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Für Karlchen gab es seit fünf Monaten viel Staunenswertes. Die kleine zappelnde Puppe, die er jeden Morgen und jeden Abend eingehend betrachtete, war sein Brüderchen Peter. Er war nun nicht mehr allein wie bisher, aber Karlchen konnte mit diesem Brüderchen noch nichts anfangen. Er stand aber mit großen Augen neben der Mutter, wenn Peter gebadet und dann neu gewickelt wurde. Daß das kleine Wesen auch einmal so groß werden würde wie er, wollte er nicht glauben. Doch bei der beständigen Versicherung der Mutti meinte er, es möge doch rascher gehen, damit er recht bald mit dem kleinen Peter spielen könne.
Mit Pucki war seit dem Eintreffen des zweiten Kindes äußerlich eine große Veränderung vorgegangen, die allen Verwandten und Bekannten sofort auffiel. Das übermütige Gesichtchen der jungen Frau war weicher geworden. Über ihrem ganzen Wesen lag eine frauliche Würde, die man bisher an ihr nicht kannte. Wenn Pucki mit Karlchen spielte, wenn sie mit Peter plauderte, der sie natürlich noch nicht verstand, lag in ihrer Stimme, in ihren Worten eine so tiefempfundene Glückseligkeit, daß Claus mitunter in der Arbeit innehielt und ihrer Stimme lauschte. Seine Frau erschien ihm in einem neuen Lichte. Sie war ohne Zweifel in wenigen Monaten reifer geworden. Wenn sie mit ihm sprach, saß ihr nicht immer der kecke Übermut auf der Zunge, der ihr den Namen Pucki eingetragen hatte. Und doch war sie seine Pucki geblieben, auch wenn sie noch weicher und anschmiegender als zuvor geworden war. Stolz und Zärtlichkeit empfand er für diese Frau, die mit treuer Fürsorge ihre beiden Kinder hütete und dem Haushalt vorstand.
Aber nicht nur das: Pucki nahm auch den regsten Anteil an dem Ausbau der Klinik. Als Peter im April seinen Einzug im Doktorhause gehalten hatte, war schon alles im Werden. Claus hatte das Haus in der Pappelallee gekauft, die Handwerker waren bestellt, und viele Hände regten sich von früh bis spät, damit die Klinik am ersten Oktober fertig würde. Für Pucki war es überraschend, daß Claus auf so wenig Schwierigkeiten stieß. Sie war der Meinung gewesen, daß die Ärzte des Krankenhauses in Holzau ihrem Manne Schwierigkeiten in den Weg legen würden, weil sie in ihm eine Konkurrenz fürchten konnten. Aber ganz das Gegenteil war der Fall gewesen! Man sprach Doktor Gregor allgemein offene Anerkennung aus, ja sogar Doktor Ucker aus Rahnsburg erklärte erfreut, daß er in der neuen Klinik etwas Gutes und äußerst Zweckmäßiges erblicke und Doktor Gregor den besten Erfolg wünsche.
Förderung und Hilfe fand Claus auch bei dem Landrat des Kreises. Er ließ Claus jede Unterstützung angedeihen, gab ihm manch guten Rat, und so gingen die Vorbereitungen ohne unangenehme Zwischenfälle vonstatten.
Pucki kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Immer wieder hörte sie, wie glücklich die Menschen waren, daß Doktor Gregor sich zu diesem Schritt entschlossen hatte. Seine Patienten beglückwünschten ihn schon jetzt, und oft genug brachte man dem tatkräftigen Arzt Blumen, die Pucki mit Stolz erfüllten. Es war ihr einerlei, ob man ihm rote Rosen, Nelken oder Astern brachte: alles wurde von ihr mit einem Gefühl des Stolzes entgegengenommen, denn die Aufmerksamkeiten bewiesen ihr, wie sehr Claus geschätzt und geliebt wurde. Lachend mußte er sich gegen die Angebote wehren, die ihm von Marys Vater, dem Deutschamerikaner Baeker, gemacht worden waren. Baeker hatte vorgeschlagen, man solle von vornherein eine große Klinik errichten und nicht erst in das kleine Haus in der Pappelallee ziehen. Die Einwände Doktor Gregors widerlegte er damit, daß eine große Klinik eine aussichtsvollere Zukunft hätte als eine solche, die sich nur auf einen kleinen Kreis beschränke. Aber Claus hatte Geld nur insoweit angenommen, als er es bedurfte, um das Haus in bescheidenen Grenzen gut und zweckmäßig einzurichten.
