Christoph Martin Wieland
Menander und Glycerion
Christoph Martin Wieland

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XXIII.

Glycera an Menander

Was könnt' ich Menandern nicht verzeihen, wenn er seine Fehler bereut? und wie würde ich ihn lieben, wenn er Herr über sie würde!

Du glaubst eine Buße verdient zu haben, und ich hätte große Lust, dir eine aufzulegen, die dir etwas bitter schmecken dürfte. Von einer Buße ist aber auch nicht zu erwarten, daß sie wie Honig vom Hymettus schmecke. »Und worin bestünde diese Buße?« – Worin anders, als daß du mir das Vergnügen machen solltest, dich mit Philemon auszusöhnen. Er schwört bei allen Göttern, die Rede, deren er beschuldigst wird, sei nie über seine Lippen gekommen. Diphilus, sagt er, und Hermias hätten ihn, in Gegenwart etlicher anderer Bekannten, etwas spöttisch mit seiner Liebe zu Glycera aufgezogen, und da sie es gar zu arg getrieben, habe er endlich lachend geantwortet: warum sollt' es nicht möglich sein, daß die schöne Glycera in einem grillenhaften Augenblick mich mit allen meinen Runzeln dem Menander vorziehen könnte, da unsre Kampfrichter schon so oft blind genug gewesen sind, meinen Komödien den Vorzug vor den seinigen zu geben? Daß dies seine Worte gewesen, sagt er, würden Diphilus und Hermias bezeugen müssen; und ich bin um so geneigter ihm zu glauben, weil er wirklich bei jedem Anlaß mit der größten Achtung von deinen Werken spricht. Es ist noch nicht lange, daß ich zwischen Ernst und Scherz zu ihm sagte: aber Philemon, wirst du nicht allemal bis an die Ohren roth, wenn du den Sieg über Menandern davon trägst?Gellius legt dieses Wort dem Menander selbst in den Mund. Schicklicher wär' es wenigstens, wenn Glycera es gesagt hätte. Das könnte wohl mehr als Einmal der Fall bei mir gewesen sein, war seine Antwort: der Sieg ist freilich immer etwas angenehmes, wenn wir ihn auch (was den berühmtesten Feldherren schon begegnet ist) bloß dem Zufall zu verdanken haben: aber ich werde immer laut bekennen, daß Menander der erste unter den komischen Dichtern unsrer Zeit ist, und rechne mirs zu großer Ehre, wenn verständige Liebhaber der Musenkunst mir die zweite Stelle zuerkennen.

Alles wohl erwogen, denke ich, du solltest die Buße, die ich dir aufzulegen willens bin, nicht zu streng finden. Was meinst du?


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