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Zu was seid ihr, verschwiegne Lauben,
Ihr Blätterschirme, angelegt,
Du rankendes Geäst der Trauben
Waldplätzchen von Gebüsch umhegt,
Du Blüthenzaun, ihr Rosenhecken,
Ihr kühlen Grotten im Gestein,
Wenn nicht zum Suchen und Verstecken,
Zum Wartaufmich und Stelldichein,
Zum Flüstern, Kosen und Erklären,
Zu Liebeslist und Plänkelei,
Zu wenig Sträuben, viel Gewähren,
Der Minne heimlichem Turney!
Obdach der Wünsche, Thor und Brücke
Der Sehnsucht, die sich nichts versagt
Und sich zu tief verhohlnem Glücke
In Sicherheit und Frieden wagt,
Freihäfen der Vertraulichkeiten,
Zuflucht vor Zwang und Eifersucht,
Wen lockt aus überwachten Breiten
Es nicht in eure stille Bucht!
Wenn auch von Mond sich oder Sonne
Ein Strahl in eure Schatten stiehlt
Und auf belauschte Lust und Wonne
Als Helfershelfer neckisch schielt,
Ihr haltet treulich doch verborgen
In Dämmrung das verliebte Paar
Und laßt ihm keine andern Sorgen,
Als wie's des Rückwegs nehme wahr. –
An Laubverstecken war kein Mangel
In Avellenz, und dahin ging,
Wer an verstohlnen Blickes Angel
Mit einer frohen Hoffnung hing.
Und wenn er unter dichten Zweigen
Dort harrend den Gesellen fand,
Umschlang die Zwei mit holdem Neigen
Das also leicht geknüpfte Band.
Sie freuten sich der freien Stunde,
Genossen tröstlich, was erlaubt,
Und herzhaft ward manch rothem Munde
Manch ungezählter Kuß geraubt.
Man schwur nicht Stäte sich und Treue
Und hatte seinen Liebling doch,
Es gab kein Brechen, keine Reue
Und kein ermüdend schweres Joch.
Unruhig flatterhafter Jugend
Ward des Vergnügens nie zuviel,
Und Alle meinten, ihre Tugend
Sei nicht gefährdet bei dem Spiel,
Von Einer galt das unumstößlich,
Die war unnahbar keckem Scherz,
Als ob ein Bündniß unauflöslich
Gefesselt hielt ihr einsam Herz.
Und doch war's frei und war von allen
Das heißeste in seinem Schrein,
Nur wußte sie sein Glühn und Wallen
Zu hehlen mit der Kälte Schein.
Auch sie war Wittib wie Bertrane,
Viel älterm Mann sechs Monde nur
Vermählt gewesen einst, Deliane,
Die schönste Perle dieser Schnur.
Jetzt war auch ihr Stern aufgegangen,
Von hellem Jugendglanz umspielt,
Tannhäuser war es, der gefangen
Ihr Herz in erster Liebe hielt.
Und seines lag in ihren Banden,
Die Augen hatten's mit Bedacht,
Daß sich die beiden Herzen fanden,
Schnell unternander abgemacht.
Und als sie schon nach wenig Tagen
Sich trafen einst im Waldesgrund,
Da ward, was Jeder still getragen,
Dem Andern freudenselig kund.
Sie hatten beide nicht ihr Nahen
Bemerkt und standen überrascht,
Als ob sie gegenseitig sahen
Sich auf verbotnem Weg erhascht.
Doch war der Fuß nicht Uebertreter
Von einer Markung Bann und Strich,
Das Herz nur war der Missethäter,
Der auf geheimen Pfaden schlich
Und plötzlich sein ersehntes Ziel
Und der Gedanken Gegenstand,
Von des gefäll'gen Zufalls Spiel
Herangehext, nun vor sich fand.
