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Walthers Wanderleben. Der Hof zu Thüringen. Der Hofsänger. Des Dichters Ansichten von Fürsten und Fürstenräten, von Geburt, Freundschaft, Manneswert. Blicke in sein Inneres.
Die Sänger jener Zeit waren notwendig wandernde. Mochten auch die Herren, welche sich im Liede zur Kurzweil übten, auf ihren Burgen daheim bleiben, diejenigen, welche den Gesang zu ihrem Berufe gemacht, mußten sich auf den Weg begeben. Um Unterhalt und Lohn zu finden, mußten sie den Höfen und Festlichkeiten gesangliebender Fürsten nachziehen. War doch der Hof des Kaisers selbst ein wandernder, bald in dieser, bald in jener Stadt des Reiches sich niederlassend. Krönungstage, Fürstenversammlungen, Hochzeitfeste, das waren die Anlässe, bei welchen die Kunst- oder Prunkliebe der Großen sich am freigebigsten äußerte. War dazumal das gewöhnliche und häusliche Leben einfach, so waren dagegen festliche und öffentliche Zusammenkünfte desto glanzvoller.
Auch vom äußeren Lohne abgesehen, mußte der Dichter wandern, wenn er mit den Angelegenheiten der Zeit bekannt werden, wenn er, bei noch sehr unvollkommenen Mitteln der Verbreitung geistiger Erzeugnisse, sich selbst Anerkennung, seinem Liede Wirksamkeit verschaffen wollte. Darum war es den alten Meistern allerdings zu thun. Reinbot von Dorn, der die Legende vom h. Georg in Gedicht gebracht hat, spricht die Hoffnung aus (V. 56 bis 63), daß sein Werk über alle deutsche Lande, von Tirol bis nach Bremen und von Preßburg bis nach Metz, werde bekannt werden. Auf der andern Seite wird im Titurel (Kap. 4. Str. 542) die Besorgnis geäußert, daß der Schreiber das Rechte unrichtig machen möchte. Am sichersten aber wurde die Fälschung vermieden, wenn der Dichter selbst vortrug. Wollte er versichert sein, daß seine Tonweise richtig gesungen werde, wollte er seine eigene Fertigkeit im Gesange geltend machen, so war ohnehin sein persönliches Erscheinen erforderlich.
So war denn auch Walthers Leben das eines fahrenden Sängers. Er reist zu Pferde, vermutlich die Geige mit sich führend.»Wohlauf! wer tanzen wolle nach der Geigen.« (W. Hds. S. 170.) Daß Walther sich der Harfe bedient, ist aus der Stelle (I, 112) vermutet worden, wo er von der alten Lehre spricht, daß man nicht in der Mühle harpfen solle. Der Ausdruck ist aber, wie der Dichter selbst andeutet, sprichwörtlich zu verstehen. Daß er seine Lieder selbst vorgetragen, ist aus einigen derselben noch hörbar.In den Anreden: »Ja, Herre!« (I, 109b. 124b.) »Herren und Freund'!«Der Ausdruck »ja, herre« kommt im Tristan häufig als bloßer Ausruf vor, z. B. 10804. Vgl. 10107. Aber auch als Anrede, 12092. Zu Hof und an der Straße läßt er sie ertönen (I, 136b). 311 In einem Morgengebet empfiehlt er sich unter Gottes Obhut, wohin des Landes er heute reiten möge (I, 129a). Er beruhigt seine Geliebte über seine Abwesenheit:
Meiner Frauen darf nicht werden leid,
Daß ich reite und frage in fremde Land'
Nach den Weiben, die mit Würdigkeit
Leben (der ist viel manche mir bekannt)
Und die schöne sind dazu;
Doch ist ihrer keine,
Weder groß noch kleine,
Der Versagen mir jemals wehe thu'! (I, 118b).
Er hat der Lande viel gesehen, wie wir zuvor ihn singen hörten. Von der Elbe bis an den Rhein und wieder bis in Ungerland hat er sich umgesehen, von der Seine bis an die Mur, von dem Po bis an die Drave hat er der Menschen Weise erkannt (I, 131b). Am Hofe von Österreich haben wir ihn zuerst getroffen, am Hofe von Thüringen finden wir ihn jetzt wieder.
