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»Das hätten wir also herausbekommen«, sagte Luke grimmig. »Das Datum in der Zeitungsanzeige war nicht ganz richtig angegeben, um die Leute irrezuführen. Wir wollen jetzt einmal zur Versteigerung des Siegers gehen.«
Es war ein nicht allzu bestechend aussehender Brauner, der einem Rennstallbesitzer im Norden Englands gehörte. Luke sah in seinem Rennbuch nach und stellte fest, daß das Pferd nur ein Rennen mitgemacht hatte, und zwar als Zweijähriger.
Die Angebote stiegen bis auf zwölfhundert Pfund, bevor das Pferd von dem früheren Eigentümer wiedererworben wurde.
»Das war ja nun auch wieder ein richtiges Theater«, sagte Luke geheimnisvoll. »Der Mann, dem das Tier gehören soll, hat in seinem Leben überhaupt nie zwölfhundert Pfund besessen. Sehen Sie, dort steht der richtige Eigentümer!«
Er zeigte auf den korpulenten Mr. Trigger, der selbstzufrieden quer über den Sattelplatz ging, eine dicke Zigarre rauchte und allem Anschein nach mit sich und der Welt zufrieden war. Blanter und Goodie standen in der Nähe der Barriere und sprachen eifrig miteinander. Gleich darauf trat Trigger zu ihnen.
»Sie haben diese Transaktion für einen Zeitraum nach dem nächsten Donnerstag angekündigt«, erklärte Luke. »Die Anzeige war vollkommen überflüssig. Trigger will ja auch keine neuen Kunden durch die Zeitung werben; er nimmt sie doch nur auf Empfehlungen hin an. Aber es ist tatsächlich schwer, diesen Kerlen auf die Finger zu sehen. Trigger und seine Partner haben das eine große Geheimnis des Erfolges auf dem Rennplatz erfaßt, und das ist Geduld, Geduld und nochmals Geduld!«
Als Edna zu der Gruppe hinübersah, trennten sich die drei voneinander. Trigger und der Doktor gingen langsam nach dem Rennbüro, und Goodie blieb allein. Er sah düster drein, während er sich mit dem Rücken an die Barriere lehnte. Die Daumen hatte er in die Westentaschen gesteckt und den Blick auf den Boden gesenkt.
»Ich möchte ihn gern einmal sprechen«, sagte Edna. »Wollen Sie so freundlich sein und mich mit ihm bekannt machen?«
»Ja, selbstverständlich«, sagte er dann. »Es fragt sich nur, ob es empfehlenswert ist, daß ich mich in der Rolle Ihres Beschützers und Freundes zeige. Aber die haben uns wahrscheinlich schon gesehen, und wissen können sie auch ruhig, daß Sie mit der Polizei in Verbindung stehen.«
Er ging mit ihr auf Goodie zu, der auch dann nicht aufsah, als sie bereits vor ihm standen. Aber Edna wußte instinktiv, daß er sie unter seinen gesenkten Augenlidern hervor den ganzen Weg quer über den Sattelplatz beobachtet hatte.
»Guten Tag, Mr. Goodie. Miss Gray möchte Sie kennenlernen.«
Goodie schaute langsam auf, zog einen seiner Daumen aus der Westentasche und reichte ihr gleichgültig die Hand. Sein Anblick aus nächster Nähe war noch weniger anziehend, als sie gedacht hatte. Viele Linien und Furchen durchzogen sein gelbes Gesicht, das an einen vertrockneten Apfel erinnerte. Sein Alter konnte man nur schwer schätzen.
Zuerst glaubte Edna, der böse Blick des Mannes gelte Mr. Luke, aber später sah sie, daß sich der abstoßende Ausdruck in Goodies Augen kaum änderte.
»Wie geht es Ihnen, Miss Gray?«
Er sprach langsam und sah sie mit seinen blaßblauen Augen durchdringend an, als ob er ihre Gedanken lesen wollte.
»Ich hörte, daß Sie die Absicht haben, in Ihre Heimat zurückzukehren und in Longhall House zu wohnen. Zu dem Zweck wollten Sie doch wohl auch den Schlüssel haben? Ich habe an Mr. Rustem telegrafiert, daß er sie Ihnen schicken soll. Er wohnt diese Woche vorübergehend in meinem Hause. Es tut mir leid, daß Sie sich auf Longhall niederlassen wollen, denn das ganze Haus ist mit Ratten verseucht. Es ist schwer, die Tiere niederzuhalten, wenn die Ställe in der Nähe sind, Miss Gray. Sie werden finden, daß sie eine große Plage für Sie sind.«
Er machte eine Pause und feuchtete die blutleeren Lippen mit der Zunge an, behielt Edna aber im Auge.
