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Von diesem Tage an ließ das häßliche junge Entlein seine Flügel, die es so energisch zu höherem Fluge ausgebreitet, wieder ganz entmutigt sinken. Olly rührte in den Ferien, die sie zu ernsthafter Arbeit hatte benutzen wollen, kein Schulbuch an.
Wozu?
Es nützte ihr ja doch nichts! Ihr Ruf als faule Schülerin stand so fest, daß selbst das eifrigste Streben nichts daran zu ändern vermochte. Sie beschuldigte ihre Lehrer innerlich der Ungerechtigkeit und bedachte nicht, daß sie selbst damit viel ungerechter gegen dieselben war, als umgekehrt. Denn auf einen Hieb fällt kein Baum. Olly mußte den Lehrern erst beweisen, daß es ihr Ernst war mit ihrem plötzlichen Anlauf zum Lernen.
Um so enttäuschter war man in der Schule nach Ablauf der Ferien von ihrer völligen Teilnahmlosigkeit: das war ja schlimmer als zuvor. Sie machte den Mund überhaupt nicht mehr auf, verdrossen und gelangweilt saß sie wieder auf ihrem Platz.
Der Physiklehrer, Doktor Elbing, versuchte es zuerst noch öfters, das junge Mädchen dem stumpfsinnigen Vorsichhinbrüten zu entreißen. Er stellte Fragen an Olly, die ihr Interesse an dem Gegenstande wecken sollten, appellierte an ihre kürzlich gezeigte Befähigung für Physik und Geometrie. Aber ebensogut hätte er das Wort an den Wandkartenständer richten können, Olly blieb geradeso leblos und stumm. Da machte Doktor Elbing es wie die übrigen Lehrer, er ließ das teilnahmlose Mädel links liegen und bedachte es allenfalls hin und wieder mit einer seiner ironischen Bemerkungen.
Olly Hildebrandt, die bereits im Begriff gewesen war, sich die Anerkennung und Sympathien ihrer Mitschülerinnen zu erringen, ward wieder zum Gespött der Oberklasse.
Auch das vermochte sie nicht ihrer Stumpfheit zu entreißen. Selbst Kätchen schüttelte trübselig ihren Flachskopf, wenn sie jetzt auf Olly blickte. Sie hatte sich redlich Mühe gegeben, weiter zu ihr zu halten. Aber Olly hatte in ihrer Verbitterung allem, was Schule hieß, den Krieg erklärt. Sie hatte das freundliche Kätchen so wenig freundlich abgewiesen, daß dieses sich gekränkt nun ebenfalls von ihr zurückzog.
Auch zu Hause ging es nicht anders. Olly war nach jenem Zensurentag störrischer und verstockter als je. Rudi, den einzigen, der jetzt vielleicht den Schlüssel zu ihrem Herzen gehabt hätte, hielt Dummerjungenstolz fern von ihr. Die Schwester litt mehr darunter, als sie es sich selbst zugestand, so grenzenlos verlassen wie augenblicklich war sie sich kaum jemals vorgekommen.
Wolfgang Steinhardt ging sie mit bewunderungswürdiger Gewandtheit aus dem Wege. Seitdem sie seine sie unbarmherzig treffenden Worte unter dem Reinettenbaum belauscht, hatte sie jede Begegnung mit ihm zu vermeiden gewußt. Die erste Zeit, solange sie sich noch im Exil befand und nicht am Essen teilnehmen durfte, wurde ihr das leicht gemacht. Schwieriger wurde die Sache erst, als sie Sonntags wieder bei Tisch erscheinen mußte. Ein- oder zweimal ließ sie sich wegen Kopfschmerzen entschuldigen. Und das war keine Unwahrheit, denn die Aufregung und die Überlegungen, wie sie sich verhalten sollte, hatten tatsächlich ein schmerzhaftes Hämmern in ihren Schläfen erzeugt.
