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Die Hüter des Schatzes

Cala-cala, vor vielen Jahren, als die Portugiesen noch im Lande waren, ruderten einst viele Boote den Großen Strom hinauf. Damals gab es noch einen Fluß, der das Gebiet der N'gombi durchzog. Heute ist er ausgetrocknet, und man sieht noch eine mit wildem Dschungel bewachsene Vertiefung an seiner Stelle. Niemand wußte, woher die Boote mit den weißen Männern kamen. An der Grenze des Ochorilandes hielten sie an und schlugen ein befestigtes Lager auf. Sie zwangen die Eingeborenen mit Gewalt, ihnen dabei zu helfen. Dann tauchten andere weiße Leute auf und verfolgten sie. Es gab einen großen Kampf mit Schwertern und Speeren, aber schließlich siegten die Angreifer. Sie ließen alle Leute, die das Lager verteidigt hatten, über die Klinge springen. Als der Führer der siegreichen Partei aber nach den zehn Kisten suchte, die die Flüchtlinge mit sich gebracht hatten, konnte er sie nirgends finden. Irgend jemand sollte sie vergraben haben, und die Sage nannte verschiedene Plätze.

Von Zeit zu Zeit kamen Abenteurer und suchten nach den vergrabenen Schätzen. Ein Häuptling der Ochori, der dem Gerücht nach das Versteck kannte, wurde deshalb gefoltert; Kolonialbeamte des Distrikts stellten die sorgfältigsten Nachforschungen an. Auch mehrere Expeditionen forschten danach, aber es war alles umsonst. Die Legende von den verlorenen Reichtümern erhielt sich jedoch hartnäckig, und in einem Dorf der Ochori gab es drei Männer, die »die Hüter des Schatzes« genannt wurden. Und ihr Amt vererbte sich seit undenklichen Zeiten.

Niemand wußte, welche Schätze sie hüten sollten, aber sie behaupteten, daß sie genaue Kenntnis darüber besäßen. Und wenn einer von ihnen starb, so ernannten sie einen Nachfolger und teilten ihm das Geheimnis mit.

In der ganzen Kolonie erzählte man viel von dem vergrabenen portugiesischen Schatz. Auch Leutnant Tibbetts hatte sich schon darum bemüht, nachdem er im Traum das Versteck der Schätze gesehen hatte.

»Haben Sie direkt geträumt, daß Sie die Höhle sahen?« fragte Sanders ihn interessiert.

»Ja, meine liebe, gute Exzellenz. Es war eine verflucht große Höhle, direkt seitlich in den Bergen, und drinnen schimmerten viele Lichter in allen Farben. Ich ging hinein, und es kam ein Mann in einem weißen Gewand auf mich zu – vielleicht war es ein Engel – und sagte –«

»Willkommen, mein lieber Ali Baba«, ergänzte Hamilton. Bones schüttelte verächtlich den Kopf.

Aber als er das nächste Mal ins Land der Ochori kam, begab er sich zu einem Dorf, das in der Nähe der früheren portugiesischen Befestigung lag, und er fragte den Häuptling, ob die alte Sage wahr sei.

»O mein Herr Tibbetti, es ist wahr, daß ich und zwei alte Leute die Hüter des Schatzes sind, den noch kein Mensch gesehen hat. Er wird von Teufeln bewacht, die bei Tage unter den Bäumen sitzen und sich bei Nacht in Hunderte von Leoparden verwandeln, sobald ein Mann in die Nähe der Stelle kommt. Aber ich kann dir das Versteck nicht verraten, selbst wenn du mich und die beiden anderen Männer töten solltest.«