Hermann, Landgraf in Thüringen (von 1195 bis 1215), den sich Philipp in dem vorerwähnten Feldzuge von 1204 unterworfen,Das politische Gedicht: »Nu soll der Kaiser hehre« u. s. w. (I, 136a) ist auf diese Begebenheit bezogen worden. Es ist jedoch zu bemerken, daß Philipp niemals Kaiser war, daß Walther ihn sonst überall König nennt und beiderlei Titel sehr wohl unterscheidet, z. B. in dem Liede:
Herre Kaiser! ihr seid willekommen,
Des Königes Name ist euch benommen u. s. w. (I, 103b.)
Bei dem damaligen Wechsel der Parteiung kann jenem Gedichte leicht ein späteres Ereignis zu Grunde liegen. behauptet eine ausgezeichnete Stelle unter den fürstlichen Freunden der Dichtkunst. Er setzte schon den Meister Heinrich von Veldecke in den Stand, seine Äneide, die ihm neun Jahre lang entwendet war, zu Ende zu führen (Eneit V. 13 268 ff.). Auf seinen Anlaß bearbeitete Wolfram von Eschenbach den Wilhelm von Oranse (H. Georg V. 34 ff.) und für ihn verdeutschte Albrecht von Halberstadt die Verwandlungen Ovids.S. den Prolog Albrechts vor Wickrams Umarbeitung seiner Verdeutschung. Frankfurt 1581. Vornehmlich aber ist er durch den Wettstreit der Sänger an seinem Hofe zu Wartburg berühmt geworden.
Auch in dem Leben und den Liedern unsres Dichters spielt er eine bedeutende Rolle. Von 1198 fanden wir diesen in Österreich. Alsdann folgen seine Lieder auf Philipp von Schwaben und es ist nicht anzunehmen, daß er sich an dem Hofe des Landgrafen werde aufgehalten haben, solange dieser Philipps Gegner war. Im 312 Sommer des Jahres 1204 unterwarf sich der Landgraf. Es ist daher ganz nicht unwahrscheinlich, daß Walthers Aufenthalt an dessen Hofe um das Jahr 1207 stattgefunden, in welches der Krieg auf Wartburg, worin Walther auftritt, von den thüringischen Chroniken gesetzt wird.
Dieser Wettstreit, den das vielbesprochene Gedicht in der manessischen Sammlung (II, 1 bis 16) in Wechselgesang, mit untermengter Erzählung, darstellt, hat zunächst das Lob milder Fürsten zum Gegenstand. Heinrich von Ofterdingen erhebt den Herzog von Österreich, ihm treten Wolfram von Eschenbach und andre entgegen, die den Landgrafen von Thüringen verherrlichen. Walther von der Vogelweide zeigt sich anfangs ungehalten auf Österreich und giebt dem König von Frankreich vor allen Fürsten den Preis. Nachher bereut er, daß er sich von dem Österreicher losgesagt, den er jetzt der Sonne vergleicht; allein über die Sonne noch stellt er den Tag, Hermann von Thüringen. Von sich selbst meldet er, wie er zu Paris gute Schule gefunden, zu Konstantinopel, zu Baldach, zu Babylon Kunst und Weisheit erlernt habe. Hieraus ist wenigstens ersichtlich, daß Walther dem Verfasser des Gedichts für einen weitgereisten und in die Tiefen der Kunst eingeweihten Meister gegolten habe. Das Gedicht, so wie es vorliegt, hat aber wohl nicht den Wolfram von Eschenbach, dem man es zugeschrieben, sondern einen spätern mainzischen Meister zum Verfasser, wenngleich Überlieferung und ältere Lieder zu Grunde liegen.
Wenden wir uns zu Walthers eigenen Äußerungen über sein Verhältnis zu dem Hofe von Thüringen, so ist dasjenige seiner Lieder zuerst auszuheben, mit welchem er sich dem Landgrafen erst zu nähern scheint. Er fordert jeden auf, der an des edeln Landgrafen Rate sei, Dienstmann oder Freier, den jungen Fürsten um Eines zu mahnen und zwar so, daß er, der Dichter, den Erfolg davon spüre. Drei Tugenden werden an dem Landgrafen gerühmt, er sei milde, stet und wohlgezogen. Aber eine vierte noch würde ihm wohl anstehen, die nämlich, daß er nicht säumig sei (I, 106a). Der Dichter mochte damit den Wunsch ausdrücken, baldmöglich von dem Landgrafen beschenkt oder in dessen Dienst aufgenommen zu werden.