Nur einer zeigte sich mit der Errichtung der Klinik unzufrieden, das war Herr Wallner. Er meinte, die Klinik sei vollkommen überflüssig. Mit grimmigen Blicken schaute er den Wagen nach, die, beladen mit Materialien, an seinem Hause vorüberrollten. Die neue Klinik befand sich nämlich kaum fünf Minuten von seinem Häuschen entfernt. Herr Wallner war im Laufe der letzten Monate mehr als ein Dutzendmal ins Doktorhaus gekommen.
»Wer soll denn in Ihre Klinik kommen, Herr Doktor?« fragte er. »Holzau liegt eine knappe Stunde von Rahnsburg entfernt. Ein Unsinn ist das, wie kann man so etwas erlauben! Keinen Blick schenke ich Ihrem Hause! Die Klinik ist ein Unsinn, ein großer Unsinn!«
Die Arbeiten schritten rüstig voran, aber trotzdem wußte Claus genau, daß ihm eine schwere Zeit bevorstand. Besonders am Anfang würde es nicht leicht sein, doch hoffte er zuversichtlich auf die Zukunft. Er war kein Mann, der den Mut verlor. Von jeher hatte er vorwärts gestrebt, so würde es auch hier mit zäher Energie, eisernem Fleiß und größter Gewissenhaftigkeit vorwärts gehen. Vielleicht wäre es möglich gewesen, hier und dort zu sparen, aber Doktor Gregor war der Ansicht, daß bei der Einrichtung einer Klinik nicht gegeizt werden dürfe. Das Beste und Erprobteste war dafür gerade gut genug, denn es standen doch oft Menschenleben auf dem Spiele. Das Geld, das man ihm gegeben hatte, war zu den günstigsten Bedingungen geliehen, so daß wenigstens nach dieser Richtung hin keine unangenehme Überraschung befürchtet werden mußte. Die geerbten dreißigtausend Mark waren restlos aufgebraucht. Einmal war Claus zu Pucki gekommen, um ihr zu melden, daß von dem Erbe nichts mehr übrig sei.
»Was bleibt für meine Pucki? Du hättest auch ein Recht gehabt, von dem Gelde etwas für dich zu fordern. Was soll ich dir schenken?«
Mit großen, leuchtenden Augen blickte sie ihn an: »Claus, ich brauche nichts, ich habe alles, um glücklich zu sein. Wenn es dir gelingt, der Klinik einen guten Ruf zu verschaffen, wenn sich deine Sorgen von Tag zu Tag verkleinern, so wüßte ich nicht, was ich mir noch wünschen sollte.«
»Nicht einmal einen Pelzmantel für den Winter? – Gar nichts?«
Sie lächelte sanft. »Nichts, Claus, gar nichts! Nicht einmal einen neuen blauen Samtanzug für Karlchen.«
»Pucki, was ist aus dir in den letzten Monaten geworden?«
»Eine glückliche Frau und Mutter!«
»Pucki, im vorigen Jahre und noch früher hast du schon davon erzählt, daß dein Familienglück keine Grenzen kenne. Ich weiß genau, wie oft du das deinen Bekannten gegenüber geäußert hast.«
»Hast recht, Claus«, gab sie sinnend zurück, »ich sprach oft von meinem Familienglück, und ich war auch glücklich in deinem und Karlchens Besitz. Aber meine Gedanken suchten trotzdem in der Welt nach etwas Neuem, Großem. Als ich damals von meinem großen Familienglück sprach, wußte ich noch nicht, wie wahres Familienglück aussieht. Wodurch es auf einmal kam, daß ich es erkannte, weiß ich selbst nicht. Ich weiß nur, daß ich jetzt, wenn Karlchen neben mir spielt, wenn Peter in meinen Armen ruht, von einem ganz anderen Gefühl durchdrungen bin als früher. Ich kenne mich mitunter selbst nicht mehr, Claus. Es ist das große, innere Glück, das mich wandelte, es ist die Freude an deinem Erfolg. Dir bringt man überall Liebe und Vertrauen entgegen, man freut sich über dein Vorwärtskommen. Wohl darum, weil du immer Liebe gesät hast. – Nun brauchst du nur zu ernten. Aber auch ich will mich bemühen, von jetzt an ein Sämann zu sein und dir nach jeder Richtung hin eine wirkliche Kameradin und Lebensgefährtin zu werden.«