Es war jetzt merkwürdig bei Kommerzienrats. Für den unbeteiligten Zuschauer höchst amüsant. Einer lief immer vor dem anderen davon. Olly vor Wolfgang, und Rudi wiederum vor Olly. Aber als Papa an einem Sonntagmorgen in besonders guter Laune die einsilbig vor ihrer Tasse sitzende Tochter aufzog: »Na, Olly, wie geht's heute deinen Sonntagkopfschmerzen, oder pflegen die sich erst zum Essen einzustellen?« da hielt sie es doch für geraten, diesmal dem Mittagstisch nicht fernzubleiben.
Überhaupt, was hatte sie notwendig, vor einem Zusammentreffen mit Wolfgang Steinhardt Furcht zu empfinden! Höchstens mußte er ein schlechtes Gewissen ihr gegenüber haben.
Dies schien aber ganz und gar nicht der Fall. Der junge Ingenieur hatte keine Ahnung davon, daß Olly von dem Ehrentitel, den er ihr angehängt, Wind bekommen hatte. Denn Senta hütete sich wohl, etwas darüber verlauten zu lassen. So nahm er an, lediglich die schlechte Oktoberzensur und eine damit zusammenhängende Strafe sei schuld an Ollys Unsichtbarkeit.
Als sie heute mit der Suppe zugleich an den geschmackvoll mit buntem Herbstlaub geschmückten Sonntagstisch trat, fühlte sie, wie das Blut ihr in die blassen Wangen schoß.
Ihr ohnedies finsterer Gesichtsausdruck wurde dadurch nicht liebenswürdiger. Sie neigte den Kopf zu kurzem Gruß, ihm die Hand zu reichen, das brachte sie nicht über sich. Dazu war sie zu wahr in allen ihren Empfindungen.
Der nichtsahnende Wolfgang nahm die kühle Begrüßung humoristisch. Er stand auf, machte der jungen Dame eine tadellose Verbeugung und sagte: »Mein Name ist Steinhardt.«
Alles lachte. Olly runzelte die schwarzen Augenbrauen und setzte sich stillschweigend auf ihren Platz.
Vergeblich richtete Wolfgang während der Mahlzeit einige Male das Wort an sie. Olly tat, als ob sie schwerhörig wäre. Sie hatte es in der Schule allmählich darin zu einer gewissen Virtuosität gebracht. Nur mußte sie hier jeden Augenblick befürchten, daß Papa oder Fräulein Arnold eingriffen und es wieder zu einem unerfreulichen Intermezzo käme.
Auch Wolfgang hegte dieselben Befürchtungen, und da er Olly keine Unannehmlichkeiten machen wollte und auch das Zwecklose seiner Bemühungen einsah, ließ er sie in Ruhe. Er hielt ihr verändertes Wesen ihm gegenüber nur für backfischartige Launenhaftigkeit und freute sich an Sentas gleichmäßiger Heiterkeit.
Aber als Olly unmittelbar nach dem Gesegnete-Mahlzeit-Sagen in ihr Zimmer entwischen wollte, eilte ihr Wolfgang mit raschen Schritten nach. Auf der Treppe stellte er sie.
»Nun sage mal, Olly, was soll das kindische Schmollen und Beleidigttun eigentlich! Habe ich mir unwissentlich irgendwie deine Ungnade zugezogen, dann bitte ich unterwürfigst um Verzeihung – aber verdirb mir die Stimmung nicht, Mädel, mit deinem ewigen Gekränktsein!« Wolfgang hielt ihr kameradschaftlich die Hand entgegen.
Olly übersah es. Sie kräuselte schmerzlich die Lippe. Er hatte ihr mehr als die Stimmung verdorben, als er jenen Spottnamen für sie erfunden! Sie gab keine Antwort.
»Ich denke, wir sind Freunde, Olly, du warst doch sonst nicht so abstoßend zu mir! Du hast mir doch öfters bewiesen, daß du anders sein kannst – warum verstellst du dich heute?«
»Ich verstelle mich nicht, ich bin ehrlich, aber du – Sie vorstellen sich!« rief Olly mit flammenden Augen.
Wolfgang Steinhardt tippte lachend auf seine Stirn.
»Du hast ja 'n Piepmatz, Olly!« scherzte er mit der brüderlichen Offenheit, die er den Hildebrandtschen Kindern gegenüber stets an den Tag zu legen pflegte.