In einem weiteren Liede (I, 133b) finden wir ihn dieses Wunsches gewährt. Er freuet sich, des milden Landgrafen Ingesinde zu sein. Es ist seine Sitte, daß man ihn immer bei den Teuersten finde. Die andern Fürsten alle sind anfangs milde, aber sie bleiben es nicht so stetiglich. Der Landgraf war es ehe und ist es noch, darum kann er besser, denn sie, der Milde pflegen. Das Lied schließt mit den schönen Worten: 313
Wer heuer schallet und ist hin zu Jahre böse, als eh,
Des Lob grünet und falbet, wie der Klee.
Der Thüringer Blume scheinet durch den Schnee,
Sommer und Winter blühet sein Lob, wie in den ersten Jahren.Im Titurel, wo des Landgrafen Hermann mehrmals rühmliche Erwähnung geschieht, heißt es von ihm (Kap. 7):
Hermann von Thüringen Ehre
Pflag weiland, die muß immer Preises walten.
schallet] pochet, pranget. – hin zu Jahre] übers Jahr. – als eh] wie vorher.
Wünschenswert allerdings mag das Leben an des Landgrafen Hofe gewesen sein. Der Dichter giebt eine sehr anschauliche Schilderung von diesem Hofhalt, woraus zu entnehmen ist, daß man dort wenig von der schlimmen Zeit verspürte:
Wer in den Ohren siech, wer krank im Haupte sei,
Das ist mein Rat, der lasse den Hof zu Thüringen frei;
Kommt er dahin, fürwahr er wird erthöret.
Ich habe gedrungen, bis ich nicht mehr dringen mag;
Eine Schar fährt aus, die andre ein, so Nacht als Tag,
Groß Wunder ist, daß jemand da noch höret.
Der Landgrafe ist so gemut,
Daß er mit stolzen Helden seine Habe verthut,
Der jeglicher viel wohl ein Kämpfe wäre.
Mir ist seine hohe Art wohl kund,
Und gälte ein Fuder gutes Weines tausend Pfund,
Da stünde doch nimmer Ritters Becher leere. (W. Hds. S. 170).
erthöret] betäubt. – Kämpfe] Kämpe, ein solcher, der besonders aufgestellt ist, eine Sache im Zweikampf auszufechten, also ein auserwählter, vorzüglicher Streiter.
Manch unnützen Gesellen mußte die Gastfreiheit dieses Hofes anziehen. Eschenbach rügt dieses in seinem Parcifal V. 8856 ff.,Aus demselben Gedichte V. 19 097 f. erhellt, daß damals Thüringen auch für das Vaterland neuer Tanzmusik galt. mit Beziehung auf ein nicht mehr vorhandenes Lied unsres Dichters:
Von Thüringen Fürste Hermann!
Etlich dein Ingesinde ich maß,
Das Ausgesinde hieße baß.
Dir wär' auch eines Kaien not,
Seit wahre Milde dir gebot 314
So mannigfalten Anehang,
Hier ein schmählich Gedrang
Und dort ein wertes Dringen.
Drum muß Herr Walther singen:
»Guten Tag, Böse und Gut!«
Wo man solchen Sang nun thut,
Des sind die Falschen geehret.
Kaie hatt's ihn nicht gelehret,
Noch Herr Heinrich von Rispach u. s. w.
Kaie ist des Königs Artus strenger und mürrischer Seneschall, der solchem Unwesen, nach Eschenbachs Ausdruck, schärfer war, denn der Biene Stachel. – Gedrang] Gedränge, Zudrang. – Die Falschen] die Schlechten. – Heinrich von Rispach] vielleicht der tugendhafte Schreiber, der im Wartburger Kriege auftritt und dessen Gedichte Man. II, 101. ff. aufbewahrt sind, der Henricus Notarius, H. Scriptor, welcher in thüringischen Urkunden von 1208 bis 1228 vorkommt. Mus. I, 173.