»Hinzu kommt, daß die Sorte, die wir draußen bei uns haben, besonders wild ist. Einer meiner Angestellten wurde neulich sogar von einem ganzen Rudel Ratten angegriffen.«
»Ich habe Ratten ganz gern«, entgegnete sie ruhig.
Luke, der sich im allgemeinen nicht leicht verblüffen ließ, hielt vor Überraschung den Atem an. Einen Augenblick war auch Goodie erstaunt.
»Nun, dann haben Sie ja reichlich Gelegenheit, sie zu beobachten und sich mit ihnen zu beschäftigen.«
Die Zigarre, die er im Mund hatte, brannte nicht; er machte sich auch nicht die Mühe, sie herauszunehmen, als er mit ihr sprach.
»Mein Angestellter hat mir gesagt, daß Sie mit Ihrem Auto da waren. Es hat mir leid getan, daß ich nicht zu Hause war. Haben Sie auch meine Pferde gesehen?«
Es war außergewöhnlich, daß Goodie auf derartige Dinge einging. Luke war nicht wenig verwundert. Aber er kannte den Mann sehr gut und wußte, daß Goodie mit jedem Wort, das er sagte, einen bestimmten Zweck verfolgte.
»Wir konnten sie einen Augenblick sehen, als sie vom Trainingsgelände zurückkehrten«, sagte Edna und fügte dann harmlos hinzu: »Ich nahm Mr. Garcia mit nach dort. Er ist auch ein großer Pferdezüchter und freute sich, daß er eine ganze Anzahl englischer Rennpferde zu sehen bekam.«
Mr. Goodie nickte langsam.
»Mr. Garcia ist Besitzer eines Gestütes? Nun, ich freue mich das zu hören. Ich lasse es bei meinen Pferden an nichts fehlen und sehe vor allem darauf, daß sie reichlich Futter und gesunde Ställe haben. – Ich hoffe, daß Sie Ihre Schlüssel bald bekommen. Wenn ich sonst noch etwas für Sie tun kann, Miss Gray, dann brauchen Sie es mir nur mitzuteilen. Aber – wie gesagt, die Ratten ...«
»Ich freue mich geradezu auf sie«, erwiderte Edna guten Mutes und verabschiedete sich.
*
»Sie haben doch nicht etwa wirklich Ratten gern?« fragte Luke, als sie durch die Menge weitergingen.
»Ich verabscheue sie«, erklärte sie mit einem schnellen Lächeln, »aber ich wollte mich von ihm nicht einschüchtern lassen. Er möchte doch anscheinend unter allen Umständen verhindern, daß ich nach Longhall ziehe. Ich habe mich aber fest entschlossen, dort zu wohnen.«
Er blieb stehen und sah sie groß an.
»Was – Sie wollen dort wohnen? In der Nähe von Goodie?«
Sie nickte.
»Aber doch nicht ganz allein?«
»Natürlich stelle ich einige Dienstboten ein.«
Zum erstenmal war es ihr unangenehm, daß er sich in ihre Angelegenheiten einmischte; aber ihr Unmut ging sofort vorüber.
»Warum sollte ich es denn nicht tun, Mr. Luke?«
»Weil es nicht gut ist«, entgegnete er mit Nachdruck. »Ich glaubte, Sie wollten das Haus nur aus Neugierde besuchen und dann verpachten. Es ist mir nicht im Traum eingefallen, daß Sie sich tatsächlich dauernd dort aufhalten wollen. Wissen Sie auch, was Goodie war, bevor er Rennpferde trainierte?«
Ehe sie antworten konnte, hörten sie einen Schrei hinter sich und drehten sich sofort um.
Auf irgendeine Weise hatte sich ein hagerer, hochbeiniger Wolfshund auf den Rennplatz eingeschlichen.
Eins der Pferde wurde von einem Stallknecht hin und her geführt, damit es sich abkühlen sollte, und dieses Tier sprang der Hund plötzlich an. Erschreckt schlug das Pferd aus, und es mußte den Hund an der Schulter gestreift haben, denn der packte es nun wild an der Kehle. Das Tier stieß einen Schreckensschrei aus, richtete sich auf den Hinterbeinen auf und schlug mit den Vorderhufen um sich, ohne den Hund abschütteln zu können.