Es stockte ihnen Wort und Gang,
Und Keiner wußte was zu sprechen;
Delianens Gruß zuerst erklang,
Sie sprach, das Schweigen nur zu brechen:
»Junkherr, wenn Ihr's noch wißt, enthüllet,
Was Euch in Avellenz gebracht
Der erste Schlaf, weil sich 's erfüllet,
Was man geträumt in erster Nacht.«
»So? meint Ihr, Fraue? nun so hört!«
Sprach er, da glühten ihm die Wangen,
»Ich sag' Euch Wahrheit, aber schwört,
Zu enden, was ich angefangen!«
Sie gab die Hand und er fuhr fort:
»Von Euch hab' ich geträumt; wir standen
An einem einsam stillen Ort
Und, Fraue, Eure Arme wanden
Um meinen Nacken sich, Ihr blicktet
Mir in das Angesicht mit Lust,
Ich drückte Euch an meine Brust,
Ihr aber lächeltet und nicktet
Und spracht zu mir: «Auf Deine Fragen,
Was Minne ist, will ich Dir's sagen.
Die Minne ist gar schwer erklärlich
Und ein Geheimniß, tief versteckt,
Das zu verrathen so gefährlich,
Als wenn man einen Löwen weckt.
Die Minne ist nicht Frau, nicht Maid,
Nicht Blume, Zierrath oder Kleid,
Die Minne ist – –,» da wacht' ich auf,
Und das ist meines Traums Verlauf.
Ich meine nun, wenn Ihr es wißt,
So sagt es mir, was Minne ist.«
Mit tiefer, wachsender Erregung
Hört' ihn Deliane schweigend an,
Und dann mit stürmischer Bewegung
Umschlang sie den beglückten Mann.
»Dein Traum ist aus!« rief sie, »erleben
Sollst Du, was Bild Dir war und Schein,
Nenn' Du es Nehmen oder Geben,
Es ist all' eins, Dein ist's und mein!«
Wie sie sich da in Armen lagen,
Wie Herz dem Herzen sich enthüllt
Und Mund den Mund fand ohne Zagen,
Da hatten sie den Traum erfüllt.
Und endlich lächelte sie doch:
»
Petit Sauvage!« fragst Du jetzt noch?
Behalt' es wohl im Sinne,
Du Meiner, das ist Minne!«
Tannhäuser für Deliane glühte
Wie sie für ihn, an Jahren gleich,
Ihr selig Einverständniß blühte
Seit diesem Tag, an Freuden reich.
Wenn Andre keine Mühe scheuten,
Zumal Helwibis, früh und spat,
Der Minne Brief ihm auszudeuten
Mit klugen Lehren, Wink und Rath,
Ertheilte ihm statt dürrer Worte
Von höf'schem Dienst, galanter Pflicht
Deliane an verstecktem Orte
In ihren Armen Unterricht.
Da lernte er im grünen Walde
Der Minne Wesen wohl verstehn,
Und Niemand wußte, wie so balde
Und wie so lustig das geschehn.
Und dennoch blieb in Wunsch und Ahnen
Ein letztes Räthsel noch für ihn,
Das ihm verkörpert in Delianen,
Allein noch ungelöst erschien.
Und glaubt' er auch, nichts zu entbehren,
Verrieth ihm seiner Sehnsucht Gluth
Doch noch ein ungestillt Begehren,
Verhüllt in tiefer Lebensfluth,
In nimmer ruhendem Gestalten
Von Bildern, die er sich ersann,
Sucht' er vergeblich festzuhalten,
Was noch unfaßbar ihm zerrann.
Doch da's ihn immerfort umschwebte
Wie unsichtbarer Blumen Duft,
Gab er dem nach, das in ihm webte,
Und machte sich in Liedern Luft.
Du schaust mich an mit stummem Fragen,
In Zweifeln sinnest Du und wägst,
Ob Du's verschweigen sollst, ob sagen,
Was Du noch tief im Herzen trägst.
Um Deine Lippen seh' ich's schweben,
Daß ein Geheinmiß darauf ruht,
Wie deut' ich anders mir Dein Beben,
Wenn Seufzer Deinen Busen heben,
Und Deiner Wangen helle Gluth.
Wenn wir im Waldesdunkel stehen,
Eins an des Andern Brust geschmiegt,
Und Deines Athems rasches Wehen
Mich wonneschauernd überfliegt,
Dann möcht' ich ewig Dich nicht lassen,
Eins sein mit Dir, durch nichts getrennt,
O sage mir, wie soll ich's fassen,
Was sehnsuchtsvoll dann ohne Maßen
Glühheiß mir in der Seele brennt?
