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Friedrich II. und die Päpste. Erzbischof Engelbert von Köln. Die Kreuzzüge. Walthers Kreuzfahrt.
Zweierlei Angelegenheiten, unter sich in genauer Verbindung, bewegten jetzt die Welt: Friedrichs II. Kampf mit den Päpsten und die Wiedereroberung des heiligen Grabes.
Als zwischen Philipp und Otto die Königswahl streitig war, hatte Innocenz III. sich nicht gescheut, den deutschen Fürsten zu erklären, daß die Entscheidung dieses Wahlstreits, wie die Besetzung des deutschen Thrones überhaupt, dem päpstlichen Stuhle zustehe, weil das Reich durch die Päpste von den Griechen auf die Deutschen gebracht sei und der neue König die Kaiserkrone vom Papst allein erhalte. Der ernstliche Widerspruch der Fürsten bewirkte die Zurücknahme dieses übereilten Wortes, aber das Benehmen des römischen Hofes war gleichwohl beständig von der Absicht geleitet, eine päpstliche Weltherrschaft zu begründen, der das Kaisertum als ein von ihr abhängiges Lehen untergeordnet wäre.
Wenn das Banner der Freiheit nicht auf Friedrichs Seite weht, wo er die aufstrebende Kraft der oberitalischen Freistaaten bekämpft oder den weltlichen Arm zur Vertilgung der Ketzer herleiht, so gebührt ihm dagegen die dankbare Anerkennung der Nachwelt in seinem 354 rastlosen Ringen gegen jene Anmaßungen der Priesterherrschaft. Das Mühselige und Gefahrvolle seiner Laufbahn ist in einem Liede des gleichzeitigen Dichters, Bruder Werner, durch ein schauerlich schönes Bild bezeichnet, wenn Friedrich einem Manne verglichen wird, der im Walde geht, während ein Wolf hinter ihm her schleicht, stets begierig, wenn der Mann straucheln oder fallen würde, sich über ihn herzustürzen (Man. II, 165b).
Die Kreuzzüge, deren oberste Leitung in den Händen des Papstes lag, waren diesem ein bedeutendes Mittel zur Erreichung jener großen Zwecke. Er war hier das Oberhaupt einer geistlich-weltlichen Vereinigung aller christlichen Könige und Völker.
Seit der Eroberung Jerusalems durch Saladin im Jahr 1188 waren die heiligen Orte unter der Gewalt der Ungläubigen. Die Kreuzpredigt war unermüdlich, das Abendland zu erregen. Als Friedrich II. im Jahr 1215 zu Aachen gekrönt wurde, ließ er sich, den Anforderungen der Zeit entsprechend, nebst vielen Bischöfen, Fürsten und Rittern, mit dem Kreuze bezeichnen. Nach einem achtjährigen Aufenthalt in Deutschland trat er im Jahr 1220 seinen Römerzug an. Seinen elfjährigen Sohn Heinrich, der bereits zum Nachfolger im Reiche gekrönt war, ließ er unter Vormundschaft zurück. In demselben Jahre ward er zu Rom von Honorius III. als Kaiser gekrönt und bei diesem Anlasse von dem Kardinal-Bischof Hugolin von Ostia, nachherigem Papst Gregor IX., abermals mit dem Kreuze bezeichnet. Aber so wie bisher die deutschen Angelegenheiten, so schoben jetzt die sicilischen die Erfüllung des Gelübdes hinaus. Je mehr, während Friedrichs Anwesenheit in den sicilischen Erblanden, zwischen ihm und dem päpstlichen Hofe Eifersucht und Mißhelligkeit sich erzeugte, um so wünschenswerter war einerseits dem Papste die Entfernung und auswärtige Beschäftigung des gefährlichen Gegners, anderseits dem Kaiser die Begründung seiner Macht auf heimischem Boden. Als im Jahr 1221 Damiata, kaum erobert, durch die Uneinigkeit der Kreuzfahrer wieder verloren ging, war Friedrich den bitteren Vorwürfen des Papstes und der Bedrohung mit dem Bann ausgesetzt. Zur großen Zufriedenheit des heiligen Vaters gereichte hingegen Friedrichs zweite Vermählung mit Jolantha, der Erbin des Königreichs Jerusalem. Unter Ermahnungen und Bedrohungen von der einen, Entschuldigungen und Vertröstungen von der andern Seite verzog sich die Abfahrt bis in das Jahr 1227. Jetzt waren die großen Zurüstungen beendigt und die Scharen der Kreuzfahrer auf der apulischen Küste versammelt. Schon war eine große Zahl von Brindisi abgesegelt, der Kaiser und der Landgraf von Thüringen hatten sich gleichfalls eingeschifft, aber 355 nach drei Tagen liefen diese wieder zu Otranto ein, beide von ansteckender Krankheit ergriffen, woran der Landgraf einige Tage nachher verschied. Auch die vorausgefahrene Flotte kehrte nun zurück und die ganze Unternehmung zerschlug sich.
Gregor IX. hatte kurz zuvor den päpstlichen Stuhl bestiegen. Er war aus einem von Friedrich beleidigten Geschlecht entsprossen, er hatte den Kaiser bei der Krönung mit dem Kreuze bezeichnet und ihn zuletzt noch dringend zum Kreuzzuge gemahnt. Jetzt verwarf er jede Entschuldigung, erklärte Friedrichs Krankheit für Verstellung, schleuderte unerbittlich auf ihn den Bannstrahl und verkündigte in Deutschland, sowie in allen abendländischen Reichen, des Kaisers ungeheure Schuld und furchtbare Bestrafung.
