Jules Verne
Zwei Jahre Ferien. Erster Band
Jules Verne

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VIII.

Im Westen des Sees. – Längs des Ufers. – Strauße in Sicht. – Ein aus dem See abfließender Rio. – Ruhige Nacht. – Die Rückseite des Steilufers. – Ein Damm. – Trümmer eines Bootes. – Die Inschrift. – Die Höhle.

———

Die hochwichtige Frage, von der das Wohl oder Wehe der jungen Schiffbrüchigen abhing, blieb also auch jetzt noch ungelöst. Daß das vermeintliche Meer ein See sei, war über jeden Zweifel erhaben. Konnte es deshalb jedoch nicht immer noch möglich sein, daß dieser See nur einer Insel angehörte? Würde man nicht bei weiterer Ausdehnung dieser Nachforschung auf das wirkliche Meer treffen – auf das Meer, über welches zu entkommen jedes Mittel mangelte?

Dieser See zeigte übrigens eine recht ansehnliche Ausdehnung, da der Himmelshorizont – wie Doniphan bemerkte – drei Viertheile seines Umfanges abschloß. Das machte es wieder wahrscheinlicher, daß man sich hier auf einem Festlande und nicht auf einer Insel befinde.

»Danach wäre es also Amerika, an dessen Strande wir scheiterten,« sagte Briant.

»Das hab' ich von jeher angenommen,« antwortete Doniphan, »und es scheint, ich irrte damit nicht.«

»Jedenfalls,« erwiderte Briant, »war es eine Wasserlinie, die ich im Osten wahrgenommen hatte . . .«

»Zugegeben; ein Meer war es aber nicht!«

Diese berechtigte Einrede gewährte Doniphan offenbar eine Befriedigung, welche mehr für seine Eitelkeit als für ein gutes Herz sprach. Briant beschied sich ohne Groll; jedenfalls war es im allgemeinen Interesse besser, daß er sich theilweise getäuscht hatte. Auf einem Festlande würden sie nicht Gefangene sein, wie auf einer Insel. Inzwischen erschien es nothwendig, eine noch günstigere Zeit abzuwarten, um einen Auszug nach Osten zu unternehmen. Die zu überwindenden Schwierigkeiten, um nur eine Strecke von wenigen Meilen vom Lagerplatze nach diesem See zu gelangen, mußten ja ganz unmäßig anwachsen, wenn es galt, lange Zeit mit der ganzen kleinen Gesellschaft dahinzuziehen. Jetzt stand man schon im Anfang des April, und der Winter der südlichen Halbkugel bricht weit schneller herein, als der der nördlichen Erdhälfte. Deshalb war an einen Aufbruch erst nach Wiedereintritt der schöneren Jahreszeit zu denken.

Dennoch konnte der Aufenthalt an dieser von den Seewinden gepeitschten Bai der Westküste nicht mehr lange zu ertragen sein. Vor Ende des Monats mußte der Schooner jedenfalls geräumt werden. Da Gordon und Briant ferner am Westabhange des Steilufers keine passende Aushöhlung gefunden hatten, machte es sich nothwendig, Umschau zu halten, ob sich nicht nach der Seite des Binnensees eine zur Niederlassung geeignete Stelle entdecken ließ. Jetzt galt es also, dessen Umgebung sorgfältig zu besichtigen, wenn diese Nachforschung die Rückkehr auch um einen oder zwei Tage verzögerte. Gordon würde sich darüber zwar nicht wenig beunruhigen, doch änderte das an Briant's und Doniphan's Entschlusse nichts. Ihr Mundvorrath mußte noch auf achtundvierzig Stunden ausreichen, und da kein Anzeichen eine Aenderung der Witterung befürchten ließ, beschlossen sie, nach Süden hin der Seeküste nachzugehen.

Aber auch noch ein anderer Grund bestimmte sie, ihre Nachforschungen weiter auszudehnen.

Unzweifelhaft war dieser Theil des Landes von Eingebornen bewohnt oder mindestens besucht gewesen. Der durch den Creek gelegte Weg, die Ajoupa, deren Errichtung die Gegenwart von Menschen vor längerer oder kürzerer Zeit erkennen ließ, waren lauter Hindeutungen, welche eine Ergänzung erforderten, ehe man sich zu einer Ansiedlung für den Winter entschloß. Vielleicht vervollständigten die bisher gefundenen auch noch weitere Merkzeichen. Abgesehen von Eingebornen, konnte ja auch ein Schiffbrüchiger bis zu dem Zeitpunkte gelebt haben, wo er endlich eine der Städte des Festlandes erreichte. Das verlohnte schon der Mühe, die Nachforschungen über die Umgebung des Sees auszudehnen.