Ein wunderlicher Mann, mit Namen Gerhard Atze,Johannes Rohtes Chronicon Thuringiæ in Menckenii Scriptor rer. german. T. II, K. 1736: Lantgrafe Henrich der romischir Konnig starb do ane libis erbin, alzo man schreib noch Christus gebort 1248 jar, unde darvone so entstunt groz obil in Doringin unde in Hesßin lande, wan etzliche mitwillige erbarluthe, dy tadin alzo dy nachthunde, dy enpundin werdin, unde woldin nymandis frunde syn, do sy nicht herrin obir sich hattin, Alzo hubin undir en an Herwig von Horsilgow unde Hans Atzce mit erin helffern, Dy slugin daz vihe an vor Ysenache vor zewen torin unde vor allin dorffin, dy darumme gelegin warin, unde trebin daz dy Horsil uff. Do volgetin dy von Isenache unde von Cruczeborg, unde tadin botschaft dem vogete von Tenneberg, der sammente daz volg vor dem walde, unde die viende hattin en vorhaldin by deme Horsilberge, unde ez geschach eyn große nedirlage, Wan der von Ysenache wart vele gefangin mit en den voyt von Teneberg. scheint der freudigen Gesellschaft am thüringischen Hofe zur Zielscheibe ihres Witzes gedient zu haben. Ihm hat Walther zwei Gedichte gewidmet. Das eine (I, 105a) ist durch persönliche Anspielungen rätselhaft. Das andre (I, 113a) betrifft einen scherzhaften Rechtsstreit. Der merkwürdige Fall ist dieser: Herr Gerhard Atze hat dem Dichter zu Eisenach ein Pferd erschossen. Walther klagt auf Entschädigung: das Pferd war wohl dreier Marke wert. Gerhard Atze weicht aber damit aus, daß er behauptet, das getötete Pferd sei dem Rosse blutsverwandt, das einst ihm, dem Beklagten, den Finger zu Schanden gebissen. Dagegen erbietet sich Walther, mit beiden Händen zu beschwören, daß die Pferde einander nicht befreundet waren, und er ruft auf, wer ihm staben, d. h. den Eid abnehmen wolle.
Ein Kampfgenosse des Landgrafen Hermann in dessen Fehde mit 315 König Philipp war der Graf von Katzenellenbogen, Wilhelm II., zugenannt der Reiche.Dilich, Hessische Chronik. 1606. T. I, S. 33. Derselbe mag es sein, von dem unser Dichter singt. Walther ist dem Bogener hold, ganz ohne Gabe und ohne Sold (I, 127a). Doch der Graf versteht, er beschenkt den Sänger mit einem Diamant. Dafür preist ihn dieser als der schönsten Ritter einen. Nicht nach dem Scheine lobt er die Schönheit; milder Mann ist schön und wohlerzogen, man soll die innere Tugend nach außen kehren, dann ist das äußere Lob nach Ehren, wie des von Katzenellenbogen. (Ebd.)
So wird gewöhnlich der Fürst, dem der Dichter sich nähern will, zuerst mit einem Liede ausgeforscht. Ist der Erfolg entsprechend, dann ertönt auch das vollere Lob.