Friedrich erließ gleichfalls Briefe zu seiner Verantwortung. Er klagte den Geiz und die Herrschsucht der Kirche an, die sich Kaiser, Könige und Fürsten zinsbar zu machen strebe. Zugleich aber erneuerte er die Anstalten zum Kreuzzuge und fuhr wirklich im folgenden Jahr, 1228, mit dem Papste unversöhnt, nach Palästina ab. Auch dorthin verfolgte ihn Gregors Haß und war ihm in allen Unternehmungen hinderlich. Gleichwohl bewirkte Friedrich die Zurückgabe Jerusalems und der heiligen Stätten, und da kein Priester ihn weihen wollte, setzte er selbst im Tempel die Krone von Jerusalem sich auf das Haupt.Das Vorstehende meist nach der trefflichen Geschichte Kaiser Friedrichs des Zweiten. Züllichau und Freist. 1792.
Unser Dichter ist ebensosehr ein erklärter Gegner der Priesterherrschaft, als ein begeisterter Herold der Kreuzzüge. Er eifert gegen die Eingriffe der Kirche in die Rechte der weltlichen Gewalt, gegen die Habsucht und Verschwendung des römischen Hofes, gegen den Ablaßhandel, gegen die willkürlichen Bannsprüche, gegen das unerbauliche Leben der Geistlichkeit; zugleich aber ruft er wiederholt den Kaiser zur Vornahme des Kreuzzuges auf. Es kann uns einen Begriff geben, mit welchen Schwierigkeiten Friedrich II. zu kämpfen hatte, wenn wir selbst seine aufgeklärteren Anhänger ihn zu einem Schritte drängen sehen, zu dem er so ungern sich entschloß.
Damit soll jedoch kein Widerspruch in der Gesinnung des Dichters bezeichnet werden. Gerade der fromm begeisterte Sinn muß am meisten Anstoß nehmen, wenn er das Heilige durch Mißbrauch zu fremdartigen Zwecken entweiht sieht. Die Erscheinung des Heiligen ist zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene. Was der einen Zeit Andacht und Begeisterung war, ist der andern Aberglaube und Schwärmerei. Aber von dem Urteil über Formen und 356 Lehrsätze unabhängig ist die Unterscheidung dessen, was aus reiner Quelle, aus der Inbrunst des Herzens, aus der Sehnsucht nach dem Ewigen, aus der Ehrfurcht vor dem Unendlichen entsprungen ist, von demjenigen, was, aus gänzlich irdischen Triebfedern hervorgegangen, nur äußerlich mit dem Mantel der Heiligkeit sich bekleidet. Wenn jenes noch in später Folgezeit empfängliche Gemüter, dichterisch wenigstens, anzusprechen vermag, so muß dieses schon in der Zeit, wo es, durch Umstände begünstigt, seine größte Gewalt ausübt, den Zweifel an seiner inneren Gültigkeit erwecken.
Wenn man sich dafür begeisterte, das Land, wo Gottes Sohn menschlich gewandelt, wo er im Leben und im Tode Wunder gewirkt, der Entweihung durch Unglaubige zu entreißen, so kann dies auch eine Folgezeit begreiflich finden, welche sich von demselben Eifer nicht zu entflammen vermöchte. Wenn aber der heilige Vater nach Rücksichten der Staatsklugheit heute segnete und morgen fluchte, wenn er Zwietracht im Reich erweckte und nährte, wenn er Eidschwüre nach Gefallen löste, den Ablaß zu einer Erwerbsquelle machte, wenn die Geistlichkeit, statt zu singen und zu beten, sich in Fehden tummelte oder weltlicher Üppigkeit frönte, so mußte solches Ärgernis schon die glaubigen Zeitgenossen entrüsten.
Man kann nicht behaupten, daß Walther für den Beruf der Geistlichkeit keine Achtung hege. Er empfiehlt, zu glauben, was die Pfaffen Gutes lesen (I, 133b); er klagt, daß Frauen und Pfaffen, zwei so edle Namen, mit den Schamlosen werben (I, 115b). Aber eben die Entartung der Geistlichkeit, das Heraustreten aus den Grenzen ihres Berufs, die pfafflichen Ritter und ritterlichen Pfaffen (I, 126b), die Verdorbenheit der Kirche an Haupt und Gliedern greift er mit dem scharfen Sange an.
Jene Anmaßungen der kirchlichen Gewalt sind ihm unerträglich. Er verwünscht die Begründung der Priesterherrschaft mittelst der Schenkung Konstantins des Großen, durch welche, nach der von den Päpsten verbreiteten Meinung, die Stadt Rom samt mehreren Ländereien Italiens dem römischen Bischof übergeben und damit der Kirchenstaat gestiftet worden.
König Konstantin, der gab so viel,
Als ich es euch bescheiden will,
Dem Stuhl zu Rome: Speer, Kreuze und Krone.
Zuhand der Engel laute schrie:
»O weh! o weh! zum dritten: weh!
Eh' stund die Christenheit mit Züchten schöne, 357
Der ist ein Gift nun gefallen,Vgl. Pfeiffer, Deutsche Mystiker I, 43 und Simrock II, 145, 2.
Ihr Honig ist worden zu einer Gallen,
Das wird der Welt hernach viel leid.«
Alle Fürsten leben nun mit Ehren,
Nur der höchste ist geschwachet;
Das hat der Pfaffen Wahl gemachet.
Das sei dir, süßer Gott, geklagt;
Die Pfaffen wollen Laienrecht verkehren;
Der Engel hat uns wahr gesagt.Ohne Zweifel hat Ottokar von Horneck das obige Lied vor Augen gehabt (wie auch Schacht in dem lebensvollen Buche: Aus und über Ottokars von Horneck Reimchronik, Mainz 1821, S. 279 andeutet), wenn er im Kap. 448 seiner Chronik (Pez, Script. Rer. Austr. B. III, S. 446) ausruft:
Ei, Kaiser Konstantin!
