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Hänslein mit dem Strauße.

Es war einmal ein König, der hatte eine Tochter, die gar schön war. Er lud alle Prinzen aus der Nachbarschaft ein. sie sollten kommen, und sie sich ansehen; vielleicht daß sie einem gefiele. Die Prinzen kamen überein: wen sie selbst wählen würde, dem solle sie gehören.

Einer von diesen Prinzen ließ sich sogleich walachische Kleider machen: einen breiten Hut, kurze Hosen bis unter die Knie, eine dunkelgraue Halena, Halena. Eine Art Kittel oder Rock aus grobem Zeug. grobe Strümpfe, Bundschuhe und eine grüne Weste ohne Kragen. So ausgestattet, mit einem Knittel dazu, begab er sich auf den Weg, und nahm vier Laibe Brot mit sich. Unterwegs begegnete er einem Bettler, und der bat ihn um ein Stück Brot; er schenkte ihm einen Laib. Und indem er weiter ging, begegnete er einem zweiten Bettler, der bat ihn wieder um ein Stück Brot; er schenkte ihm den zweiten Laib. Und indem er weiterging, begegnete er einem dritten Bettler; der bat ihn gleichfalls um ein Stück Brot; er schenkte ihm den dritten Laib. Und indem er weiterging begegnete er einem vierten Bettler; der bat ihn ebenfalls um ein Stück Brot, und er schenkte ihm den vierten Laib. Der letzte Bettler gab ihm eine Peitsche, einen Stab, eine Hirtenpfeife und eine Hirtentasche, und sprach: »Wen Du mit der Peitsche hauen wirst, der bleibt todt; steckst Du den Stab in die Erde, so werden Deine Schafe von selbst um ihn herum weiden; blasest Du auf der Pfeife, so werden Deine Schafe hüpfen, wie Du willst; und thust Du in die Tasche Käse, so wirst Du ihn nicht aufessen!« Der Prinz ging in das Schloß, wo der König mit der schönen Prinzessin wohnte, und bat um Dienst. Sie nahmen ihn als Hirten auf, und hießen ihn Hans. Als er den Dienst hatte, trieb er seine Schafe aus, und weidete sie. Es kam ein Jäger zu ihm. Er gab ihm recht viel Käse aus seiner Hirtentasche, und bat ihn, daß er für ihn die Schafe hüthe; er wollte irgendwohin sehen, wo Vögel zu finden seien. Der Jäger hüthete die Schafe für ihn, und Hans ging von dannen. Er gewahrte im Walde ein großes Haus, und in dem Hause stand ein Riese, und kochte sich was in einer Schüssel. Als der Riese ihn erblickte, erfaßte er eine große eiserne Keule, um ihn zu tödten und rief: »Du Wurm, was willst Du hier?« Hans säumte nicht, hieb ihn mit der Peitsche, und schlug ihn todt. Dann ging er fort, seinen Schafen nach. Am zweiten Tage begab er sich in den Wald, und sah dort einen zweiten Riesen; auch dieser kochte was in einer Schüssel, und sobald er ihn erblickte, rief er: »Kommst Du wieder, Du Wurm, der Du meinen Bruder erschlagen?« Und schon stürzte er auf ihn los mit seiner eisernen Keule. Hans säumte nicht, hieb ihn wieder mit seiner Peitsche, und schlug ihn todt. Daun machte er sich auf den Weg, seinen Schafen nach. Am dritten Tage ging er hin, und sah Niemanden. Er ging, sich das Haus und die Stube zu besehen, was darin wäre. Er sah dort einen kleinwinzigen Schrein, und als er drauf schlug, sprangen sogleich zwei Männer hervor: »Was befiehlt der Herr des Hauses?« Hans antwortete: »Ich will, bevor ich aus dem Hause gehe, sehen, was es da giebt!« Die zwei Männer führten ihn in den Garten. Dort blühten wunderschöne Blumen. Er pflückte einige Blumen, und band einen Strauß. Dann kehrte er zu seinen Schafen zurück, und trieb sie heim. Als er sie durch die Stadt trieb, da duftete der Strauß gar sehr. Er begann auf seiner Pfeife zu blasen, und alle Schafe begannen paarweise zu hüpfen. Die Prinzessin sah's vom Fenster und lachte, bis ihr der Strauß zuduftete, und in die Augen fiel. Gleich sandte sie ihre Dienerinnen, daß ihr Hans den Strauß schickte. Er aber antwortete ihnen: »Wer solch einen Strauß haben will, der muß selbst kommen und muß sagen: »Hänslein, gieb mir das Sträußlein!« Die Prinzessin kam, und sagte zu ihm: »Hänslein, gieb mir das Sträußlein!« Er antwortete ihr: »Wer den Strauß haben will, muß sagen: Hänslein, ich bitte dich, gieb mir das Sträußlein!« Sie sagte sogleich: »Hänslein, ich bitte dich, gieb mir das Sträußlein!« Und er gab ihr den Strauß. Am zweiten Tage ging er wieder in das Haus und in den Garten, und band einen noch schöneren Strauß, der noch einmal so angenehm duftete. Als er des Abends die Schafe heimtrieb, stand die Prinzessin am Fenster, und sah hinaus; der Duft des Straußes erfüllte die ganze Stadt. Hurtig lief die Prinzessin zu ihm und sprach: »Hänslein ich bitte Dich, gieb mir das Sträußlein!« Aber er antwortete ihr: »Wer den Strauß haben will, muß sagen: »Liebes Hänslein, ich bitte Dich schön, gieb mir das Sträußlein!« Die Prinzessin sagte so süß, als sie nur konnte: »Liebes Hänslein, ich bitte Dich schön, gieb mir das Sträußlein!« Er gab ihr den Strauß, und sie stellte ihn vor das Fenster. Von dem starken Dufte war die ganze Stadt erfüllt, so daß die Leute kamen, den Strauß anzustaunen. Am dritten Tage band Hans einen dreimal schöneren Strauß, und den gab er der Prinzessin, ohne daß sie darum bitten mußte. Am vierten Tage ging er wieder in den Wald und in das Haus, nahm dort einen Haufen Ducaten, und schenkte sie dem Jäger, der ihm die Schafe gehüthet und sprach: »Ich hab' unter einer Tanne die Blechstücke da gefunden. Hast Du Kinder zu Hause, so kannst Du sie ihnen zum Spielen geben!« Der Jäger eilte nach Hause, und er, und sein Weib verwahrten die Blechstücke gut.

