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23.
Während die Aeroplanen heranzogen

Eine Zeitlang war der Herr der Erde nicht einmal seines eigenen Geistes Herr. Selbst sein Wille schien ein Wille, der nicht ihm gehörte, seine eigenen Handlungen überraschten ihn und waren nur ein Teil des Wirrsals seltsamer Erfahrungen, die ihm über sein Sein hinströmten. Diese Dinge waren sicher, die Aeroplanen kamen, Helene Wotton hatte dem Volk ihr Kommen verraten, und er war Herr der Erde. Jede dieser Tatsachen schien danach zu ringen, seine Gedanken ganz in Besitz zu nehmen. Sie sprangen aus einem Hintergrund wimmelnder Hallen, hoher Gänge, von Bezirksführern erfüllter Räume, mit Kinematographen und Telephonen versehener Säle und solcher Fenster, die auf ein siedendes Meer marschierender Leute hinaussahen, hervor. Der Mann in Gelb und Leute, die, wie er glaubte, Bezirksführer hießen, drängten ihn entweder vorwärts oder folgten ihm gehorsam; es war schwer zu sagen. Vielleicht taten sie von beidem ein wenig. Vielleicht trieb sie alle eine unsichtbare und ungeahnte Macht. Er war sich bewußt, daß er im Begriff stand, eine Proklamation ans Volk der Erde zu richten, bewußt gewisser grandioser Phrasen, die ihm als das durch den Sinn schwebten, was er zu sagen gedachte. Viele Kleinigkeiten geschahen, und dann sah er, wie er mit dem Mann in Gelb in ein kleines Zimmer trat, wo diese seine Proklamation verfaßt werden sollte.

Dieses Zimmer war in seiner Einrichtung grotesk modern. In der Mitte befand sich ein Helles Oval, das von verhangenen elektrischen Lampen von oben her beleuchtet war. Alles andere lag im Schatten, und die doppelten, feinschließenden Türen, durch die er aus der wimmelnden Atlashalle kam, machten den Ort sehr still. Ihr schwerer Schlag, als sie sich hinter ihm schlossen, das plötzliche Aufhören des Tumults, in dem er seit Stunden gelebt hatte, der zitternde Lichtkreis, das Flüstern und die schnellen, geräuschlosen Bewegungen undeutlich sichtbarer Begleiter im Schatten, das alles machte seltsamen Eindruck auf Graham. Die riesigen Ohren phonographischer Kammern harrten seines Beginnens; dahinter glitzerten Metallstangen und Rollen, und etwas wirbelte mit brummendem Summen herum. Er trat ins Lichtzentrum, und sein Schatten zog sich schwarz und scharf in einen kleinen Fleck zu seinen Füßen zusammen.

Der unbestimmte Umriß dessen, was er zu sagen dachte, lag ihm schon im Geist. Aber diese Stille, diese Isolation, der plötzliche Rückzug aus jener ansteckenden Volksmenge, dies schweigende Auditorium von gähnenden, starrenden Maschinen, daran hatte er nicht gedacht. All seine Stützen schienen ihm zugleich genommen; es war, als sei er plötzlich hier hineingefallen, als habe er sich plötzlich entdeckt. Im Nu war er verwandelt. Er fühlte, daß er jetzt fürchtete, nicht auf der Höhe zu stehen, er fürchtete, theatralisch zu werden, er fürchtete den Klang seiner Stimme, den Ton seines Witzes, erstaunt wendete er sich mit einer bittenden Geste an den Mann in Gelb. »Einen Moment,« sagte er. »Ich muß warten. Ich hatte es mir nicht so gedacht. Ich muß über das Nachdenken, was ich zu sagen habe.«

Während er noch zögerte, kam ein aufgeregter Bote mit der Nachricht, die ersten Aeroplanen passierten über Arawan.

»Arawan?« sagte er. »Wo ist das? Aber einerlei, sie kommen. Sie werden hier sein. Wann?«

»Mit dem Dunkelwerden.«

»Großer Gott! In nur ein paar Stunden. Welche Nachricht von den Flugbühnen?« fragte er.

»Das Volk von den Südwestbezirken ist bereit.«

»Bereit!«

Er wandte sich ungeduldig wieder zu den schwarzen Kreisen der Linsen.

»Ich vermute, es muß eine Art Rede sein. Wollte zu Gott, ich wüßte genau, was gesagt werden sollte! Aeroplanen in Arawan! Sie müssen vor der Hauptflotte aufgebrochen sein. Und das Volk nur bereit! Sicherlich ...«

»O! was kommt darauf an, ob ich gut oder schlecht spreche?« sagte er und fühlte das Licht heller werden.

