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Die Taube mit den drei goldnen Federn.

Ein Kaufmann hinterließ bei seinem Tode einen Sohn, der neunzehn Jahre zählte. Dieser sagte zu seiner Mutter: »Lieb Mütterchen, ich will in die Welt hinaus, mein Glück zu versuchen.« Die Mutter sprach: »So geh', mein lieber Sohn! Aber bleib, nicht zu lange weg, denn ich werde alt, und möchte gern, daß Du mich in meinem Alter unterstütztest!«

Der Sohn ging also in die Welt, und ging, bis er in einen großen Wald gelangte. Zwei Tage zog er durch den Wald, und noch immer sah er kein Ende. Am dritten Tage kam er zu einem Gebäude, das von außen einem Jägerhause glich. Er trat in die Stube; doch wie erschrak er, als er darin keinen Waidmann, sondern einen Kerl gewahrte, der inmitten der Stube auf einem Stuhle saß, und ein fürchterliches Aussehn hatte. Sein Haupt war borstig wie ein Sprengwedel, sein Bauch eimerdick, und seine Nase hing ihm bis auf den Nabel herab; es war ein Zauberer. Der Jüngling zitterte an Händen und Füßen. »Fürchte nichts, mein Sohn!« sprach der Zauberer, »Du gefällst mir, und ich mein' es gut mit Dir. Du bist hinausgezogen in die Welt, Dein Glück zu versuchen. Wohlan, Du kannst durch mich Dein Glück finden, wenn Du ein Jahr treu und redlich bei mir dienst. Willst Du in meinen Dienst treten?« – Der Jüngling hatte nicht den Muth Nein zu sagen. Er diente bei dem Zauberer ein volles Jahr. Dabei erging es ihm gut, und sein Herr that ihm durchaus nichts zu Leide.

Als das Jahr vorüber war, sagte der Zauberer: »Jetzt will ich Dir Deinen Lohn geben! Er führte ihn in einen unermeßlich großen Keller, der mit lauter Goldstücken angefüllt war, und sprach: »Nimm Dir von diesen Schätzen, soviel Du vermagst. Was Du erträgst, soll Alles Dir gehören, und damit Du recht viel wegtragen könnest, sollst Du an keinem Goldstück schwerer tragen, als an einer Feder!«– Der Jüngling füllte sich einen ganzen Sack und dazu auch alle Taschen voll. Der Zauberer hatte in der Nähe seiner Wohnung auch einen Teich, worin sich drei Tauben zu baden pflegten, von denen jede drei goldne Federn am Leibe trug. Er führte nun den Jüngling zu dem Teiche, fing eine der Tauben, die sich eben badeten, gab sie ihm und sprach: »Nimm diese Taube, Du hast ein kostbares Geschenk an ihr. S' ist keine Taube, s' ist eine Prinzessin. Weil weder sie, noch ihre zwei Schwestern mich zum Gemahle haben wollten, obgleich ich ihren Feind in Fesseln schlug, so hab' ich sie alle Drei verwünscht, sammt ihren zwei Brüdern. Rupfst Du ihr die drei goldnen Federn aus, die sie am Leibe trägt, so wird der Zauber gelöst, und Du kannst glücklich sein mit ihr. Doch verwahre die drei Federn wohl, und entdecke Niemandem, daß und wo Du sie verwahrst! Jetzt geh' und denk' an mich!«

Wer war froher, als der Jüngling! Er ging mit seinem federleichten Goldsack und der Taube, und da er sich indeß in dem Walde zurechtfinden gelernt, gelangte er bald zu seinem Mütterchen. Dort baute er sich ein prächtiges Haus. In der Mauer ließ er eine geheime Stelle anbringen, um dort die drei goldnen Federn zu verwahren. Dann tupfte er der Taube die drei Federn aus – es stand die liebreizendste Prinzessin vor ihm, welcher die Seelengüte aus den Augen leuchtete, und mit der er sich sogleich vermählte. Jetzt waren Alle glücklich: der Jüngling, die Prinzessin und die Mutter. Die Federn nahm er. und verwahrte sie an der geheimen Stelle in der Mauer, und sagte Niemandem etwas davon, nicht einmal seiner Braut, nur – seinem Mütterchen.