Eine offene Frage blieb es nur, ob Briant und Doniphan nach Norden oder nach Süden zu weiterziehen sollten. Da sie sich aber bei Einhaltung der letzteren Richtung gleichzeitig dem »Sloughi« mehr näherten, entschieden sie sich für diese. Später würde sich ja herausstellen, ob es rathsam erscheine, auch noch nach dem andern Ende des Sees vorzudringen.

Nach hierüber erzielter Einigung machten sich alle Vier gegen halb neun Uhr wieder auf den Weg durch die grasbestandenen kleinen Dünen, welche die im Westen von dichtem Grün umrahmte Ebene stellenweise unterbrachen.

Phann sprang voraus und jagte ganze Schaaren von Tinamus auf, die sich im Schutze der Mastixgebüsche oder großer Farrnwedel niedergelassen hatten. Hier fanden sich auch zuweilen rothe und weiße Moosbeeren und wilde Selleriestauden, von welchen ein wichtiger hygienischer Gebrauch zu machen war. Die Gewehre dagegen mußten in Ruhe bleiben, um durch das Schießen keine Aufmerksamkeit zu erregen, im Falle die Umgebung des Sees von eingebornen Stämmen unsicher gemacht wurde.

Dem Gestade einmal längs des Fußes der Dünen und dann wieder ganz nahe am sandigen Strande folgend, konnten die Knaben im Laufe dieses Tages ohne zu große Anstrengung noch gegen zehn Meilen hinter sich bringen. Eine Spur von Eingebornen fanden sie dabei nicht. Keine Rauchsäule wirbelte aus dem Waldesdickicht empor; kein Eindruck eines Fußes zeigte sich in dem Sande, den der Wellenschlag dieser großen, bis an ihr Ende nicht übersehbaren Wasserfläche feucht erhielt. Es schien nur, als ob deren nördliches Ufer sich wieder nach Süden zu wendete, um hier den Ring um den See zu schließen. Sonst zeigte sich dieser gänzlich verlassen. Weder hob sich ein Segel von dem Horizonte ab, noch glitt eine Pirogue über seine schimmernde Fläche. War dieses Gebiet bewohnt gewesen, so konnte das heute kaum noch der Fall sein.

Wilde Thiere oder Wiederkäuer sah man nirgends. Zwei oder drei Mal im Laufe des Nachmittags zeigten sich einige Vögel am Saume des Waldes, ohne daß man sich denselben zu nähern vermochte. Das verhinderte Service jedoch nicht, auszurufen:

»Das sind Strauße!«

»Dann wenigstens sehr kleine Strauße, ihrer geringen Körperhöhe nach zu urtheilen,« bemerkte Doniphan.

»Aber es sind doch Strauße,« versetzte Briant; »und wenn wir auf einem Festlande weilen . . .«

»Zweifelst Du daran noch immer?« warf Doniphan spöttisch ein.

»So muß es das Amerikas sein, wo sich diese Thiere in großer Menge finden,« fuhr Briant fort, »das war's allein, was ich sagen wollte.«

Gegen sieben Uhr Abends wurde Halt gemacht. Am nächsten Morgen hoffte man, wenn nicht unerwartete Hindernisse eintraten, nach der Sloughi-Bai – so nannte man schon allgemein den Ufertheil, an dem der Schooner auf den Grund gerathen war – zurückzukehren.

Am heutigen Abend wär' es übrigens unmöglich gewesen, in der Richtung nach Süden noch weiter zu marschiren. An dem erreichten Punkte verlief nämlich ein Rio, durch den das Wasser des Sees abfloß und den sie nur schwimmend überschreiten konnten. Die Dunkelheit gestattete überdies kein genaues Erkennen der Oertlichkeit, und es schien, als ob ein Steilufer die rechte Seite dieses Rio einfaßte.

Nach eingenommener Abendmahlzeit dachten Briant, Doniphan, Wilcox und Service nur noch daran auszuruhen – diesmal wegen Mangel an einer Hütte unter freiem Himmel. Aber sie waren so glänzend, die Sterne, welche da am Himmelsgewölbe funkelten, während die Sichel des zunehmenden Mondes im Westen nach dem Stillen Ocean niedertauchte.