Jahrlang möcht' ich so Dich halten,
So von Dir umschlungen sein,
Deiner Minne heimlich Walten
Strömet mächtig auf mich ein.
Ueber uns die Wipfel rauschen,
Vöglein hüpft von Ast zu Ast,
Und die wilden Rosen lauschen,
Was Du mir zu sagen hast.
Ach! sie hören wenig Worte,
Wenn wir uns in Armen ruhn,
An dem waldverschwiegnen Orte
Giebt es Holderes zu thun.
Räthsel blühn auf Deinem Munde,
Und glückselig, wer sie löst!
Hast in einer einz'gen Stunde
Hunderte mir eingeflößt.
Gegrüßet sei mir auf allen Wegen,
Gebenedeiet mit jeglichem Segen,
Heißrother Frauenmund!
Der du ein Sieger ob allen Waffen,
Der du zum Siegel geprägt und geschaffen
Minnigem Herzensbund.
Bist auch zum Lächeln und Plaudern geboren,
Hast aber doch die Tage verloren,
Die ohne Kuß vergehn.
Komm! Dich auf meine Lippen zu neigen,
Werden, gezwungen zum lieblichsten Schweigen
So uns am besten verstehn.
Wie soll ich's bergen, wie soll ich's tragen,
Was Du mir selber ins Herz gelegt?
Kann es nicht hehlen und kann es nicht sagen,
Was meine ganze Seele bewegt.
All meine Sinne und alle Gedanken,
Unstät und flüchtig verlassen sie mich,
Dich zu umwinden wie klimmende Ranken,
Klammern sich fester und fester an Dich.
Immer Dich sehen möcht' ich und hören,
Immer Dir schauen ins Angesicht,
Könnt' ich mir nur Deinen Schatten beschwören!
Lieberes zeigt ja die Sonne mir nicht.
Aber nach Worten hasch' ich vergebens,
Was ich empfinde, verschweigen sie doch,
Du bist das Licht und der Klang meines Lebens,
Und ich bin selber Dein Schatten nur noch.
Vor meinem Auge wird es klar,
Je mehr es sich zum Lichte wendet,
Und wenn ich scheu und schüchtern war,
So war's Dein Glanz, der mich geblendet.
Wie in des Maien reicher Blust
Jedwede Knospe sich entfaltet,
So wecktest Du mir in der Brust,
Was nun mit meinen Tagen schaltet.
Es hat sich mir so rasch enthüllt,
Als bracht's ein Augenblick zur Reife,
Und ich bin so davon erfüllt,
Daß ich nichts Andres mehr begreife.
Ich weiß nicht, ob es Schönres giebt
In Himmelsraum und Erdenweiten,
Mir ist, als hätt' ich Dich geliebt
Vom Anbeginne aller Zeiten.
Nun waren in dem Grafenschloß
Viel Gäste eingekehret,
Manch eines edlen Hauses Sproß
Ward allda hoch geehret,
Und wer im Schloß nicht Wohnung fand,
Schlief gerne hinter Zeltes Wand,
An warmen Sommertagen
Im Garten aufgeschlagen.
Sie ritten ein auf Roß und Gaul,
Geländersattel trug das Maul,
Mit feinem Reitzeug aufgeschirrt,
Dran lustig manche Schelle klirrt.
Die Ritter all' im Eisenkleid
Mit Knechten und mit Knappen,
Manch stolze Frau, manch holde Maid
In langen Reisekappen.
Da waren Tag und Nacht geplagt
Der Bube und die Gürtelmagd,
Es wurde der Gewänder Pracht
Aus dem Gepäck ans Licht gebracht,
Da rauschten lange Schleppen
In Sälen und auf Treppen.
Aus Bagdad war der Baldekin,
Aus Persien Scharlach und Pfawin,
Mit Gold durchwirkt, mit Pelz verbrämt,
Daß keine Königin sich geschämt.
