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Auf dem Lande!
Es war am Spätnachmittag und Halbdunkel herrschte in der Zelle. Gunnar saß in seinem Lehnstuhl, den Kopf gegen dessen Rücken gelehnt und die Augen geschlossen, als ob er schliefe.
Auf dem Lande! Ja, er wollte aufs Land ziehen, wenn er nun morgen mit der Geschichte hier fertig war! Er wollte sich in einem kleinen Bauernhause einmieten und alle seine Möbel und seine Scharteken mitnehmen und sich ein Arbeitszimmer in der niedrigen, nach dem Garten gelegenen Stube einrichten, wo Bäume und Büsche und Rasen bald im Schmuck des lichten, lenzlichen Pfingstgewandes stehen würden. Er wollte den Wald knospen sehen, was er schon viele Jahre nicht gesehen hatte, wenigstens nicht so richtig! Und an den Windungen des Baches entlang wollte er wandern und das glucksende Rieseln des Wassers zwischen Röhricht und Schilf hören. Und im Tal zwischen moosigen Hügeln wollte er liegen unter dem alten Eichbaum und die Störche auf ihren roten Stelzen herumtraben sehen. Und wie er arbeiten wollte! Ein Buch nach dem andern wollte er fertig machen, und sie sollten alle erfüllt sein von der Freude über das Leben, und alle sollten sie Meisterwerke sein! Und wenn er müde vom Schreiben war, wollte er seinen Hut und Stock nehmen und seinen Freund, den Dorfschulzen, auf die Felder begleiten, wo die Kühe standen und den hohen Klee in sich hineinschlangen, wo die Knechte hinter dem Pfluge sangen und die Mädels die Schürzen voll himmelblauer Kornblumen und scharlachrotem Mohn pflückten. Und auf weidenumsäumten Wegen wollte er zu Besuch fahren und in gemütlichen niedrigen Stuben sitzen, wo süßduftender Goldlack und Geranien in den blaugestrichenen Fensterrahmen standen, und wo man einander die schwieligen Fäuste drückte und sich Guten Tag und Gottesfrieden wünschte ohne Falsch in Mund und Herzen!
Und in den mondklaren Nächten wollte er auf langen weißen Pfaden wandeln und den gedämpften Tönen der Nacht lauschen. Und in duftenden Heuschobern wollte er schlafen und voller Spinnen und Ungeziefer aufwachen und seinen Morgenkaffee in unbekannten Dorfwirtshäusern trinken, bedient von einem rotwangigen, blauäugigen Bauernmädchen, das munter lächelte mit gesunden Zähnen hinter dem purpurfarbenen Blütenzweige der schwellenden Rosenblätter ihrer frischen Lippen ... und das Mädchen hatte drei Kinder, jedes mit einem andern Vater, und ihre Hände waren schmutzig und ihr Haar ungekämmt, und ihre Kleider stanken von Schweiß und Schmutz und Speiseresten und Petroleum und Hühnermist ...
Amen!
Gunnar schüttelte den Kopf, holte tief Atem, fast stöhnend, und träumte weiter:
Der Gefängnisprediger, den er Sonntag unten in der Kirche von dem Kampf zwischen dem Katholizismus und dem Luthertum hatte reden hören, saß im Stuhl, während Warberg selbst todmüde stand und sich an die Wand lehnte:
»Ich sah Sie in der Kirche ...«!