»Das verbitte ich mir!« Das junge Mädchen war außer sich, »überhaupt ich verbitte mir auch Ihr Du, ich bin bald siebzehn Jahre und will mich nicht mehr mit Ihnen duzen.«
»Ich mich aber mit dir.« Wolfgang lachte ganz gemütlich.
»Dann – dann – sind Sie von heute an Luft für mich!« Ihre schwarzen Augen sprühten ihn zornig an, und – fort war sie.
»Du bist ein ganz unreifes Mädel!« Das hörte sie gerade noch, ehe sie die Tür zuschlug.
Trotzdem Wolfgang Steinhardt die Angelegenheit als Kinderei betrachtete, war ihm der Sonntag gründlich verstört. Was hatte denn dieser Trotzkopf bloß wieder? Sollten Vater und Geschwister am Ende doch recht haben, daß mit Olly kein Auskommen war? Sollte die Schuld wirklich nur an ihr liegen? Und doch . . . es schmerzte ihn, daß er ihr Vertrauen wieder eingebüßt hatte. Er hatte gehofft, Einfluß auf sie zu gewinnen und sie dadurch auch ihrer Familie näherzubringen.
Da stürmten Rudi, Senta und Herbertchen auf ihn los. Alle drei kamen sie, um den Fahnenflüchtigen zu einem gemeinsamen Gesellschaftsspiel zurückzuholen.
Wolfgang mußte heute ein Pfand nach dem anderen geben. Er war unaufmerksam. Ein Gedanke war ihm plötzlich gekommen. Sollte Senta nicht das Plappermäulchen gehalten und Olly etwa ihren Beinamen verraten haben? Das würde vieles erklären. Aber der Blondkopf hatte ihm doch Verschwiegenheit gelobt. Jedenfalls mußte er sie mal fragen.
Beim Pfänderauslösen, als Herbertchen ein kleines Goldmedaillon in der Luft herumschwenkte und rief: »Was soll der tun, dessen Pfand ich halt' in meiner Hand?« fiel Wolfgang, der das Medaillon als Sentas Eigentum erkannte, schnell ein: »Eine Frage der Wahrheit gemäß beantworten!«
»Welche Frage?« hieß es allgemein. Das Backfischchen brannte lichterloh vor Neugierde.
»Das wirst du schon erfahren.« Wolfgang hüllte sich vorläufig in Stillschweigen.
Senta konnte kaum noch ruhig auf ihrem Stuhl sitzen. Sie zappelte vor Ungeduld, was es wohl sein könnte. Immer wieder versuchte sie es herauszubekommen.
Endlich war das Spiel beendigt. Senta zog den Freund ins Bibliothekzimmer.
»Schieß los!« drängte sie.
»Sieh mich mal an, Senta«, sagte Wolfgang ernst.
»Bäh!« machte das Blondchen und ließ dabei sogar ihre niedliche Zunge sehen.
»Willst du mir meine Frage ehrlich beantworten, Kind?«
Kind – na, da hörte sich doch alles auf!
Wolfgang aber fuhr bereits fort:
»Sage mal, Sentchen, hast du vielleicht Olly etwas vom ›häßlichen jungen Entlein‹ verraten, ich bin nicht böse, aber sage mir die Wahrheit, es würde mir vieles erklären.«
Das Backfischchen stand wie angedonnert.
»Was geht mich denn die dämliche Olly an, das lohnt sich, deshalb soviel Wesens zu machen!« Sie wollte zur Tür hinaus. Denn diese Frage war ihr nicht gerade angenehm.
Wolfgang hielt sie an ihren blonden Hängezöpfen fest.
»Ich will die Antwort wissen, Senta«, bat er eindringlich.
»Au, du ziepst mich ja!« Sie versuchte sich loszumachen.
»Hast du etwas verraten, Sentchen?«
»Ach, Unsinn.« Mit einem schnippischen Knicks enteilte ihm das blonde Hexchen.
Senta wäre höchst erstaunt gewesen, wenn man ihr gesagt hätte, daß sie gelogen habe. Noch nicht einmal geschwindelt, kaum geflunkert, nur in geschickter Weise hatte sie die gerade Antwort vermieden – das konnte ihr doch keiner verdenken. Senta hatte ein selbstzufriedenes Gemüt, sie fand immer eine Entschuldigung für sich, wenn sie ein Unrecht begangen, während Olly sich mit Selbstvorwürfen oft zerquälte.
