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Ein Gewitter mit Sturm, Regen und leichten Hagelschauern war über das Gebirge hereingebraust, hatte die Fluren erfrischt, und zog jetzt in nordöstlicher Richtung nach den endlosen Forsten der großen Haiden. Aus dem dunklen Gewölk, das sich immer weiter entfernte, zuckten noch häufige Blitze und dumpf rollte der Donner mit wenigen Unterbrechungen, indem das Echo der Berge den verhallenden Schall von Thal zu Thal weiter fortpflanzte.
Vor dem großen Fabrikgebäude in Weltenburg saßen zwei Männer, die man schon an ihren Kleidern als Arbeiter erkannte. Sie verzehrten ihr Vesperbrod und beobachteten dabei bald den Zug der Wolken, bald ließen sie ihre Blicke hinab in's Thal schweifen, wo hin und wieder auf den gegen die Berge zu smaragdgrün schimmernden Wiesenmatten die Sonne goldgelbe Lichtabschnitte zeichnete. An der Straße und zwischen den Häusern zeigten sich blühende Obstbäume, die, vom Winde leicht bewegt, mit den herabträufelnden Regentropfen auch eine Menge Blüthen abschüttelten.
Die Fabrik feierte. Aus dem Flußthale herauf schritt der Walkmüller, oft stehen bleibend und sich nach den Wolken umsehend, denen er noch nicht recht traute. Bekannt mit den Gewitterstürmen dieser Gegend, besorgte er immer Wolkenbrüche, die freilich gefährlich genug werden konnten und schon einmal die ganze Walkmühle, ungeachtet ihres sehr festen Unterbaues, zerstört hatten. Traf ihn ein derartiger Unfall auch nicht direct, so schädigte er ihn doch; denn er hatte die Walkmühle von den Gebrüdern Ammer pachtweise übernommen und mußte contractmäßig jeden Monat eine bestimmte Anzahl Weben für die Versendung zubereiten. Als er jetzt die Arbeiter vor der Spinnerei gewahrte, gesellte er sich zu ihnen und sagte:
Ihr habt heute ja gar vornehmen Besuch.
Vornehmen wohl nicht, erwiderte einer der Arbeiter, aber respectabeln.
Wie Ihr wollt, meinte der Walkmüller. Ich denke, es wird doch gut sein, wenn hier auch einmal eine Wirthschafterin einzieht. Seit die jungen Herren sich ganz niedergelassen haben im neuen Schloßgebäude, ohne daß eine Frau zum Rechten sieht, gefällt mir Vieles nicht besonders.
Das geht wohl Jedem so, versetzte lachend der andere Arbeiter. Wenn sich aber die Beiden nur sonst gut mit einander vertragen, wird das nächstens schon anders werden.
Der Walkmüller trat noch einen Schritt näher, und sprach mit gedämpfter Stimme:
Habt Ihr gehört, wann die Hochzeit sein soll?
Man spricht von Pfingsten, meinte einer der Arbeiter.
Das wäre demnach in drei Wochen. Hm, hm!
Ist Euch das nicht recht?
O gewiß. Aber sagt: wie gefällt Euch die Braut des jungen Herrn?
Ich hätte mir 'was Anderes ausgesucht, versetzte der Arbeiter, welcher zuerst gesprochen hatte. Wer hätte gedacht, daß eine arme Herrnhuterin, und noch dazu eine Wittwe, Herrin von Weltenburg werden sollte! Nein, da wäre ich in's Land hineingefahren, links oder rechts, hätte mich nach dem schönsten, reichsten und vornehmsten Mädel erkundigt und wär's eines Grafen Tochter gewesen, und die hätte ich angesprochen.
Ja, das hättest du gethan, die Ammer sehen die Welt aber mit andern Augen an, als wir übrigen gewöhnlichen Menschenkinder.
Das eben ist's, sprach der Vorige. Seht, Walker, ich will Euch 'was verrathen. Die beiden jungen Herren haben nicht viel weniger Schrullen, als der Alte, nur sind sie anderer Art. Besonders der Jüngste; seitdem der die Welt und noch 'was mehr gesehen hat, seitdem ist schwer mit ihm auskommen. Weiß der liebe Gott, wo ihn der Schuh drückt aber er drückt ihn gewiß und wahrhaftig glücklich und zufrieden ist er trotz seines Reichthums doch nicht.