Einst war der Jüngling ausgelitten. Die Mutter saß daheim bei ihrer Schwiegertochter, und konnte sich an ihrer Schönheit gar nicht satt sehen, auf die sie ganz eitel geworden. »Wie Du doch schön bist, mein Töchterchen!« sagte sie, »Aber mich däucht, wenn Du Dich mit einer der drei goldnen Federn schmücktest, wärst Du noch schöner. Zwar hat mir mein Sohn verboten, Dir etwas von dem Geheimniß zu entdecken; doch was kann eine Feder schaden, sie wird Dich nur noch schöner machen.« Auf diese Worte wollte die Prinzessin ihre gute Schwiegermutter zurückhalten, allein die ließ sich nicht zurückhalten; sie brachte eine der drei goldnen Federn, die Prinzessin mußte sie anstecken, und – war noch schöner als zuvor. »Siehst Du, hab' ich es nicht gesagt?« rief voll Freude die alte Mutter. »Ich will noch die zwei andern Federn holen, Du mußt sie gleichfalls anstecken. Eh' Dein Mann kommt, legen wir sie alle wieder an ihren Ort.« – Die Prinzessin sträubte sich, als hätte sie ein Vorgefühl ihres Schicksals; allein die Mutter ließ keine Ruhe, sie brachte die zwei andern Federn, die Prinzessin mußte sie anstecken, und – war augenblicklich wieder eine Taube, Als Taube flog sie zu dem offnen Fenster hinaus, und rief: »Ich dank' Euch schlecht, lieb Mütterchen, daß Ihr mir die drei goldnen Federn gabt. Jetzt will ich nur noch meinen Gemahl erwarten, um Abschied von ihm zu nehmen.« Dann setzte sie sich traurig auf das Dach, und wartete.

Die Alte stand wie versteinert, und stand noch immer, als ihr Sohn in das Gemach trat. »Mit Gott, mein Gemahl!« rief die Taube vom Dache. »Ich dank' Dir herzlich für Deine treue Liebe, aber sehen werden wir uns nimmermehr!« Und hierauf flog sie davon. – »O Mutter, was habt Ihr gethan!« wehklagte der Jüngling. »Ihr habt mein Geheimniß verrathen, und mich um mein liebes, liebes Weib gebracht! Jetzt lebt wohl! Behaltet alle meine Schätze, mit ihnen seid Ihr hinlänglich geborgen bis zum Grabe! Ich geh', und suche mein verlornes Weib!«

Er stürzte fort. Doch wie er auch suchte, und Berg und Thal, Wald und Feld durchkreuzte, er fand sein Weibchen, das Täubchen, nicht. Da wüßt' er sich keinen andern Rath mehr, als zu seinem gewesenen Herrn, dem mächtigen Zauberer mit der langen Nase, zu gehen.

»Kommst Du wieder?« sprach Dieser, als er den Trostlosen in die Stube treten sah. »Ich weiß Alles; Du hast meinen Rath schlecht befolgt! Doch weil Du bei alledem ein zärtlicher Sohn warst, und das Geheimniß nur Deiner Mutter entdecktest, so will ich Dir diesmal verzeihen. Dein Weib ist bei ihren Schwestern, hundert Meilen von hier in dem Palast mit goldnem Dache; dorthin hab' ich sie gebannt. Aber nur einige Stunden des Tages noch hat sie menschliche Gestalt, in den übrigen ist sie eine Taube. Hast Du Muth, die weite Fahrt zu wagen, so will ich Dich hinschaffen lassen.«

Des Jünglings Sehnsucht war zu groß, als daß er nicht freudig eingewilligt hätte. Da nahm der Zauberer eine Pfeife, und pfiff auf ihr. Im Augenblick wimmelte es in der Stube von lauter kleinwinzigen dienstbaren Geistern. Der Zauberer winkte einem der hintersten im Winkel. »Setz' Dich auf Diesen da!« sprach er zu dem Jüngling. »Er wird Dich in den Palast mit goldnem Dache bringen!« – Und das Kerlchen trat näher, hockte nieder, und so klein es war, nahm es den Jüngling auf den Rücken. »Wie schnell willst Du fliegen?« fragte er. »Etwa wie der Adler?« – »Noch schnell«, schneller!« antwortete der Jüngling. – »Also wie der Pfeil, der den Adler ereilt?« fragte das Kerlchen. – »Noch schneller, schneller!« antwortete der Jüngling. – »Also wie der Sturmwind, wenn er über die Länder und Meere braust?« fragte das Kerlchen. – »So schnell will ich fliegen!« versetzte der Jüngling. Und die Decke der Stube öffnete sich, und das Kerlchen mit dem Jüngling erhob sich. Kaum hatte der Zauberer noch Zeit dem Jüngling nachzurufen: »Aber hüte Dich, wenn Du in den Palast kommst, dort den Feind zu befreien, der Dein Weib verfolgt! Befreist Du ihn trotz den Bitten Deines Weibes, dann hilf Dir selbst, dann will und kann ich Dir nicht mehr helfen!« – Das Kerlchen flog so schnell, daß der Jüngling die letzten Worte kaum vernahm.

