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Der Teufel gebändigt.

 

1. Die gesäuberte Mühle.

Am Radhost war ein sehr armer Müller. Als er sich in der größte Noth befand, kam der Teufel zu ihm und fragte: »Müller, warum bist Du so traurig?« – »Wie sollt' ich nicht traurig sein! entgegnete der Müller. »Hab' neun Kinder, und nichts zu leben. Was soll ich anfangen?« – »Weißt Du was, Du wirst nicht mehr so lange leben, verkauf' mir die Mühle auf dreihundert Jahre.« – »Giebst Du mir baares Geld?« – »Hätt' ich kein baares Geld, so würd' ich Dir die Mühle nicht abkaufen wollen. Was verlangst Du für die Mühle auf die dreihundert Jahre?« – »Um weder mich noch Dich zu betrügen, so viel, als Du dreimal tragen kannst.« – »Du bist recht dumm! Hättest Du gesagt, so viel als in unserer Gewalt ist, hättest Du's Alles haben können.« – »Meinst Du, ich hätt' es nicht gesagt, wenn ich's gewußt hätte?« – »Geschehn ist geschehn. Willst Du das Geld heut oder morgen?« – »Freilich heut. Morgen muß ich zahlen, was ich schuldig bin.« Der Teufel brachte ihm dreimal Geld, der Müller nahm's und sagte: »Aber ich geh' Dir nicht eher von hier, als bis ich sterbe.« – »Ich jag' Dich nicht fort; doch ist es schlimm, daß wir keine Zeugen haben.« – »Wir brauchen keine Zeugen. Mach' ich mein Testament, so setz' ich hinein, daß meine Kinder von hier fort sollen.« So geschah's. Das Jahr daraus starb der Müller, und setzte in das Testament, daß die Kinder aus der Mühle fort sollten. Der Teufel wohnte zweihundert Jahre dort.

Nach zweihundert Jahren zog ein alter Husar aus dem Kriege heim, dem ein Bein abgeschossen war. Er hatte eins von Holz. Er kam zum dolno-becwaner Vogt, und bat: »Seid so gut, gebt mir etwas zu essen.« – »Was wollt Ihr, Herr Husar?« fragte der Vogt. – »Ihr seht ja, daß ich ein lahmer Soldat bin. Was Ihr mir gebt, mit dem bin ich zufrieden.« – »Mit Freuden will ich Euch aufwarten. Aber sagt, was giebt's Neues in der Welt?« – »Krieg in allen Ecken, wie Euch bekannt. Eher werdet Ihr etwas Neues wissen.« – »Was sollt' ich Neues bei uns wissen, außer daß wir da eine Mühle haben, in der der Teufel schon zweihundert Jahre wohnt, und noch hundert Jahre wohnen soll.« – »Mein' Seel', einen so alten Teufel möcht' ich gern sehen! Herr Vogt, gebt mir einen Boten, Brot und Licht, daß ich mir die Mühle anschauen kann!« Der Bote kam, trug für den Husaren Speise, Trank und Licht, und so gingen sie. Als sie blos noch eine Viertelstunde von der Mühle waren, sagte der Bote: »Herr Husar, dort ist die Mühle!« und wies mit dem Finger hin. »Was brauch' ich Dein Fingerzeigen!« versetzte der Husar. »Mußt mit mir hinein.« – »Und wenn Ihr mich auf der Stelle todtschlagen wolltet, geh' ich doch nicht mit Euch.« Was sollte der Husar thun, da er sah, daß der Mensch Furcht hatte? Er nahm seine Sachen, und ging allein. Als der Husar in die Mühle kam, war Niemand zu Hause; er nahm seine Sachen, legte sie auf den Tisch, und zündete Licht an. Da saß er nun allein bis zehn Uhr. Um die zehnte Stunde klopfte Jemand an die Thür. Der Husar am Tische rief: »Bist Du der Teufel, so komm' herein in die Stube. Du weißt, daß ich der lahme Husar bin.« Der Teufel trat ein. »Du bist also der Teufel?« sagte der Husar. »Man erzählt sich, daß Du ein erzschlechter Kerl bist. Hast ja spanische Kleider an.« Der Teufel war in grünen Kleidern gekommen. Er antwortete: »Freilich, Herr Husar! Es sind heut vierzehn Tage, daß ich für dies Gewand hundert Gulden in Silber gezahlt.« – »Warum gehst Du denn aus der Mühle?« – »Kann ich in der Mühle sein, wenn ich anderswo zu thun habe, und ohnehin keine Burschen zum Mahlen da sind? Aber ich bleibe nur noch hundert Jahre allein, nach hundert Jahren werden wir Vier sein.« – »Brauchst nicht so lang' auf Gesellschaft zu warten, kannst Dich gleich fortpacken.« – »Oho! Was Du da für Wesen machst!« »Ich mein', daß ich mich nicht vor Dir fürchte. Hab' mir schon längst gewünscht, solch einen Teufel zu sehen, wie Du bist.« – »Willst Du keinen Contract mit mir schließen?« – »Was Contract! Ich sag' Dir: pack' Dich, oder Dir soll's schlimm ergehen!« Der Husar war im Glauben fest, und verstand den Teufel zu bannen. Als der Teufel nicht ging, faßt' er ihn, trug ihn zur Mühle, und mahlte ihn dort, bis er ihm ein gut Dritttheil von seinem Steiß abgemahlt. »O laß mich, Husar!« schrie der Teufel vor Schmerzen. »Mein' Lebtag' will ich nicht mehr in die Mühle kommen!« Da der Teufel sich so verschwor, ließ der Husar ihn laufen.