Er hatte einen unbestimmten Satz demokratischer Empfindung geformt, als ihn plötzlich Zweifel übermannten. Sein Glaube an seinen heroischen Sinn und Beruf, fand er, hatte seine sichere Überzeugung ganz verloren. Das Bild einer kleinen sich spreizenden Nichtigkeit in einer windigen Wüste unverständlicher Schicksale verdrängte ihn. Plötzlich war ihm völlig klar, daß dieser Aufstand gegen Ostrog frühreif war, zum Mißlingen vorausbestimmt, daß er der Impuls leidenschaftlicher Unfähigkeit gegen unvermeidliche Dinge war. Er dachte an jenen schnellen Flug der Aeroplanen wie an den Sturz des Schicksals auf ihn zu. Er war erstaunt, daß er die Dinge je hatte in anderem Lichte sehen können. In dieser letzten Not überlegte er, warf die Überlegung resolut beiseite und beschloß, auf jeden Preis durchzuführen, was er unternommen hatte. Und er konnte kein Wort zum Anfang finden. Noch während er da stand, verlegen, zögernd, mit einer indiskreten Entschuldigung wegen seiner Unfähigkeit schon auf den Lippen, drang der Lärm vieler Menschen, die riefen, das Hin- und Herrennen von Füßen zu ihm. »Wartet,« rief einer, und eine Tür ging auf. »Sie kommt,« sagten die Stimmen. Graham drehte sich um, und die wachenden Lichter verblaßten.

Durch die offene Tür sah er eine schlanke graue Gestalt durch eine geräumige Halle nahen. Ihm sprang das Herz. Es war Helene Wotton. Hinter ihr her und um sie zog ein Aufruhr des Beifalls. Der Mann in Gelb kam aus den näheren Schatten in den Lichtkreis.

»Das ist das Mädchen, das uns sagte, was Ostrog getan hatte,« sagte er.

Ihr Gesicht flammte, und die schweren Locken ihres schwarzen Haares fielen ihr um die Schultern. Die Falten des weichen Seidengewandes, das sie trug, strömten von ihr fort und flatterten im Rhythmus ihres Schrittes. Sie kam näher und näher, und das Herz schlug ihm schnell. All seine Zweifel waren vergangen. Der Schatten der Tür fiel über ihr Gesicht und sie war ihm nahe. »Sie haben uns nicht verraten?« rief sie. »Sie sind mit uns?«

»Wo sind Sie gewesen?« sagte Graham.

»Auf dem Amt der Südwestbezirke. Bis vor zehn Minuten wußte ich nicht, daß Sie zurückgekehrt waren. Ich ging aufs Amt der Südwestbezirke, um die Bezirksführer zu treffen, damit Sie es dem Volk sagen sollten.«

»Ich kam zurück, sowie ich hörte –«

»Ich wußte es,« rief sie, »wußte, daß Sie mit uns sein würden. Und ich war es – ich habe es ihnen gesagt. Sie haben sich erhoben. Die ganze Welt erhebt sich. Das Volk ist erwacht. Gott sei Dank, daß ich nicht vergebens gehandelt habe. Sie sind noch Herr.«

»Sie haben es ihnen gesagt,« sagte er langsam, und er sah, daß ihr trotz ihrer festen Augen die Lippen zitterten und die Brust sich hob und senkte.

»Ich habe es ihnen gesagt. Ich wußte von dem Befehl. Ich war hier. Ich hörte, die Neger sollten nach London kommen, um Sie zu bewachen und das Volk niederzuhalten – um Sie gefangen zu halten. Und ich habe es gehindert. Ich bin hinausgegangen und habe es dem Volk gesagt. Und Sie sind noch Herr.«

Graham warf einen Blick auf die schwarzen Linsen der Kameras, die großen, lauschenden Ohren, und zurück auf ihr Gesicht. »Ich bin noch Herr,« sagte er langsam, und der schnelle Sturm einer Aeroplanenflotte flog ihm durch die Gedanken.

»Und Sie haben dies getan? Sie, Ostrogs Nichte.«

»Für Sie,« rief sie. »Für Sie! Damit Sie, auf den die Welt gewartet hat, nicht um Ihre Macht betrogen würden.«

Graham stand eine Zeitlang wortlos da und sah sie an. Seine Zweifel und Fragen waren vor ihrer Gegenwart geflohen. Ihm fielen die Dinge ein, die er hatte sagen wollen. Er wandte sich noch einmal zu den Kameras, und das Licht um ihn wurde heller. Er drehte sich ihr wieder zu.

»Sie haben mich gerettet,« sagte er; »Sie haben meine Macht gerettet. Und die Schlacht beginnt. Gott weiß, was diese Nacht sehen wird – aber meine Schande nicht!«

Er hielt inne. Er wandte sich an die unsichtbaren Mengen, die ihn durch diese grotesken, schwarzen Augen ansahn. Erst sprach er langsam.