War thät du dein Sinn,
Da du den Pfaffen geb
Den Gewalt und das Urleb,
Daß Städt, Burge und Land
Unterthanig ihr'r Hand
Und ihr'm Gewalt sollt wesen?
Geistlicher Zuchtebesen
Ist nu zu scharf worden.
Du solltest in dem Orden
Die Pfaffen haben lan,
Als sein St. Peter begann,
Das wär hoher Miete wert.
Was wolltest du das Schwert
Den Pfaffen zu der Stol geben,
Die damit nichts können leben,
Noch zu Recht können walten?
Lassen und behalten,
Als man mit dem Schwert soll,
Das können sie nicht wohl.
Sie haben es vergramaziert
Und das Reich verirrt
Manniger Ehr'n und Gewalt,
Die ihm vor was bezahlt.
Konstantin, nu sieh an!
Hättest du zu Latran
Den Papst den Psalter lassen lesen
Und den Kaiser gewaltig wesen,
Als es vor deinen Zeiten was u. s. w. (I, 129b.)
bescheiden] berichten, erklären. – der höchste] d. i. der Kaiser. – geschwachet] erniedrigt. – der Pfaffen Wahl] vermutlich die Erwählung Gregors IX.
Anderswo rät Walther den Pfaffen, die Armen zu bedenken, zu singen und jedem das Seine zu lassen.Göttingische gel. Anz. 1835, St. 10. 11. Jan. F. Hurter, Geschichte Papst Innocenz' III., B. II Hamburg, Perthes, 1834, S. 97: »Es ward nie auf den zweiten, weiterführenden Schritt gedacht, wodurch der Staat unter die Bevormundung der Kirche fallen sollte. Wie reimen sich dazu die zwei Lichter und die zwei Schwerter? Wie reimt sich dazu Innocenzens ganzes Streben, den Staat in allen seinen Beziehungen der kirchlichen Leitung zu unterwerfen?« Vgl. Walthers Kerzen, Man. I, 106a, 2? Hormayr, Taschenbuch für vaterländische Geschichte 1837, S. 164. (Die Heuschrecken, das große Erdbeben und die Pest.) Im Jahr 1338. »Nun blieb des Samens von denselben Heuschrecken zu Botzen und Kaltern, und wurden mit dem geistlichen Bann von dannen vertrieben, also, daß sie alle bei dem Wasser abflogen von dem Land, und kam der Bann auf sie mit einem Urteil: denn der Pfarrer von Kaltern fragte alle, die einen Eid geschworen hatten, und ward also geurteilt, von dem ersten Eidschwörer, der um das Urteil gefragt wurde: dieweil bemeldte Heuschrecken dem Land und Leuten schädlich und verderblich kommen waren, so erkennt er zu Recht, daß sie der Pfarrer auf offener Kanzel mit brennenden Lichtern verschießen sollte, in dem Namen Gottes Vaters, Sohnes und Gottes heiligen Geistes. Dieses Urteil ward also befolgt, und ordentlich vollzogen.« Alte handschriftl. tirol. Chronik. Weber, die Verfluchungen S. 30. Lebens-Beschreibung Herrn Gözens von Berlichingen S. 124 f. Dabei erinnert er sie 358 der Gabe, die auch sie einst vom König Konstantin empfangen. Hätte dieser gewußt, daß daraus künftig Übel entstehen würde, so hätt' er der Not des Reiches vorgebeugt, aber damals waren sie noch frei von Übermut (I, 103a). Auch die Geschichte vom Zinsgroschen wird erzählt und wie Christus den Pharisäern geraten, daß sie den Kaiser ließen haben sein Kaisersrecht und Gott, was Gottes wäre (I, 103b).
Heftiger noch werden des Dichters Angriffe. Der neue Papst wird mit Sylvester II, vorher Gerbert, verglichen, der von 999 bis 1003 auf dem päpstlichen Stuhle saß und wegen seiner naturwissenschaftlichen und mechanischen Kenntnisse für einen Schwarzkünstler galt. Wenn dieser nur sich selbst, durch die Zauberei, ins Verderben gebracht, so bringe der jetzige Papst mit sich die ganze Christenheit zu Falle:
Der Stuhl zu Rome steht nun erst besetzet rechte,
Alswie hievor mit einem Zauberer, hieß Gerbrechte,
Derselbe gab zu Falle nur sein eines Leben,
Nun hat sich dieser und alle Christenheit zu Falle geben.
Alle Zungen soll'n zu Gotte schrein: wafen!
Und rufen ihme, wie lang er wolle schlafen.
Sie widerwirken seine Werk' und fälschen seine Wort',
Sein Kämmerere stiehlt ihm seinen Himmelhort,
Sein Sühner mordet hier und raubet dort,
Sein Hirt ist zu einem Wolfe ihm worden unter seinen Schafen. (I, 132a.)
sein eines Leben] sein, des Einzelnen Leben. – wafen] wehe! – widerwirken] vereiteln, entgegenwirkend. – Himmelhort] himmlischer Schatz.