»Ja ...«
»Sie wollten sehen, wie so ein Gottesdienst abliefe ..«
»Ja, und dann wollte ich die Rede des Herrn Pastors hören.«
»Sie hat Ihnen wohl nicht gefallen?«
»Ach ja, aber ich glaube nicht, daß diese Gemeinde ...«
»Nein, Sie haben recht, lieber Freund ... Aber was für Stoff soll man sich austüfteln! Diese Menschen sind so mißtrauisch! Nimmt man Worte wie Diebstahl, Verbrechen, Mord oder dergleichen in den Mund, gleich denken sie, es ist auf sie gemünzt. Es ist wirklich nicht leicht!«
»Nein, das mag es nicht sein ...«
»Na aber, der Dienst hier ist ja auch nur eine Art Vorbereitung für mich. Ich halte später dieselbe Rede vor meiner Pfarrgemeinde.«
»Ja, die kann sie natürlich besser goutieren ...«
»Ja ... aber, um von Ihnen zu reden, lieber Freund, wie bekommt Ihnen der Aufenthalt hier?«
»Ja, danke, mir geht es sehr gut.«
»Aber irgendeine Veränderung in Ihrer literarischen Auffassung wird diese Begebenheit wohl kaum bewirken ...«
»Kaum ...«
»Ihrer Überzeugung nach ist Ihnen wohl ein Unrecht widerfahren?«
»Na – aa ...«
»Aber sagen Sie mir nur, was gedenken Sie zu erreichen, wenn Sie so schreiben? Nach welchem Ziel streben Sie? Welches Resultat bezwecken Sie?«
»Ach, das weiß ich wirklich nicht. Ich will den Menschen zeigen, wie sie sind.«
»Ja, aber lieber Freund, das wissen wir doch selbst ganz gut!«
»Den Eindruck habe ich nicht ...«
»Meinen Sie nicht, Sie würden der Welt und den Menschen mehr nützen, wenn Sie ihnen irgendein Ideal vor Augen hielten? Wenn Sie ihnen nach besten Kräften zeigten, wie sie sein müßten ...?«
»Dazu bin ich nicht klug genug, Herr Pastor.«
»Oder dumm genug«, sagte der Pastor mit seinem Lächeln.
»Ja, so kann man es auch nennen ...«
»Sagen Sie mir, können Sie von Ihrer literarischen Wirksamkeit existieren?«
»Nein.«
»Weshalb wählen Sie kein Brotstudium? Sie haben doch studiert?«
»Bin noch dazu cand. phil.«
»Weshalb wählen Sie kein Brotstudium?«
»Ich bin zu alt.«
»Wie alt sind Sie?«
»Zweihundertvierundfünfzig Jahre ...«
»Aehae ...«
Plötzlich war der Pastor verschwunden und Gunnar befand sich wieder draußen auf dem Land, wo er auf dem Grabenrande ausgestreckt unter einer alten morschen Weide lag und mit dem Viehknecht Jens plauderte, der die Kühe und Ochsen des Gutes hütete.
Jens saß neben ihm auf der äußersten Spitze seines mageren Hinterteils. Die Beine hatte der Alte unter das Kinn hinaufgezogen, und die Ellenbogen auf die Knie, den Kopf in die Hände gestützt, saß er und starrte über das grüne Feld hinaus, wo das Vieh in Reihen stand und wiederkäute.
»Ja«, sagte er und nickte still vor sich hin, »ich bin verheiratet gewesen, und ich bin Witwer gewesen. Und ich habe Kinder gehabt, und sie sind von mir fortgegangen, als sie groß waren. Und ich bin selbst einmal jung gewesen, Gunnarchen, und ich bin Soldat gewesen und habe den Krieg mitgemacht. Und ich habe mein Lebelang viel gesehen, Gutes und Böses. Und ich bin mit vielen Menschen zusammengewesen zu Hochzeiten und Kindtaufen und Erntefesten und Begräbnissen; und es mag ja ganz pläsierlich sein, hin und wieder mit Leuten zusammen zu sein, um zu sehen, wie sie sich in der Welt drehen und wenden; aber es ist doch trotzdem eine ewige Wahrheit: wenn der Mensch einmal ein gemütliches Weilchen, eine Stunde oder anderthalb haben will, wo Frieden und Ruhe ihm gleichsam Brust und Herz von innen heraus erfüllen, dann muß er alles sein, mutterseelenallein mit sich selbst! Das ist nun meine Meinung!«
Warberg nickte, und der Alte fuhr fort:
»Denn was nützt das, Gunnarchen, frage ich, daß man eine Frau hat und Kinder hat, oder ich will mal sagen, Freunde – – – und wer, hol's der Henker, hat Freunde, wenn's darauf ankommt! Das mag ja sehr gut und schön sein, und sie können einem ja doch so über dies und das und kleine Verlegenheiten und so was forthelfen, wovon es ja auch genug in der Welt gibt; aber das sind doch immer Backentellen, wie es heißt; und sie lassen sich durch Geld oder eine Mahlzeit oder einen guten Rat oder freundlichen Verkehr ordnen, der ja natürlich begreiflicherweise nicht zu verachten ist. – Aber wenn der Mensch betrübt ist, so recht herzinnig schwermütig, und der ganzen Geschichte satt und überdrüssig ist, so als ob er immerweg mit einem Sack voll Korn auf Brust und Rücken ginge, dann kann ihm keiner helfen ... dann gibt es auf der ganzen Gotteswelt keinen Menschen, der ihm helfen kann, Gunnarchen!«
Der Alte drehte langsam den Kopf und blickte auf Gunnar herab, der unbeweglich mit geschlossenen Augen dalag und seinen Worten lauschte, die ihm aus dem Stamm des alten morschen Weidenbaumes selbst zu dringen schienen.