»Die gute Mutter meiner Kinder, Pucki. Diese wenigen Worte schließen alles in sich ein, was ich von meiner Frau erhoffe.«
»Ja, Claus, aber nicht nur an meine Familie will ich denken. Es werden in deiner Klinik auch einmal Männer, Frauen und Kinder liegen, in Angst und Schmerzen. Dann will ich zu ihnen gehen und ihnen Freude machen, um ihnen die Zeit ihres Leidens ein wenig zu verschönen. Unsere Klinik soll nicht nur äußerlich ein heller und lichter Bau sein mit vielen Fenstern, durch die die Sonne hineinschaut, ich will auch darüber wachen, daß unsere Kranken in ihren Zimmern Wärme und Sonne haben. Und meine Kinder will ich von vornherein dazu erziehen, Nächstenliebe zu üben. So will ich es halten, Claus. Ich denke, ich kann dir so nützlich sein.«
»Ich habe es gar nicht anders von dir erwartet, Pucki, denn ich kenne dein goldenes Herz. Erinnerst du dich noch an jene Erzählung von den goldenen Gewändern? Die Frauen, von denen du sprachst, gingen in alle Welt hinaus, zupften aus ihren prächtigen Gewändern die feinen Fäden, die sie in die Wohnungen der Menschen trugen und damit Freude und Glück bereiteten. – Pucki, kleine, geliebte Frau, auch du trägst solch ein goldenes Gewand und wirst manches Fädchen mit Freuden herausziehen, um es in die geöffneten Hände derer zu legen, die danach sehnsüchtig verlangen.«
»Ich wollte, ich könnte es, Claus!«
*
Die Septembertage vergingen, und in der Klinik Doktor Gregors wurde die letzte Hand an die Vollendung der Einrichtung gelegt. Der Umzug der Familie aus dem Doktorhause war für die ersten Oktobertage vorgesehen. Man wollte zuvor mit den Berufsräumen völlig fertig sein. Pucki war fast täglich draußen in der Pappelallee, um sich von den Fortschritten der Arbeiten zu überzeugen. Claus, der viel über Land fahren mußte, kam an manchen Tagen kaum dazu, hinauszugehen. So ließ er sich am Abend von seiner Frau berichten, wieweit alles gediehen sei. Dabei erzählte Pucki einmal, in den letzten Tagen habe Herr Wallner ihr mehrfach aufgelauert und sie mit Vorwürfen überschüttet.
»Ein Unsinn ist es!« sagte er. »Lange wird die Herrlichkeit wohl nicht dauern. Die Leute, die operiert werden müssen, gehen nach wie vor nach Holzau, und sie tun gut daran. – Ich schenke dem Hause keinen Blick! Mich werden Sie nicht wieder als Patient sehen, ich gehe von nun an zu Doktor Ucker.«
Pucki gab sich alle Mühe, den erregten alten Herrn zu beruhigen, doch er wandte ihr den Rücken und rief nochmals: »Ein Unsinn ist es, ein geradezu unverantwortlicher Unsinn!«
Dann kam der Tag, an dem die Klinik eröffnet wurde. Claus begrüßte die Schwestern und den Frauenarzt, einen jungen, sympathischen Herrn, der der Abteilung Geburtshilfe vorstehen sollte. Von allen Seiten trafen Gratulanten ein. Herzliche Worte wurden gesprochen, viele gute Wünsche regneten auf das glückliche Ehepaar herab, Wünsche, die aus dem Herzen kamen. Die Patienten von einst sandten Blumensträuße und Körbe. Doktor Gregor stand in einem Blumenmeer, und Puckis Augen strahlten. Sie drückte viele Hände und hörte viele, liebe Worte, die ihr Herz freudig schlagen ließen. Wie glücklich konnte sie sein, solch einen Mann zu besitzen, der in den vier Jahren seiner Tätigkeit in Rahnsburg überall Anerkennung gefunden hatte!