Auf päpstlichen Befehl wurde, noch unter Innocenz III., in den Kirchen der Stock (truncus) aufgestellt, worein die frommen Gaben 359 fielen, die von Männern und Frauen zur Unterstützung des heiligen Landes bestimmt wurden.»In illis autem ecclesiis, in quibus convenit processio generalis, truncus statuatur concavus tribus clavibus consignatus, una penes honestum presbyterum, alia apud laicum devotum, tertia penes aliquem regularem fideliter conservandis, in quo viri et mulieres eleemosynas ponant, in terrae sanctae subsidium convertendas, secundum dispositionem eorum, quibus fuerit haec sollicitudo commissa.« Bulla Innocentii III. ad Christianos pro reparanda terra sancta in Chron. Ursp. ad ann. 1212. Zwei Gedichte Walthers handeln von diesem Stocke:
Ahi! wie christlich nun der Pabest unser lachet,
Wenn er seinen Wälschen sagt: »Ich hab's also gemachet.«
(Das er da sagt, er sollt' es nimmer han gedacht.)
Er spricht: »Ich hab' zween Alemann' unter eine Krone bracht,
Daß sie das Reiche sollen stören und wasten.
All die Weile fülle ich die Kasten.
Ich hab' sie an meinen Stock gemännet, ihr Gut ist alles mein,
Ihr deutsches Silber fährt in meinen wälschen Schrein.
Ihr Pfaffen, esset Hühner und trinket Wein,
Und laßt die Deutschen fasten! (I, 132a.)In der Pf. Hdschr. 357, Bl. 9a ist diese Strophe durch derbe Variationen erweitert.
wasten] verwüsten. – gemännet] als Mannen, Vasallen, pflichtig gemacht. [L. Sal. tit. 59: mannire. Eichhorns deutsche Staats- und Rechtsgeschichte S. 184, Note c. S. 189, Note d. e. Man. II, 170b, 3: Sunder mannes helfe din lib den gebar, Den alle künige muessen mannen. Schmeller, Bayrisches Wörterbuch II, 490.]
Saget an, Herr Stock! hat Euch der Pabest her gesendet,
Daß Ihr ihn reichet und uns Deutsche ärmet und schwendet?
Wenn ihm die volle Maße kommet zu Lateran,
So thut er einen argen List, wie er eh' hat gethan,
Er sagt uns danne, wie das Reiche steh' verworren,
Bis ihn erfüllen wieder alle Pfarren.
Ich wähne, des Silbers wenig kommet zu Hilfe in Gottes Land.
Großen Hort zerteilet selten Pfaffenhand.
Herr Stock! Ihr seid auf Schaden her gesandt,
Daß Ihr aus deutschen Leuten suchet Thörinnen und Narren. (Ebend.)
reichet, ärmet] reich, arm machet. – schwendet] auszehret. – List] Kunstgriff. – bis ihn u. s. w.] nämlich den Stock. – 360 Gottes Land] das heilige Land. – zerteilet] teilet aus. – suchet] aufsuchet.
Vom Ablaßhandel hat Walther Ansichten, die man bei einem Dichter aus der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts nicht gesucht haben möchte:
Ihr Bischöf' und ihr edlen Pfaffen, ihr seid verleitet (vielleicht verkehret).Prälat v. Schmid vermutet: verleret.
Seht, wie euch der Pabest mit des Teufels Stricken sehret!
Sagt ihr uns, daß er Sankte Peters Schlüssel habe,
So sagt, warum er dessen Lehre von den Büchern schabe!
Daß man Gottes Gabe je kaufe oder verkaufe,
Das ward uns verboten bei der Taufe.
Nun lehret's ihn sein schwarzes Buch, das ihm der Hölle Mohr
Gegeben hat, und aus ihm lesen sie nun vor.
Ihr Kardinäl'! ihr decket euren Chor,
Unser Fronaltar steht unter einer übeln Traufe. (I, 133b.)
sehret] versehret, beschädigt. – [Buch] Ducange (II, 278) u. d. W. Liber: »Liber nigri, de Necromantia, apud Eckehardum de Casib. S. Galli c. 2: ›Ne miremini, si diabols a quo nigros libros noctibus discunt, fascinatorum suorum calices, ne offenderentur, continuit.‹« – Chor] vgl. Narrenbuch S. 280 ff. – der Hölle Mohr] der Teufel. (Vgl. I, 181b.) (Minnes. Man. II, 200: dem helle more.]
Die Schlußzeilen des vorstehenden Gedichts schildern die Bereicherung Roms im Gegensatz zu dem Zerfall der deutschen Kirche. Auch der gleichzeitige Geschichtschreiber, selbst ein Geistlicher, erhebt laute Klage über die Habsucht des römischen Hofes und die dadurch eingerissenen Mißbräuche.
»Kaum blieb noch,« sagen die urspergischen Jahrbücher, »irgend ein Bistum, oder eine kirchliche Würde, oder auch eine Pfarre übrig, die nicht streitig gemacht und dann die Sache nach Rom gebracht wurde, jedoch nicht mit leerer Hand. Freue dich, unsre Mutter Rom, daß die reichen Schatzquellen auf der Erde sich öffnen, damit Ströme Geldes zu dir hin sich ergießen im Überfluß! Frohlocke über die Ungerechtigkeit der Menschensöhne, weil bei Vergütung so großer Übel das Sündengeld dir entrichtet wird! Ergötze dich deiner Gehilfin, der Zwietracht, daß sie aus den Brunnen des höllischen Abgrundes hervorbrach, damit dir die Gelder sich 361 anhäufen! Du hast, wonach du immer gedürstet. Stimm' an ein Jubellied, daß du durch die Bosheit der Menschen und nicht durch deine Heiligkeit den Erdkreis überwunden hast! Zu dir zieht die Menschen nicht ihre Andacht oder ihr reines Gewissen, sondern die Verübung vielfacher Verbrechen und der Streithändel Entscheidung um Geld.«In gleichem Sinne spricht auch der Freigedank, ein Spruchdichter des dreizehnten Jahrhunderts:
Sünde niemand mag vergeben,
Wann Gott einig, dar sollen wir streben.