Bones brachte eine Woche dort oben in den Wäldern zu und suchte nach dem sagenhaften Schatz. Ohne daß er es wußte, wurde er dabei von einer Witwe beobachtet, die das gleiche Ziel hatte wie er. Nach einiger Zeit kehrte er zur Residenz zurück und mußte den Spott seiner beiden Vorgesetzten über sich ergehen lassen. Aber die Witwe setzte ihre Nachforschungen fort, denn sie hatte einen habgierigen Liebhaber, der reich werden wollte. Es war ein großer, stattlicher Mann, der Ton in sein Haar strich und ein Leopardenfell um die Schultern trug. Er tat jedoch nichts, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Die Frau hieß N'saki, und sie hatte schon drei Männer gehabt, die alle eines schnellen Todes gestorben waren, obwohl das nicht weiter auffiel, da sie alt gewesen waren. Daß alte Leute sterben, ist nicht verwunderlich. Aber N'saki kam dadurch in einen schlechten Ruf, und als sie sich M'gama, dem Häuptling des Dorfes, als Frau anbot, weigerte er sich, sie zu sich zu nehmen.

»Es scheint ein Teufel in dir zu leben, N'saki«, sagte er, »weil die Männer, die du liebst, so schnell ins Land der Geister wandern. Drei Hüter des Schatzes haben dich in ihre Hütte genommen, und alle drei starben. Ich möchte aber weiter leben, denn deine Schönheit bedeutet mir nichts, wenn ich sterbe.«

N'saki war eine reiche Frau, denn ihre drei früheren Männer waren mit Gütern gesegnet gewesen. Auch sah sie schön aus und war so klug, daß sie die Gedanken der Männer lesen konnte. Sie zählte erst achtzehn Jahre, war so schlank wie ein Schilfrohr und hatte keine Kinder. Der Dorfhäuptling kannte das Geheimnis des Schatzes, und deshalb hatte sie nur den einen Wunsch, seine Frau zu werden.

»Alle deine Anstrengungen waren umsonst«, sagte der Liebhaber ärgerlich zu ihr. »Drei sterbende Leute waren schon in deinen Händen, aber keiner hat dir die wundervolle Stelle gezeigt, und jetzt leben drei andere Hüter des Schatzes an ihrer Stelle.«

»O N'kema-M'bili!« erwiderte sie bittend. »Ich tat, was ich tun konnte. Zwei von ihnen habe ich ein wenig gewürgt, so daß sie zu Tode erschraken, aber sie fürchteten ihren großen Ju-ju und sagten mir nichts. Dieser Häuptling M'gama ist der größte Feigling. Wenn er mich zur Frau genommen hätte, wäre es mir wohl gelungen, ihn zum Geständnis zu bringen. Ich will ihn wieder fragen, und wenn er mich nicht zur Frau nehmen will, gehe ich zu Bosambo und erzähle ihm von diesem Schatz, denn ich glaube, M'gama weiß, woher der kleine gelbe Becher stammt.«

Diese Worte entsprachen der Wahrheit. In N'gamas Hütte befand sich eine Schale von wunderbarer Arbeit. Kluge Leute hielten das Metall, aus dem sie gefertigt war, für Gold; aber niemand war klug genug, zu vermuten, wo N'gama sie gefunden hatte. N'saki vermutete das Richtige.

»Ich finde schon einen Weg, ihn zum Sprechen zu bringen«, sagte sie für sich.

Und schließlich sollte ihr das auch mit Hilfe zweier Männer gelingen. Der eine stammte aus Senegal, der andere von der Kruküste. Sie hatten beide in New York gelebt und waren vor kurzer Zeit in das Gebiet des Großen Stromes gekommen.

Der eine, der aus Dakar kam, hieß Fendi. Er hatte eine fast schwarze Körperfarbe wie ein Nubier und fiel schon dadurch unter den braunen Eingeborenen am Strom auf. Die französischen Behörden liebten Fendi nicht, der drei Sprachen fließend beherrschte, und da die Franzosen das Gebiet am Senegal zu ihrem Kolonialreich zählen, war das nicht ohne Bedeutung. Es war ihnen unangenehm, daß er Einfluß hatte, und daß seine Geldmittel ihm erlaubten, ein luxuriöses Leben zu führen. Aber am meisten ärgerten sie sich darüber, daß er mit der westlichen Zivilisation in Berührung gekommen war. Fendi war schon in Frankreich gewesen und hatte als Boxer sowohl in Paris als auch in New York im Ring gekämpft. Aus Nordamerika hatte ihn die Einwanderungsbehörde ausgewiesen, weil er sich verschiedenes hatte zuschulden kommen lassen. Er war Mitglied einer berüchtigten Verbrecherbande geworden, und nach einem Feuergefecht hatte man ihn ins Hospital und von da auf einen Dampfer gebracht.