»Wir können jedes Zimmer mit Blumen schmücken, Claus«, sagte sie lächelnd. »Leider fehlen uns die Patienten. Wer wird wohl der erste sein?«
»Mußt noch ein wenig Geduld haben, kleine Frau! Wir wollen zum Wohle des ganzen Kreises wünschen, daß keine allzu schweren und kritischen Fälle zu behandeln sind.«
Es war nur ein kleines Fest, das in der Pappelallee gefeiert wurde, doch alle, die gekommen waren, wurden nicht von Neugier getrieben, sie fühlten das Bedürfnis, dem tüchtigen Arzt ihre Verehrung und Liebe auszusprechen.
Doktor Eck, der Frauenarzt, der bereits seine Wohnung in der Klinik hatte, blieb abends dort. Pucki und ihr Gatte dagegen kehrten noch einmal in ihre Stadtwohnung zurück. Bis in die Nacht hinein sprachen sie von dem schönen Tage, von ihren erfüllten Hoffnungen.
»Ich habe keine Sorgen, Claus«, sagte Pucki zuversichtlich, »ich weiß, es wird dir gelingen. Unser Landrat sagte, das Haus solle zum Segen vieler werden. Ich weiß, es wird so sein!«
»Da du mir so tapfer hilfst, liebe, kleine Frau, muß es gehen!«
Am nächsten Morgen weilte Claus den ganzen Vormittag draußen in der Klinik. Es gab noch manches einzurichten. Die Schwestern mußten mit den Örtlichkeiten vertraut gemacht und in den Dienst eingeweiht werden. Es galt auch zu überlegen, ob nicht hier und dort etwas noch praktischer einzurichten sei. Ein stolzes Gefühl erfüllte die Brust Doktor Gregors beim Durchschreiten der Zimmer. Wenn sie auch noch leer waren, es mußte ihm gelingen, Zuspruch zu bekommen. Er hatte die feste Zuversicht!
Am Mittag schrillte das Telephon. Eine verängstigte Frauenstimme war zu vernehmen.
»Herr Doktor, bitte, kommen Sie gleich! Ich glaube, mein Mann muß operiert werden. Wenn ich mich nicht sehr irre, handelt es sich um den Blinddarm. Seit gestern abend leidet er an Schmerzen.«
»Wer ist dort?«
»Frau Wallner, geborene Caspari.«
Claus konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Er mußte daran denken, wie der alte Herr früher geschimpft hatte: »Ein Unsinn ist es, ein grenzenloser Unsinn. Ich schenke dem Hause keinen Blick.«
Auf dem Wege zu Herrn Wallner überlegte er, ob es nicht richtiger wäre, den zürnenden Mann schnell nach Holzau transportieren zu lassen, weil er die Klinik haßte. Doch mußte er natürlich erst sehen, wie es um ihn stand. Da sich Herr Wallner seit gestern abend mit Schmerzen quälte, war Gefahr im Anzug.
Kaum hatte er das Haus verlassen, als Pucki eintrat. Doktor Eck empfing sie.
»Ich bin gespannt auf unseren ersten Patienten, Herr Doktor. Ich habe mir vorgenommen, diesen ersten Patienten mit aller erdenklichen Freundlichkeit zu überhäufen. Es soll eine gute Vorbedeutung sein.«
»Vielleicht ist dieser erste Patient bereits unterwegs.«
»Der erste Patient? Wer ist es denn?«
»Wahrscheinlich Herr Wallner. Wahrscheinlich eine Blinddarmoperation.«
Da sank Pucki lachend auf das Sofa. Sie faßte sich aber rasch wieder. »Das war häßlich von mir. Ich lache, und ein anderer soll unter das Messer. – Herr Doktor, später will ich Ihnen mehr von diesem Herrn erzählen, der meinen Lebensweg immer wieder gekreuzt hat. Dann werden Sie mein Lachen verstehen.«
Währenddessen untersuchte Doktor Gregor den stöhnenden Mann.