Alles still auf dem See wie am Strande. Die vier zwischen den mächtigen Wurzeln einer Buche gelagerten Knaben lagen bald in so tiefem Schlafe, daß auch kein Donnerschlag sie aufgeweckt hätte. Ebensowenig wie Phann vernahmen sie ein ziemlich nahes Gebell, das nur vom Schakal herrühren konnte, noch ein entferntes Geheul, aller Wahrscheinlichkeit nach das Geheul von Raubthieren. In dieser Gegend, wo Strauße in wildem Zustande lebten, konnte man auch das Vorkommen von Jaguars oder Cuguars vermuthen, welche den Tiger oder den Löwen des südlichen Afrika vertreten. Die Nacht verlief jedoch ohne Störung. Gegen vier Uhr früh aber, als das Tageslicht den Horizont jenseits des Sees noch nicht erhellt hatte, gab der Hund Zeichen von Aufregung, indem er dumpf knurrte und auf dem Erdboden mit der Nase hinstrich, als wolle er einer Fährte nachgehen.

Es war gegen sieben Uhr geworden, als Briant seine, in ihre Decken gewickelten Kameraden weckte.

Alle waren sofort auf den Füßen, und während Service ein Stück Schiffszwieback kaute, warfen die andern Drei einen ersten Blick über die Gegend auf der anderen Seite des Wasserlaufs.

»Wahrhaftig,« rief Wilcox, »wir haben sehr wohl daran gethan, gestern jeden Versuch der Überschreitung dieses Rio zu unterlassen; wir wären in den schlimmsten Sumpf gerathen!«

»Ja freilich,« meinte Briant, »das ist eine Sumpfniederung, die sich nach Süden hinzieht und deren Ende man nicht zu erkennen vermag.«

»Seht da!« rief Doniphan, »seht nur die zahlreichen Schaaren von Enten, Kriechenten und Becassinen, welche auf dessen Oberfläche flattern! Könnten wir uns für den Winter hier niederlassen, so wären wir sicher, an eßbarem Wild nie Mangel zu leiden.«

»Und warum könnten wir das nicht?« erwiderte Briant, der sich nach dem rechten Ufer des Rio begab.

Im Hintergrunde erhob sich ein mächtiges Steilufer, das auf der anderen Seite schroff abzufallen schien. Von seinen beiden, fast in rechtem Winkel zusammenstoßenden Schenkeln lehnte sich der eine an die Seite des kleinen Flusses, während der andere nach dem See zu gerichtet war. Ob diese Erhebung sich nach Nordwesten hin fortsetzte und dieselbe war, welche die Sloughi-»Bai« einfaßte, das ließ sich erst nach näherer Untersuchung der weiteren Umgebung feststellen.

Was den Rio betraf, so erstreckte sich sein rechtes Ufer etwa in der Breite von zwanzig Fuß längs der benachbarten Höhen hin, während das sehr niedrige linke sich kaum von den Einschnitten, Wasserlachen und Schlammflächen der sumpfigen Ebene unterschied, welche sich nach Süden zu über Sehweite verlor. Um die Richtung des Wasserlaufs kennen zu lernen, mußte man dessen Steilufer ersteigen, und Briant nahm sich vor, nicht eher, als bis er das ausgeführt, nach der Sloughi-Bai zurückzukehren.

Zuerst galt es nun, den Rio da in Augenschein zu nehmen, wo das Gewässer des Sees sich in sein Bett ergoß. Er maß hier nur etwa vierzig Fuß Breite, mußte aber sowohl hieran wie an Tiefe zunehmen, je mehr er sich seiner Ausmündung näherte, wenigstens wenn er Zufluß aus dem Sumpfe oder dem höher gelegenen Lande erhielt.

»Ha, seht doch!« rief Wilcox, als er den Fuß des Steilufers erreichte.

Was seine Aufmerksamkeit erregte, war eine Anhäufung von Steinen, welche eine Art Damm bildeten, eine ganz ähnliche Anordnung, wie die, welche sie im Walde angetroffen hatten.

»Dieses Mal kann kein Zweifel mehr sein!« sagte Briant.

»Nein, unmöglich!« antwortete Doniphan, indem er gleichzeitig nach einzelnen Holzresten am Ende des Dammes hinwies.

