Christoph Martin Wieland
Krates und Hipparchia
Christoph Martin Wieland

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XIX.
Hipparchia an Krates

Nein, ehrwürdiger Krates, ich will gegen dich, oder die Weisheit die aus dir redet, nicht die Sophistin spielen! Ich will auch nicht fragen, ob du mit einem wirklichen Hipparchides, der sich in meinem Fall befunden hätte, eben so streng verfahren wärest, als mit der armen, in ihre eigene Gestalt zurückgeschreckten Hipparchia. Ich danke dir vielmehr für diese Strenge: sie ist heilsam, sie führt mich zu meiner Pflicht zurück.

Ich will sie bekämpfen, und werde sie bezwingen diese selbstsüchtige Leidenschaft, die den Wahn, daß ich mir selbst etwas schuldig sei, in mir erzeugte, und es mir schwer machte, das, was ich (vielleicht auch hierin getäuscht) für das Glück meines Lebens hielt, den Wünschen eines liebenden und geliebten Vaters aufzuopfern. Du hast mich zu dem demütigen Gefühl gebracht, wie viel mir noch fehlt, bis ich mich, ohne deinem Ruhm zu schaden, für deine Schülerin bekennen dürfte: aber den Mut weiser zu werden, will ich darum nicht aufgeben. Fahre fort, o mein ehrwürdiger Meister, mich ohne Schonung in dem Pflichtgefühl zu stärken, das du wieder in mir erweckt hast; du sollst nicht vergebens arbeiten! Möchte nur irgend eine freundliche Gottheit das Wunder, was die Göttin Isis an der Tochter des LigdusNamens Iphis. Ovid erzählt es zu Ende des 9ten Buchs seiner Verwandlungen. getan haben soll, an mir wiederholen, und die unglückliche Hipparchia, die ein tyrannisches Vorurteil deines Umgangs und mündlichen Unterrichts beraubt, um beides ungehindert genießen zu können, in diesem Augenblick auf ewig in einen wirklichen Hipparchides verwandeln!

Den 20sten Skirrophorion.


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