»Wenn du Nigger noch einmal versuchen solltest, in die Staaten zu kommen, sollst du was erleben«, sagte der Beamte beim Abschied warnend.

»Ich wäre sicher nicht der erste, den man heimlich niederknallen würde!« erwiderte Fendi höhnisch.

Er besaß so viel Geld, daß er den Rest seines Lebens in Wohlhabenheit und Luxus am Großen Strom hätte zubringen können.

Gleichzeitig mit ihm wurde ein Mr. Seluki ausgewiesen, der in Liberia geboren war und in Amerika für eine große Summe den Doktortitel erworben hatte.

Nachdem die beiden in der französischen Kolonie verschiedene Reisen gemacht hatten, ließen sie sich mit anderen unliebsamen Elementen in Dakar nieder. In dem kleinen Hotel, in dem sie wohnten, trafen sie auch einen christlichen Eingeborenen, der in Amerika erzogen worden war und früher in der Mission gearbeitet hatte. Wegen Unterschlagungen war er aber entlassen worden. Dieser Mann erzählte ihnen von dem Gebiet am Großen Strom, wo man herrlich leben könne. Er kannte Bosambo und sprach auch von dem großen portugiesischen Schatz.

Fendi hörte fasziniert zu. Seluki hatte schon früher von all diesen Dingen erfahren.

Vier Wochen später kamen die beiden mit dem Postdampfer an der Mündung des Großen Stromes an.

»Sie müssen als Eingeborene zum Amtmann gehen«, hatte ihnen der Christ geraten. »Wenn Sie in europäischer Kleidung kommen und englisch sprechen, wirft Sanders Sie sofort hinaus. Auch hat es keinen Zweck, als Christen oder Missionsleute aufzutreten und davon zu sprechen, daß Sie bekehrt worden seien. Sanders kann die Hallelujanigger unter keinen Umständen leiden. Wenn Sie aber als bescheidene Eingeborene auftreten, behandelt er Sie freundlich.«

Seluki, der das Bomongo fließend beherrschte, sprach für beide, als sie vor Sanders standen.

»O Herr«, sagte er, »wir wollen unseren Vetter Bosambo besuchen.«

Der Amtmann betrachtete sie mit einem kalten Blick.

»Du kommst aus Liberia, und dieser Mann hier stammt aus Senegal«, erwiderte er.

Fendi war außer sich, denn er erlebte zum erstenmal, daß ein weißer Mann die verschiedenen Stämme sofort unterscheiden konnte.

»Ich will vor allem hören, warum ihr zu den Ochori gehen wollt. Es kam schon einmal ein armer Verwandter Bosambos hierher, um ihn zu besuchen, und nachher gab es Schwierigkeiten. Denn Bosambo ist nicht so reich, daß er jedem Menschen Almosen schenken kann.«

»O Herr, wir sind nicht arm«, entgegnete Seluki eifrig. »Ich habe einen Sack voll Silber und auch ein Geldbuch.«

Er zeigte dem Amtmann einen großen Beutel, der eine hübsche Summe enthielt. Die drei Kisten, die sie mit an Land gebracht hatten, wurden nicht geöffnet.

»Zieht in Frieden nach Norden«, sagte Sanders. »Aber ihr geht in ein wildes, unzivilisiertes Land, in dem viele schlechte Menschen leben. Ihr dürft mir keinen Vorwurf machen, wenn ihr das Geld in der Nacht verliert.«

Fendi mußte lächeln.