Eh' sich's der Jüngling versah, waren die hundert Meilen zurückgelegt, das Kerlchen setzte ihn im Garten des ersehnten Palastes ab, und verschwand. Als er um sich blickte, sah er in einer Laube seine holde Gemahlin sitzen, wie sie Gold flocht, zwei Tauben, ihre Schwestern, neben sich. Er stürzte auf sie zu, und sie, als sie ihn gewahrte, flog in seine Arme. »So sehen wir uns dennoch wieder!« jauchzten Beide freudetrunken zu gleicher Zeit. »Aber nur einige Stunden des Tages noch hab' ich menschliche Gestalt, in den übrigen bin ich eine Taube, wie meine Schwestern hier,« sagte die Prinzessin.– »Wenn ich Dich nur wieder besitze, mehr verlang' ich nicht, mein liebes, theures Weib!« entgegnete der Jüngling. – Sie waren höchst glücklich in dem Palaste, und kümmerte» sich um die übrige Welt nicht. So verstrichen mehrere Wochen.

Einst nahm die Prinzessin die Schlüssel, führte ihren Gemahl in den Sälen und Gemächern des Palastes umher, und zeigte ihm Alles, was es da zu sehen gab. Nur ein Gemach wollte sie nicht öffnen, und bat ihren Gemahl inbrünstig, daß auch er es niemals öffne; sonst drohe ihnen Verderben. Als sie dann wieder zur Taube geworden, und mit ihren Schwestern ausgeflogen war, um im rothen Meere zu baden, dachte bei sich der Jüngling: »Was mag wohl in dem Gemache sein?« Er ging, suchte die Schlüssel, und öffnete es. In dem Gemache sah er einen Drachen mit drei Köpfen, und der war so an der Decke angespießt, daß jeder Kopf an einem Haken hing. Unter dem Drachen standen drei Gläser mit Wasser. Der Jüngling erschrak und wollte zurück; er gedachte der Bitten seines Weibes, es schien ihm, der Zauberer habe ihm beim Scheiden irgend eine Warnung nachgerufen. Aber der Drache bat ihn schmeichelnd: »Fürchte nichts, und reich' mir ein Glas mit Wasser! Dafür soll Dir Dein Leben einmal geschenkt sein!« – Und der Jüngling ließ sich bereden, und reichte ihm ein Glas. Als es der Drache geleert, fiel ihm sogleich ein Kopf vom Haken, und er bat weiter: »Reich' mir das zweite Glas mit Wasser! Es soll Dir Dein Leben noch einmal geschenkt sein!« – Und der Jüngling ließ sich bereden, und reichte ihm das zweite Glas. Als es der Drache geleert, fiel ihm der zweite Kopf vom Haken. Da sprach der Drache mit furchtbarer Stimme: »Jetzt mußt Du mir das dritte Glas reichen, ob Du wollest oder nicht!« – Von Angst erfüllt, reicht' es ihm der Jüngling. Der Drache leert' es; auch sein dritter Kopf fiel vom Haken, und jetzt war der Drache frisch und gesund, denn das Wasser war das Wasser des Lebens. Als sich der Drache gesund fühlte, rafft' er sich zusammen, und stürmte durch das verschlossene Fenster hinaus, das in tausend Scheiben zersplitterte. Noch stand der Jüngling wie gelähmt, als schon die zwei Schwestern geflogen kamen, und riefen: »Unglücklicher, was hast Du gethan! Du hast den schlimmsten Feind befreit, der Dein Weib verfolgt. Der Drache hat Dein Täubchen gehascht, und in sein feines Schloß geschleppt wo er es quälen wird bis zum Tage des Gerichtes!« – »O ich Elender!,« rief der Jüngling, und brach in Thränen aus. »Meine Mutter schalt ich, daß sie mein Geheimniß verrieth, und ich that aus sträflicher Neugier Ärgeres als das Aergste, was ich thun konnte. O daß sie mich nie geboren hätte!«