»Männer und Frauen der neuen Zeit,« sagte er; »ihr habt euch erhoben, für euer Geschlecht zu kämpfen! ... Kein leichter Sieg liegt vor uns.«

Er hielt inne, um Worte zu sammeln. Die Gedanken, die ihm im Geist gelegen hatten, ehe sie kam, kehrten zurück, aber verwandelt, nicht mehr von dem Schatten möglicher Sinnlosigkeit berührt. »Diese Nacht ist ein Anfang,« rief er. »Diese Schlacht, die kommt, diese Schlacht, die heute abend gegen uns einherstürmt, ist nur ein Anfang. Euer ganzes Leben lang werdet ihr vielleicht kämpfen müssen. Bedenkt euch nicht, wenn ich auch geschlagen werde, wenn ich auch völlig überwunden werde.«

Er fand, was ihm im Sinn lag, für Worte zu unbestimmt. Er zögerte einen Moment, brach in unbestimmte Ermahnungen aus, und dann überkam ihn ein Sturm der Rede. Vieles, was er sagte, war nichts als der humanitäre Gemeinplatz einer verschwundenen Zeit, aber die Überzeugung seiner Stimme lieh ihm Lebenskraft. Er legte den Fall der alten Tage dem Volk der neuen Zeit, der Frau an seiner Seite dar. »Ich komme zu euch aus der Vergangenheit,« sagte er, »mit der Erinnerung einer Zeit, die hoffte. Meine Zeit war eine Zeit der Träume – der Anfänge, eine Zeit edler Hoffnungen; in der ganzen Welt hatten wir der Sklaverei ein Ende gemacht, in der ganzen Welt hatten wir den Wunsch und die Ahnung verbreitet, daß der Krieg aufhören möchte, daß Männer und Frauen adlig leben möchten in Freiheit und Frieden ... So hofften wir in den Tagen, die vergangen sind. Und diese Hoffnungen! Wie steht es nach zweihundert Jahren mit den Menschen?

»Große Städte, ungeheure Mächte, eine Gesamtgröße über alle unsere Träume. Dafür arbeiteten wir nicht, und das ist gekommen. Aber wie steht es mit den kleinen Leben, die dieses größere Leben ausmachen? Wie steht es mit den gewöhnlichen Leben? Wie es immer gewesen ist – Kummer und Arbeit, gehemmtes und unerfülltes Leben, Leben, versucht von der Macht, versucht vom Reichtum, verloren in Verschwendung und Narrheit. Der alte Glaube ist verblaßt und verwandelt, der neue Glaube – gibt es einen neuen Glauben?«

Dinge, die zu glauben er lange gewünscht hatte – er fand, daß er sie glaube. Er tauchte nach dem Glauben und faßte ihn und klammerte sich eine Zeitlang auf seiner Höhe an. Er sprach stoßweise, in gebrochenen, unvollständigen Sätzen, aber mit seinem ganzen Herzen und all seiner Kraft, von diesem neuen Glauben in ihm. Er sprach von der Größe der Selbstentsagung, von seinem Glauben an ein unsterbliches Leben der Menschheit, in dem wir leben und uns bewegen und unser Dasein haben. Seine Stimme hob sich und senkte sich, und die aufzeichnenden Maschinen summten ihren eiligen Beifall; undeutliche Diener beobachteten ihn aus dem Schatten heraus. Durch all jene zweifelhaften Stellen hindurch unterhielt seine Empfindung von der stillen Zuschauerin neben ihm seine Aufrichtigkeit. Ein paar glorreiche Momente wurde er fortgerissen; er fühlte keinen Zweifel an seiner heroischen Natur, keinen Zweifel an seinen heroischen Worten, alles war gerade und einfach. Seine Beredsamkeit lahmte nicht mehr. Und schließlich schloß er seine Rede. »Hier und jetzt«, rief er, »mache ich mein Testament. Und alles, was mein ist in der Welt, gebe ich dem Volk der Welt. Ich gebe es euch, wie ich euch mich selber gebe. Und wie Gott beschließt, so will ich für euch leben, oder ich will sterben.«

Er schloß mit einer schwungvollen Geste und drehte sich um. Er sah das Licht seiner momentanen Begeisterung im Gesicht des Mädchens gespiegelt. Ihre Augen trafen sich; ihr schwammen die Augen von Tränen der Begeisterung. Sie schienen zueinander gedrängt zu werden. Sie faßten ihre Hände und standen sich so in beredtem Schweigen gegenüber. Sie flüsterte. »Ich wußte es,« flüsterte sie. »Ich wußte es.« Er konnte nicht reden, er preßte ihre Hand in seiner. Sein Geist war der Schauplatz gigantischer Leidenschaften.

Der Mann in Gelb stand neben ihnen. Sie beide hatten sein Kommen nicht bemerkt. Er sagte, die Südwestbezirke seien auf dem Marsch. »Ich hätte es nie so schnell erwartet,« rief er. »Sie haben Wunder getan. Sie müssen ihnen ein Wort schicken, um ihnen auf dem Wege zu helfen.«

Graham ließ Helenes Hand fallen und starrte ihn geistesabwesend an. Dann kehrte er mit einem Ruck zu seinem vorherigen Gedanken an die Flugbühnen zurück.