(Müllers Ausgabe V. 3180 f.)
Alle Schatzes Flüsse gehn
In Rome (nach Rom), bis sie da bestehn (bleiben),
Und doch nimmer wird voll,
Das ist ein unsinnig Hohl.
So kommet alle Sünde dar,
Die nimmt man da den Leuten gar u. s. w. (V. 3185 ff.)
Das Netz kam zu Rome nie,
Damit Sankt Peter Fische fie (fing),
Das Netz ist ihm verschmähet.
Römisch Netz fähet
Silber, Gold, Burge und Land;
Das war Sankt Petern unbekannt.
Sankt Peter war zu Recht ein Degen,
Den hieß Gott seiner Schafe pflegen,
Er hieß ihn nicht Schafe bescheren,
Nun will man Scherens nicht entbehren.
Unrecht ist zu Rome erhaben,
Recht und Gericht ist da abgeschaben. (V. 3880 ff.)
Reinmar von Zweter singt:
Der Pabest hat viel reiche Kind (Kinder),
Die minnet er, wo sie gesessen in den Landen sind,
Mit ihnen teilt er seinen Segen, so teilen sie mit ihm ihr Gold.
Dieselben Kind sind ihm so traut,
Daß er ungerne käme mit Schlägen auf ihrer eines Haut.
Wollte Gott, es wären ihm die habelosen Kind halb also hold (lieb)!
Eh' daß der arme Sohn sein Recht behärte,
So ist der reiche auf seiner Vorderfährte u. s. w. (Pf. Handschr.350.)
Vgl. Odon. Ernest. L. I, S. 317.
Wie das schlimme Beispiel der Geistlichkeit auch die Laien irre machen und verderben müsse, führt der Dichter weiter aus:
Welch Herze sich bei diesen Zeiten nicht verkehret,
Seit daß der Pabest selber dort den Ungelauben mehret,
Dem wohnt ein sel'ger Geist und Gottes Minne bei.
Nun seht ihr, was der Pfaffen Werk und was ihr' Lehre sei.
Ehdes war ihre Lehre bei den Werken reine,
Nun sind sie aber anders so gemeine,
Daß wir sie unrecht wirken sehen, unrecht hören sagen,
Die uns guter Lehre Vorbild sollten tragen;
Des mögen wir dumme Laien wohl verzagen.
Ich wähne wieder, mein guter Klausener klage sehr und weine. (I, 133b.)
362 gemeine] allgemein. – des] darüber. – [Klausener] Löbell, Gregor von Tours S. 305 f.: Reclusi].
Die Christenheit, sie lebte nie so gar nach Wahne,
Die sie da lehren sollten, die sind guter Sinne ohne.
Es wär' zuviel, und thät' ein dummer Laie das.
Sie sünden ohne Furcht, darum ist ihnen Gott gehaß.
Sie weisen uns zum Himmel und fahren selbst zur Hölle.
Sie sprechen, wer ihr'n Worten folgen wölle,
Und nicht ihr'n Werken, der sei ohne allen Zweifel dort genesen.
Die Pfaffen sollten keuscher, denn die Laien, wesen;
An welchen Büchern haben sie das erlesen,
Des sich so mancher fleißet, wo er ein schönes Weib verfälle? (W. Hds. S. 147)Vgl. Ottokar von Horneck, Kap. 821. (Pez l. c. S. 832):
Gott Herre, durch dein' Güt'
Die Christenheit baß behüt'
Und weis' uns auf beßre Spur,
Denn uns die Pfaffen gehn vor,
Die da Gewalt hie tragen!
Als uns die Buch sagen,
So sollten sie uns Lehr' geben
Mit Worten und mit gutem Leben,
Des sie leider thun nicht;
Wer ihre Werk ansicht,
Die sind viel wahrleich
Ihren Worten ungeleich.
dort genesen] jenseits gerettet. – wesen] sein. – erlesen] gelesen, erlernt. – versälle] zu Fall bringe.
Es ist eine alte Überlieferung der Singschule, daß die zwölf Stifter des Meistergesangs als Ketzer angeklagt worden seien und darüber vor dem Kaiser, dem päpstlichen Legaten und einer großen Versammlung von Gelehrten sich haben verantworten müssen. Gedichte, wie die bisher angeführten, konnten allerdings zu einer solchen Sage Anlaß geben.
Daß die freimütigen Äußerungen eines so berühmten Meisters, als der unsrige war, nicht wirkungslos verhallten, ist schon zum voraus anzunehmen. Es sind aber auch noch späthin bestimmte Spuren der Nachwirkung vorhanden. Ottokar von Horneck, der steirische Chronikschreiber am Anfang des vierzehnten Jahrhunderts, der manch hellen Blick in seine Zeit wirft, verrät deutlich seine Vertrautheit mit Walthers Aussprüchen über die Geistlichkeit und ihr Verhältnis zur weltlichen Gewalt.S. Anm. S. 357 und oben. Es könnten aber noch weitere Nachweisungen über Ottokars Bekanntschaft mit Walthers Gedichten beigebracht werden. Die Ansichten des ersteren von Papst und Klerus hat Schacht a. a. O. Abschnitt XI, besonders S. 276. 278 bis 284 dargelegt.