Von einer großen, zarter oder unzarter sich äußernden Begehrlichkeit können die Hofsänger damaliger Zeit nicht freigesprochen werden. Sie versäumen keinen Anlaß, sich zu milder Gabe zu empfehlen. Ihre zahlreichen Lobgedichte sind überall darauf berechnet. Die Milde d. h. die Freigebigkeit ist ihnen der Fürsten erste Tugend.Das Gedicht vom Kriege auf Wartburg erhebt diese fürstliche Tugend zum vorzüglichen Gegenstande des Wettgesangs. Der Tanhuser, um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, mustert in einem besondern Gedichte (Man. II, 64) die Fürsten seiner und der nächst vorhergegangenen Zeit nach eben dieser Beziehung. Wo ihnen nicht willfahrt wird, machen sie ihr Lied zur Waffe des Tadels und des Spottes. Sie werfen dem unmilden Herrn einen Stein in den Garten und eine Klette in den Bart.Damit droht der Mysner (DXCVI). Mit dem Verfalle der Kunst nimmt die Gemeinheit zu. Sie werden trotziger und niederträchtiger zugleich. Dem Kargen, der sich selbst bedürftig stellt, wünscht der Unverzagte (III), daß seine Hand eines fremden Mannes Kleid auf seines Weibes Bette finden möge. Der Urenheimer (CCVI) sagt gerade heraus: »also man den Meister lohnet, also wischet er das Schwert«. Rumelant von Schwaben (CCCLXXXI) verhehlt nicht, daß er mit seinen Lobliedern gelogen habe. Doch hat ihm ein weiser Prediger gesagt, daß hübsche Lüge nicht große Sünde sei. Der Unverzagte (XIX) äußert noch: »Man soll gnädige Heilige fern in fremden Landen suchen, so such' ich werte Leute, die ihr Gut mit Ehren zehren. Welcher Herr mir Gnade thut, der soll mein Lob hinnehmen. Sie sind heilig, die nur geben um Gottes und der Ehre willen. Die lebenden Heiligen müssen selig sein!«
Noch ziemlich gelinde scherzt der Unsrige über die unwirtliche Aufnahme, die er in der bayrischen Abtei Tegernsee gefunden. Es war ihm viel von dieses Hauses Ehre gesagt worden. Deshalb ritt er einst, um dahin zu kommen, mehr denn eine Meile abseits der Straße. Aber vergeblich war seine Hoffnung auf einen guten Klostertrunk:
Ich nahm da Wasser,
Also nasser
Mußt' ich von des Mönches Tische scheiden. (I, 113a).
316 Geld, Auslösung der für Zehrung versetzten Pfänder, Pferde, Kleider waren der Lohn, der den Sängern von ihren Gönnern zu teil wurde. Walther sagt von einer schönen Frau, sie habe ein wertes Kleid angezogen, ihren reinen Leib. Sie sei ein wohlgekleidet Weib. Getragene Kleider hab' er nie genommen,So sagt auch der von Buwenburg (II, 181a):
Wer getragener Kleider gehrt,
Der ist nicht Minnesanges wert,
Herrn Geltar dagegen (oder Gedrut, Pf. Hds. 357, Bl. 24b) ist es not nach alter Wat (II, 119b). Auch der Chanzler zeigt sich lüstern nach reicher Herren alter Wat (II, 246b). dieses nähm' er für sein Leben gerne. Der Kaiser würde dieser Frau Spielmann um so reiche Gabe (I, 121b).
Wenn übrigens auch unser Dichter in diesem Werben um Gunst und Gabe der Fürsten dem Gebrauche der Zeit und dem äußeren Bedürfnisse gefolgt ist, so muß doch auf der andern Seite anerkannt werden, nicht bloß daß er jene Tugend der Milde auf wahrhaft dichterische Weise gepriesen, sondern auch, daß er darüber das Höhere nicht aus den Augen gesetzt, vielmehr mitten im Getrieb der Höfe sich einen freien Blick und einen würdigen Sinn erhalten. Es erscheint angemessen, jetzt auch diese edlere Seite herauszuheben.
Nicht die bloße Freigebigkeit ist es, darum er die Fürsten in Anspruch nimmt, weit umfassender hat er den Kreis ihrer Pflichten erkannt:
Ihr Fürsten tugnetVgl. der Unverzagte XVI bei Myller, Alt Meister-Gesangbuch S. 35. eure Sinne mit reiner Güte,
Seid gegen Freunde sanfte, gegen Feinde traget Hochgemüte,
Stärket Recht und danket Gott der großen Ehren,
Daß mancher Mensch seinen Leib, sein Gut muß euch zu Dienste kehren!
Seid milde, friedebar, laßt euch in Würde schauen!
So loben euch die reinen süßen Frauen.
Scham, Treue, ehrebringende Zucht sollt ihr gerne tragen!
Minnet Gott und richtet, was die Armen klagen!
Glaubt nicht, was euch die Lügenere sagen,
Und folget gutem Rate, so möget ihr im Himmelreiche bauen! (I, 132b.)
tugnet] machet tüchtig, veredlet. – minnet] liebet. Minne ist Liebe in jeder Bedeutung. – bauen] wohnen, dereinst Bürger des Himmelreichs werden.