»Ja,« sagte er. »Das ist gut, das ist gut.« Er erwog eine Botschaft. »Sagen Sie ihnen: – Bravo, Südwest.«

Er wandte die Augen wieder auf Helene Wotton. Sein Gesicht zeigte den Kampf zwischen widerstreitenden Ideen. »Wir müssen die Flugbühnen nehmen,« erklärte er. »Wenn wir das nicht können, landen die Neger. Das müssen wir um jeden Preis hindern.«

Er fühlte noch, während er sprach, dies war nicht, was ihm vor der Unterbrechung im Geist gelegen hatte. Er sah eine Spur von Überraschung in ihren Augen. Sie schien sprechen zu wollen, und eine schrille Glocke ertränkte ihre Stimme.

Graham kam der Gedanke, sie erwarte, er werde dies Volk auf dem Marsch führen, und das sei, was er tun müsse. Er erbot sich unvermittelt. Er redete den Mann in Gelb an, aber er sprach zu ihr. Er sah ihr Gesicht antworten. »Hier tue ich nichts,« sagte er.

»Es ist unmöglich,« protestierte der Mann in Gelb. »Es ist ein Kampf in einem Kaninchenbau. Ihr Platz ist hier.«

Er setzte es umständlich auseinander. Er zeigte nach dem Raum, wo Graham warten müsse, er bestand darauf, ein anderer Weg sei unmöglich. »Wir müssen wissen, wo Sie sind,« sagte er. »Jeden Moment kann eine Krisis eintreten, die Ihre Gegenwart und Entscheidung erfordert.« Das Zimmer war ein luxuriöses kleines Gemach mit Nachrichtenmaschinen und einem zerbrochenen Spiegel, der einmal mit den Specula am Krähennest en rapport gewesen war. Es schien Graham selbstverständlich, daß Helene bei ihm bleiben mußte.

Ihm hatte das Bild eines so ungeheuren dramatischen Ringens vorgeschwebt, wie es die Massen in den Ruinen angeregt hatten. Aber hier gab es kein theatralisches Schlachtfeld, wie er es sich dachte. Statt dessen kam Abschließung – und Ungewißheit. Erst als der Nachmittag vorrückte, stückte er sich ein wahreres Bild von dem Kampf zusammen, der unhörbar und unsichtbar keine vier Meilen weit von ihm unter der Roehampton-Bühne raste. Ein seltsames und unerhörtes Ringen war es, eine Schlacht, die aus hunderttausend kleinen Schlachten bestand, eine Schlacht in einem Schwamm von Wegen und Kanälen, gekämpft fern von Himmel und Sonne unter dem elektrischen Schein, geschlagen im riesigen Wirrwarr von Mengen, die in den Waffen ungeübt, hauptsächlich vom Zuruf geleitet waren, Mengen, die durch geistlose Arbeit abgestumpft waren, entnervt durch die Tradition zweier Jahrhunderte serviler Sicherheit, gegen Mengen, die ein Leben erlaubter Vorrechte und sinnlicher Ausschweifung demoralisiert hatte. Sie hatten keine Artillerie, keine Differenzierung in diese Streitkraft oder jene; die einzige Waffe auf beiden Seiten war der kleine, grüne Metallkarabiner, dessen geheime Fabrikation und plötzliche Verteilung in ungeheuren Mengen einer von Ostrogs entscheidenden Schachzügen gegen den Rat gewesen war. Wenige nur hatten Übung in dieser Waffe, viele, die sie trugen, kamen ohne Munition, viele hatten niemals eine abgefeuert; nie hat es in der Geschichte des Krieges ein wilderes Feuern gegeben. Es war eine Schlacht von Dilettanten, ein häßlicher, experimentierender Krieg, bewaffnete Meuterer kämpften gegen bewaffnete Meuterer, vorwärts gefegt von den Worten und der Wut eines Liedes, von der stampfenden Sympathie ihrer Zahlen, strömten in zahllosen Myriaden zu den kleinen Wegen, den untauglich gemachten Lifts, den von Blut schlüpfrigen Galerien, den Hallen und Gängen, die vor Rauch erstickten, unter den Flugbühnen, um dort, wenn der Rückzug hoffnungslos war, die alten Geheimnisse des Krieges zu lernen. Und zu Häupten war, abgesehen von ein paar Scharfschützen auf den Dachräumen und von ein paar Dunstbändern und Fäden, die sich gegen Abend mehrten und dunkel wurden, der Tag eine klare Heiterkeit. Ostrog, scheint es, hatte keine Bomben zur Verfügung, und in all den ersten Phasen der Schlacht spielten die Aeropilen keine Rolle. Nicht die kleinste Wolke brach den leeren Glanz des Himmels. Es schien, er hielt sich frei, bis die Aeroplanen kämen.

Immer kamen von Zeit zu Zeit Nachrichten von ihnen, erst aus diesem Hafen des Mittelmeers, und dann aus jenem, und dann aus Südfrankreich. Aber von den neuen Kanonen, die Ostrog gebaut hatte, und von denen man wußte, daß sie in der Stadt waren, kam trotz Grahams Drängen keine Nachricht, noch auch kamen Berichte von Erfolgen aus dem dichten Kampfgürtel um die Flugbühnen. Sektion nach Sektion der Arbeitervereinigungen meldete sich versammelt, meldete sich auf dem Marsch und entschwand der Kenntnis im Labyrinth jenes Kampfes. Was geschah dort? Selbst die geschäftigen Bezirksführer wußten es nicht. Trotz des Öffnens und Schließens der Türen, trotz der eiligen Boten, des Glockenläutens und des beständigen Geklirrs und Geklappers berichtender Maschinen fühlte Graham sich isoliert, seltsam untätig, unwirksam.