*

Sie mieteten Leute, die sie von Chubiri den Strom hinaufruderten, aber schon lange bevor sie zu dem Land der Ochori kamen, wußte Bosambo von ihrem Kommen. Sanders hatte ihn durch eine Taubenpost darauf aufmerksam gemacht.

Die lange Reise den Strom hinauf war in einer Beziehung von Nutzen. Fendi besaß wie alle Eingeborenen an der Küste eine geringe Kenntnis fast aller Dialekte, die am Großen Strom gesprochen wurden, und als sie ins Ochoriland kamen, beherrschte er die Bomongosprache fließend. Das Gebiet machte keinen großen Eindruck auf ihn.

»Dieses Land liegt ja direkt drei Meilen hinter dem Mond«, beklagte er sich. »Hier kann man doch kein Geld verdienen. Die Leute haben ja nicht einmal ein paar Cents. Seluki, Sie haben mich hinters Licht geführt.«

»Bis jetzt haben Sie doch noch gar nichts von den Schätzen gesehen!«

»Es ist mir aufgefallen, daß es außer den Gewehren der Soldaten hier keine Schießwaffen gibt«, sagte Fendi einen Tag vor ihrer Ankunft im Ochoriland zu Seluki.

Dieser erklärte ihm, daß keine Feuerwaffen eingeführt werden dürften.

»Das weiß ich«, erwiderte Fendi. »Aber gerade deshalb könnte man doch ein gutes Geschäft machen, wenn man hier Gewehre und Revolver verkaufte.«

Bosambos große, kräftige Gestalt machte Eindruck auf ihn, aber er ärgerte sich über den Stolz des Mannes.

»Ich sehe dich«, begrüßte der Oberhäuptling der Ochori seinen Landsmann aus Liberia freundlich. »Ich sehe dich, aber ich kenne dich nicht, und ich kann dir nichts geben. Wenn du die Nacht hier geschlafen hast, sollst du mit deinen Ruderern in deine Heimat zurückkehren. Wer bin ich denn, daß ich hungrige Leute aus Liberia durchfüttern könnte?«

»O Bosambo«, erwiderte Seluki schnell, »ich will dich um nichts bitten; ich kann dir etwas geben.«

Er klatschte in die Hände, und einer seiner Leute brachte den Sack mit Silbergeld. Er öffnete ihn sorgsam, und Bosambo blinzelte mit den Augen, als er das Silber sah.

»Jetzt sehe ich, daß du mein Freund bist«, erklärte er begeistert. »Nun sage mir, mein Bruder, ob Sandi weiß, daß du mir diesen großen Schatz schenken willst?«

Seluki war über diese Worte nicht erfreut und schluckte.

»Sandi weiß, daß das Geld in meinem Besitz ist«, sagte er. »Aber niemand weiß, daß ich es dir schenken will, denn es gehört mir. Trotzdem sollst du so viel nehmen, wie du in deinen beiden Händen halten kannst.«

Bosambo sprang sofort auf und wollte schon zugreifen, aber plötzlich hielt er ein.

»Ich will erst in meiner Hütte zu Allah beten, denn ich bin ein Anhänger des wahren Glaubens, Seluki. Ich werde den Propheten darum bitten, daß er mich leitet.«

Es dauerte einige Zeit, bis er zurückkam, aber dann ging er sofort auf den großen Sack zu und fuhr mit beiden Händen hinein, aber nicht nur mit ihnen, sondern auch mit seinen Unterarmen bis zu den Ellenbogen. Fendi hielt den Atem an, als er sah, wieviel Geldstücke der Häuptling nahm. Aus irgendeinem merkwürdigen Grunde blieb das Geld nicht nur in seinen Händen, sondern auch an seinen Armen hängen.

»O ko!« sagte Seluki mißgestimmt.