Grauwerk und Veh und Hermelin
War an Achmardi und Kämblin,
Jachant, Beryll und Kalcedon
Aus Syrien und aus Babylon,
Auch manche Fisch- und Schlangenhaut,
Die Flechten wie mit Gold bethaut,
Und Schapel trug man hochgemuth
Und Blumenkranz und Pfauenhut
Und Schuh, gemacht aus Korduan,
Mit Danz'ger Harz und Perlen dran.
Durchsichtig aber, dünn und fein
Trotz aller Silberstickerei'n
War manches Kleid, das man mit Fug
In seiner Minnefarbe trug.
Der Minne Anfang zeigte Grün,
Gelb deutete ihr glücklich Blühn,
Die Hoffnung hüllte sich in Weiß,
Roth trug sich, wer entbrannte heiß,
Die Treue schmückte sich mit Blau,
So trug man seinen Sinn zur Schau.
Spielleute waren mitgekommen,
Die wurden fröhlich aufgenommen
Zu Tanz und Schmaus und Gasterei,
Der Fiedelvogt war auch dabei,
Beim Singen und Erzählen
Da durfte er nicht fehlen.
Mit Fulafanz und Firlefanz
Ging's lustig in der Govenanz,
Mit Mürmun und mit Achselrote,
Mit Hoppoldey und Houbetschote,
Mit Trypotey und Tuteley
Und Traranuriruntundei!
Zum Schleifschritt und zu Sprung und Reigen
Erklangen Rotte, Horn und Geigen,
Holzzinke, Sumber, Schnabelflöte,
Der Augen Blitz, der Wangen Röthe
Bezeugten Jedermann am besten
Den Frohsinn an den lauten Festen,
Die in dem Schloß kein Ende nahmen,
Bis des Gerichtes Tage kamen.
Versammelt war man jetzt im Saal,
Dem reich geschmückten und bekränzten,
Drin Blumen prangten, Kerzen glänzten,
Und wo nach feierlicher Wahl
Bertrane
la princesse thronte.
Der Dinge Wichtigkeit verlohnte,
Zu des Gerichtes hohen Ehren
Die Zahl der Richter zu vermehren.
Drum wurden von den Edelfrau'n
Und von den Herrn mit goldnen Sporen,
Um sie mit Aemtern zu betrau'n,
Gerade soviel noch erkoren,
Daß würdig und verdientermaßen
Nun ihrer Fünfundzwanzig saßen,
Erhöht im Saal um wenig Stufen,
Zum Rath des Minnehofs berufen;
Die Hörer aber faßte kaum
Auf Sitz und Bank der weite Raum.
Die Fälle, die nach manchem Warten
Der endlichen Entscheidung harrten,
Die waren, wie das Ding bewandt,
Im Voraus schriftlich eingesandt.
So kam es, daß sie spruchreif lagen,
Weil sich in diesen letzten Tagen
Die Richter bei verschlossnen Thüren
Nach langem Tüfteln, Wägen, Küren
Laut ihres Amtes Pflicht und Macht
Darüber schlüssig schon gemacht,
Und die es anging oder nicht,
Erwarteten jetzt im Gericht
Nichts Andres mehr, als die Sentenz
Des Minnehofs zu Avellenz.
Die Namen blieben streng verschwiegen,
Es gab kein Ansehn der Person,
Der Minne Recht ließ sich nicht biegen,
Ein Mundwalt aber fand sich schon.
Nicht immer gab der Hof bekannt
Den Vorgang, draus der Zwist entbrannt;
Oft wurde auch statt scharfer Klage
Nur eine allgemeine Frage
Dem Minnehofe vorgelegt,
Daß er entscheide unentwegt.
Die Antwort galt dann gleich Gesetzen,
Die Niemand wagte zu verletzen,
Gaucelm Faidit, der Troubadour,
Hieß stolz sie
lous arrets d'amours.
Und so auch heute: von drei Sachen
Beliebte man, der
Assemblée
Nur eine deutlicher zu machen,
Daß sie das Urtheil recht versteh',
Doch jede von den andern beiden
Durch Spruch und Gründe zu entscheiden.