Im selben Augenblick sprang Goodie über die Barriere. Mit ein paar langen Sätzen hatte er die beiden Tiere erreicht, packte den großen, schweren Hund mit einer Hand und den Zügel des Pferdes mit der anderen. Mit einer starken Bewegung seines Armes schleuderte er den Hund in die Mitte des Platzes, wo er bewegungslos liegenblieb. Das Pferd blutete am Hals und wollte erschreckt davonstürmen. Es wieherte wild und schlug aus, aber Goodie hielt es fest am Zügel. Gleich darauf sprang auch der Trainer des Pferdes hinzu. Der Hund rührte sich immer noch nicht.
»Der scheint tot zu sein«, sagte Luke. »Goodie hat ihm mit dem einen Griff das Genick gebrochen. Der Mann hat die Stärke eines Büffels.«
Edna sah auf Goodie, der jetzt unter der Barriere durchschlüpfte und in der Menge verschwand.
»Das war aber erstaunlich mutig«, sagte sie.
»Ja, bevor er Pferde trainierte, hat er wilde Tiere dressiert er hat sogar im Löwenkäfig gestanden. Schließlich besaß er selbst eine reisende Menagerie. Das wäre ein weiterer Grund für Sie, nicht in Longhall zu wohnen.«
In diesem Augenblick ärgerte sie sich wirklich über ihn.
»Sie tun so, als ob Sie einfach über mich zu verfügen hätten«, erwiderte sie kurz und kühl.
»Ja, das ist meine spezielle Schwäche. Aber kommen Sie jetzt mit auf die Tribüne.«
Sie hatte sich entschlossen, Doncaster am folgenden Morgen zu verlassen. Es hatte deshalb keinen Zweck, sich mit dem Mann zu streiten, der sonst immer so liebenswürdig zu ihr gewesen war und den sie wahrscheinlich doch nicht wiedersehen würde.
Schweigend stiegen sie die vielen Treppen hinauf und mischten sich unter die Leute, die in der obersten Reihe standen.
Das zweite Rennen wurde angekündigt, und die Pferde kamen mit ihren Reitern zum Start. Edna konnte über die Rückwand hinab auf die Straße sehen, die tief unter ihr lag. Als sie gleichgültig nach links blickte, entdeckte sie einen großen Wagen, der aus der Richtung von London kam und vor dem Eingang zu den Tribünen anhielt. Er war grauweiß von Staub. Die beiden Insassen trugen Ledermäntel und waren nicht zu erkennen. Sie stiegen, etwas steif nach der langen Fahrt, aus dem Wagen. Als der eine den Mantel öffnete und Lederkappe und Schutzbrille abstreifte, bemerkte sie zu ihrem Erstaunen, daß es der tadellos gekleidete Mr. Arthur Rüstern war. Er sah aber nicht so gut aus wie sonst.
Sein Begleiter war der etwas aufdringliche junge Mann aus seinem Büro. Der frühere Anwalt wandte sich zum Eingang und verschwand. Sie trat zu Luke zurück und erzählte ihm, was sie gesehen hatte.
»Was – Rustem ist hier? Der geht doch für gewöhnlich nicht zum Rennen.«
Er hob den Feldstecher an die Augen, suchte unten den Sattelplatz ab und entdeckte in der Menge Mr. Rustem, der noch den Ledermantel trug. Dr. Blanter, Goodie und der kleine Mr. Trigger, die Rustem suchte, hielten sich in der äußeren Ecke des Sattelplatzes auf. Gleich darauf standen sie im Kreis und steckten die Köpfe zusammen. Es mußte eine besonders wichtige Veranlassung vorliegen, daß Rustem zum Rennen kam, um sich mit den anderen in Verbindung zu setzen. Luke konnte durch den Feldstecher auch erkennen, daß Dr. Blanter ein ärgerliches Gesicht machte.
Trigger, der allem Anschein nach aufpaßte, daß sie von niemandem belauscht wurden, sah sich häufig um. Als eine Gruppe von Leuten in ihre Nähe kam, gingen sie ein wenig zur Seite. Einmal gewahrte Luke auch, daß Goodie auf die Tribüne zeigte und irgend etwas sagte.
»Ich habe das Gefühl, daß sie über uns sprechen«, meinte er. »Können Sie sie sehen?«
Edna nickte.
»Ich möchte nur wissen, ob er meine Schlüssel mitgebracht hat«, sagte sie dann.
»Ihre Schlüssel! Meinen Sie, Rustem wäre aus London nach Yorkshire gekommen, um –«
Er brach unvermittelt ab. Drei der Leute gingen plötzlich schnell über den Sattelplatz und kamen außer Sicht. Luke eilte zum höchsten Punkt der Tribüne und schaute über die Mauer nach unten. Der große, staubbedeckte Wagen stand noch vor dem Eingang; Pilcher ging unten auf und ab und rauchte eine Zigarette. Die drei kamen zum Ausgang heraus und hielten noch eine kleine Besprechung auf der Straße ab. Dann langte Pilcher in den Wagen und holte einen kleinen Handkoffer heraus. Im selben Augenblick stiegen zwei der anderen ein, das Auto wendete und fuhr den Weg zurück, den es gekommen war.