Bosambo aber kehrte sofort zu seiner Hütte zurück, wo er das Silbergeld gut verwahrte. Dann wusch er den Gummisaft ab, mit dem er seine Arme beschmiert hatte, und als er wieder erschien, war er in der besten Laune.

»Du sollst in meiner schönsten Hütte schlafen, und heute abend werde ich einen großen Tanz für dich abhalten. Morgen früh sollt ihr beim Palaver zu meiner Rechten und zu meiner Linken sitzen, und die Einwohner des Landes sollen euch gebührend ehren. Den Beutel mit Silbergeld will ich an einem sicheren Platz verwahren.«

»Ich glaube er ist am besten in meiner eigenen Hütte aufgehoben«, sagte Seluki mit einer gewissen Schärfe in der Stimme.

Am Abend fand ein großer Tanz zu Ehren der beiden Gäste statt, an dem auch noch zwei andere Fremde als Zuschauer teilnahmen. N'saki hatte eine lange Reise zur Stadt der Ochori gemacht, weil sie mit Bosambo ein Palaver über einen gewissen Goldbecher abhalten wollte, der merkwürdige Ornamente trug.

Nach dem Tanz sah Fendi, daß sich ein hübsches Mädchen den Zuschauern näherte. Er war ein eitler Mann und dachte, sie käme seinetwegen. Er trennte sich deshalb einen Augenblick von den anderen, als alle Augen auf den Tanz gerichtet waren, und trat zu ihr.

»O Frau, ich bin der Mann, den du suchst.«

Hierin irrte er sich; aber N'saki war eine kluge Frau und kannte ihn. Es hatte sich schon das Gerücht verbreitet, daß er reich und mächtig sei.

»In der Nacht werde ich in der kleinen Hütte sein, die der Häuptling für mich hat bauen lassen«, sagte er. »Dort wollen wir zusammenkommen, und ich will dir von fremden Ländern und Völkern erzählen wie kein anderer.«

Zum Zeichen ihres Einverständnisses schüttelte sie den Kopf, und später ging sie zu ihm und erzählte ihm auch von N'gama und dem kleinen, goldenen Becher ...

Drei Tage später nahm er aus einer seiner Kisten ein Bündel, das in Tuch eingewickelt war. Vier Browningpistolen lagen darin. Er schützte vor, daß er mit Seluki und drei Trägern auf einen Jagdausflug gehen wollte. Die Träger sollten in der Nähe von N'gamas Dorf zurückgeschickt werden, aber vorher ereignete sich ein unglücklicher Zufall. Einer der Leute war ein Späher Bosambos, der seinem Herrn fortlaufend Nachrichten über das Verhalten der Fremden sandte. Er war auch sehr neugierig und hätte gern gewußt, was die kleinen Beutel enthielten, die die beiden Abenteurer auf dem Rücken trugen.

Während der Nacht öffnete er einen und entdeckte die Browningpistolen und die dazugehörige Munition. Nachdem er das erfahren hatte, beriet er sich mit seinen Landsleuten.

»O ko«, sagte er, »diese Männer tragen die kleinen Gewehre bei sich, die ha-ha sagen. Bosambo muß das wissen.«

Während sie noch darüber sprachen und am Feuer kauerten, rollte sich Fendi auf dem Boden zu seinem Begleiter zurück und weckte ihn.

»Diese Nigger haben die Browningpistolen gesehen – wir müssen sie beiseiteschaffen.«

Am nächsten Morgen erschossen Seluki und Fendi zwei Träger hinterrücks. Sie wußten überhaupt nicht, was ihnen geschah. Der dritte war der Spion Bosambos, und es gelang ihm, zu entkommen. Erst nach einer langen Verfolgung und Schießerei konnte ihn Seluki am Ufer des kleinen Flusses B'sini niederstrecken. Der Mann fiel ins Wasser, und die Fluten färbten sich rot.

Sie eilten nun zum Lagerplatz zurück und versteckten die Leichen der beiden Träger.