Diese Trümmer rührten ganz bestimmt von dem Rumpfe eines Fahrzeugs her und unter ihnen befand sich ein Stück stark verfaultes und von grünem Moose überzogenes Holz, dessen Krümmung verrieth, daß es zu einem Vordersteven gehört hatte, und an dem auch noch ein vom Roste ganz zerfressener Eisenring hing.

»Ein Ring! . . . Ein Ring!« rief Service.

Unbeweglich sahen sich Alle rund um, als müsse der Mann, der sich dieses Bootes bedient, der diesen Damm aufgetragen hatte, jeden Augenblick erscheinen.

Nein! . . . Niemand! Viele Jahre waren verflossen, seitdem dieses Boot am Ufer des Rio zurückgelassen sein mochte. Ob der Mann, der hier gelebt, je seines Gleichen wieder gesehen, oder ob sein elendes Dasein auf diesem Lande geendet, ohne daß er dasselbe verlassen konnte, wer hätte es sagen können?

Man begreift aber gewiß die Erregtheit dieser jungen Leute, gegenüber den Beweisstücken des Daseins eines Menschen, welches sie nicht mehr bezweifeln konnten.

Da bemerkten sie auch das auffallende Benehmen des Hundes. Phann hatte offenbar eine Fährte gefunden. Mit aufgerichteten Ohren und wedelndem Schweife schlüpfte er unter dem Grase am Erdboden hin.

»Seht nur Phann!« sagte Service.

»Er hat etwas gewittert,« sagte Doniphan, der nach dem Hunde zurückging.

Phann war stehen geblieben, hatte die eine Pfote erhoben und den Kopf aufgerichtet. Dann stürmte er plötzlich nach einer Baumgruppe, welche am Fuße des Steilufers an der Seeseite stand.

Briant und seine Kameraden folgten ihm nach. Nach wenigen Augenblicken standen sie vor einer uralten Buche still, deren Rinde zwei Buchstaben und eine Jahreszahl in folgender Anordnung zeigte:

F. B.
1807.

Briant, Doniphan, Wilcox und Service wären lange stumm und regungslos vor dieser Inschrift stehen geblieben, wenn Phann nicht zurücklief und im Winkel der anstoßenden Uferhöhe verschwand.

»Hier, Phann, hierher!« . . . rief Briant.

Der Hund folgte dem Rufe nicht, ließ dagegen ein lautes Gebell vernehmen.

»Jetzt Achtung!« sagte Briant. »Bleiben wir beisammen und haben wir wohl Acht!«

Gewiß konnten sie in ihrer Lage gar nicht mit zu großer Vorsicht handeln. Vielleicht befand sich eine Rotte Eingeborner in der Nachbarschaft, und deren Anwesenheit war mehr zu fürchten als zu wünschen, wenn sie zu den wilden Indianerhorden gehörten, welche die Pampas von Südamerika bevölkern.

Die Gewehre wurden schußfertig gemacht und die Revolver zur Hand genommen, um zur Vertheidigung bereit zu sein.

Die Knaben drangen weiter vor; als sie den Winkel der Uferhöhe hinter sich hatten, glitten sie längs des schmalen Ufersaumes des Rio hin. Sie mochten kaum zwanzig Schritte zurückgelegt haben, als Doniphan sich bückte und einen Gegenstand von der Erde aufhob.

Es war eine Schaufel, deren Eisentheil mit dem verfaulten Griffe kaum noch zusammenhing – aber eine Schaufel von amerikanischem oder europäischem Ursprunge, nicht eines jener plumpen Geräthe, wie sie die Wilden Polynesiens herstellen. Wie der Ring des Fahrzeuges, war auch diese stark oxydirt und hatte jedenfalls seit einer langen Reihe von Jahren hier gelegen.

Am Fuße des Steilufers gewahrte man auch noch einige Spuren von Cultur, nämlich einige unregelmäßige Furchen und ein kleines Beet von Ignamen, die aus Mangel an Pflege wieder ganz verwildert waren.

Plötzlich ertönte wieder ein dumpfes Bellen. Phann erschien in ganz seltsamer Aufregung. Er drehte sich um sich selbst, lief vor seinen jungen Herren her, sah sie an, rief sie und schien sie einzuladen, ihm zu folgen.

»Er hat sicher etwas Außerordentliches gefunden,« sagte Briant, der den Hund vergeblich zu beruhigen suchte.

»Laßt uns gehen, wohin er uns führt,« sagte Doniphan, der Wilcox und Service durch ein Zeichen aufforderte, ihm zu folgen.

