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Bei Benz

Bekannte Kleinkunstbühne in München

32 Jahre nach dem deutsch-französischen Kriege 1870/71, also im Jahre 1902, trat ich zum ersten Male bei Benz auf und gleich nach dem Auftreten sofort wieder ab. Mußte ich doch vor meinem Solo dem Herrn Besitzer Benz zuerst meine drei Vorträge vorsingen. Der Humorist Hermann Strebel war bei diesem Akt auch mit anwesend und als ich in meinem Zungenfertigkeitskouplet »Was man alles machen kann« – die Stelle passierte – »der Hafner macht den Hafen und das Kind, das macht hinein«, da schrie mich Direktor Benz an wie ein Feldwebel: »Was fällt Ihnen ein, bei meinem Elite-Publikum, solche Schweinereien usw.« Die anderen zwei Vorträge traute ich mir nun gar nicht mehr zu singen, denn ich hatte als Anfang schon das dezenteste herausgesucht. Es blieb also nur bei der Probe, aber ich war überglücklich, bei Benz wenigstens Probe gesungen zu haben, denn das war in der Münchner Artistenwelt schon ein Ereignis. Tatsächlich hatte das Haus Benz in ganz Deutschland einen Weltruf (alle ersten Kapazitäten wie Karl Maxstadt, Papa Geis und die ersten Berliner Varietéstars waren bei Benz engagiert).

Im Jahre 1911 war ich abermals bei Benz engagiert und sollte da mit meiner neuesten Nummer als Schwerer Reiter mit dem Holzpferd ein einmonatliches Gastspiel geben. Bei den Proben am Nachmittag erblickte Papa Benz vor der Bühne meine große Trommel, die ich zum Auftreten benützte – er wäre beinahe aus der Haut geschlüpft – raus mit der großen Trommel aus meinem Haus, im Haus Benz eine große Trommel, das wäre ja eine Katastrophe. Die Trommel mußte weg. Zwischenzeit 1911-1919. Von 1919 bis heute – was wäre das Haus Benz ohne große Trommel, dem Symbol der Jazzmusik – aber so ändern sich die Zeiten. Zwei Monate lang sang und blies ich mit dem dicken Bombardon den Schweren Reiter zum allgemeinen Gaudium.

Zeichnung: Karl Arnold

Für 1. August 1914 war ich wieder bei Benz engagiert. Eine Revue »Im Lande der Kastanien« sollte einstudiert werden, mehrere Nachmittage wurde fest geprobt, bei der sechsten Szene, die im Parkett spielte, kam ich als spanischer Stierkämpfer auf einem Pferd aus Pappe geritten, zwei Pikkolos schlüpften in das Innere des Pferdes und trugen mich mit kühnen Sprüngen dem ebenso aus Pappe lebend dargestellten Stier entgegen – mitten im Kampfe ein Trommelwirbel aus der Ferne? ... Wir unterbrachen die Probe und eilten auf die Straße, da stand, von einigen Passanten umgeben, ein Trommler, der den schaurigen Wirbel geschlagen hatte, und neben ihm ein Sergeant, der folgendes vorlas: »Im Namen Seiner Majestät, König Ludwig III. von Bayern – Frankreich hat heute an Deutschland den Krieg erklärt usw.« Schweigend gingen wir in das Haus zurück, die Probe war aus und acht Tage später gingen schon mindestens zehn Männer aus dem Hause Benz hinaus und sangen mit Blumen geschmückt: »Ich hatt' einen Kameraden.« Vierzehn Tage nach Ausbruch des Krieges durfte, um den in der Heimat weilenden Artisten, Schauspielern usw. Verdienstmöglichkeit zu geben, wieder gespielt werden mit der Bedingung, zeitgemäße Darbietungen zu bringen. Jeder Theaterdirektor empfahl vaterländische, patriotische Darbietungen zu bringen. Auch ich mußte, obwohl es eigentlich von mir als Blödsinn-Interpret niemand gewohnt war, auch ernste Sachen bringen, so unter anderem eine Kriegsmoritat. Der Erfolg war groß und zwei Monate sang ich als Komiker traurige, ernste Vorträge. Da kam wieder ein Befehl von der Direktion, man soll den Humor walten lassen in schwerer Kriegszeit und die Menschen aufheitern mit lustigen Darbietungen und das war gut, haben wir es am besten erlebt, als wir bei 120 Lazarettvorstellungen den kranken, verwundeten Soldaten mit unseren humoristischen Darbietungen gute Dienste geleistet haben. Einige große Persönlichkeiten der Münchner Hofbühne trugen den kranken Soldaten blutige Schlachtgedichte vor und wir machten ihnen im Gegensatz, lustige, harmlose Späße vor, und da meinte ein Hauptmann im Marslazarett, indem er mir die Hand drückte: » Ihre Sachen sind die beste Medizin für unsere kranken Soldaten.«

Noch etwas über Papa Benz selbst. – Ich frug einmal seinen ältesten Oberkellner: Wie kommt es, daß Herr Benz einen Tag so überaus freundlich ist mit mir und am andern Tag schaut er mich gar nicht an? – Ja, sagte er, das richtet sich ganz nach dem Geschäft. – Er war das Gegenteil von Hans Gruß – wenn Herr Direktor Gruß im Deutschen Theater lächelnd und lieb in die Garderobe kam, wußten wir bestimmt, daß das Theater leer war. Tobte er aber auf der Bühne wie ein Wilder, war ausverkauft. – Papa Benz war eine originelle Persönlichkeit, klein, dick, körperlich auf der Höhe, nur einen geistigen Defekt hatte er aufzuweisen, er hatte den Umbaufimmel. – 30 Jahre lang wurde umgebaut, mal außen, mal innen, bald war die Bühne in der Ecke, dann wieder in der Mitte, bald spielte die Musikkapelle rechts der Bühne, dann wieder links davon, plötzlich wurde wieder vor der Bühne gespielt. Wenigstens spielten die Artisten und Künstler auf der Bühne und die Musik vor der Bühne, das war wenigstens noch normal, plötzlich trat eine neue Idee des Kabarettinhabers ein, die Musikkapelle spielte nun auf der Bühne und die Künstler traten im Zuschauerraum auf, die Zuschauer erhielten Seitenplätze. Der Zuschauerraum wurde so oft renoviert und umgebaut, daß die Geschäftsleute wie Maurer, Maler, Schreiner, Dekorateure usw. vom Hause Benz allein eine Existenz hatten und ich rechne mit Bestimmtheit, wenn die Nachkommen heute dieses Geld auf einem Haufen beisammen hätten, was diese vielen Umbauten gekostet haben, so könnten diese als Privatiers wohlgemut in die Zukunft schauen.

Zeichnung: Karl Arnold

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