»Warum die wohl nach London fahren?« meinte Luke nachdenklich. »Und warum haben sie Pilcher hier in Doncaster zurückgelassen?«
»Kennen Sie den auch?« fragte sie überrascht.
»Ich kenne alle Leute.«
Als er wieder über die Mauer spähte, war Pilcher verschwunden.
»Wahrscheinlich hat er eine Straßenbahn erwischt und ist in die Stadt gefahren.«
Edna zerbrach sich den Kopf, was Luke in Doncaster wohl zu tun hätte. Es war doch sehr unwahrscheinlich, daß Scotland Yard, das immer zuwenig Leute hatte, einen so wichtigen Beamten aussandte, um die Durchführung von einer der Triggerschen Transaktionen zu beobachten.
»Es ist möglich, daß sie morgen zurückkommen. Allem Anschein nach ist etwas mit Triggers Transaktionen passiert. Was es auch sein mag – wichtig ist es auf jeden Fall.«
Luke fuhr Edna vor dem letzten Rennen nach Hause, und als er ihr anbot, sie abends zum Essen auszuführen und ihr die Stadt zu zeigen, konnte sie im Augenblick keinen triftigen Entschuldigungsgrund finden.
Sie trank Tee in ihrem Wohnzimmer, und ihre Wirtin erzählte mit offensichtlichem Stolz, daß sie einen zweiten Mieter bekommen habe, der das untere Schlafzimmer und auch das Wohnzimmer gemietet habe.
Edna interessierte sich wenig dafür. Sie hatte Möbelkataloge aus London mitgenommen, ebenso Preislisten von Teppichen, Gardinen und Vorhängen, und sie brachte nun eine Stunde damit zu, Pläne für die Einrichtung und Ausstattung ihres Hauses zu machen.
Edna Gray war früher Stenotypistin gewesen. Als sie siebzehn Jahre alt war, starb ihre Mutter, und sie hatte sich mit einem kleinen Gehalt ziemlich mühselig durchschlagen müssen. Sie wußte wohl, daß sie irgendwo in Südamerika einen Onkel hatte, aber er existierte kaum wirklich für sie, bis eines Tages zu ihrem größten Erstaunen ein langer Brief von ihm eintraf. Er bat sie darin, zu ihm zu kommen. Dann hatte sie sechs glückliche Jahre mit ihm verlebt. Jeden Tag hatte sie im Sattel sitzen dürfen und war Herrin eines großen, luxuriös ausgestatteten Hauses gewesen. Als ihr Onkel starb, wurde sie seine Universalerbin und konnte ihr Leben einrichten, wie es ihr paßte.
Longhall hatte sie als Kind einmal aufgesucht. Die Erinnerung daran war nicht allzu angenehm. Das Haus war düster, wenn auch sehr repräsentativ und groß – ein schöner, alter Landsitz aus der Zeit der Tudors, zu dem tausend Morgen Land gehörten. Es war der Wunsch ihres alten Onkels Donald gewesen, daß sie nach seinem Tod nach England zurückkehren sollte. In gewisser Weise war dieser Wunsch leicht zu erfüllen, denn sie hatte nur wenige Freunde in Südamerika. Ihr Onkel hatte ziemlich zurückgezogen gelebt, und sie war nur selten nach Buenos Aires gekommen, höchstens, wenn sie sich Kleider anfertigen ließ oder einmal ins Theater ging.
Mr. Garcia war nahezu ihr einziger Freund gewesen, und es fiel ihr daher nicht schwer, sich von dem einsamen Leben zu trennen, das sie auf der Estanzia ihres Onkels geführt hatte. In England hatte sie noch verschiedene alte Bekannte, die sie wieder aufsuchen konnte.
Als sie am Abend mit Luke zusammen speiste, erzählte sie ihm von ihren Plänen.
»Ach, haben Sie wirklich die Absicht, sich auch einen eigenen Rennstall einzurichten?« sagte dieser. »Nun, Sie können schließlich noch schlimmere Dinge tun. Ich habe es mir ja bisher versagt, Sie danach zu fragen, wieviel Geld Sie haben. Außerdem weiß ich zufällig, daß Sie eine Viertelmillion besitzen und dreizehntausend Pfund im Jahr – nach einiger Zeit wahrscheinlich noch bedeutend mehr – verbrauchen können. Aber Sie werden doch nicht im Ernst in Longhall wohnen wollen?«
»Warum denn nicht?« fragte sie trotzig.