Wolfgang Steinhardt war beruhigt. Er hielt Senta einer Unwahrheit nicht für fähig.
Der junge Ingenieur hätte auch kaum Zeit gefunden, noch weiter über die Launen eines unreifen Mädels nachzudenken, denn der nächste Tag brachte große Aufregung in die Fabrik.
Die neue Maschine, die schon bei der ersten Aufstellung Schwierigkeiten verursacht hatte, sollte noch einmal in Betrieb gesetzt werden.
Papa hatte beim Essen davon gesprochen, und Olly, deren Interesse geweckt war, schlich sich heimlich zum Obstgarten. Von hier aus konnte sie einen Teil der Fabrikhöfe übersehen. Denn auf das Fabrikterrain selbst wagte sie sich nicht.
Man war geschäftig beim Werk. Eine große Zahl blaublusiger Arbeiter und Monteure war mit der Aufstellung des eisernen Ungetüms bemüht. Auch die Ingenieure waren anwesend.
Zwischen den Edelobstbäumchen bemerkte Olly jenseits des Stachelzaunes zwei Arbeiterkinder. Sie blickten sehnsüchtig zu dem großen Apfelbaum herüber, den man noch nicht seiner Früchte beraubt hatte. Er trug Winteräpfel, die bis Ostern lagern konnten, und wurde stets als letzter geplündert.
»Kiek mal, Maxe, die Menge Äppel!« sagte das kleine Mädchen und steckte in andächtiger Bewunderung den Finger in den Mund.
»Drüben hat der Wind ein paar runterjeschmissen. ob ick mal rüberflitze?« Der Bruder sah die Schwester pfiffig an.
»Nee, Maxe, nee, deine Hosen!« Die Kleine warf einen ängstlichen Blick auf den Stachelzaun. »Und wenn's Vater merkt, jibt's Dresche!« setzte sie noch hinzu, sah aber dabei nur um so begehrlicher zu den rotbäckigen Früchten hinauf.
Olly hatte zuerst nicht besonders auf die Kinder geachtet. Ihre Gedanken waren bei der neuen Maschine. Aber die sehnsüchtigen Kinderstimmen ließen sie aufhorchen. Ein Lächeln zuckte um die Lippen des jungen Mädchens, ein seltener Gast in dem blassen Gesicht. Dann reckte es sich ein wenig, griff einen durch seine schweren Früchte tief herabhängenden Ast und hielt ihn über den Stachelzaun.
Die beiden Kinder wagten sich nicht zu bewegen. War es nicht wie im Märchen, in dem sich der Obstbaum selbst zu den armen, hungrigen Kindern herabneigt?
»Na, wollt ihr nicht pflücken?« fragte Olly freundlicher, als sie jemals zu Hause sprach, über den Zaun herüber.
Da kam Leben in die beiden. Eins, zwei, drei war der kleine Bengel an dem Zaun emporgeturnt, und packte nun, soviel er nur greifen konnte, während das Schwesterchen in der geflickten Schürze den unvermuteten Apfelregen auffing.
Noch ein glückliches »Dank ooch scheen«, dann machten sie sich mit ihrer Beute aus dem Staube. Sie hatten die Straße noch nicht erreicht, da begegnete ihnen Senta. Das blonde Fräulein trug einen Tennisschläger und ein Netz mit Bällen.
Wohlerzogen machte das kleine Mädchen seinen Knicks. Dabei rollten ihr ein paar Äpfel aus der Schürze und gerade zu Füßen des Kommerzienratstöchterleins.
Dieses stand starr. Die Frechheit ging doch zu weit! Am hellen lichten Tage stahl man ihnen jetzt schon ihre Äpfel!
Mit drohend geschwungenem Tennisschläger vertrat sie den beiden den Weg. Anfassen mochte sie mit ihren weißen Händchen keine Arbeiterkinder.
»Bande ihr – ihr habt uns ja Äpfel gemaust – sofort kommt ihr mit zum Herrn Kommerzienrat, der läßt die Polizei holen!« rief sie.