Ihre Isolation erschien bisweilen als das seltsamste, das unerwartetste von allem, was seit seinem Erwachen geschehen war. Sie hatte etwas von jener Inaktivität, die in Träumen kommt. Ein Aufruhr, die betäubende Empfindung eines Weltenkampfes zwischen Ostrog und ihm, und dann dieses begrenzte, ruhige kleine Zimmer mit seinen Mundstücken und Glocken und dem gebrochenen Spiegel.

Dann wurde die Tür geschlossen, und sie waren zusammen allein; sie schienen scharf von dem ganzen unerhörten Weltsturm abgeschlossen, der draußen zusammenprallte, lebhaft der eine des andern bewußt, nur miteinander beschäftigt. Dann ging die Tür wieder auf, Boten traten ein; oder eine scharfe Glocke erstach ihre ruhige Heimlichkeit, und sie war wie ein Fenster in einem gutgebauten, hellerleuchteten Hause, das plötzlich von einem Wirbelsturm aufgeworfen wird. Dies dunkle Eilen und der Aufruhr, der Nachdruck und die Heftigkeit der Schlacht, das stürzte herein und übermannte sie. Sie waren keine Personen mehr, nur noch Zuschauer, nur noch Eindrücke von einer riesigen Umwälzung. Sie wurden sich selber unwirklich, wurden Miniaturen von Persönlichkeiten, unbeschreiblich klein, und die zwei widerstreitenden Wirklichkeiten, die einzigen Wirklichkeiten, die vorhanden waren, waren erstens die Stadt, die dort in verspätetem Verteidigungswahnsinn pochte und brüllte, und zweitens die Aeroplanen, die über die runde Schulter der Welt her unerbittlich auf sie zu jagten.

Erst war ihre Stimme die begeisterten Vertrauens gewesen, ein großer Stolz hatte sie besessen, ein Stolz aufeinander wegen der Größe der Ereignisse, die sie herausgefordert hatten. Erst war er im Zimmer auf und ab gegangen, beredt vor der flüchtigen Überzeugung von seinem ungeheuren Schicksal. Aber langsam rührten unruhige Ahnungen von ihrer kommenden Niederlage an seinen Geist. Es kam eine lange Zeit, in der sie allein blieben. Er wechselte sein Thema, wurde egoistisch, sprach von dem Wunder seines Schlafs, vom kleinen Leben seiner Erinnerung, dem fernen und doch winzig klaren, einem Dinge gleich, das man durch ein umgekehrtes Opernglas sieht, und von dem ganzen kurzen Spiel von Wünschen und Irrtümern, das sein früheres Leben ausgemacht hatte. Sie sagte wenig, aber die Erregung in ihrem Gesicht folgte dem Ton in seiner Stimme, und ihm schien, er fand endlich vollständiges Verständnis. Er kam von der reinen Erinnerung auf jenes Gefühl der Größe zurück, das sie ihm auferlegte. »Und während all der Zeit stand dies Geschick vor mir,« sagte er; »dies ungeheure Erbe, von dem ich mir nicht träumen ließ.«

Unmerklich ging ihre heroische Beschäftigung mit dem Ringen der Revolution auf die Frage ihrer Beziehungen über. Er begann, ihr Fragen zu stellen. Sie erzählte ihm von den Tagen vor seinem Erwachen, sprach mit kurzer Lebhaftigkeit von den Mädchenträumen, die ihrem Leben den Ausschlag gegeben hatten, von den ungläubigen Empfindungen, die sein Erwachen geweckt hatte. Sie erzählte ihm auch von einem tragischen Umstand ihrer Kindheit, der ihr Leben verdunkelt, ihre Empfindung für die Ungerechtigkeit belebt und ihr Herz frühzeitig den weiteren Schmerzen der Welt geöffnet hatte. Kurze Zeit war, wenigstens für ihn, der große Kampf um sie her nur der ungeheure veredelnde Hintergrund für diese persönlichen Dinge.

In einem Moment wurden diese persönlichen Beziehungen untergetaucht. Es kamen Boten, daß eine große Aeroplanenflotte zwischen dem Himmel und Avignon hinjage. Er trat zur kristallenen Scheibe im Winkel und überzeugte sich, daß es so war. Er ging ins Kartenzimmer und sah eine Karte nach, um die Entfernungen zwischen Avignon, Neu-Arawan und London zu messen. Er stellte schnelle Berechnungen an. Er ging ins Zimmer der Bezirksführer, um nach Nachrichten über den Kampf um die Bühnen zu fragen – und niemand war da. Nach einiger Zeit kam er zu ihr zurück.