Ist's etwa sein Bruder oder der alte Vater? sagte der Andere bedeutungsvoll. Keiner ist's! Und das läßt sich auch begreifen. Das Geld drückt sie. Sie können nicht ruhig schlafen, wie unsereins. Wenn sie sich Abends auf ihre gesteppten Seidenkissen niederlegen und nur eben die Augen schließen, raschelt's in allen Winkeln, aus den Tapeten mit den prächtigen Goldblumen daran gucken und lachen eine Menge kleiner Teufel, springen heraus aus ihrem Versteck, erklettern die mit grüner und purpurrother Seide umhängten Betten und setzen sich den Schlummernden auf's Herz und auf die Pulsadern. Dann quälen die Millionäre entsetzliche Träume von Räubern, die einbrechen und ihnen die zusammengehäuften Schätze nehmen, oder sie sehen sich auf der See schwimmen, ein Sturm wühlt die unermeßlichen Gewässer auf, thürmt sie zu Bergen, zerreißt sie in gähnende Abgründe und da hinunter treibt der Teufel das Schiff mit Mann und Maus und allen Schätzen. Wenn sie dann erwachen, sind sie matt und elend, und kalter Schweiß rinnt ihnen von Stirn und Schläfen.
Woher weißt du das? fragte der Walkmüller.
Ich weiß es, sagte trocken, aber bestimmt der Vorige. Das geht allen Reichen so. Sie wüßten ja auch sonst nicht, daß es Elend gibt auf der Welt. Was wir andere armen Creaturen mit vollem Bewußtsein, mit allen unsern Sinnen erleben müssen, das spielt und orgelt den Reichen des Nachts der Traum vor. Gerechtigkeit muß sein, es gäbe aber keine auf Erden, wenn es anders wäre.
Der Walkmüller schüttelte den Kopf. Merkt Ihr nichts? sagte er nach einer Weile. Ist Alles noch so, wie vor drei, vier Jahren, als die Sache hier erst in Gang kam?
Nicht so ganz, erwiderte der zweite Arbeiter, aber es ist nichts schlechter, sondern Alles eher besser geworden.
Warum aber, sagt mir, warum hat das Flachsspinnen aufgehört? Warum wird immer und immer nur Baumwolle gearbeitet? Ich begreife gar nicht, wo die Herren diese ungeheuern Massen hinschaffen, und weiß wieder nicht, wo sie ihr Garn zu den Leinewanden hernehmen, die sie in die neue Welt versenden.
Was kümmert's uns, wenn wir nur richtig bezahlt werden? versetzte der Arbeiter. Und an Geld ist bei den Ammern bis jetzt noch kein Mangel.
Mag sein, versetzte der Walkmüller, ich meines Theils weiß aber auch, daß Herr Christlieb Ammer jüngst einen bösen Verdruß gehabt hat.
Weßhalb?
Wegen einer Kiste feiner Linnen. Sie war durch Wimmer befördert worden, sollte mit den andern nach Amerika, blieb aber, auf welche Weise, habe ich nicht ermitteln können, in Hamburg. Dort wurde sie an einen sehr accuraten Mann, einen reichen Gutsbesitzer, irgendwo dort herum verkauft, und er behauptet, er sei betrogen. Die Leinewand sei nicht reines Linnen, es sei Baumwolle darunter gewesen.
Da habt Ihr Euch sicherlich etwas aufbinden lassen.
Gewiß und wahrhaftig nicht! betheuerte der Walkmüller. Es ist so, wie ich sage, und seitdem hat auch Herr Christlieb Ammer keinen rechten Geist. Wenn die reichen Herren nur nicht aus lauter Uebermuth Schwindelgeschäfte treiben! Der alte Schleicher, der Wimmer, der ab und zu auf seinem spatlahmen Pferde hier hereinreitet, und dann immer Stunden lang mit den beiden Herren zusammensteckt, sieht mir gerade aus, als habe er Handgeld vom Teufel in allen Rocktaschen. An frommen, gottesfürchtigen Redensarten läßt er's freilich nie fehlen, auch gibt er zuweilen Trinkgelder, es ist aber trotz alledem ein schlechter Kerl, sonst schielte er nicht so gräulich oder schlüge nicht immer die Augen nieder, wenn er mit einem Unbekannten spricht.
Sollte deßwegen der älteste der beiden Brüder neulich des Nachts so plötzlich verreist sein? warf Einer der Arbeiter ein. Aber nein, das kann damit nicht in Verbindung stehen, denn er ritt ja nach Böhmen, nicht nach Herrnhut.