»Ich will Sie zwar gar nicht haben«, zankte Herr Wallner, »aber Sie sind zuverlässig. – Nur aus diesem Grunde dulde ich Sie hier.«
»Sie werden um eine Operation nicht herumkommen. Ich werde den Krankenwagen bestellen, der Sie nach Holzau bringt. Sorgen brauchen Sie nicht zu haben, heutzutage ist eine Blinddarmoperation, wenn sie bald vorgenommen wird, nicht gefährlich.«
»Wenn sie rasch vorgenommen wird? Seit gestern quäle ich mich schon.«
»Es war die höchste Zeit, daß Sie mich riefen. – Also nach Holzau.«
»Warum denn nach Holzau«, schrie Herr Wallner den Arzt an. »Wozu haben wir denn eine Klinik in Rahnsburg? Ich will in Ihre Klinik. Sie sollen mich operieren!«
»Wie Sie es wünschen, Herr Wallner.« – –
Eine Stunde später wurde die Operation vorgenommen. Der erste Patient, der in der neuen Klinik lag – war Herr Wallner. Auf seinem Tisch standen rote Rosen, die Pucki gebracht hatte.
Mit rührender Liebe und Sorge wurde Herr Wallner gepflegt. Er war ganz still, nur seine Augen glitten immer wieder durch den hellen Raum und blieben an den Rosen hängen. Seine Lippen murmelten leise:
An einem Vormittag gab er der Schwester den Auftrag, seine Brieftasche aus seinem Anzug zu holen. Es geschah.
»Darin liegt ein Zettel. Vierfach ist er zusammengefaltet, den nehmen Sie heraus und lesen ihn mir vor.«
Der Zettel war bald gefunden. Die Schwester las:
»Laß vergessen sein, was ich getan,
Sieh mich wieder zärtlich an,
Hab' ich dich gekränkt, vergib,
Du weißt es ja – ich hab' dich lieb!«
Herr Wallner bat, die Schwester möge diesen Zettel in seinen Nachttisch legen, er wolle ihn zur Hand haben.
Kurze Zeit darauf kamen Doktor Eck und Doktor Gregor, um nach dem Kranken zu sehen.
»Ich habe viel gutzumachen, Herr Doktor. – Es war doch kein Unsinn, die Klinik zu errichten. – Vielleicht wäre ich auf dem Transport nach Holzau gestorben.«
»O nein, so schlimm war es nicht!«
»Kein Unsinn – kein Unsinn!« knurrte Herr Wallner. »Man sagt in Rahnsburg, dieses Haus wäre ein Segen. – Ja, ich habe es eingesehen! Es ist ein Segen! Es möge zum Segen für viele werden. Seien Sie mir nicht mehr böse, Herr Doktor. Manch einer kommt früher, ein anderer später zur Vernunft. So ist es bei mir. – Und hier« – Er nahm den Zettel aus der Schublade – »den Zettel schicke ich Ihrer Frau. Sie wird verstehen, was ich damit sagen will.«
Claus brachte den Zettel seiner Frau.
»Ja, Claus, ich verstehe den alten Herrn. Du weißt, dieser Zettel war einstmals für dich geschrieben. Du kamst nicht zum Mittagessen. Herr Wallner aß an deinem Platz und fand den Zettel unter deinem Teller, der für dich bestimmt war. Er glaubte, er gehöre ihm und nahm ihn mit. Er hat ihn behalten bis heute. Nun gibt er ihn mir zurück.«
»Und er läßt dir sagen: Ich hab' dich lieb! – Pucki – Pucki, sogar auf den alten Herrn machst du Eindruck!«
»Morgen bringe ich ihm frische Rosen, Claus. Ich habe versprochen, den ersten Patienten mit besonderer Liebe zu umgeben.
Daß es gerade Herr Wallner wurde, ist vielleicht auch eine kleine Mahnung für mich, keinen Unterschied zwischen den Menschen zu machen. – Morgen bekommt er wieder Rosen.«
Und Pucki brachte ihm die Rosen.
Herr Wallner hielt ihre Hand lange in der seinen.
»Ich habe Sie lieb, Frau Pucki – ja, ich habe Sie von ganzem Herzen lieb! Sie verstehen es, die Menschen zu bezwingen. Dieses Haus ist mir zum Segen geworden, und Sie sollen der gute Engel darin sein und bleiben. Und nun wünsche ich diesem Hause und Ihrer Familie als erster Patient den reichsten Segen des Himmels und Ihnen ein Glück, das keine Grenzen kennt.«
»Wir sind glücklich, Herr Wallner«, sagte Pucki. »Was wahres Familienglück ist, habe ich voll und ganz erfahren.«