Des Teufels Weg bei seiner Flucht führte über den Radhost. Eben trug ein Schmied einen Blasbalg über den Berg, und hatte einen Schuster beredet, ihm tragen zu helfen. Es begann zu regnen. »Was zu thun?« sagte der Schmied. »Eh' daß wir naß werden, ziehen wir lieber den Blasbalg aus einander und kriechen hinein!« Und sie krochen Beide in den Blasbalg, und ließen nur die Köpfe draußen, um nicht zu ersticken. Da kam der Teufel gerannt, dem noch sein Steiß brannte, und dessen Kopf von den ausgestandenen Schmerzen noch ganz verwirrt war, sah sie und sprach: »Bin schon ein so alter Teufel, dreimal so alt als die Stadt und die Berge hier, doch hab ich noch niemals ein Thier gesehen, das zwei Köpfe gehabt hätte, und nur einen Bauch. Muß gleich zu meiner Alten, und sie fragen, ob sie je so was geschaut!« Und er rannte weiter. Der Schmied aber und der Schuster warteten nicht, bis er wiederkäme, sondern krochen heraus, drückten den Blasbalg zusammen, und liefen, was sie konnten. Sie hatten, ungleich dem Husaren, Furcht, der Teufel könnte sie hohlen.

 

2. Jura

Es war ein sehr reicher Bauer, der hatte einen einzigen Sohn. An dem Sohne hatte er seine Freude. Er sagte zu seinem Weibe: »Weib, warte mir das Kind gut, daß es stark werde, und uns einst zur Hand sei!« Als das Söhnlein sieben Jahre alt war, hatt' es immer nur gegessen. Kaum war Jura vierzehn Jahre alt geworden, schickten ihn die Aeltern fort, daß er sich einen Dienst suche; sie konnten seinen Appetit nicht mehr stillen.

Jura kam zu einem Bauer. Es war nur die Bäuerin zu Hause. Er bat um einen Dienst. Die Bäuerin sagte, als sie den stämmigen Burschen sah: »Wart' ein wenig, bis mein Mann kommt; er nimmt Dich sicher auf.« Sie gab ihm einen Laib Brot: er verspeiste ihn sogleich. Da machte die Bäuerin große Augen. Als der Bauer kam, gefiel ihm der Bursche; er sei tüchtig, er werde ihm gute Dienste thun. »Wie viel Lohn verlangst Du für ein Jahr?« fragte ihn der Bauer. »Nichts, gar nichts,« entgegnete Jura, »außer was ich esse, und an Kleidern zerreiße.« Sobald die andern Bauern dies hörten, kamen sie um zu sehen, was das für ein Bursche sei, der für kein Geld dienen wolle. Jura sagte wieder zu dem Bauer: »Ich verlange keinen Lohn; aber bevor ich fortgehe, geb' ich Euch drei Kopfstücke.« Darein wollte der Bauer nicht willigen; Geld ja, drei Kopfstücke – nein. »Ei so mach's,« redeten ihm die Nachbarn zu; »drei Kopfstücke wirst Du doch aushalten!« Der Bauer ließ sich bereden und Jura blieb bei ihm.