In seiner Verzweiflung ging er trübselig in dem Palaste umher, wo er das Täubchen, sein Weibchen, nicht mehr fand. Von dem Zauberer mit der langen Nase trennte ihn ein endloser Weg; er wußte nicht, was anzufangen. Da kam er auch in den Stall, wo ein Roß stand, – einer der verwünschten Brüder der drei Prinzessinnen, Das sprach zu ihm, als es ihn so trauern sah: »Mir thut es leid um Dich und meine Schwester, weil Ihr Euch so lieb gehabt. Wohnt Heldenmuth in Deiner Brust, schwing' Dich auf mich! Ich will Dich zu des Drachen Schlosse tragen, wie fern es auch von dieser Stätte liegt; und Du geh' und entreiß' ihm seine Beute!« – »Und kost' es mein Leben!« rief der Jüngling, und schwang sich auf das Roß. Das flog mit ihm, wie der Adler fliegt.

Sie kamen zu des Drachen Schlosse, der zum Glücke nicht daheim war. Der Jüngling bemächtigte sich der Taube; doch kaum besaß er sie wieder, kaum hatte er sich zur Rückkehr auf das Roß geschwungen, da kam der Drache nach Hause. Schnell witterte er den Verlust, jagte den Eilenden nach, und entriß dem Jüngling sein Täubchen, als Dieser den Palast beinahe schon erreicht. »Ich versprach Dir,« rief der Drache,« für das eine Glas Wasser solle Dir das Leben einmal geschenkt sein. Ich schenk' es Dir jetzt; doch komm zum zweiten Male nicht wieder!«

Nach einiger Zeit sprach das Roß im Stalle wieder zu dem Trauernden: »Wohnt Heldenmuth in Deiner Brust, laß Dich nicht abschrecken durch ein fehlgeschlagnes Wagstück! Schwing' Dich auf mich, wir wollen das Werk zum zweiten Mal versuchen!« – »Und kost' es mein Leben!« rief der Jüngling, und schwang sich auf das Roß. Das flog mit ihm, wie der Pfeil dahin fliegt. Sie kamen zu des Drachen Schlosse, der abermals nicht daheim war. Der Jüngling bemächtigte sich der Taube; doch kaum besaß er sie, kaum hatte er sich zur Rückkehr auf das Roß geschwungen, da kam der Drache nach Hause, witterte bald, was geschehen, jagte den Eilenden nach, und entriß dem Jüngling sein Täubchen, eben als dieser bereits in das Thor des Palastes sprengen wollte. »Ich versprach Dir,« rief der Drache grimmig,« für das zweite Glas Wasser solle Dir das Leben noch einmal geschenkt sein. Ich schenk' es Dir noch einmal; doch kommst Du wieder: bist Du ohn' Erbarmen ein Kind des Todes!«

Des Jünglings Verzweiflung stieg immer höher; er wehklagte bei Tag und Nacht. Da sprach das Roß im Stalle zu ihm: »Ich will Dir noch einen Rath ertheilen. Ich weiß, wo junge Raben sind; komm und laß uns zu dem Neste gehen, worin sie stecken! Thu', als ob Du sie aus dem Neste herausnehmen wolltest. Die Alten werden über Dich herfallen, Du aber sag', Du werdest die Jungen durchaus nicht schonen, wenn sie Dir nicht das Wasser des Wachsthums und des Lebens brächten. Bringen sie Dir's, so überzeug' Dich zuerst. Nimm einen jungen Raben, reiß' ihm den Kopf ab, tauch' ihn in das Wasser, und kleb' ihm den Kopf wieder an. Wächst der Kopf mit dem Rumpf zusammen, dann ist es das wahrhafte Wasser des Wachsthums. Gieß' hierauf dem Vogel Wasser in den Schnabel; wird er lebendig, so ist es das wahrhafte Wasser des Lebens.« – Der Jüngling befolgte des Rosses Rath. Als sie nun das kostbare Wasser hatten, sprach das Roß zu dem Jüngling. »Jetzt ist Hülfe möglich, falls Dir ein Uebel wiederfahren sollte. Aller guten Dinge sind drei. Fühlst Du Lust und Wuth, so laß uns den Ritt zum Drachen noch einmal wagen!«