Als
la princesse de la cour
Eröffnet nun den
Puy d'amour,
Ertheilte sie das Wort sodann
Herrn Heinrich von Rugge, und der hub an:
»Hochedle Herrn! vielschöne Frauen!
Der erste Fall, der dem Gerichte
Vorliegt, ist solcher Schwierigkeit,
Daß, eh' der Spruch fällt, ich berichte,
Was sich begab vor kurzer Zeit.
Zwei junge Ritter waren in Minne
Zu einem Fräulein heiß entbrannt,
Doch wen das Fräulein trug im Sinne
Zu allermeist, ward nicht erkannt.
Sie gingen beide zu verkünden
Des Fräuleins Mutter ihren Schmerz,
Ob ihr's gelänge zu ergründen
Des Töchterleins verschwiegnes Herz.
Es war an einem Tag im Maien
Auf einer frohen Brunnenfahrt,
Wo man zu Spiel und Ringelreien
In reichem Festschmuck sich geschaart.
Die Mutter sprach: Mein Kind, entscheiden
Mußt Du Dich heute, wen Du liebst,
Der sei's, dem Du von diesen Beiden
Von Deiner Gunst ein Zeichen giebst.
Die Maid wie eine rothe Rose
In holder Scham vor Beiden stand
Und hielt von Glück und Leid die Loose
Zwei braver Herzen in der Hand.
Sie sprach kein Wort, nahm ohne Zittern
Sich ihren Blumenkranz vom Haar
Und setzt' ihn dem auf von den Rittern,
Der selber ohne Kranz noch war.
Dem Andern, dessen Locken schmückte
Ein voller Kranz schon dichtbelaubt,
Nahm sie denselben ab und drückte
Ihn selber sich aufs eigne Haupt.
So that die Maid. Die Ritter fragen,
Wen nun ihr Herz zu wählen denkt,
Den, dessen Kranz sie selbst getragen?
Den, dem den ihren sie geschenkt?«
Da ward im Saal ein heftig Streiten,
Ein fröhlich lauter Meinungskrieg,
Dem ersten hier und dort dem zweiten
Der Ritter sprach man zu den Sieg.
Doch als das Für- und Wider-Fechten,
Tumult und Aufruhr sich nicht gab,
Ergriff Bertrane mit der Rechten
Der Minne sanften Herrscherstab.
Der war mit Blumen ganz umwunden,
Sah wie des Frühlings Scepter aus,
Und an die Spitze war gebunden
Ein schöner frischer Rosenstrauß.
Der Stab war ihre Macht, ihr Wille,
Sie schwang ihn, hielt ihn hoch empor,
Und alsobald war tiefe Stille,
Und wieder lauschte jedes Ohr.
Auch stand vor ihr ein Korb voll Rosen,
Und als ein Wink: jetzt rede Du!
Warf eine von den dornenlosen
Sie dem erwählten Sprecher zu.
Jetzt sprach sie selbst: »Der Hof entschied,
Daß jenes Fräulein es vermied,
Sich unzweideutig zu erklären.
Sie wollte Ehr' und Huld gewähren
Dem Ritter, dessen Kranz sie trug,
Weil sie ihn hoch vor Andern schätzte,
Allein ihr Herz im Busen schlug
Für den, dem auf das Haupt sie setzte
Ihr eigen Kränzlein, denn die Gabe
War anders wohl nicht zu verstehn,
Als so, daß er zu hoffen habe,
Sie selbst sein eigen einst zu sehn.«
Beifällig Murmeln und Gesumm
Erging darauf im Saal herum,
Bis
la princesse mit der Hand
Ins Körbchen griff, das vor ihr stand;
Mit einem Wurfe, wohlgezielt
Und gut getroffen auch, erhielt
Auftrag zu reden jetzt Bellinde.