Noch in andern Liedern warnt er die Fürsten vor falschem Rate. Er will sie lehren, wie sie jeglichen Rat wohl mögen erkennen. Der guten Räte sind drei, drei böse stehen zur linken Hand dabei. 317 Frommen, Gottes Huld und weltliche Ehre, das sind die guten. Wohl ihm, der diese lehret! den möchte ein Kaiser nehmen an seinen höchsten Rat. Die drei bösen heißen: Schade, Sünde und Schande (I, 105b).
Besonders wird derjenige, wes Standes er sei, für einen Schalk erklärt, der seinen Herren lehre, zu lügen oder das Angelobte nachher zu versagen, und der so die Biedern schamlos mache:
Erlahmen müssen ihm die Beine, so er sich zu dem Rate biege!
Sei aber er so hehr, daß er dazu sitze,
So wünsche ich, daß sein ungetreue Zunge müsse erlahmen.Vgl. Müller T. II, der Unvurzaghete, S. 34. XI. (I, 130b.)
Die Herren selbst, welche so durch glänzende Versprechungen täuschen, vergleicht Walther den Gauklern, die unter dem Hute jetzt einen wilden Falken, jetzt einen stolzen Pfau, jetzt gar ein Meerwunder vorweisen; am Ende aber ist es weiter nichts, als eine Krähe. Wär ich dir stark genug, ruft er solchem Gaukler zu, ich schlüge dir die falsche Gaukelbüchse an dein Haupt (I, 132b).
Der Umgang mit den Mächtigen hat das Urteil des Dichters über die wahren Vorzüge der Menschen keineswegs getrübt. Er sucht diese nicht in der Geburt. Kräftig spricht er sich über den Ursprung aller Sterblichen aus gleichem Lehm und über ihre Gleichheit vor dem höchsten Herrn aus:
Wer ohne Furcht, o Herr Gott,
Will sprechen deine zehn Gebot
Und brichet die, das ist nicht wahre Minne.
Dich heißet Vater mancher viel,
Der mich zum Bruder doch nicht will;Bertholds Predigten S. 77. 155.
Der spricht die starken Wort aus schwachem Sinne.
Wir wachsen all' aus gleichem Dinge,
Speise frommet uns, sie wird ringe,
So sie durch den Mund hin fährt.
Wer kann den Herren von dem Knechte scheiden,Laßbergs Liedersaal III, 574.
Der ihr Gebeine bloßes fünde
(Hatt' er gleich der Lebenden Kunde),
So Gewürme das Fleisch verzehrt?
Ihm dienen Christen, Juden und Heiden,
Der alle lebende Wunder nährt. (I, 128b.)
318 Der Teufel, wenn er sichtbar daher käme, sagt Walther ein andermal, wäre mir nicht so verwünscht, als des Bösen böser Sohn. Von der Geburt kommt uns weder Frommen noch Ehre (I, 129a).
Die erworbenen, selbstverdienten Freunde zieht er den angebornen, den Magen, vor:
Mann, hochgemagt, an Freunden krank,
Das ist ein schwacher Habedank;
Baß hilfet Freundschaft ohne Sippe.
Laß Einen sein geborn von Königes Rippe,
Er habe denn Freunde, was hilfet das?
Magschaft ist selbstgewachs'ne Ehre,
So muß man Freunde verdienen sehre.
Mag' hilfet wohl, Freund vieles baß. (I, 126b.)
hochgemagt] der hohe Magen, Blutsverwandte, hat. – krank] schwach, arm. – Habedank] Entgelt, Ersatz. – So] den Gegensatz bezeichnend. – verdienen] durch Dienst, mühsam erwerben.