Sein Gesicht war verwandelt. Ihm war aufgedämmert, daß der Kampf vielleicht mehr als halb vorbei sei, daß Ostrog seinen Boden behauptete, daß die Ankunft der Aeroplanen eine Panik bedeuten würde, die ihn hilflos machen konnte. Eine zufällige Phrase in der Botschaft hatte ihm die Wirklichkeit gezeigt, die gekommen war. Jeder dieser schwebenden Riesen trug seine tausend halbwilden Neger in den Todeskampf der Stadt. Plötzlich zerbrach seine Humanitätsbegeisterung. Nur zwei von den Bezirksführern waren in ihrem Zimmer, als er sich dann dorthin begab; die Atlashalle schien leer. Er meinte eine Veränderung in der Haltung der Diener in den äußeren Zimmern zu sehen. Eine düstere Enttäuschung verdunkelte ihm den Sinn. Sie sah ihn besorgt an, als er zu ihr zurückkehrte.

»Keine Nachricht,« sagte er mit angenommener Sorglosigkeit als Antwort auf ihren Blick.

Dann trieb es ihn zur Offenheit. »Oder vielmehr – schlechte Nachricht. Wir verlieren. Wir gewinnen keinen Boden, und die Aeroplanen kommen immer näher.«

Er ging ganz durchs Zimmer und machte kehrt.

»Wenn wir diese Flugbühnen nicht in der nächsten Stunde nehmen – werden furchtbare Dinge geschehen. Wir werden geschlagen.«

»Nein!« sagte sie. »Wir haben das Recht – wir haben das Volk. Wir haben Gott auf unserer Seite.«

»Ostrog hat die Disziplin – er hat Pläne. Wissen Sie, da draußen eben hatte ich ein Gefühl – Als ich hörte, daß diese Aeroplanen eine Etappe näher sind. Ich hatte das Gefühl, als kämpfe ich gegen die Maschinerie des Schicksals.«

Sie gab eine Weile keine Antwort. »Wir haben recht gehandelt,« sagte sie schließlich.

Er sah sie zweifelnd an. »Wir haben getan, was wir haben tun können. Aber hängt dies von uns ab? Ist es nicht eine ältere Sünde, eine weitere Sünde?«

»Was meinen Sie?« fragte sie.

»Die Schwarzen sind Wilde, von der Gewalt regiert, als Gewalt gebraucht. Und sie haben zweihundert Jahre lang unter der Herrschaft der Weißen gestanden. Ist es nicht ein Rassenkampf? Die Rasse hat gesündigt – die Rasse zahlt.«

»Aber diese Arbeiter, diese armen Leute in London –!«

»Stellvertretende Sühne. Unrecht dulden heißt, die Schuld teilen.«

Sie sah ihn scharf an, erstaunt über die neue Seite, die er ihr zeigte.

Draußen ertönte das schrille Läuten einer Glocke, das Geräusch von Füßen und das Reden einer phonographischen Botschaft. Der Mann in Gelb erschien. »Ja?« sagte Graham.

»Sie sind über Vichy.«

»Wo sind die Leute, die in der großen Atlashalle waren?« fragte Graham unvermittelt.

Dann schellte die Schwätzmaschine von neuem. »Wir können noch gewinnen,« sagte der Mann in Gelb, als er hinausging. »Wenn wir nur herausfinden, wo Ostrog seine Kanonen versteckt hat. Davon hängt alles ab. Vielleicht ist dies –«

Graham folgte ihm. Aber die Nachricht galt den Aeroplanen. Sie hatten Orleans erreicht.

Graham kehrte zu Helene zurück. »Nichts Neues,« sagte er. »Nichts Neues!«

»Und wir können nichts tun?«

»Nichts.«

Er ging ungeduldig hin und her. Plötzlich fegte der rasche Zorn, der seine Natur war, über ihn hin. »Diese verfluchte komplizierte Welt!« rief er, »und all die Erfindungen der Menschen! Daß ein Mensch wie eine Ratte in einer Falle sterben muß, ohne auch nur seinen Feind zu sehen! O, nur ein Hieb! ...«

Er drehte sich mit plötzlichem Wechsel im Wesen um. »Das ist Unsinn,« sagte er. »Ich bin ein Wilder.«

Er ging und blieb stehen. »Schließlich sind London und Paris nur zwei Städte. Die ganze gemäßigte Zone hat sich erhoben. Wie, wenn London auch gerichtet ist und Paris zerstört? Das sind nur Zufälle.« Wieder kam der Hohn der Nachrichten und rief ihn zu frischen Fragen. Er kehrte mit ernsterem Gesicht zurück und setzte sich neben sie.