Still! sagte der Walkmüller. Die Herrschaften kommen aus dem neuen Schlosse zurück. Ich möchte nicht, daß es aussähe, als hätten wir nichtsnutzige Reden geführt. Eine Pracht ist's doch, den alten Herrn zu sehen! Wie er sich stramm hält und wie fest er auftritt! Dabei sieht er jedem gerad' in's Gesicht und zuckt nicht, und wenn Einer Feuer dicht vor seinen Augen anschlüge, 's ist ein ganzer Mann! Wie der, werden die Söhne nicht, wenngleich sie weiter in der Welt herumgekommen sind, viel vornehmer aussehen, und obendrein noch ein paar fremde Sprachen so flink und firm, wie unsereiner sein Deutsch, reden können.
Die Arbeiter traten unter die Thür der Spinnerei, wo sie, ohne selbst bemerkt zu werden, Alles, was draußen in der unmittelbaren Nähe des Schlosses vorging, beobachten konnten. Der Walkmüller betrachtete nochmals den Himmel und die Gebirgswand, über deren blauem Saume sich schon wieder neue Wetterwolken zeigten, und stieg wieder den Hügel hinab zu seiner Pachtung.
Von dem neu erbauten Schloßflügel schritten, in lebhafter Unterhaltung begriffen, der alte Ammer, begleitet von Frau Anna, seinen beiden Söhnen, Flora und Erdmuthe, gegen den alten Bau. Die Gebrüder Ammer waren, wie schon seit Jahren, höchst elegant nach der allerneuesten Mode gekleidet. Auch Flora trug wenigstens sehr reiche Kleider, wenn schon deren Schnitt vielleicht eine Modedame feinsten Styls nicht ganz befriedigt haben würde. Nur Ammer und seine Frau hatten ihre alte Tracht beibehalten. Ebenso ging Erdmuthe noch immer in ihrer Schwesterkleidung, ohne die geringste äußere Auszeichnung als die ihres eigenthümlich geformten Häubchens.
Am Thorwege, welcher in den Hofraum des alten Schlosses führte, von dessen plattem Thurme heute zur Begrüßung der künftigen Herrin die Flagge wehte, blieb die Gesellschaft stehen. Fürchtegott erfaßte die Hand seiner Braut und sagte:
Hast du dich noch nicht anders besonnen, liebe Erdmuthe? Du würdest mir einen recht großen Gefallen thun. Ich hatte mich so darauf gefreut, dich überraschen, dich später in den für dich so freundlich und bequem eingerichteten Räumen in wohlthuender Stille und Sanftheit walten zu sehen. Und nun magst du nicht einmal darin wohnen!
Mein Freund, erwiderte Erdmuthe, mißdeute nicht meine Abneigung gegen diesen Glanz. Er beunruhigt mich, macht mich befangen und unfrei, und würde sehr bald die in meinem Herzen wohnende Zufriedenheit mit seinem Geflimmer verschütten. Hättest du mich früher auf all' diese Herrlichkeiten vorbereitet, vielleicht wären sie mir dann weniger störend. Da dies nicht geschehen ist, so bitt' ich dich, Lieber, nöthige mir nicht eine Hülle auf, die zu meinem innersten Sein und Wesen nicht paßt!
Fürchtegott mußte an sich halten, um nicht heftig zu werden.
Aber das ist Eigensinn, liebe Erdmuthe, oder Einbildung, sagte er. Und beide muß unser Verstand zu besiegen wissen.
Erdmuthe sah ihren Verlobten mit sonderbaren Augen an, so lange, bis dieser ihren Blick nicht mehr ertragen konnte.
Eigensinnig war ich nie, lieber Freund, versetzte sie dann, aber ich beharrte immer bei dem, was ich nach reiflicher Prüfung für Recht erkannte. Ich will dich ja nicht tadeln, daß du dich in dieser kostbaren Einrichtung so wohl gefällst. Ich kann es recht gut begreifen, und an sich ist es auch nicht sündhaft, sich mit solchem Glanz und Prunk zu umgeben, wenn uns der Herr reiche Mittel dazu verliehen hat. Allein Werth, mein Freund, wirklichen, bleibenden Werth haben alle diese Dinge nicht. Sie sind eben so vergänglich, wie alles Irdische. Sie zerfallen in Staub und Moder, wie dies mein unscheinbares Kleid, und was man nie vergessen sollte: sich an solchen Tand gewöhnen heißt nicht Gott, sondern dem Mammon dienen. Es weiß Keiner von uns, wie lange er im Besitze dessen bleibt, was er heute noch sein nennt! Darum soll sich Niemand überheben; denn schickt ihm der Herr früher oder später eine Prüfung, so besteht er sie ungleich schwerer, als derjenige, der niemals vergessen hat, sich in Demuth vor dem Allmächtigen zu beugen und alles Aeußerliche gering zu achten.
So mild und sanft auch Erdmuthe diese Worte sprach, Fürchtegott ward dennoch sehr unangenehm davon berührt.