»Wie sollt' ich nicht Lust und Muth fühlen, du treues Roß!« versetzte der Jüngling. »Ist es doch meine Pflicht, den begangenen Fehler wieder gutzumachen, und mein Weib aus der Haft zu erlösen, die ich ihr selbst bereitet! Auf zu dem Schlosse des Drachen!« Und erschwang sich auf das Roß, und das flog mit ihm, wie der Sturmwind über Länder und Meere braust. – Glücklich bemächtigte sich der Jüngling der Taube, da der Drache wieder nicht daheim war; doch kaum besaß er sie, kaum hatte er sich zur Rückkehr auf das Roß geschwungen, da kam der Drache nach Hause, witterte schnell den Raub, jagte den Eilenden nach, und entriß dem Jüngling sein Täubchen, eben als Dieser schon halb im Thore des Palastes war, den Jüngling selbst aber zerriß er in zwei Hälften. Dann kehrte er triumphirend in sein Schloß zurück.

Da lag der Jüngling, ein Kind des Todes! Doch das treue Roß nahm das Wasser, tauchte die zwei Hälften hinein, klebte sie an einander, und sie wuchsen zusammen. Dann goß es dem Jüngling Wasser in den Mund, und er kam wieder zum Leben. »Jetzt,« sprach das treue Roß zu ihm, »weiß ich keinen Rath mehr. Dreimal haben wir's versucht, und dreimal ist es uns mißlungen. Doch hab' ich noch einen Bruder jenseit des rothen Meeres, der wie ich verwünscht ist, und Rossesgestalt hat. Der besitzt mehr Kraft, als ich und der Drache zugleich. Verbände sich Der mit uns, dann würden wir den Drachen erlegen. Allein es wird schwer, wird ungemein schwer sein, ihn zu bekommen, denn er dient bei dem Höllenscheusal Ježibaba.

»Versuchen wir's!« rief der neugestärkte Jüngling, dessen Herz von frischem Muthe schwoll. »O, ist nur noch ein schwacher Schein von Hoffnung, so verlaß mich nicht, Du mein Kampfgefährte, und bring' mich an's Ziel, daß ich siege oder verderbe!«

»Gern will ich Dir auch diesen Dienst erweisen,« versetzte das Roß, »es soll Bruderliebe der Gattenliebe nicht nachstehen. Aber merk' Dir, was Du zu thun hast! Verding' Dich Ježibaba auf drei Tage, und als Lohn begehr' das magre Roß, meinen Bruder. Du wirst bei Ježibaba zwölf Pferde weiden müssen. Sei auf der Hut vor dem, was sie Dir zu essen gibt! Was sie Dir zu Hause reicht, das kannst Du schadlos genießen; doch was sie Dir auf die Weide mitgibt, das iß nicht! Aeßest Du's, so würdest Du einschlafen, die Pferde würden Dir entlaufen, und Ježibaba strafte Dich dann, daß Du unrettbar verloren wärest.«

So zogen sie dahin, bis sie zum rothen Meer gelangten. Als sie sich ihm näherten, sah der Jüngling eine ungewöhnlich große Fliege, die in einem Spinnengewebe umherzappelte, und nicht heraus konnte. Er stieg vom Rosse, trat zu ihr und sagte: »Du arme Fliege, Du kannst Dich aus dem Spinnengewebe nicht losmachen! Wart', ich will Dir helfen!« – Das Spinnengewebe glich einem großen Jagdnetz, er zerhieb es, und die Fliege kroch heraus und sprach: »Dank Dir, Du gutherziger Kaufmannssohn, daß Du mir geholfen! Reiß' Dir einen meiner Füße unter dem Bauche ab, und wenn es Dir schlimm ergeht, denke mein, ich will Dir gleichfalls helfen!« – Der Jüngling lachte bei sich, und meinte: »Was kann mir eine Fliege nützen!« Indeß nahm er sich einen Fliegenfuß, und steckte ihn zu sich.