»Weil mir das nicht lieb ist. Das mag ja kein stichhaltiger Grund sein, aber es ist der einzige, den ich dafür anführen kann. Was ich dagegen habe, beruht auf einer Theorie, die bis jetzt noch nicht zu beweisen ist, wenn ich auch von ihrer Richtigkeit überzeugt bin. Sie sind doch schon einmal dort gewesen. Haben Sie nicht die Eisenstangen vor den Fenstern gesehen und die großen Parktore, die mit Maschendraht bespannt sind? Und wissen Sie auch, warum die neuen Ställe, die Goodie errichten ließ, nicht benützt werden? Er hat nämlich andere Ställe ein paar hundert Meter vom Haus entfernt gebaut. Sie liegen direkt auf den Abhängen der Hügelkette. Und waren Sie vor allem schon in den Perrywig-Höhlen? Die liegen auch auf dem Gelände, das er von Ihnen gepachtet hat. Die Haupthöhle hat zwei eiserne Tore, und man nimmt in der Gegend allgemein an, daß da eine Frau umgeht, die vor zwanzig Jahren dort ermordet wurde.«
Er sah sie fest und herausfordernd an, zuckte mit keiner Wimper und lächelte auch nicht.
»Ich habe das alles im Ernst gesagt. An bestimmten Abenden soll man die unglückliche Frau schreien hören, daß einem die Haare zu Berge stehen.«
Er machte eine Pause.
»Haben Sie die Schreie dieser unglücklichen Frau etwa auch gehört?« fragte Edna.
»Ja. Es war ein sehr unangenehmes Erlebnis.«
Sie lachte leise.
»Sie werden mir doch keine Gespenstergeschichten erzählen wollen«, sagte sie ärgerlich. »Ich weiß nicht, was Sie eigentlich vorhaben. Goodie erzählt mir von Ratten, und Sie – aber ich möchte nicht unhöflich sein. Ich glaube nicht an die Ratten in Longhall House, und ich glaube auch nicht an Ihren Geist, der so fürchterlich schreit. Wollen Sie mich nur aus diesem Grund nicht nach Longhall lassen?«
Luke strich Butter auf ein Stück Toast.
»Ja, zum Teil.«
»Nun, ich gehe aber trotzdem. Ich glaube nicht an Ratten, Gespenster oder ähnlichen Spuk, und ich werde in Longhall House wohnen, weil mein Großvater und dessen Vater und viele Generationen von Gillywoods dort gelebt und gewohnt haben.«
Er sah sie lange an, ohne ein Wort zu sagen.
»Wenn Sie sich tatsächlich nicht davon abbringen lassen, dann wäre es besser, wenn ich erst einmal hinführe und das Haus untersuchte, bevor Sie einziehen. Ich bin ein großer Rattenjäger. Und Sie gestatten sicher auch, daß ich Ihnen einen Rat wegen der Dienstboten gebe. Sie brauchen einen Butler und einen Diener, besser sogar zwei Diener, ganz gleich, welches Personal Sie sonst noch engagieren wollen. Es ist ein schrecklich einsamer Ort, und vor allem muß die männliche Dienerschaft sorgfältig ausgewählt werden. Gerade in letzter Zeit ist es vorgekommen, daß sich Verbrecher mit gefälschten Ausweisen in Vertrauensstellungen einschlichen.«
Er brachte sie dann nach Hause, und sie kamen zu gleicher Zeit mit einem Telegrafenboten an.
»Sind Sie Miss Gray?«
Sie merkte, daß Luke zusammenfuhr.
»Wer kennt Sie denn hier?« fragte er.
»Der Geschäftsführer des Carlton-Hotels. Ich habe ihm ein Telegramm geschickt und ihm mitgeteilt, daß ich morgen zurückkehren werde. Ich habe auch angefragt, ob Mr. Garcia nach London zurückgekommen ist. Aber warum fragen Sie?«
»Ich interessiere mich dafür.«
Viele seiner Angewohnheiten gefielen ihr nicht, und doch wußte sie nicht, was sie eigentlich daran auszusetzen hatte. Er reichte ihr die Hand und klopfte ihr freundlich auf die Schulter, als er sich von ihr trennte.
»Gute Nacht. Ich werde Ihnen morgen den Sieger nennen.«
»Es ist möglich, daß ich morgen früh abreise. Wo kann ich Sie finden?»
Er logierte im ersten Hotel der Stadt.