»Wenn uns das Weibsstück nicht verrät, können wir das Land verlassen, bevor etwas herauskommt. Die französische Grenze liegt fünfundzwanzig Meilen weiter nördlich, und ich bin doch französischer Untertan!«

N'saki wartete tatsächlich auf sie, und zwar eine Stunde Wegs von der Stelle entfernt, wo sie die Träger erschossen hatten. Neben ihr stand ihr großer, stattlicher Liebhaber, stützte sich auf seinen Speer und sagte nichts.

Aber über die ersten Worte der Frau waren die beiden entsetzt.

»Zeigt mir doch eure kleinen, kleinen Gewehre, mit denen ihr Bosambos Leute niedergeschossen habt«, sagte sie.

Fendi, der eitel war, zeigte ihr seine Browningpistole. Zu seinem größten Erstaunen nahm sie ihm die Waffe aus der Hand, und er sah, daß sie gut damit umgehen konnte.

»Ich habe diese Waffen schon früher gesehen«, erklärte sie. »Einer von Sandis Soldaten war einmal eine Woche lang mein Liebhaber, und er zeigte mir all diese Geheimnisse.«

Sie drückte den Sicherheitshebel zur Seite, entfernte das Magazin mit den Patronen und brachte es wieder an seine Stelle, bevor sie die Pistole zurückgab. Und dann sprach sie über ihren einfachen Plan.

Bei Neumond gingen N'gama und die beiden anderen Hüter des Schatzes in den Wald. Sie stießen Flüche aus, damit die Leute, die sie verfolgten oder ihnen auflauerten, mit Blindheit geschlagen würden. Auch sollten sie von großen schrecklichen Ungeheuern gefressen werden.

»N'gama geht noch in dieser Nacht in den Wald«, sagte sie. »Wir wollen hier ruhen und warten, bis die Bäume ihre Zweige zur Erde senken und schlafen gehen. Dann werde ich euch den Weg zeigen.«

Als die Sonne unterging, und die Schatten der Bäume größer und länger wurden, gingen sie voraus. Bald brach die Nacht herein, und der Neumond war aufgegangen, als sie an ihrem Ziel anlangten. Sie kauerten sich in der Nähe des Waldpfades nieder, den N'gama und die beiden anderen entlangkommen mußten.

Pünktlich auf die Minute tauchten drei Gestalten aus dem Dunkel auf und verschwanden wieder. N'saki und die beiden Fremden folgten ihnen geräuschlos. Eine ganze Stunde lang gingen sie weiter, bis sie an einen kleinen Hügel kamen, an dem drei Bäume standen. Am Fuße hielten N'gama und seine beiden Gefährten an und verrichteten geheimnisvolle Riten. Sie wären auch wieder fortgegangen, wenn nicht Fendi und seine Begleiter ihnen in den Weg getreten wären.

»Nun sagt mir«, begann Fendi, als die drei alten Leute gefesselt waren, »wo all diese schönen Schätze verborgen sind.«

Er folterte sie die ganze Nacht auf die verschiedensten Methoden. Einer der Männer starb, aber die beiden anderen schwiegen und verrieten nichts.

»Wir müssen von ihnen ablassen, damit sie sich erholen«, sagte Fendi zu Seluki. »Vielleicht verrät einer von ihnen heute abend das Geheimnis.«

»Was wollen wir aber mit der Frau machen?« fragte Seluki auf englisch.

Fendi sah über die Schulter zu ihr und ihrem Liebhaber hinüber.

»Die müssen auch ins Gras beißen.«

Es dauerte aber noch drei Tage, bevor der letzte Überlebende der drei Hüter des Schatzes das Geheimnis preisgab. Dann gruben Fendi und seine Begleiter sechs Stunden lang ein Loch in die Erde und entdeckten die Schätze eines vergessenen afrikanischen Klosters, das von portugiesischen Seeräubern geplündert worden war. Sie fanden Schalen, Kelche, goldene Gefäße und mehrere Säcke voll Goldmünzen.