Sie zogen nun weiter, und der Jüngling sah einen Wolf, der den Schweif unter einem Balken eingeklemmt hatte und sich nicht helfen konnte; denn der Wolf hat einen steifen Rücken, und vermag sich nicht zu drehen und zuwenden. Der Jüngling stieg wieder vom Rosse, wälzte den Balken hinweg, und half dem Wolfe. Der Wolf sprach zu ihm: »Dank Dir, Du gutherziger Kaufmannssohn, daß Du mir beigestanden! Nimm Dir eine Klaue aus einem meiner Füße, und wenn es Dir schlimm ergeht, denke mein, ich will Dir gleichfalls beisteh'n!« Er nahm sich eine Klaue, und steckte sie zu sich.

Als sie hierauf zum Ufer des Meeres gelangten, sah der Jüngling einen riesigen Krebs, der im Sande auf dem Rücken lag, und sich nicht helfen konnte. Der Jüngling stieg wieder vom Rosse, drehte den Krebs um, wie sich's gehört und half ihm. Der Krebs sprach. »Dank Dir, Du gutherziger Kaufmannssohn! Wohin ziehst Du?« – Der Jüngling entgegnete: »Zu Ježibaba jenseit des rothen Meeres.« – »Wohl, mein Sohn,« sprach der Krebs, »so will ich Dir eine Brücke über das Meer bauen, damit Dein Rößlein nicht hinüber zu schwimmen brauche und Gefahr laufe. Zuvor aber reiß' Dir einen meiner Füße unter dem Bauche ab, und wenn es Dir schlimm ergeht, denke mein, ich will Dir gleichfalls beisteh'n.« – Er nahm sich einen Krebsfuß, und steckte ihn zu sich. Der Krebs kroch nun in's Wasser, legte sich zurecht, und sogleich krochen alle Krebse aus dem ganzen Meere zusammen, legten sich nebeneinander zurecht, und bauten so dem Jüngling eine Brücke, daß er hinüberschreiten konnte. Sein treues Roß entsandte er nach Hause.

Es währte nicht mehr lange, so gelangte er zu dem Höllenscheusal Ježibaba. Bei dem Höllenscheusal Ježibaba. Ježibaba, Jedubaba, Jagababa, nach der slawischen Mythologie eigentlich die Göttin des Winters. Die stand eben vor ihrem Schlosse und bewillkommnete ihn. Nachdem sich ihr der Jüngling auf drei Tage verdungen, gab sie ihm zwölf Pferde zu weiden und sprach zu ihm: »Weide die Pferde gut, daß Du keines von ihnen verlierest! Verlierst Du eins, so pflanz' ich Deinen Kopf auf einen Pfahl!« – Sie schickte ihn hierauf mit den Pferden auf die Weide, und gab ihm ein Stück Brot mit, damit er nicht Hunger leide, und etwas zu essen habe. Der Jüngling erinnerte sich an den Rath seines Rosses, er warf das Brot hinweg; denn die vielen Trübsale, die er besonders seit der Zeit zu erdulden hatte, wo er die Warnung seiner Gemahlin sich nicht zu Herzen genommen, hatten ihn gelehrt, auf wohlgemeinten Rath zu achten. Doch was halfs ihm! Ein unwiderstehlicher Hunger befiel ihn, er mußte das Brot suchen und aß es. Da schlief er ein, und während er schlief, zerstreuten sich die Pferde. Als er erwachte, sah er keines. Da begann er zu wehklagen: »O was hat mir mein fester Vorsah gefruchtet! Wohl hat Ježibaba recht prophezeit, daß ich meinen Kopf einbüßen würdet«

In seinem Kummer gedachte er der Fliege, und zog ihren Fuß hervor. Da kam die Fliege geflogen und fragte ihn: »Warum wehklagst Du?« Er erzählte ihr den Vorfall. »Sorg' nicht, Dir soll geholfen werden!« sprach die Fliege, und die Fliege lief alle übrigen Fliegen zusammen, und die flogen und suchten die Pferde ringsumher. Sie fanden sie endlich, und umsumsten sie und stachen sie so lange, bis sie wieder zu dem Hirten liefen. Der trieb sie freudig heim. Als Ježibaba ihn kommen sah, und die Pferde alle beisammen erblickte, sprach sie: »Ei, Du hast die Pferde gut gehütet, denn es fehlt kein einziges von ihnen!« Dann nahm sie die Peitsche, und hieb die Pferde wüthend, besonders schlug sie das magre Roß so, daß ihm das Fleisch vom Leibe hing. Den Jüngling dauerte das Roß, weil es am meisten geschlagen wurde, und das magerste war. Ježibaba nahm dann eine Salbe, und salbte die Pferde damit, so daß bis zum folgenden Tage die Wunden alle heilten.