Ich hätte nie geglaubt, sagte er in scharfem, lieblosen Tone, daß Frauen sich so tief in's Predigen hineinleben könnten. Bedenke doch, Liebe, daß du nicht mehr in Surinam unter eben getauften Helden herumschweifst, sondern umgeben bist von Christen, die gar nicht mehr genau zu sagen wissen, wann sie dieser Gnade theilhaftig geworden sind.
O, spotte nicht, mein Freund! erwiderte Erdmuthe ernst. Es wäre gar schlimm mit uns bestellt, wenn das Christenthum uns alt oder unbequem erschiene. Wohl den Menschen, denen es ewig so neu, so der Rede, Beachtung und des Nachdenkens werth bleibt, wie jenen in ihrem Gott Beruhigten, die es aus voller Ueberzeugung mit Herz und Mund eben erst bekannten.
Wir wollen darüber nicht streiten, liebe Erdmuthe, erwiderte Fürchtegott. Dir gegenüber würde ich doch immer im Nachtheile bleiben, weil ich zu wenig Gewandtheit, wohl auch zu wenig Kenntniß von diesen gar heiligen Dingen besitze. Ich werde das Weltkind niemals ganz in mir todt schlagen, so groß auch mein Respect vor einem feinen Leben in Christo ist, wie man das, wenn ich nicht irre, in der Sprache deiner Brüder nennt.
Ammer, der mit den Uebrigen seitwärts gegangen war, um den vollen Anblick des alten Schlosses recht zu genießen, das jetzt von der Sonne glänzend hell beschienen ward, kam wieder heran, und da er auf den Mienen Beider einen Zug des Unmuthes oder leichter Verstimmung bemerkte, sprach er in zutraulich heiterm Tone:
Seid ihr noch immer nicht einig? Nun, da muß ich mich wohl in's Mittel legen und befehle deßhalb: mein Herr Sohn wird meiner lieben Schwiegertochter ein paar Zimmer im alten Schlosse einrichten lassen und zwar ganz nach ihrem Geschmacke, ich aber werd's bezahlen. Und nun still! So hat Jeder von euch seinen Willen. Der da, dem es ganz besonders angenehm ist, wenn er seine Hand auf Sammet oder Seide kann spielen lassen, mag sich täglich, wenn er allein sein muß der Arbeit wegen, in eins seiner kostbaren Prachtgemächer setzen, während meine kleine bescheidene Tochter in ihrem schmucklosen Zimmer sich eben so glücklich fühlt. Hat denn der Schloßherr sich satt gesehen an seinen Tapeten und Spiegeln und Kronleuchtern, und bedarf er der Stärkung, da wird er gar flink herüberspringen zu seiner feinen Frau und in ihren Augen das Glück finden, das er unter dem kalten Glanz der Welt doch vergeblich suchte. Ist's so recht, ihr Strudelköpfe?
Ja, mein Vater, so ist's recht, sagte jetzt ebenfalls heiter Erdmuthe, dem ehrwürdigen Vater dankend die Hand reichend. Was du einleitest und ausführst, muß immer das Rechte sein, fuhr sie fort, denn es kommt bei dir Alles aus einem Herzen voll Liebe. Du willst nicht paradiren, du willst immer nur Gutes thun.
Still, still, kleine Herrnhuterin! versetzte Ammer, ihre Hand zärtlich drückend. Wenn du oft so von mir und zu mir sprichst, könnte ja am Ende der Sohn eifersüchtig auf seinen eigenen Vater werden.
In Fürchtegott's Gemüth ließ diese Unterredung unauslöschliche Spuren zurück. Daß Erdmuthe Alles, was ihm persönlich theuer war, nicht besonders achtete, ja gewöhnlich für vollkommen entbehrlich hielt, beunruhigte den jungen, ehrgeizigen und stolzen Mann in peinlichster Weise. Er war noch lange nicht am Ziele, erst der Anfang einer Laufbahn, die seinen Namen in den Annalen der Industrie verewigen sollte, war seiner Meinung nach von ihm betreten, und Erdmuthe, jetzt seine Braut, bald sein ihm angetrautes Weib, konnte es kaum ertragen, mit gleichgiltigem Auge das zu betrachten, was er doch sein rechtmäßig erworbenes Besitzthum nannte!