Als Hans mit seinen Schafen heimgelangte, erzählten sich die Leute, in einem Monat würden die Prinzen sich versammeln, um sich die Königstochter anzusehen; die Prinzessin habe ein Tuch und einen Ring, und dieses Tuch und diesen Ring werde sie dem Prinzen reichen, der ihr am besten gefalle. Hans weidete indeß seine Schafe den ganzen Monat sorgfältig, und nach einem Monat versammelten sich Prinzen aus allen Enden der Welt. Schnell steckte er seinen Stab in die Erde, damit die Schafe um ihn her weideten, säumte nicht, ging in das Haus im Walde, und schlug auf den Schrein. Gleich sprangen die zwei Männer hervor:« Was befiehlt der Herr des Hauses?« Hans antwortete: »Ich will weiße Kleider, wie sie mir anstehen, und ein weißes Roß, mit Silber beschlagen und gezäumt.« Sogleich hatte er alles, ritt in das Schloß zur Prinzessin, und blieb der Hinterste. Alle Prinzen ritten in größter Pracht und Herrlichkeit um sie herum; allein sie reichte das Tuch Niemanden als Hansen. Als alles vorüber war, machte sich Hans auf seinem weißen Roß auf den Weg, und ritt fort. Des Abends trieb er seine Schafe heim; die Prinzessin kam zu ihm und sprach: »Hans, das warst Du!« Doch er leugnete daß er es war, und meinte, wo er die Kleider solle hergenommen haben! Die Prinzessin sagte, sie wolle es jetzt dabei bewenden lassen; allein in einem Monat, wenn die Prinzen wieder zusammenkämen, wolle sie's schon erfahren.

In einem Monat versammelten sich die Prinzen wieder. Hans ging in das Haus im Walde, schlug auf den Schrein, und die zwei Männer sprangen gleich hervor: »Was befiehlt der Herr des Hauses?« Hans antwortete: »Ich will rothe Kleider, wie sie mir anstehen, und ein rothes Roß, mit Gold beschlagen und gezäumt:« Sogleich hatte er alles, ritt zur Prinzessin in's Schloß, und blieb wieder der Hinterste. Alle Prinzen ritten in noch größerem Prunk um sie herum; sie aber reichte keinem andern ihr Tuch, als Hansen. Als alles vorüber war, machte sich Hans auf seinem rothen Roß wieder auf den Weg und ritt fort. Der König, der Prinzessin Vater, gebot zwar, sie sollten ihn fangen; allein sie fingen ihn in dem Augenblicke doch nicht. Als Hans des Abends seine Schafe heimtrieb, kam die Prinzessin zu ihm, und sprach: »Haus, das warst Du!« Er aber leugnete wieder, und stellte sich böse, daß sie denke, er sei's gewesen, und sagte: »Was denkt Ihr von mir? Ich war nicht einmal in der Nähe, und schon zum zweiten Mal thut Ihr mir Unrecht.« Die Prinzessin sagte: »Im dritten Monat, bis die Prinzen zusammenkommen, erfahren wir's gewiß; sie werden Dich schon erkennen.«

Im dritten Monat versammelten sich die Prinzen wieder. Hans ging in das Haus im Walde, schlug auf den Schrein, und gleich sprangen die zwei Männer hervor: »Was will der Herr des Hauses?« Hans antwortete: »Ich will schwarze Kleider, wie sie mir anstehen, und ein schwarzes Roß, mit lauter Diamanten beschlagen und gezäumt!« Sogleich hatte er's, und ritt in das Schloß zur Prinzessin. Als wieder Alle in dem möglichst größten Putze und Glänze um die Prinzessin herumritten, reichte sie keinem von ihnen ihr Tuch und ihren Ring, als Hansen. Alle Prinzen waren schon bereit, ihn zu fangen; doch er wandte sich rasch, und sie konnten ihn nicht fangen. Ein Prinz jedoch verwundete ihn mit seinem Säbel im Schenkel. Hans gab im Walde Roß und Kleider ab. wie schon zweimal, ging seinen Schafen nach, wo er den Stab in die Erde gesteckt, und die Schafe weideten ruhig. Da legte er sich in die Sonne, verband sich den verwundeten Fuß mit dem Tuche der Prinzessin und schlummerte ein. Die Prinzessin kam ihm auf das Feld nach, und sah ihn schlafen. Sogleich erkannte sie das Tuch, womit er seine Wunde am Fuße verbunden hatte. Da weckte sie ihn und sprach: »Schönen Gruß, Hänslein! Du bist's!« Hans gestand ihr alles, und sagte ihr, wer er sei, und daß die Prinzen übereingekommen, wen sie selbst wählen würde, dem solle sie gehören, und daß er sich deshalb als Walach verkleidet, und bei ihnen Dienst gesucht. Die Prinzessin führte ihn mit großer Freude flugs zu ihrem Vater, dem König, und in kurzer Zeit war die Hochzeit. Die andern Prinzen bedauerten sehr, daß sie nicht ihnen zu Theil geworden.


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