Jura aß der Bäuerin zu viel; zwei Metzen Kartoffeln und Brot aus einer Metze Mehl blos zum Frühstück waren sein gewöhnlicher Bedarf. Aber der Bauer wollte ihn nicht gehen heißen; er fürchtete sich vor den drei Kopfstücken. Die Bäuerin stiftete den Bauer an, er möchte ihn in die Teufelsmühle schicken, damit sie seiner auf gute Art los würden. Der Bauer befahl also, Jura solle Korn auf den Wagen laden, und in die Mühle fahren, wo Niemand mahlte, als lauter böse Geister. Jura fuhr. Als er in die Mühle kam, wollte er das Getreide abladen; allein die Geister sagten: »Laß nur, die Gesellen werden es schon abladen. Du komm, und zeig' an dieser großen Truhe mit Gelde, wie stark Du bist. Hebst Du sie auf, so ist sie Dein.« Jura sagte: »Erst heb' einer von Euch, dann will ich heben.« Ein Geist hob sie eine Viertelelle hoch, Jura eine halbe. »Daran ist's nicht genug,« sagten die Geister; »Du mußt einen Mühlstein in die Höhe werfen.« Jura erwiederte: »Erst werf einer von Euch, damit ich sehe, wie stark Ihr seid!« Ein Geist warf, und der Mühlstein blieb fünf Minuten in der Luft; da warf Jura, und sie mußten eine halbe Stunde warten, eh' der Mühlstein herunter fiel. Nachdem Jura diesen Wurf gethan, war das Getreide gemahlen, und auf den Wagen geladen, auch die Truhe sammt dem Gelde. Jura fuhr nach Hause. Kaum sah ihn die Bäuerin von weitem, so rief sie: »Sei uns der Himmel gnädig, auch die Teufel konnten nicht mit ihm fertig werden!« Als Jura mit seiner Ladung nach Hause kam, sagte er zu dem Bauer: »Herr, da habt Ihr Euer Mehl, und Geld dazu auf das Uebrige!« Das Geld und das Mehl waren der Bäuerin wohl recht; aber Jura aß ihr zu viel. Der Bauer mußte ihn wieder in die Mühle schicken, damit ihn vielleicht die Teufel dort behielten. Dies Mal führte Jura bei den Geistern ein noch merkwürdigeres Stückchen aus. Er warf einen Mühlstein mehrmals in die Höhe, und das eine Mal warf er ihn mit solcher Gewalt, daß sie zwei Stunden warteten, und der Stein nicht herunter fiel. Jura lud wieder unversehrt sein Mehl auf und fuhr nach Hause. Als er nach Hause kam, lag der Mühlstein vor dem Pferdestall; so weit hatte er ihn geschleudert. Jura stieß ihn mit dem Fuße weg, indem er sagte: »Da wirst du gut liegen, wir haben ohnehin viel Koth im Hofe.« Der Bauer wäre seiner gern los geworden, denn die Bäuerin ließ ihm keine Ruhe; allein er fürchtete sich vor den drei Kopfstücken. Der Bauer schickte die Tochter bitten. Die Tochter bat: »Jura, schenk' meinem Vater die drei Kopfstücke!« – »Kann nicht sein,« entgegnete Jura. »Eins will ich ihm schenken, zwei muß er aushalten.« Die Tochter bat noch schöner: »Lieber Jura, hast Du ihm schon eins geschenkt, schenk' ihm auch noch die zwei!«– »Nun, Deinetwegen,« sagte Jura; »weil Du seine Tochter bist, so thu' ich's Dir zu Gefallen.« Niemand war froher als der Bauer. Er wollte Jura kleines Geld geben, so viel er begehrte; der aber sprach: »Laßt mir von dem Gelde eine Flinte machen, vier Centner schwer, und eine Tasche, acht Centner schwer! Bis das fertig ist, will ich gehen!« Der Bauer säumte nicht, ihm Alles machen zu lassen, und Jura nahm's, und ging seiner Wege in die Welt.