363 Bei der Abreise nach Italien im Jahr 1220 hatte Friedrich seinen jungen Sohn Heinrich unter Vormundschaft zurückgelassen und die Verwaltung des Reiches dem Erzbischof Engelbert von Köln, aus dem Geschlechte der Grafen von Berg, übertragen. Im Wintermond 1225 wurde dieser auf dem Rückwege von Soest nach Köln von seinem Anverwandten, dem Grafen Friedrich von Isenburg, der als Kirchenvogt von Essen mit dem Erzbischof in Streit geraten war, überfallen und meuchelmörderisch erschlagen. Die Klosterbrüder zu Berg, welche bei dem Leichnam wachten und Psalmen sangen, behaupteten, zwischen dem Gesang Engelstimmen gehört zu haben. Einem derselben erschien Engelbert als Märtyrer im Traume. An seinem Grabe zu Köln geschahen viele Wunder und in der Folge ward er unter die Heiligen versetzt. Der Mörder hatte sich nach Rom begeben, wo er sich vom Papste Honorius III. Buße auflegen ließ. Nach seiner Zurückkunft aber wurde er aufgegriffen und ein Jahr nach vollbrachter That zu Köln mit dem Rade hingerichtet.Godofrid. Colon. Annal. (ap. Freher. Germ. rer. Script. T. I) ad ann. 1225. 1226. Chron. Salisb. cit. ann. 1226.
Zwei Gedichte Walthers handeln von dem werten Bischof von Köln. In dem einen, noch bei Lebzeiten diese Fürsten verfaßt und an ihn gerichtet, werden dessen Verdienste um das Reich gerühmt, er wird als Fürstenmeister aufgeführt, als Ehrentrost eines gepriesenen Kaisers, besser denn je ein Kanzler es war, und zum Schlusse noch, in Beziehung auf die Heiligen von Köln, als Kämmerer von drei Königen und elftausend Jungfrauen (I, 106a). Das andere, ein Seitenstück zu dem vorigen, ist nach der Ermordung des Erzbischofs, aber noch vor bekannt gewordener Hinrichtung des Thäters, abgefaßt und lautet also:
Wes Leben ich lobe, des Tod den will ich immer klagen.
So weh' ihm, der den werten Fürsten habe erschlagen
Von Kölne! o weh', daß ihn die Erde mag noch tragen!
Ich kann ihm nach seiner Schulde keine Marter finden;
Ihm wäre allzu sanft ein eichner Strang um seinen Kragen,
Ich will ihn auch nicht brennen, noch zergliedern, noch schinden,
Noch mit dem Rade zerbrechen, noch auch darauf binden;
Ich warte alles, ob die Hölle ihn lebend wolle schlinden. (Ebend.)Es ist zu entscheiden, ob nicht beide Gedichte ironisch gemeint seien. In beiden scheint die Schlußzeile diese Wendung zu nehmen. Diese ironische Weise ist überhaupt dem Dichter nicht fremd. Sie findet sich namentlich in seinen Gedichten auf Otto IV. Was ihn aber veranlaßt haben mochte, sie gegen den Erzbischof, von dem sonst Gutes gemeldet wird, und selbst auf dessen Ermordung anzuwenden, erhellt nicht. Der Abt von Ursperg setzt diese Begebenheit in Verbindung mit damals neu aufgekommenen, von einem Predigermönch aus Straßburg, Johannes, verkündigten Lehrsätzen, die, an sich nicht verwerflich, in der Anwendung durch Mißverstand verderblich geworden und zu den abscheulichsten Frevelthaten Anlaß gegeben. Hievon findet sich jedoch keine Meldung bei dem Mönche von Köln, der dem Ereignisse näher stand und nach dessen Jahrbüchern dasselbe oben erzählt wurde. Übrigens scheint das Urteil der Zeitgenossen nicht einhellig gewesen zu sein. Nach dem Berichte eines andern Geschichtschreibers kam zu Nürnberg bei der Vermählung des Königs Heinrich mit der Tochter Leopolds von Österreich die Ermordung des Erzbischofs zur Klage und es erhob sich über diesen Fall Widerspruch zwischen dem Erzbischof von Trier und dem Grafen von Truhendingen. Man griff zu den Waffen und es kamen in diesem Auflauf gegen sechzig Menschen um. Excerpt. ex Catal. Rom. Pontif. et Imp. (ap. Pez, T. II) ad ann. 1225. [Blätter für litterarische Unterhaltung, Nr. 2. 2. Januar 1834. S. 8: Tadelnde Anzeige von F. E. v. Mering, Geschichte der Burgen, Rittergüter, Abteien und Klöster in den Rheinlanden und den Provinzen Jülich, Kleve, Berg und Westfalen, Heft 1. Köln, Arend, 1833. »S. 111. Bei Gelegenheit der Ermordung des Erzbischofs Engelbert I. durch den Grafen Friedrich von Isenburg am 7. November 1225 durfte nicht unbemerkt bleiben, daß die westfälischen und märkischen Schriftsteller von den rheinischen bedeutend abweichen und den Grafen in Schutz nehmen.«] Sonst machen einige Schriftsteller den heiligen Engelbert zum Stifter der Femgerichte. Zu wirksamerer Verfolgung der Ketzer soll er diese Gerichte, nach dem Muster der damals aufgekommenen und bestätigten heiligen Inquisition, gestiftet haben. Der geschichtliche Beweis für diese Meinung wird aber vermißt. Berck, Geschichte der westfälischen Femgerichte. Bremen 1815. S. 251.
364 zergliedern] zerreißen, vierteilen. – alles] gänzlich, lediglich. – schlinden] verschlingen.