Sie sprach, mit diesem Fall verbinde
Die Frage sich: »Ist's überhaupt
In Züchten einer Frau erlaubt,
Dem Mann, der ihr mit heißem Streben
Aus Schüchternheit nicht wagt zu nahn,
Freiwillig zu verstehn zu geben,
Daß sie in Lieb' ihm zugethan?«
Und also laute der Bescheid:
»Es ist erlaubt, das stumme Leid
Des Schüchternen damit zu enden,
Daß man mit zarter Gunst Verschwenden
Zur Aufmuntrung ihm willig zeigt,
Wie Herz und Sinn sich zu ihm neigt;
Ja, es ist Pflicht, in Lieb' ergeben
Den Muth des Zweifelnden zu heben,
Bescheidenheit verdienet schon
Um ihrer selbst den reichsten Lohn,
Der wahrhaft Liebende ist doch
Bei aller Hoffnung furchtsam noch.«
Die Ritter waren es zumal,
Die diesen Spruch willkommen hießen,
Doch schien's, daß in der großen Zahl
Sich auch wohl Damen finden ließen,
Die, im Gewissen angefochten,
Sich danach leichter fühlen mochten.
Man fuhr in der Verhandlung fort,
Herr Christian von Hamle bekam das Wort.
Vom Pergamente lesend warf
Er diese Frage auf: »Was darf
Ein Ritter oder Knappe wagen,
Sich einer Dame anzutragen,
Ihr seine Liebe zu enthüllen,
Daß seine Wünsche sich erfüllen?«
Darauf die Antwort gab Wirade:
»Es ist allein die Gunst und Gnade
Der Dame, die die Grenzen zieht,
Sie hier verengen kann, dort dehnen,
Und wenn sie sich bewogen sieht,
Dem Minnewerben und dem Sehnen
Des Ritters freien Raum zu lassen,
So mag er Muth und Hoffnung fassen
Und darf sich Alles dann gestatten,
Was ihm die Dame gern gewährt,
Doch wenn des kleinsten Wölkchens Schatten
Ihr über Stirn und Antlitz fährt,
Soll er in Züchten und Genügen
Gehorsam sich dem Winke fügen.
Wer in der Minne leichtes Spiel,
Der mache drum nicht Rühmens viel,
Allein des Sieges Schwierigkeit
Ist's, die ihm seinen Werth verleiht.«
Die Damen waren's, die jetzt lachten,
Ihr Nicken zu dem Nachbar hin
Bedeutete: Wonach zu achten!
Der Spruch ist ganz nach unserm Sinn!
Doch jetzt kam von der Massonei
Herr Bligger von Steinach an die Reih'
Und zu der letzten der drei Fragen,
»Ist's recht,« las er mit lautem Ton,
»Dem, den man liebt, sich zu versagen,
Wenn er begehrt der Minne Lohn?«
Im Saale herrschte tiefes Schweigen,
Zum Tisch hin blickend unverwandt,
Schien Jeder sich nach vorn zu neigen,
Auf die Entscheidung hoch gespannt.
Bertrane säumte eine Weile,
Als suche Sammlung sie und Ruh,
Griff dann ins Körbchen sonder Eile, –
Delianen flog die Rose zu.
War's Schreck, war's Freude, waren's beide.
Die zuckten in Delianens Hand?
Sie wußte doch, was zum Bescheide
Dort auf dem Pergamente stand.
Sie selbst, die Stolze, scheinbar Kalte,
Die undurchdringlich tief und klug
Und in geheimster Herzensfalte
Doch flammenheiße Sehnsucht trug,
Sie hatte mit den stärksten Gründen
Zu Aller Staunen den Entschluß
Erkämpft und sollt' ihn nun verkünden
In wohlgefügter Rede Fluß.
Nach einem raschen Augenblitze
Auf Einen, der im Saal dort saß,
Erhob sie sich von ihrem Sitze
Und sprach dann frei mehr, als sie las:
»Wer in des Herzens Grunde
Hegt wahrer Liebe Gluth,
Der bringe auch zum Bunde
Der Minne Kraft und Muth;
Der soll sich nicht versagen,
Wenn Lieb' um Liebe steht,
Der soll so weit sich wagen,
Wie Wunsch mit Wunsche geht;
Der soll der Menschen Meinen
Nicht hören und den Hohn,
Der Minne Lust und Einen
Werd' auch der Minne Lohn!«
Rings über der Versammlung schwebte
Noch athemlosen Schweigens Flug,
Doch manche Herzensfiber bebte,
An die wie Widerhall es schlug,
Was eben aus Delianens Munde
Geharnischt wie ein Reiter sprang
Und doch wie süße Liebeskunde
Verlockend und berauschend klang.