»Ja, aber, was soll er denn tun, Jens?« fragte Gunnar. »was soll er denn tun? Es kann's doch kein Mensch aushalten, Zeit seines Lebens herumzugehen und betrübt zu sein?«
Auf diese Frage erhielt Warberg nie eine Antwort; denn als er die Augen öffnete, um zu dem Alten emporzublicken, war er verschwunden; und der Grabenrand mit dem Weidenbaum war verschwunden; ebenso das Feld mit der langen Reihe der Kühe. Und er saß wieder in seinem Lehnstuhl in der engen Zelle.
Es war Dämmerung. Die wenigen zerstreuten Gegenstände drinnen, der Ofen, das Bett, die Bank, standen mit vagen, zerfließenden Umrissen wie im Nebel. Nur der Plankentisch in der Wand neben Gunnar war deutlicher zu sehen, da der Tagesschimmer von dem Gitterfenster unter der Decke her sich um das seltsame Wesen zu sammeln schien, das zusammengekrochen darauf saß: ein kleiner verwachsener Knirps mit einem altklugen Gesicht –, kleinen blinzelnden Augen und einem breiten beweglichen, lachlustigen Munde.
Er saß an die Wand gelehnt, das spitze Kinn auf den Knien ruhend, und betrachtete Warberg mit einem zwinkernden Blick.
Keiner von ihnen sprach, keiner von ihnen rührte sich. So saßen sie lange und betrachteten einander unverwandt.
Endlich verzog der Mund des Kleinen sich zu einem breiten Lächeln:
»Na, Gunnar«, sagte er, »woran denken wir nun?«
»An die kommenden Zeiten«, antwortete Gunnar.
»An die kommenden Zeiten«, wiederholte der Knirps mit Grabesstimme und brach in Lachen aus.
»Oh, wir werden uns wohl schon zu helfen wissen, mein Junge! Morgen haben mir ein Martyrium hinter uns!«
»Wer, glaubst du, hält dies für ein Martyrium?«
»Nee ... Aber ich glaubte, du glaubtest es!«
»Du siehst so reizend boshaft aus, Sören Überschlau!«
»Hä, und das gefällt dir nicht, was? Dann lasse ich es natürlich! ... Na aber, nun reisen wir also bald aufs Land!«
»Ja.«
»Ist es da draußen besser?«
»Es ist jedenfalls etwas anderes, etwas Neues!«
»Ja ... Veränderung macht Freude! ... Soll Binse mit?«
»Binse und ich sind fertig miteinander!«
Der Kleine kniff schelmisch das eine Auge zusammen, nahm aber sofort wieder eine ernsthafte Miene an und sagte:
»Mir ist so dunkel ... ich entsinne mich nicht mehr recht genau, aber ... aber seid ihr das nicht schon ein paarmal gewesen?«
»Ja, aber jetzt ist es ganz bestimmt vorbei!«
»Gratuliere! ... Dann willst du also niemand mitnehmen?«
»Aber Männer? Na, na, immer ruhig, mein Lieber! Ich will jedenfalls keine Weiber mitnehmen! Herrgott, du hast doch früher einen Spaß goutieren können! Warum sollen wir das nun so ernsthaft nehmen?«
»Ach nein ...«
»Na, siehst du! Zwei so alte Freunde müssen doch frisch von der Leber weg miteinander reden können! ... Du willst also wirklich nichts mehr mit den Weibern zu tun haben! In der Tat, ein sehr vernünftiger Entschluß! Wann hast du ihn gefaßt?«
»Gestern.«
»Schon seit so langer Zeit? ... Aber sage mal, was wollen wir denn draußen auf dem Lande tun?«
»Arbeiten, schreiben, denken ...«
»Ho, ho, nimm den Mund nicht so voll!«
»Man wird ein besserer Mensch auf dem Lande!«
»Ja, natürlich, ja! Gottes freie Natur! Pferde, Kühe und Schafe!«
»Hier drinnen in der Stadt rennt man herum und schleift sich alle Kanten scharf!«
»Ja, pfui Teufel, es gibt viel Bosheit in den großen Städten ... Aber hör' mal, sind wir nicht auf dem Land geboren?«
»Gewiß.«
»Das glaub' ich auch. Aber alle die geriebenen Bauern und all die »ausgetragenen« Kindermädchen und Tanten und Freundinnen, von denen wir in unseren Büchern so viel Wesens machen, sie sind am Ende aus der Stadt?«