Es war ihm zwar recht angenehm, daß sein Vater bisher die schlimmsten Hindernisse durch sein gewissermaßen harmlos gebieterisches Zureden wenigstens scheinbar aus dem Wege geräumt und Erdmuthe's Bedenken, die in ihrer religiösen Ueberzeugung lagen, beschwichtigt hatte. Das konnte und durfte aber nicht immer so bleiben. Mit Erdmuthe's Einzug auf Weltenburg endigte der wohlthuende oder besänftigende Einfluß des Vaters. Sie sah ihn vielleicht in Wochen nicht, sie mußte sich an ihren Gatten halten, in ihn sich fügen, seinen Wünschen zu genügen suchen, oder das Band, das zwei so heiß und innig liebende Herzen vereinigte, mußte sich auf der einen oder andern Seite lockern.
Diese Gedanken machten Fürchtegott schweigsam, während er an der Seite seiner nur zu schlicht gekleideten Braut nach dem Hofraume des alten Schlosses ging. Hier standen bereits die Wagen angespannt, welche den alten Ammer und seine Begleitung wieder heimfahren sollten. Zur Herfahrt hatte man sich des uns schon bekannten klirrenden und stoßenden Gefährts bedient, das Vater Ammer wenige Jahre nach seiner Verheirathung sich schon zulegte, um weitere Touren im Gebirg, namentlich bei schlechter oder unbeständiger Witterung darin zu machen. In diesem Wagen befanden sich zwei Hängesitze, die zur Noth vier Personen fassen konnten. Zu größerer Bequemlichkeit und weil er es überhaupt nicht gern sah, daß seine Braut in diesem Klapperkasten stundenlang sich auf den schlechten Wegen hin- und herwerfen lasse, hatte Fürchtegott seinen Wiener Wagen anspannen lassen, und lud jetzt die Mutter ein, sich desselben zugleich mit Erdmuthe zu bedienen. Den Vater forderte er nicht dazu auf, weil er einer abschläglichen Antwort bei diesem gewiß war, und daß Flora den Vater nicht allein werde fahren lassen, konnte er sich ebenfalls sagen.
Kaum jedoch hatte Frau Anna in ihrer Gutmüthigkeit die prächtige Equipage ihrer Söhne bestiegen, als Erdmuthe, gleichsam als sähe sie dieselbe gar nicht, nach ihres Schwiegervaters unscheinbarem Korbwagen ging und die Thür desselben öffnete.
Fürchtegott trat, blaß im Gesicht, als stehe ihm eine Ohnmacht bevor, an die Geliebte und sagte mit zitternder Stimme:
Geh zur Mutter, Erdmuthe!
Laß mich, Freund! erwiderte diese sanft und ohne jegliche Spur von Aufregung. Dein Vater fährt in diesem Wagen; wir sind ganz zufrieden und recht vergnügt gewesen unterwegs; weßhalb sollen wir uns halbiren? Schone deine Rappen, lieber Fürchtegott, setzte sie freundlich lächelnd hinzu, sie bedürfen auch der Ruhe; wenn ich aber nächstens mit dir fahre, mein Herz, will ich dir den Gefallen thun und mich recht groß und breit in die unpassende Chaise setzen. Lebe wohl, mein Freund, behalte mich lieb und bleibe demüthig. Glaube mir, Liebster, Demuth verleiht dem Herzen eine gar wunderbare Ruhe und sänftigt und bändigt alle Stürme, die es durchschauern!
Fürchtegott vermochte nicht zu antworten. Er sah Erdmuthe kalt, fast entsetzt an. Den Druck ihrer Hand erwiderte er nicht. Die Mutter hatte inzwischen die Equipage wieder verlassen und stieg mit Flora's Hilfe ebenfalls in den Korbwagen. Jetzt kam Ammer, der noch einige geschäftliche Fragen an Christlieb gerichtet, und fragte:
Nun, habt ihr euch eingeschachtelt?
Ganz prächtig, Papa, versetzte Erdmuthe. Bleibt nur der Abend schön und kommen die Wolken dort hinter den Bergen nicht gar zu früh herauf, so wollen wir recht heiter sein, wenn wir tüchtig zusammengeschüttelt werden.
Ammer hatte sich schon neben Flora gesetzt.
So gefällst du mir, sagte er. Immer munter mit Manier und nicht gar hoch hinaus mit dem Kopfe. Merkt's euch, ihr Beiden! rief er seinen Söhnen zu, und nehmt euch ein Exempel daran, also daß die Welt nicht dermaleinst von euch sagen kann: Hochmuth kommt vor dem Falle! Und nun, Gott behüt' euch. Fahr' zu, Joseph!
Der Korbwagen des alten Webers klapperte den gewundenen Weg vom Schloßhügel hinunter, Fürchtegott sah ihm mit verstörtem Antlitz nach, bis er die Fahrstraße erreicht hatte und Joseph das Pferd durch einige ermahnende Zurufe in einen langsamen Trab setzte.