Tannhäuser blickte wie in Träumen,
Drin er sich ganz und gar verlor,
Dann aber brach's wie Ueberschäumen
Aus tiefster Seele ihm hervor.
Noch rührte Niemand sich vom Platze,
Nur Flüstern hin und wider lief,
Da war er wie mit einem Satze
Die Stufen schon hinauf und rief:
»Die Harfe her! ich will es singen,
Was Du mit Deinem Mund bezeugt,
Wie Sturmes Jauchzen soll es klingen,
Wenn er des Waldes Wipfel beugt!«
Der Harfen eine an den Wänden
Riß er herab – man wehrt' ihm nicht
Und rührte sie mit kund'gen Händen
Und sang mit strahlendem Gesicht:
Offene Arme und pochende Brust,
Herzen voll Hoffnung und Träume voll Lust,
Willst Du es wagen?
Kannst Du es tragen,
Was wie des Himmels Unendlichkeit
Mit allen Sternen so hoch und weit, –
Liebesseligkeit?
Siehst Du nicht auf des Auges Grund,
Fühlst Du nicht auf dem brennenden Mund
Heißes Verlangen?
Beben und Bangen?
Hauchet der Athem nicht: gieb! o gieb
Eines und Alles dem Liebsten zu Lieb,
Was Dir noch blieb?
Wenn ich Dich frage: bist Du auch mein?
Ueber die Lippen nicht bringst Du das Nein!
Wunsch ist Beginnen
Ohne Besinnen,
Nimm mich! o nimm mich! so flüsterst Du leis,
Und was Liebe von Liebe weiß,
Dein ist der Preis!
Zauberisch strömet der Seelen Erguß
Ueber und über im minnigen Kuß!
Will uns das Leben
Wonnig verschweben?
Alles versinket in brausender Fluth,
Da wir in weltvergessener Gluth
Schwelgend geruht.
Wie er da stand begeist'rungflammend,
Wie er zum Saitenspiele sang,
Und wie aus tiefster Seele stammend
Der Stimme süßer Wohllaut klang,
Da flogen auf der Töne Schwingen
Ihm alle Herzen jubelnd zu,
Nicht einem mocht' es da gelingen,
Zu wahren seiner Schläge Ruh.
Er selbst nicht von Delianen wandte
Beim Singen seiner Blicke Gluth,
Als ob er grüßend, werbend sandte
Zu ihr nur des Gesanges Fluth,
Und sie, sie hielt auch ihn umfangen
Mit Blicken, ach! an Liebe reich,
Ihr Busen stürmte, ihre Wangen,
Die waren dunkeln Rosen gleich.
Sie trank des Athems rasche Welle
Durch Lippen wie Rubingestein,
Wie lechzend nach des Liedes Quelle
Sog sie des Sängers Seele ein.
Und ohne von sich selbst zu wissen
Stand sie noch immer lauschend da;
Wer, von Bewundrung hingerissen,
Tannhäuser und Delianen sah,
Die jugendblühenden Gestalten,
Hoch, herrlich wie ein Heldenpaar,
Dem bot von stiller Mächte Walten
Sich ein entzückend Schauspiel dar.
Der Sänger ward, als er geendet,
Umringt, umdrängt, mit Dank beglückt,
Bis Jeder ihm sein Lob gespendet,
Bis Jeder ihm die Hand gedrückt.
So fand im Durcheinanderwogen
Ein schnelles Ende das Gericht,
Und aus dem Saal die Gäste zogen
Zum Garten, wo des Mondes Licht
Schon auf Gebüsch und Blumen lag,
Und wo im dufterfüllten Hag
Errichtet eine Tafel stand
Zu leichtem Imbiß aus der Hand
Und kühlem Trunk im Stehn und Gehn.
Da ward, was man gehört, gesehn,
Was man gewußt und nicht gewußt,
Besprochen nun nach Herzenslust.