Zweistimmiges Geheul antwortete.
»Wa haben nich jeklaut – nee, wahrhaftig nich!« beteuerte der Junge, während das kleine Mädchen unter Schluchzen hervorstieß: »Wat det Fräulein is, hat se uns ja selbst jejeben!«
»Welches Fräulein?« Senta glaubte den Kindern nicht.
»Na, die Häßliche!« Die Kleine dachte sich nichts weiter bei ihren Worten. So wurde ja Kommerzienrats Älteste allgemein in der Fabrik genannt.
Olly, die auf das Geschrei herbeigeeilt war, hatte die letzten Worte des Kindes gerade noch gehört. Sie brannten ihr wie Feuer auf der Seele.
Das war der Dank für ihre Guttat!
Senta hatte die Kinder vorbeigelassen und wandte sich nun der jenseits des Zaunes auftauchenden Olly zu.
»Ich werd's Papa sagen, wenn du dem Arbeiterpack unsere besten Äpfel schenkst!« rief sie, Streit anfangend.
Ehe Olly noch antworten konnte, klang aus den Fabrikhöfen ein wüster Tumult herüber. Rufe – entsetzte Stimmen – aufgeregtes Durcheinander.
Um Gottes willen – war da etwas passiert? Olly fühlte, wie ihr Herz vor Schreck im Schlagen aussetzte. Mit langen Schritten eilte sie den Höfen zu. Senta folgte langsamer.
Die durcheinandersprechende und hastende Arbeitermenge wich beim Anblick des jungen Fräuleins scheu auseinander. Olly drang herzklopfend vor.
Ein Unglück – die neue Maschine hatte ihr erstes Opfer erheischt, ein Arbeiter lag in bewußtlosem Zustand, schwer am Bein verletzt, auf der Erde. Wolfgang Steinhardt und einige andere Ingenieure neigten sich schreckensbleich über ihn. Papa war noch nicht zur Stelle.
Ein Monteur brachte Wasser. Olly riß ihr Taschentuch heraus und legte es dem Bewußtlosen als Kompresse auf die Stirn. Senta, die inzwischen auch näher gekommen, lief weinend wieder zurück. Sie konnte kein Blut sehen.
»Bringt ihn in die Villa hinüber und holt den Arzt!« sagte Olly zu den Umstehenden mit fester Stimme. Ein beifälliges Gemurmel antwortete. Man wußte es ja, das häßliche Fräulein hatte ein Herz für die Arbeiter.
Auch Wolfgang Steinhardt sah mit Staunen, wie tatkräftig das im Kreise der Ihrigen stets gedrückte Mädchen hier auftrat. Da erschien der Kommerzienrat. Er war bleich wie seine Angestellten.
»Wer ist's – Schulz – o weh, einer meiner Besten, – das Auto – rasch, das Auto, ich fahre den Mann selbst ins Krankenhaus, hier tut schnelle Hilfe not!« befahl er. Jetzt erst bemerkte er Olly.
»Was hast du denn hier herumzulungern, Mädel, überall bist du im Wege!« Sein Schreck und seine Erregung kam gegen die Tochter zum Ausbruch.
Olly schlich sich scheu von dannen. Einige Minuten später raste das Auto der Stadt zu.
Die Gemüter der Arbeiterschaft beruhigten sich nicht so schnell. Neben dem Mitleid für den zu Schaden Gekommenen griff Groll und Unzufriedenheit darin Platz. Die Leute murrten.
»Ins Krankenhaus – den Schwerverwundeten erst noch transportieren – warum nicht in die Villa rüber, wie das Fräulein wollte – die Villa ist wohl zu vornehm für unsereins!« so brummte man durcheinander. Die Arbeiter verkannten die gute Absicht ihres Brotherrn, der mit seiner Umsichtigkeit sofort den Ernst der Lage und die Notwendigkeit eines schnellen chirurgischen Eingriffs übersehen.
Wo die Saat der Unzufriedenheit und des Mißtrauens aber erst einmal Wurzel geschlagen, da schießt sie auch in unheilvoller Üppigkeit empor. Ob früher oder später!