Des andern Tags gab Ježibaba dem Jüngling abermals die zwölf Pferde zu werden, gab ihm wieder ein Stück Brot mit, und gebot ihm, es zu essen. Er zerbrockte das Brot, sobald er auf die Weibe kam, und stampfte es mit den Füßen in die Erde. Doch das half ihm nichts: er mußte alles Brot heraussuchen, und aß es sammt der Erde, – einen so gewaltigen Hunger schickte Ježibaba über ihn. In einer kleinen Weile schlief er ein, die Pferde zerstreuten sich alle, und als er erwachte, sah er, daß er kein einziges mehr habe. Da begann er wieder zu wehklagen, doch gedachte er des Wolfes, und zog dessen Klaue hervor. Alsbald kam der Wolf gelaufen, und fragte: »Warum wehklagst Du so? Sei ohne Sorgen, ich will Dir helfen!« Er heulte nach allen übrigen Wölfen und die Wölfe rannten in Schaaren herbei, und liefen dann und suchten die Pferde. Als sie sie gefunden, stellten sich je zwei Wölfe zu beiden Seiten eines Pferdes, und führten es bei den Ohren zu dem Hirten. Der freute sich nicht wenig, und trieb die Pferde heim. – Als ihn Ježibaba kommen sah, sprach sie wieder: »Ei, Du hast die Pferde gut gehütet, denn alle bringst Du zurück!« Aber die Pferde hieb sie abermals mit der entsetzlichen Peitsche, und noch stärker als am vorigen Tage, und dann salbte sie die Wunden, damit sie bis zum folgenden Tage heilten.

Den dritten Tag schickte Ježibaba den Jüngling zum letzten Mal auf die Weide, gab ihm auch diesmal ein Stück Brot mit, und gebot ihm, es ja nicht wegzuwerfen, sondern zu essen. Er vergrub, sobald er auf die Weide kam, das Brot so tief in den Sand, als er vermochte; doch überwältigte ihn abermals ein solcher Hunger, daß er es suchen mußte und gierig aufaß. Er schlief ein, und als er erwachte, waren alle Pferde verschwunden; sie hatten sich diesmal in das Meer verborgen, aus Furcht, es möchte sie Ježibaba noch grimmiger schlagen, wenn sie gefunden würden. Dies wußte der Jüngling nicht, darum hoffte er von des Krebses Hülfe wenig, und wehklagte desto lauter; doch gedachte er des Krebses und zog dessen Fuß hervor. Und siehe, da begann sich der Krebs im Meere zu regen, und alle übrigen Krebse schnarren sich zusammen, und suchten die Pferde, und zwickten sie so lange, bis sie zu dem Hirten getrabt kamen. Der empfand unaussprechliche Freude, nahm die Pferde, und trieb sie heim. – Ježibaba erwartete ihn bereits. Der Pferde Züchtigung, weil sie sich hatten finden lassen, war noch schrecklicher als in den beiden früheren Tagen, worauf sie ihnen wieder die Wunden salbte.

Des nächsten Morgens fragte Ježibaba den Jüngling, was er für seinen Dienst zum Lohn begehre. Er antwortete nach dem Rathe, den er empfangen: »Ich verlange nichts, als das magre Roß aus Deiner Herde.« – »Das wäre unedel,« sprach das Scheusal arglistig, »wenn ich Dir für Deinen guten Dienst so schlechten Lohn geben wollte. Das schönste Pferd soll Dir gehören!« – Doch er entgegnete: »Ich verlange kein andres, als das magre Roß.« – »Und warum willst Du gerade dieses?« fragte das Scheusal, um den Jüngling zu erforschen. – »Weil es mir leid thut,« erwiderte der Jüngling klug,« daß gerade dies arme Roß immer am meisten geschlagen wird.« – »Wohl denn,« sprach Ježibaba tückisch, und hätte ihn trotz all seiner Klugheit dennoch bald überlistet, »so sollst Du's haben, allein das feiste Pferd dort schenk' ich Dir dazu; das magre würde Dich kaum nach Hause schleppen.« Und er setzte sich auf das feiste Pferd, und führte das magre neben her.