»Das Ende muß nahe sein,« sagte er. »Das Volk, so scheint es, hat gekämpft und ist zu Zehntausenden gefallen, die Wege um Roehampton müssen wie ein ausgeräucherter Bienenkorb sein. Und sie sind vergeblich gestorben. Sie sind immer erst auf der Unterbühne. Die Aeroplanen sind dicht bei Paris. Selbst, sollte jetzt ein Strahl des Erfolges kommen, es wäre nichts zu machen, man könnte nichts mehr tun, bevor sie über uns sind. Die Kanonen, die uns hätten retten können, sind verlegt. Verlegt! Denken Sie sich diese Unordnung! Denken Sie sich diesen törichten Aufruhr, der nicht einmal seine Waffen finden kann. O, um einen Aeropil – nur einen! Weil der fehlt, werde ich geschlagen. Die Menschheit wird geschlagen und unsere Sache ist verloren! Mein Königtum, mein jähes, törichtes Königtum wird keine Nacht lang dauern. Und ich habe das Volk zum Kampf angereizt –«

»Sie hätten auf jeden Fall gekämpft.«

»Ich zweifle. Ich bin unter sie gekommen –«

»Nein,« rief sie, »nicht das. Wenn die Niederlage kommt – wenn Sie sterben – aber selbst das kann nicht sein, es kann nicht sein, nach all den Jahren.«

»Ah! Wir haben es gut gemeint. Aber – glauben Sie wirklich –?«

»Wenn man Sie schlägt,« rief sie, »haben Sie gesprochen. Ihr Wort ist wie ein großer Wind durch die Welt gegangen und hat die Freiheit zur Flamme entfacht. Wenn auch die Flamme ein wenig spritzt! Nichts kann das gesprochene Wort ändern. Ihre Botschaft wird hinausgehen ...«

»Zu welchem Ende? Vielleicht. Vielleicht. Sie wissen, ich sagte, als Sie mir von diesen Dingen erzählten – guter Gott! aber das war kaum vor ein paar Stunden! – ich sagte, ich habe nicht Ihren Glauben. Nun – auf jeden Fall ist jetzt nichts zu tun ...«

»Sie haben nicht meinen Glauben? Wollen Sie sagen –? Sie bereuen?«

»Nein,« sagte er eilig, »nein! Vor Gott – nein!« Seine Stimme wurde anders. » Aber – Ich glaube – ich bin unvorsichtig gewesen. Ich wußte wenig – ich griff zu hastig – ...«

Er hielt inne. Er schämte sich seines Geständnisses. »Eins entschädigt für alles. Ich habe Sie gekannt. Über diesen Abgrund der Zeit bin ich zu Ihnen gekommen. Das übrige ist abgetan. Und mit Ihnen ist es etwas mehr – oder etwas weniger –«

Er hielt inne, und sein Gesicht suchte in ihrem, und draußen lärmte die ungeheure Botschaft, daß die Aeroplanen zu Amiens in den Himmel stiegen.

Sie legte die Hand an den Hals, und ihre Lippen waren weiß. Sie starrte vor sich hin, als sähe sie eine furchtbare Möglichkeit. Plötzlich veränderten sich ihre Züge. »O, aber ich bin ehrlich gewesen!« rief sie, und dann: »Bin ich ehrlich gewesen? Ich habe die Welt und die Freiheit geliebt, ich habe die Grausamkeit und Bedrückung gehaßt. Sicher ist es das gewesen.«

»Ja,« sagte er, »ja. Und wir haben getan, was zu tun uns gegeben war. Wir haben unsere Botschaft gegeben, unsere Botschaft! Aber jetzt – Jetzt, da wir vielleicht unsere letzte Stunde zusammen sind, jetzt, da all jene größeren Dinge geschehen sind ...«

Er hielt inne. Sie saß schweigend da. Ihr Gesicht war ein weißes Rätsel.

Einen Moment achteten sie eines plötzlichen Lärmens draußen nicht, eines Hin- und Herrennens und Rufens. Dann fuhr Helene in eine Haltung gespannter Aufmerksamkeit empor. »Es ist –« rief sie und stand auf, sprachlos, ungläubig, triumphierend. Und auch Graham hörte. Metallische Stimmen riefen: »Sieg!« Ja, es hieß: »Sieg!« Auch er stand auf, in den Augen das Licht einer verzweifelten Hoffnung.

Durch die Vorhänge kam der Mann in Gelb hereingestürzt, vor Aufregung verstört und zerzaust. »Sieg!« rief er. »Sieg! Das Volk gewinnt. Ostrogs Leute sind zusammengebrochen.«

Sie stand auf. »Sieg?« Und ihre Stimme war heiser und matt.

»Was meinen Sie?« fragte Graham. »Sagen Sie mir! Was?«

»Wir haben sie zu Norwood aus den unteren Galerien vertrieben, Streatham steht in Flammen und brennt wild, und Roehampton ist unser. Unser! – und wir haben den Aeropil genommen, der darauf lag.«

Einen Moment standen Graham und Helene schweigend da, das Herz schlug ihnen rasch, sie blickten einander an. Noch einen letzten Moment blitzte in Graham sein Traum von Kaisertum, von Königtum mit Helene an seiner Seite auf. Er blitzte auf und schwand.

Eine schrille Glocke schellte. Ein aufgeregter Graukopf erschien aus dem Zimmer der Bezirksführer. »Es ist alles vorbei,« rief er.