Den wahren Wert des Mannes begründen ihm drei Eigenschaften: Kühnheit, Milde, besonders aber Treue. An Weibes Lobe, meint er, stehet wohl, daß man sie schön heiße. Manne stehet es übel, es ist zu weich und oft zum Hohne. Kühn und mild und daß er dazu stete sei, so ist er viel gar gelobt. Ihr müsset in die Leute sehen, wollt ihr sie erkennen; niemand soll außen nach der Farbe loben (I, 134a). Gewissen Freund, versuchtes Schwert soll man zu Nöten sehen (I, 131b).Die Pf. Hds. 357, Bl. 20 hat das Lied, welches mit diesem Satze schließt, unter denen des Truchsessen von St. Gallen. »Getreuer Freund, versuchtes Schwert, die zweene sind in Nöten gut!« sagt auch Bruder Werner (LVIII). Die Rede ist sprichwörtlich, wie jenes Lied selbst andeutet. Walter läßt zuweilen ein Sprichwort (ein alt gesprochen Wort, wie Ulrich von Winterstetten sich ausdrückt, Beneckes Ergänz. S. 220. Vgl. Fragm. de bell. Carol. M. contr. Sarac. Z. 1011) einfließen, als: »In der Mühle harpfen« (I, 122. Vgl. Freigedank, V. 1559 f.). »Guter Mann ist guter Seiden wert« (I, 115a). »Sind je doch Gedanken frei« (I, 121b). Vgl. Dietmar von Ast: »Gedanken, die sind ledig frei« (I, 40a).Fribergs Tristan V. 2188 ff. 4847 ff.
Ihm grauset, wenn ihn die Lächler anlachen, denen die Zunge honiget und das Herz Galle hat. Freundes Lächeln soll sein ohne Missethat, lauter wie das Abendrot, das liebe Märe kündet. Wes Mund mich trügen will, der habe sein Lachen hin! Von dem nähme ich ein wahres Nein für zwei gelogene Ja (I, 131a).
Gott, der ein rechter Richter heißet in der Schrift, sollte das geruhen, daß er die Getreuen von den Falschen schiede; hienieden noch, denn jenseits werden sie wohl gesondert. Gerne sehe ich an ihrer etlichem ein Schandenmal, der sich dem Manne windet aus der Hand, 319 recht wie ein Aal. O weh! daß Gott nicht zorniglich an denen wundert! Wer mit mir fährt von Hause, der fahr' auch mit mir heim! Des Mannes Mut soll fest sein, als ein Stein, an Treue grad und eben, wie der Stab am Pfeile (W. Hds. S. 151).
So streng der Dichter hier und anderwärts gegen alles eifert, was er für schlecht erkannt hat, so scharf er auch zu spotten versteht, so erscheint dennoch sein Innerstes ungemein weich und milde. In sittlicher Beziehung zeichnet ihn das Zartgefühl, ja die Ängstlichkeit aus, womit er vorzubeugen sucht, daß sein Straflied nicht mit dem Schuldigen zugleich den Unschuldigen verletze (z. B. I, 107b, 6. 120b, 3). Er ist den Bösen versöhnlich, wenn sie sich bessern wollen (I, 115b, 4). Er duldet manche Unfuge, obwohl er sich rächen könnte (I, 121b, 2). Denen, die im Winter ihm Freude benommen, wünscht er doch, daß die Sommerzeit ihnen wohl bekommen möge. Er kann nicht fluchen, als das üble Wort: unselig! das wär' aber allzuviel (I, 136b, 3).
Seine gedrückte Lage, seine Abhängigkeit von der Gunst oder Ungunst andrer, hat ihn eingeschüchtert und er lebt sein wahrstes Leben nur in der Einsamkeit und Heimlichkeit des Gemüts. Er hütet sich, daß nicht die Leute sein verdrieße, mit den Frohen ist er froh, und lacht ungern, wo man weinet (I, 117a, 1). Er ist unschädlich froh, daß man ihm wohl zu leben gönne. Heimlich steht sein Herze hoch (I, 114a, 3). Er scheut sich froh zu sein, wenn es nicht andre mit ihm sind, damit er nicht ihre Fingerzeige leide (I, 141a, 1 v. u.). So verhehlt er oft sein Leid und stellt sich freudenreich (I, 140b, 2 v. u.); damit hat er oft sich selbst betrogen und um der Welt willen manche Freude erlogen, dies Lügen war aber löblich (I, 139b, 2).
Seiner selbst mächtig zu sein, gilt ihm für eine vorzügliche Tugend:
Wer schlägt den Löwen? wer schlägt den Riesen?
Wer überwindet jenen und diesen?
Das thut jener, der sich selber zwinget.1 Sam. 17, 34 bis 37. Sir. 47, 3 f. (I, 127a.)