Er ging und kam in einen großen Wald, und in dem Walde stand ein wüstes Schloß, worin pechschwarze Nacht war. Jura machte Licht, und fand drei Höllengeister, die drei Prinzessinnen bewachten. Er fragte den ersten Geist: »Giebst Du mir Deine Prinzessinnen oder nicht?« – »Geb' sie nicht,« versetzte trotzig der Geist. Da packte Jura den Geist und schleuderte ihn auf den Fußboden, und zwar so gewaltig, daß er ein Loch durch den Fußboden schlug, und der Geist drei Stockwerke tief bis in den Keller fiel. Eine Prinzessin hatte Jura nun befreit, und bekam einen goldnen Stern von ihr. Er ging zu dem zweiten Geist, und fragte ihn: »Giebst Du mir Deine Prinzessin oder nicht?« Da der zweite Geist das Loos des ersten gesehen, war er gewitzigt, und lieferte die Prinzessin ohne Widerstand aus. Die zweite Prinzessin gab Jura einen goldnen Mond. Nun ging Jura auf den dritten Höllengeist los; der aber weigerte sich durchaus seine Prinzessin herzugeben. Da ward der gute Jura grimmig, und packte den Geist, und rüttelte und schüttelte ihn, daß er in lauter Staub zerflog, und kein Knöchlein von ihm übrig blieb. Die dritte Prinzessin gab Jura eine goldne Sonne. Als alle drei Prinzessinnen befreit waren, wollte Jura mit ihnen gehen, und sie zu ihrem königlichen Vater führen; allein der zweite Geist verursachte ihm fortwährend Finsterniß. Doch Jura zauste ihn, daß er endlich aufhörte; auch begannen Sterne, Mond und Sonne den Prinzessinnen so zu leuchten, als ob helle Nacht und heller Tag zugleich gewesen wären. Da der Höllengeist sah, daß sein Spiel fruchtlos sei, begann er Jura zu bitten: »Laß mich nicht allein hier, laß mich mit Dir gehen!« Jura wies ihn ab. Allein der Geist flehte: »Ich mag nicht allein hier bleiben, ich muß mit Dir gehen!« »Nun,« sprach Jura, »so komm denn, wenn Du Dich hier in der Einsamkeit fürchtest! Aber weil Du ein gar so erbärmlicher Kerl bist, so kriech' in die Flinte da!«

Schnell verbreitete sich im ganzen Königreiche die Nachricht, daß die drei Prinzessinnen befreit seien. Ueberall wurde Jura mit ihnen auf das festlichste empfangen. Vor der Hauptstadt kam ihm der König selbst in einem achtspännigen Wagen entgegengefahren. Als Jura in den Wagen stieg, brach der Wagen von Jura's Gewicht zusammen. Sie mußten einen eisernen Wagen herbeischaffen, damit Jura in das Schloß fahren könnte. Im Schloßhofe wünschte der König einen Schuß aus Jura's Flinte zu hören. »Haltet Euch Ohren und Nase zu, und steht fest auf Euren Füßen!« rieth Jura, »sonst könnt' Euch leicht was Unangenehmes widerfahren.« Jura schoß; da zersplitterten alle Fenster in der Stadt in tausend Scherben, die Erde begann zu zittern, wie bei einem Erdbeben, der Kirchthurm stürzte ein, und die Prinzessinnen sahen den Höllengeist aus der Flinte fliegen, und zeigten ihn auch ihrem Vater. Nun ward getafelt, geschmaust und gezecht, wobei Jura's guter Appetit nicht weniger Bewunderung erregte, als früher sein Meisterschuß; ja der König bot ihm sogar eine der Prinzessinnen zur Gemahlin an, voll Begier, einen so gewaltigen Schwiegersohn zu bekommen. So ward Jura König, und was er dann alles vollbrachte, davon sei lieber geschwiegen, weil es zu unglaublich ist, es folglich Niemand für baare Münze annehmen würde. Ein Glück war es, daß Jura bei seiner unglaublichen Kraft auch Verstand und ein gutes Herz besaß, so daß er als ein glorreicher König regierte.


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