Wir haben uns dem Zeitpunkte genähert, wo Friedrich der Anmutungen des Papstes, den längst gelobten Kreuzzug wirklich vorzunehmen, sich nicht länger erwehren konnte. Schon im Jahr 1223 hatte Honorius den Glaubigen verkündigt, daß sie sich rüsten sollten, nach zwei Jahren mit dem ruhmreichen Kaiser Friedrich über Meer zu fahren. Wunderbare Naturerscheinungen hatten von jeher die Prediger des Kreuzes unterstützt. Vorstellungen von dem nahenden Weltende, vom tausendjährigen Reiche, dessen Hauptsitz Jerusalem sein würde, erregten die Geister. Auch unser Dichter hat die Vorboten des heranrückenden Weltgerichtes erkannt, nicht bloß in den Zeichen des Himmels, weit mehr noch in der Verderbnis der Menschen. Es ist höchste Zeit, daß die Christenheit sich aufraffe, die allzulang im Schlafe lag:
Nun wachet! uns geht zu der Tag,
Vor dem wohl Angst verspüren mag
Ein Jeglichs, Christen, Juden und auch Heiden.
Wir haben der Zeichen viel gesehen,
Daran wir seine Kunst wohl spähen,
Wie uns die Schrift mit Wahrheit kann bescheiden.
Die Sonne hat ihren Schein verkehret,
Untreu' ihren Samen ausgeleeret
Allenthalben an den Wegen. 365
Der Vater bei dem Kind Untreue findet,
Der Bruder seinem Bruder lüget,
Geistlicher Orden in Kutten trüget,
Der uns zum Himmel sollte stegen.
Gewalt geht aufrecht, gut Gerichte schwindet.
Wohlauf! hier ist zu viel gelegen. (I, 128a.)Köpke a. a. O. glaubt, daß dieses Gedicht im Jahr 1234 also geraume Zeit nach dem Kreuzzuge Friedrichs II., abgefaßt sei. Er deutet nämlich die Untreue des Kindes gegen den Vater auf die Empörung des römischen Königs Heinrich wider seinen Vater, den Kaiser, und die Worte »Der Bruder seinem Bruder lüget« auf die Feindschaft zwischen Heinrich und seinem jüngeren Bruder Konrad. Diese besondere Beziehung ist mir nicht wahrscheinlich. In dem Liede eines späteren Dichters (Müllers Sammlung B. 2., N. CCCCXLVIII) kommt die ähnliche Stelle vor:
Menschenkind, denket daran!
Es ist in der Welt wohl Schein, daß Endes Tag will kommen.
Das Kind trauet nicht dem Vater sein,
Noch Vater seinem Kinde nicht, das haben wir wohl vernommen.
(Vgl. Reinmar von Zweter II, 134a, 4.) Das Ganze beruht auf bekannten Stellen der Schrift, wie unser Dichter selbst zu erkennen giebt.
stegen] den Weg weisen oder bahnen. – Wohlauf!] die Pf. Hds. 357 hat: wohl hin! was die Beziehung auf den Kreuzzug noch näher legt.
Gewaltiger noch ertönt die mahnende Stimme in nachfolgendem Aufruf:
Es kommt ein Wind, das wisset sicherliche,
Davon wir beides hören, singen und sagen.
Der soll mit Grimm erfahrn alle Königreiche,
Das höre ich Waller und Pilgerime klagen.
Bäume, Türme liegen vor ihm zerschlagen,
Starken Leuten wehet er die Häupter abe.
Nun sollen wir fliehen hin zu Gottes Grabe! (I, 103b.)
erfahrn] befahren, durchfahren.
Ein seltsames Lied ist es, worin der Dichter den Engeln das Lob versagt, solange sie nicht kräftiger gegen die Heidenschaft mit ankämpfen (I, 126a).
Hinwider läßt er einen Boten Gottes auftreten, an dessen Vogt, den Kaiser, gesendet, um Klage zu führen über die Heidenschaft, die im Lande seines Sohnes schmählich hause. Der Kaiser hat die Erde, Gott das Himmelreich. Jetzt soll der Kaiser dem Herrn Recht schaffen; Gott wird es gegenseitig thun, da, wo er Vogt ist, und klagte der Kaiser auch über den Teufel in der Hölle (I, 135b).
Ein andres Gesätz mahnt den Kaiser, Deutschlands inneren Frieden zu befestigen und die ganze Christenheit zu sühnen; das 366 verherrliche ihn und mühe die Heiden sehr. Er habe zwiefache Kaisersstärke, des Aares Tugend, des Leuen Kraft; die seien darum Heerzeichen an dem Schilde.Der Adler ist das Wappen des Reiches, der Löwe das hohenstaufische. Dieser ist den altdeutschen Dichtern das Sinnbild des Mutes, der Kraft, jener der Milde, der Freigebigkeit. So bei Reinmar von Zweter II, 140b, 146b. Vgl. Eneit. V. 12416 f. Beide sind Herrscher im Tierreich. Dem König der Vögel ist es vermutlich als Freigebigkeit ausgelegt worden, daß er, wie man beobachtet hat, zuweilen von seiner Beute nur das Beste verzehrt und, was ihm nicht gut genug ist, den geringeren Vögeln überläßt. Diese zween Heergesellen, wollten sie an die Heidenschaft, was widerstände ihrer Mannheit und ihrer Milde? (Ebend.)
Bei all diesem Eifer für die Sache des Kreuzes bleibt doch Walther seinem kaiserlichen Wohlthäter treu ergeben, auch nachdem dieser wegen der gescheiterten Unternehmung im Jahre 1227 von Gregor IX. mit dem furchtbaren Bannstrahle gezeichnet ist. Den Kirchenfluch, der auch die Anhänger des Gebannten traf, weist der Dichter unerschrocken von sich ab, indem er dem Papst entgegenhält, was dieser bei der Krönung des Kaisers den Völkern geboten:
Herr Pabest, ich mag wohl genesen,
Denn ich will Euch gehorsam wesen;
Wir hörten Euch der Christenheit gebieten,
Wie wir des Kaisers sollten pflegen,
Da Ihr ihm gabet den Gottessegen,
Daß wir ihn Herren hießen und vor ihm knieten.