Zehn Schritte weiterhin erhob sich Phann vor einer Anhäufung von Gebüschen und Sträuchern, deren Zweige sich am Fuße des Steilufers vielfach verstrickten.

Briant trat vor, um nachzusehen, ob dieser Haufen nicht den Cadaver eines Thieres oder gar eines Menschen bedeckte, auf dessen Fährte Phann gekommen war . . . Da, als er das Zweiggewirr etwas lüftete, bemerkte er eine enge Oeffnung.

»Sollte hier eine Höhle sein?« rief er, wenige Schritte zurückweichend.

»Das wäre ja möglich,« antwortete Doniphan. »Doch, was befindet sich in dieser Höhle?«

»Das werden wir bald erfahren!« sagte Briant.

Mit seiner Axt begann er nun die, jene Oeffnung verdeckenden Zweige zu zertheilen. Trotz gespannten Lauschens hörte er nichts Verdächtiges.

Service wollte schon in den schnell freigelegten Eingang eindringen, als Briant ihm sagte:

»Sehen wir erst zu, was Phann beginnt!«

Der Hund gab noch immer ein dumpfes, also nicht besonders beruhigendes Gebell von sich.

Und doch, wäre ein lebendes Wesen in dieser Höhle gewesen, so wäre es sicher aus derselben schon herausgekommen.

Sie mußten wissen, was sie hier hatten. Da jedoch die Luft im Innern der Höhle schädlich und unathembar sein konnte, warf Briant eine Hand voll angezündeten trockenen Grases durch die Oeffnung. Auf dem Boden sich ausbreitend, brannten die Halme lebhaft weiter, ein Beweis von der Athembarkeit der Luft.

»Gehen wir nun hinein?« fragte Wilcox.

»Ja wohl,« antwortete Doniphan.

»Wartet wenigstens, bis wir darin deutlich sehen können,« sagte Briant.

Er hatte schon einen harzigen Zweig von einer der Fichten geschnitten, welche am Rande des Rio wuchsen, und setzte denselben jetzt in Brand. Gefolgt von seinen Kameraden, wand er sich nun durch das Gestrüpp.

Am Eingange selbst maß die Oeffnung fünf Fuß in der Höhe bei zwei Fuß Breite; sie weitete sich jedoch schnell aus und bildete eine Höhle von etwa zehn Fuß Höhe und doppelter Breite, deren Boden aus ganz trockenem feinen Sand bestand.

Beim Eintreten schon stieß Wilcox gegen einen hölzernen Schemel, der nahe einem Tische stand, auf welchem verschiedenes Geschirr zu sehen war, wie ein Steingutkrug, große Muschelschalen, welche wohl als Teller gedient hatten, ein Messer mit schartiger und verrosteter Klinge, zwei bis drei Angelhaken, eine Blechtasse, welche ebenso leer war wie der Krug. An der entgegengesetzten Wand befand sich eine Art Koffer aus lose verbundenen Planken, der noch einzelne zerfetzte Kleidungsstücke enthielt.

Es lag also auf der Hand, daß diese Höhle bewohnt gewesen war, jedoch zu welcher Zeit und von wem? Lag das menschliche Wesen, das hier gelebt, vielleicht in einem Winkel? . . .

Im Hintergrunde erhob sich eine erbärmliche Lagerstätte, mit einer völlig zerrissenen wollenen Decke darüber. Am Kopfende auf einer Bank stand noch eine zweite Tasse und ein hölzerner Leuchter, dessen Dille noch das Ende eines verkohlten Dochtes enthielt.

Die jungen Leute wichen zunächst zurück bei dem Gedanken, daß diese Decke einen Leichnam verhüllen könne.

Briant überwand jedoch seinen Widerwillen und hob sie in die Höhe . . . das Lager war leer.

Einen Augenblick später waren Alle – eine Beute schmerzlicher Erregung – wieder bei Phann, der draußen geblieben war und noch immer schmerzlich bellte.

Zwanzig weitere Schritte gingen sie noch das Uferland des Rio hinunter und blieben dann plötzlich stehen. Ein Gefühl starren Entsetzens hatte sie an die Stelle gebannt.

Hier, zwischen den Wurzeln einer Buche, lagen die Reste eines menschlichen Gerippes auf der Erde.

An dieser Stelle war der Unglückliche also gestorben, der in jener Höhle gewiß lange Jahre hindurch gelebt, und diese elende Zufluchtsstätte, die er als Wohnung benützte, war nicht einmal sein Grab geworden.

 


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