»Nein.«
»Also nicht? Das ist doch wirklich sehr fatal, sehr ... denn dann hat es ja da draußen auch seinen Haken ... Aber wir wollen vielleicht dort herumgehen und unsere Dichtwerke vorlesen, zum Abschrecken und zur Warnung?«
»Ich will mich gar nicht mehr mit dem Bösen und Garstigen auf Erden abgeben.«
»Ja – so! Sieh – sieh!«
»Denn es gibt ja so viel Schönes!«
»Ja, wahrhaftig!«
»Und das will ich studieren, und darüber will ich schreiben!«
»Ja ... das bezahlt sich auch besser.«
»Ich schreibe nicht, um Geld zu verdienen.«
»Nein ... Gott bewahre, nein ... Pardon! Aber ...«
»Es ist immer so gewissermaßen dein besonderes Talent gewesen, alles lächerlich zu machen!«
»Mein gesundes Talent, ja! Das Talent, das du bisher einigermaßen zu schätzen gewußt hast, mein Lieber! – Na, von jetzt ab machen wir also in Schönheit? ... Wie? Wie sagst du? ... In Schönheit, Wahrheit und Güte!«
»Ich mag nicht mit dir sprechen!«
»Aber was ist denn nun los?«
»Gott gebe, daß ich dich zur Tür hinauswerfen könnte!«
»Na, nee – ee, das ist ja nichts dein Ernst! Wir beiden alten Freunde!«
»Oh, mit unserer Freundschaft ist es wohl nie so weit her gewesen!«
»Aber, lieber Freund, du hast doch nicht Morphium genommen?«
»Bist du es nicht, der meine besten Augenblicke zerstört hat?«
»Deine ›besten‹ Augenblicke! Ich glaube, du wirst ein bißchen schillerisch! Haben wir vielleicht nicht schon manchmal tüchtig miteinander gelacht?«
»Das ist's ja eben! Nie habe ich mich dem Genuß eines Kunstwerkes, eines Buches, eines Bildes, eines Verhältnisses zu den Menschen ernst und voll hingeben können, ohne daß du gleich deine widerwärtige Galgenphysiognomie herausstrecktest und mir die Freude verdorben hast!«
»Macht denn das Lachen keine Freude?«
»Halt den Mund!«
»Wie Sie befehlen!«
»Lachen, sagst du? Ja! Aber du grienst!«
»Das ist nur ein höherer Grad!«
»Du grienst boshaft!«
»Immer aufwärts!«
»Du hast mich vertrieben vom Ernst, von der sicheren Ruhe, der stillen Freude, dem tiefen Gefühl, der reinen ... reinen ...«
»Dummheit!«
»Ja, so weit ist es mit mir gekommen, daß ich keine Trauer mehr empfinden kann, nur Verdruß!«
»Ho, ho, du machst mich ja zu einem reinen Mephisto! ... Ohne daß du selbst dadurch etwa ein Faust würdest! ... Darf ich fragen, ist der Herr vielleicht fertig mit seiner › harangue‹? ... Gut! Dann will ich nur sagen: Danken solltest du mir, weil ich dich lachen gelehrt habe! ... Man soll hier auf der Welt lachen, siehst du, über sich und über andere! Über das Ganze! Denn das ist die einzige Auffassung von der großen Maskerade des Lebens, die sich konsequent durchführen läßt! Keiner kann ›bei jedem Ereignis‹ den Grabesdüsteren herausstecken, mein Lieber! Aber lachen kann man über alles, weil es nichts auf der Welt gibt, das nicht seine lächerliche Seite hätte. Nehmen wir zum Beispiel den Tod, der bei der ganzen Gemeinde für ein höchst ernsthaftes Ereignis gilt. Stimmt er immer ernst? Keineswegs! Aber vermagst du bei einem Todesfalle oder einem Begräbnis auch keine Träne zu vergießen, lachen wirst du immer können! Es wird an die tausend Dinge geben, über die du lachen kannst: die feierlichen Mienen, die schwarzen Handschuhe! Die florumwundenen ›Kerzen‹! Der emsige Leichenbitter! Die Salbung des Predigers! Die Lügen der Leichenrede! Eine Fliege, die ihre Bedürfnisse auf der Nase