewohnern
Trennten sich die treuen Freunde.
Walther zog zu König Philipp,
Und Tannhäuser ritt gen Wiene.
Als er an dem Berg vorbeikam,
Blickt' er auf zu den Puntaunen,
Und da winkte aus den Reben
Ihm hervor ein rothes Tüchlein,
Er erwiderte das Grüßen
Lebhaft mit bewegtem Herzen
Und ritt seine Straße weiter.
Doch nach Schicksals Schluß und Wendung
Sollte Jahr und Tag vergehen,
Ehe er zu Wiene ankam.