Der Liebhaber der Frau half nicht beim Graben, aber er trug die Schätze zu dem Fluß hinunter, der in französisches Gebiet ging. Er ließ sich auch herbei, ein großes Kanu in einem Dorf oberhalb des Flusses zu stehlen, und sie luden alle Schätze in das Boot.

»Jetzt ist alles in bester Ordnung«, sagte N'saki. »Ich will euch eine Insel zeigen, wo wir uns verstecken können.«

»Das wollen wir tun«, erwiderte Fendi. »Aber erst gehen wir noch einmal zurück und sehen nach, ob wir nicht etwas zurückgelassen haben.«

Die vier gingen zu der Grube zurück.

»O Mann«, sagte Fendi zu N'sakis Liebhaber und packte heimlich seine Pistole, »sieh gut nach, ob wir nicht noch irgendein Stück vergessen haben.«

Der Eingeborene neigte sich weit über den Rand, und in diesem Augenblick erschoß ihn Fendi von hinten. Als er sich dann umwandte, um auch die Frau zu töten, war sie verschwunden. Er sah nur noch, daß sich Gräser und Zweige bewegten und feuerte zweimal in die Richtung. Aber als er dann hineilte, war sie nicht da, und sie konnten sie auch nirgends finden.

»Das ist allerdings sehr unangenehm«, meinte Fendi. »Wir müssen sie auf jeden Fall abfassen, bevor sie den Fluß erreicht.«

Als er seinen Rucksack öffnete, machte er eine unliebsame Entdeckung.

»Wo ist denn der vierte Browning?« fragte er, und eine unheimliche Ahnung stieg in ihm auf. Er mußte an den Liebhaber N'sakis denken, der ihr den Gebrauch der Waffe erklärt hatte.

Wieder ging er zu der Stelle, wo sie verschwunden war. Seluki folgte ihm auf den Fersen.

»Ich sehe euch!« hörten sie plötzlich eine harte Frauenstimme.

N'saki stand so dicht neben ihnen, daß sie nicht fehlen konnte ...

*

Sanders erhielt eine Nachricht durch Taubenpost. Bones wurde daraufhin mitten in der Nacht geweckt und mit der »Zaire« und zwanzig Soldaten stromauf geschickt. Tag und Nacht war er unterwegs und machte nur an den Plätzen halt, wo Feuerholz gestapelt lag. Schließlich kam er zur Stadt der Ochori, wo Bosambo schon auf ihn wartete. Der Häuptling machte ein sehr ernstes Gesicht.

»Mein Herr Tibbetti, es sind Feuerwaffen im Lande«, sagte er. »Die beiden Männer, die ihr nach oben geschickt habt, suchten nach dem Schatz und erschossen meine Leute. Und da Sandi uns geboten hat, nicht gegen Leute mit Feuerwaffen zu kämpfen, habe ich die Botschaft gesandt und gebeten, daß du zu uns heraufkommen solltest.«

Zwei Regimenter Speerleute standen zum Aufbruch bereit, und Bosambo marschierte neben Bones durch die Wälder der Ochori, bis sie zu dem Dorf M'gamas kamen. Aber M'gama war nicht mehr dort. Als man die Gegend absuchte, fand man seine Leiche, und Leutnant Tibbetts ließ sich zu der Stelle führen. Sie sahen, daß dort die Erde aufgegraben war.

»Laß deine jungen Männer mit ihren Speeren weitergraben«, sagte Bones.

Nach kurzer Zeit fanden sie Fendi und seinen Freund, aber sonst nichts.

»Die beiden sind erschossen worden«, sagte Bosambo. »Hier sind die kleinen Feuerwaffen.«

Vier Browningpistolen wurden in der Grube entdeckt. N'saki hatte keine weitere Verwendung dafür, denn sie ruderte in einem schwerbeladenen Boot nach der französischen Grenze und sang ein Lied über ihren toten Liebhaber und die Schätze, die ihr viele neue Liebhaber zuführen würden.


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