Man frug und rieth, wer wohl gemeint
In dies' und jener Minnefrage,
Hier ward behauptet, dort verneint,
Hier flüsterte verschämte Klage,
Dort faßte Muth ein hoffend Herz,
Viel Kurzweil gab es, Schimpf und Scherz;
Was heimlich that, versteckte sich,
Und was sich liebte, neckte sich,
Bis endlich sie die stille Nacht
In Schloß und Zelt zur Ruh gebracht –
Als Heinrich auf des Lagers Pfühle
In seiner Kemenate lag,
Da regte wechselnde Gefühle
In ihm der nun versunkne Tag.
Was heut' er im Gericht der Minne
Vernahm als deren Pflicht und Recht,
Umstrickte seine klaren Sinne
Verwirrend wie ein Netzgeflecht.
Die Fragen, die sich an ihn hängten,
Was sie erlaubte, was verbot,
Und der Bescheid darauf bedrängten
Sein mannhaft Herz mit Zweifelnoth.
Ihn fesselten die frohen Stunden,
Der festlichen Versammlung Glanz,
Der Frauen blüthenreicher Kranz
Hielt seinen regen Geist gebunden.
Schnell gab er sich, schnell nahm er wieder,
Was heiter ihm entgegen trat,
Frug nicht, woher es kam, was nieder
Ihm strömte, eh' er darum bat.
Und war Deliane nicht im Kreise,
Die ihm der Minne Rosen brach?
Und dünkt' ihn gut und recht und weise
Nicht Alles, was sie that und sprach?
Es mochte noch so fremd ihm scheinen,
Sein Leben regelte ihr Wort,
Er nahm sich vor, sein Thun und Meinen
Danach zu richten fort und fort.
Als sie nun selber lösen mußte
Die Frage nach der Minne Lohn,
Ihr voller Blick ihn traf, da wußte
Er ahnungsvoll die Antwort schon.
Und als er ihren Spruch vernommen,
Der wie aus seiner Seele klang,
Da war es über ihn gekommen
Unwiderstehlich mit Gesang.
Doch wußt' er kaum, was er gesungen,
Nur von dem Glücke angefacht,
Das er empfand, von ihr umschlungen,
Hatt' er an Andres nicht gedacht.
Was sie, wenn sie sich an ihn schmiegte,
Von Aug' und Mund ihn pflücken ließ,
Und was, wenn er im Arm sie wiegte,
Vollauf der Minne Lust ihm hieß,
Das war es nur, was er gefeiert
In seines Liedes heißem Ton,
Und ein Geheimniß, noch verschleiert
Wie Nacht, war ihm der Minne Lohn.
Er grübelte nicht lang darüber,
Doch an Delianen dacht' er nur
Und schlummerte fast schon hinüber
Ins Reich der Träume – da – im Flur
Ein leichter Schritt, – ein leises Tasten, –
Ein Lauschen dann und kurzes Rasten, –
Dann klang die Thür, – »Wer naht zu Nacht?«
Kein' Antwort, – doch mit süßer Macht
Fühlt er von Armen sich umschlungen,
Fühlt einen Busen dicht gezwungen
An seine Brust, es flüstert leis:
»Und was nur Liebe von Liebe weiß,
Dein ist der Preis!« – –
Was blühen im Garten die Rosen so roth?
Was funkelt im blitzenden Thaue?
Was sprießet so hell auf des Sommers Gebot
Im Wald und auf blumiger Aue?
Tannhäuser wandelt mit trunkenem Sinn
Im strahlenden, duftigen Morgen dahin,
Die wallenden Locken bekränzet.
Sein Schritt wie getragen von Fittigen schwebt,
Als ob auf den Wegen die Erde ihn hebt,
Das Angesicht sonnenumglänzet.
Ihn dünket die Welt ach! so wunderschön,
Und wäre sie's nicht in Tiefen und Höhn,
Er schüfe sie neu, denn er fühlet die Kraft,
Die den Winter bezwingt und den Frühling erschafft,
Er athmet und lächelt und blicket umher:
»Deliane! Deliane!« – und sonst nichts mehr.