Auch sollt Ihr nicht vergessen.
Ihr sprachet: »Wer dich segne, daß der gesegnet sei!
Wer dir fluche, der sei verfluchet
Mit Fluche vollgemessen!«
Durch Gott, bedenket Euch dabei,
Ob Ihr der Pfaffen Ehre irgend suchet! (I, 103a.)
genesen] an meinem Seelenheil unbeschädigt bleiben – wesen] sein. – durch Gott] um Gottes willen.
Von neuem läßt Walther den alten Klausner klagen, daß man die Guten banne und den Übeln singe (I, 103a). Dem Kaiser aber rät er, unbekümmert um des Papstes Irrung, dennoch abzufahren.So kann die Strophe: »Bote, sage dem Kaiser« u. s. w. (I, 103a) eingereiht werden. Auch das Gedicht »Ihr Fürsten, die des Königes« u. s. w. (I, 131a) betrifft die Kreuzfahrt. Dasselbe ist mutmaßlich schon um 1220 verfaßt, wo Friedrich, noch nicht als Kaiser gekrönt, aber längst mit dem Kreuze bezeichnet, Deutschland verließ.
Die Willkür, womit die Bannsprüche erlassen wurden, mußte allerdings ihre Wirkung schwächen. Reinmar von Zweter, der gleichfalls politische Gedichte auf Friedrich II. und Gregor IX. verfaßt 367 hat, unterscheidet den Bann, der mit Gott und nach Gott sei, von demjenigen, worin fleischlicher Zorn stecke (II, 143b). Der Freigedank behauptet, der Bann habe keine Kraft, der durch Feindschaft geschehe (V. 4117 f.); auch ereifert sich dieser Dichter sehr über die Schwierigkeiten, welche den Unternehmungen Friedrichs im heiligen Lande, besonders durch den päpstlichen Bann, in den Weg gelegt worden, und daß man den Kaiser selbst dann nicht vom Banne losgesprochen, nachdem er die heiligen Stätten der Christen wieder zugänglich gemacht. Wo gefuhr eh' Kaiser über Meer
Im Bann und ohne Fürstenheer?
Und ist nun kommen in ein Land,
Da Gott noch Mann nie Treue fand. (V. 4026 ff.)
Was mag ein Kaiser schaffen,
Seit Christen, Heiden und Pfaffen
Streiten genug wider ihn?
Da verdürbe Salomons Sinn. (V. 4046 ff.)
Der Bann und manche Christen
Mit viel manchen Listen
Wollten sie es erwendet (hintertrieben) han.
Nun hat Gott sein Ehre gethan,
Daß Sünder sollen das Grab gesehen.
Das muß ihn ohn' ihren Dank geschehen.
Gott und der Kaiser haben erlost
Ein Grab, das ist aller Christen Trost.
Seit er das Beste hat gethan,
So soll man ihn außer Banne lan.
Das wollen Römer leichte nicht,
Was ohn' ihren Urlaub Guts geschicht,
Den wollen sie keiner Stete jehen (keine Dauer zugestehen),
Nun ist das ohn' ihren Dank (gegen ihren Willen) geschehen. (V. 4068 ff.)
Wenn wir Walthers Liedern glauben dürfen, so hat er selbst eine Heerfahrt nach dem heiligen Lande mitgemacht. Entsteht aber die Frage, welchem der verschiedenen Kreuzzüge, die in seine Zeit fallen, er gefolgt sei, so spricht die meiste Wahrscheinlichkeit für den von Friedrich II. im Jahr 1228 unternommenen, von welchem zunächst die Rede war. Daß er nicht im Gefolge Leopolds von Österreich in Palästina gewesen, ergiebt sich aus dem Liede, womit er die Rückkehr dieses Fürsten feiert. Auch ist die Kreuzfahrt darum in eine spätere Lebenszeit zu setzen, weil er noch in einem Gedichte, das offenbar den vorgerückten Jahren angehört, seine Sehnsucht nach der frommen Reise ausspricht. (I, 142a.)
Ein Kriegsgesang in schöner, volltönender Weise erhebt sich schon wie aus den Reihen des Kreuzheeres, das begeistert nach dem wogenden Meere hinzieht (I, 125b). Aber wirklich auf heiligem Boden stehend, zeigt sich uns der Dichter in einem andern Liede. Jetzt erst ist sein Leben ihm wert, seit sein sündig Auge das reine Land sieht und die Erde, der man so viel Ehre zuerkennt. Es ist 368 geschehen, was er stets gebeten, er ist an die Stätte gekommen, wo Gott menschlich wandelte.Koloczaer Codex S. 62, V. 259 f.: Si waren verre von der stat, Da got menschlichen giene. Was er noch von Ländern gesehen, schönen, hehren und reichen, die Ehre aller ist dieses, wo der göttlichen Wunder so viele geschehen sind. In dieses Land hat auch der Herr jenen angstvollen Tag gesprochen, wo der Waise gerächet wird und die Witwe klagen mag. Christen, Juden und Heiden sagen, daß dies ihr Erbe sei. Gott mög' es zu Recht entscheiden, alle Welt streitet darum, aber recht ist, daß er uns gewähre (I, 104 f.).
Den Christen wurde damals gewährt und groß mag Walthers Freude gewesen sein, wenn ihm vergönnt war, seinen geliebten Kaiser Friedrich im Tempel des heiligen Grabes mit der Krone von Jerusalem gekrönt zu sehen.