des Toten verrichtet! Und zuletzt aber nicht zum wenigsten über die betrübten Hüte und freudestrahlenden Herzen der Erben! Ach ja, ach ja, glaube nur, Gunnarchen, der ›Schöpfer‹ selbst auf seinem himmlischen Sitz amüsiert sich königlich, wenn er auf uns Menschen heruntersieht und sich um so besser amüsiert, je ›ernsthafter‹ die Dummheit und Heuchelei sich gebärden! Und weshalb sollen nun nicht wir beide, du und ich und die paar anderen Menschen, deren Köpfe etwas von seiner göttlichen Lustigkeit abbekommen haben, weshalb sollten wir es nicht machen wie er? ... Na, aber das tun wir ja auch! Und wir wollen darin fortfahren, so lange unsere Maschinerie in Ordnung ist. Denn daß du augenblicklich an einer hoffnungslosen Liebe zu Heulen und Zähneklappern zu leiden scheinst, das schreibe ich ausschließlich auf Rechnung deines gegenwärtig etwas diffizilen Magens; Gefängniskost verdirbt gute Sitten, mein lieber Gunnar, und ...«
Der Schlüsselbund klirrte draußen auf der Galerie, ein Schlüssel wurde ins Schloß gesteckt, die Tür ging auf und der Wärter kam mit seinem Licht, um das Gas anzustecken.
»Heute ist es also der letzte Abend, Herr Warberg«, sagte er.
»Ja, das stimmt, Hansen ...«
»Sie freuen sich wohl darüber?«
»O ja ...«
»Gewiß, ich kann es mir sehr wohl denken, daß Sie froh sind ... Und nun will ich Ihnen also vielmals danken für Ihre Freundlichkeit und für all die guten Worte, die Sie für mich gehabt haben! ... Ich habe Sie fürchterlich schätzen gelernt, ja!«
»Ja, lieber Hansen, ich bin es doch eher, der Ihnen zu danken hat.«
»O nein, o nein«, sagte Hansen eifrig. »Ich weiß sehr wohl, wer hier danken muß. Sie sind der feine und gebildete Herr, der geruht hat, mit einem einfachen Mann gemütlich zu sprechen, und das vergesse ich Ihnen nie! Wir laufen ja sonst hier herum und reden mit keinem anderen ein Wort als mit unsereinem und mit den Gefangenen, die nichts weiter zu erzählen wissen, als daß sie nichts getan haben und was für eine Strafe sie bekommen haben und so etwas. Es ist also ein reines Extravergnügen, wenn hier der Zufall so einen von Ihrer Sorte hineinplumpsen läßt. Und ich möchte wirklich wünschen, daß Sie noch einen ganzen Monat hier säßen!«
»Ja–a, danke, das ist in der Tat nett von Ihnen, Hansen, aber ...«
Der Wärter stand und fingerte verlegen an seinen Schlüsseln. Dann machte er plötzlich die Tür fest zu. Darauf wandte er sich zu Warberg und sagte, ohne ihn anzusehen:
»Und dann hätte ich noch eine Bitte an Sie ...«
»Eine Bitte, Hansen? Ja, wenn ich kann, will ich sie gern erfüllen.«
»Ach, Dank, Dank, Herr Warberg! ... Ja, sehen Sie ... es war ... es wäre nur das ... wenn Sie hören sollten, daß ... daß eine Herrschaft einen zuverlässigen Mann als Kutscher brauchte ... dann ... am liebsten draußen auf dem Lande. ... einen verheirateten Kutscher ... dann ...«
Gunnar stand einen Augenblick unschlüssig, ob er dem Mann anvertrauen solle, daß er keine »Herrschaften« kenne, gar keine Herrschaften: und daß, selbst wenn er ein paar gekannt hätte ... Aber dann streckte er ihm entschlossen die Hand hin und sagte:
»Das will ich, Hansen! Es ist nicht ausgeschlossen, daß es mir gelingt, Ihnen eine Stelle zu schaffen. Ich werde wenigstens versuchen, was ich kann!«
Der Wärter ergriff dankbar die ausgestreckte Hand und drückte sie kräftig:
»Dank!« sagte er. »Dank! Nun habe ich doch eine kleine Hoffnung, die ich hier drinnen mit mir herumtragen kann!«