Als sie aber zum Thore kamen, flüsterte das magre Roß ihm zu: »Schwing' dich geschwind auf mich herüber, sonst bist Du verloren,« Der Jüngling that's und da rief das feiste Pferd: »Das hat Dir der Teufel eingegeben!« riß sich zornig los, und trabte in seinen Stall zurück. – »Siehst Du,« sprach nun das magre Roß zum Jüngling, »wärst Du auf dem feisten Pferde sitzen geblieben, so hätt' es Dich im Thore in die Höhe geschleudert, Du hättest Dir das Haupt zerschmettert, und lägst jetzt todt, ein Opfer Ježibaba's!«

Glücklich gelangten sie zu dem Palast mit goldnem Dache. Als die zwei Tauben, die Schwestern, von ferne ihrer ansichtig wurden, flogen sie ihnen entgegen, begrüßten sie, und umflatterten sie fröhlich in weiten Kreisen. Als sie in den Stall kamen, sprach das Roß im Stalle zu ihnen: »Willkommen, jetzt sind wir Sieger! Gönnt Euch drei Tage Rast, und dann zieht aus, dem Drachen seine Beute zu entreißen!« Dies geschah. Am vierten Tage schwang sich der Jüngling auf das magre Roß, das sich ganz erholt hatte, und Funken aus Augen und Nüstern sprühte. Das flog mit ihm noch schneller als Adler, Pfeil und Sturmwind. Bald waren sie bei dem Schlosse des Drachen, der sich nicht daheim befand, und der Jüngling bemächtigte sich der Taube. Zwar kam der Drache gleich darauf nach Hause, witterte den Verlust, jagte den Eilenden aus allen Kräften nach, und wollte den Jüngling eben erfassen, als er schon in das Thor des Palastes hinein gesprengt war; doch da schlug das Roß, noch keineswegs erschöpft, so gewaltig mit den Hinterfüßen aus, daß der Drache betäubt zu Boden stürzte. Hurtig sprang der Jüngling von dem Rosse, zückte das Schwert, und hieb dem Drachen mit Blitzesschnelle einen Kopf nach dem andern ab. Der wälzte sich in seinem Blute, und erwachte nimmer zum Leben. Jetzt knieten das magre Roß und das Roß aus dem Stalle, das herbeigeeilt war, vor dem Jüngling nieder, und flehten ihn an, er möchte auch ihnen das Haupt abschlagen. Der Jüngling erschrak. »Wie könnt' ich das vollbringen!« rief er, »wie Euch, meinen Wohlthätern, mit solchem Undank lohnen! Nie und nimmer will ich die Schuld auf mein Gewissen laden!« Allein sie hörten nicht auf, zu flehen, und versicherten ihn, es würde ihnen nur zum Heil gereichen. Da entschloß er sich, und hieb auch ihnen die Köpfe ab. In dem Augenblick standen zwei stattliche Prinzen vor ihm. Und die Prinzen nahmen die zwei Tauben, die sich ihnen auf die Schultern gesetzt hatten, und streichelten und küßten sie, und der Jüngling folgte ihrem Beispiel, und nahm sein Täubchen, das sich ihm gleichfalls auf die Schulter gesetzt hatte, und streichelte und küßte es, und plötzlich erhielten die Tauben ihre Menschengestalt für immer wieder, und da standen drei der holdesten Prinzessinnen, die holdeste des Jünglings Gemahlin. Da war des Jubels kein Ende! Die zwei Prinzen nahmen hierauf Abschied, um auf Abenteuer in die Welt zu ziehen, und sich Ruhm und Ehre zu erwerben. Die zwei Schwestern aber versprachen, bei ihrer vermählten Schwester zu bleiben, und ihr in allem beizustehen, was sie brauchen würde. So blieb dem Kaufmannssohn in seinem Glücke nichts zu wünschen übrig, als daß er noch sein liebes Mütterchen bei sich hätte. Auch dieser Wunsch ward ihm erfüllt. An einem Tage kam sein Mütterchen in einem von viel weißen Rossen gezogenen Wagen unverhofft herangefahren. Dies hatte der Zauberer mit der langen Nase bewerkstelligt, der von der Standhaftigkeit und Ausdauer des hartgeprüften Kaufmannssohns gerührt worden war, als er durch seine dienstbaren Geister Kunde davon erhielt, und der eigentlich kein böses Herz hatte, wenn er gleich fürchterlich war in seinem Zorn. Wer sein Glück sucht, der findet's. Seh' nur Jeder, daß er's nicht verscherze!


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