»Was tut es jetzt, daß wir Roehampton haben? Die Aeroplanen sind in Boulogne gesichtet.«

»Der Kanal,« sagte der Mann in Gelb. Er rechnete schnell. »Eine halbe Stunde.«

»Sie haben noch drei von den Flugbühnen,« sagte der Alte.

»Die Kanonen?« rief Graham.

»Wir können sie nicht aufstellen – in einer halben Stunde.«

»Wollen Sie sagen, sie sind gefunden?«

»Zu spät!« sagte der Alte.

»Wenn wir sie noch eine Stunde aufhalten könnten!« rief der Mann in Gelb.

»Nichts kann sie mehr aufhalten,« sagte der Alte. »Sie haben fast hundert Aeroplanen in der ersten Flotte.«

»Noch eine Stunde?« sagte Graham.

»So nah zu sein!« sagte der Bezirksführer. »Jetzt, wo wir die Kanonen gefunden haben. So nah zu sein. – Wenn wir sie einmal auf die Dachräume hinauf hätten!«

»Wie lange würde das dauern?« fragte Graham plötzlich.

»Eine Stunde – gewiß.«

»Zu spät!« rief der Bezirksführer. »Zu spät.«

» Ist es zu spät?« sagte Graham. »Noch jetzt – eine Stunde!«

Er hatte plötzlich eine Möglichkeit erkannt. Er versuchte ruhig zu sprechen, aber sein Gesicht war weiß. »Es gibt eine Möglichkeit. Sie sagten, es läge ein Aeropil –?«

»Auf der Roehampton-Bühne, Sire.«

»Zerschmettert?«

»Nein. Er liegt quer über dem Träger. Er wäre leicht auf die Stangen zu bringen. Aber wir haben keinen Aeronauten –«

Graham warf einen Blick auf die beiden Männer und dann auf Helene. Er sprach nach einer langen Pause. » Wir haben keine Aeronauten?«

»Keine.«

»Die Aeroplanen sind plump,« sagte er nachdenklich, »im Vergleich mit den Aeropilen.«

Er wandte sich plötzlich zu Helene. Seine Entscheidung war getroffen. »Ich muß es tun.«

»Was tun?«

»Zu dieser Flugbühne gehn – zu diesem Aeropil.«

»Was meinen Sie?«

»Ich bin ein Aeronaut. Schließlich – jene Tage, die Sie mir vorwarfen, waren doch nicht ganz verschwendet.«

Er wandte sich zu dem Alten in Gelb. »Sagen Sie ihnen, sie sollen den Aeropil auf die Stangen bringen.«

Der Mann in Gelb zögerte.

»Was wollen Sie tun?« rief Helene.

»Dieser Aeropil – es ist eine Möglichkeit –«

»Sie wollen doch nicht sagen –?«

»Zu kämpfen – ja. In der Luft zu kämpfen. Ich habe schon daran gedacht. – Die Aeroplanen sind plump. Ein entschlossener Mann –!«

»Aber – nie solange man fliegt –«, rief der Mann in Gelb.

»Es ist nie nötig gewesen. Aber jetzt ist die Zeit gekommen. Sagen Sie ihnen jetzt – schicken Sie ihnen meinen Befehl – ihn auf die Stangen zu bringen.«

Der Alte befragte stumm den Mann in Gelb, nickte und eilte fort.

Helene tat einen Schritt auf Graham zu. Ihr Gesicht war weiß. »Aber – wie kann man kämpfen? Sie werden getötet werden.«

»Vielleicht. Und doch, es nicht tun – oder es jemand anders versuchen lassen –«

Er hielt inne, er konnte nicht mehr reden, er fegte die Alternative mit einer Geste beiseite, und sie standen da und sahen einander an.

»Sie haben recht,« sagte sie zuletzt mit leiser Stimme. »Sie haben recht. Wenn es zu tun ist ... Sie müssen gehn.«

Er ging einen Schritt auf sie zu, und sie trat zurück, ihr weißes Gesicht rang gegen ihn und widerstand ihm. »Nein,« keuchte sie. »Ich kann es nicht ertragen – gehn Sie jetzt.«

Er streckte stumpf die Hände aus. Sie ballte die Fäuste. »Gehn Sie,« rief sie. »Gehn Sie jetzt.«

Er zögerte und verstand. Er hob die Hände mit einer wunderlichen, halb theatralischen Geste. Er hatte kein Wort mehr. Er wandte sich von ihr.

Der Mann in Gelb ging mit plumpem, verspätetem Takt zur Tür. Aber Graham schritt an ihm vorbei. Er eilte mit großen Sätzen durch das Zimmer, wo der Bezirksführer in ein Telephon schrie und befahl, daß der Aeropil auf die Stangen gebracht würde.

Der Mann in Gelb warf einen Blick auf Helenes ruhige Gestalt, zögerte und eilte ihm nach. Graham blickte kein einziges Mal zurück, er sprach nicht eher, als bis der Vorhang des Vorzimmers der großen Halle hinter ihm gefallen war. Dann wandte er den Kopf mit kurzen, schnellen Befehlen auf den blutlosen Lippen.


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