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Domitianus.

Die Prätorianer, von denen die Mehrzahl, darunter sämtliche Reiter, im Castrum an der Porta Viminalis untergebracht waren, während drei Kohorten in anderen Stadtgegenden ihre Castra hatten, erhielten den Befehl, den Kaiser zum Kapitol zu begleiten und an seinem Wege Spalier zu bilden. Domitian besuchte den Senat, wie üblich, mit feierlichem Gepränge.

Catualdus, der bei solchen Auffahrten des Kaisers zu dessen unmittelbarem Gefolge gehörte, hatte die beiden Söhne Ingomars zu seiner Begleitung bestimmt mit der Anordnung, ihm auch auf das Kapitol zu folgen. Als die anberaumte Stunde gekommen war, stand das Volk dichtgedrängt auf Straßen und Plätzen, um den Cäsar zum Kapitol ziehen zu sehen.

Eine Kohorte Reiter in glänzender Rüstung eröffnete den Zug. Der Stadtpräfekt mit fünfzig der angesehensten Bürger folgten, alle in Festkleidern und auf schönen Pferden.

Dann kamen die Tubabläser und Trompeter und ließen ihre kriegerischen Klänge hören. Ihnen folgten in überreich geschmückten Wagen die Großen des Hofes, und Sklaven schritten neben ihnen her in kostbaren, bunten Gewändern.

Mit festem Tritt kam dann die fünfte Kohorte. Das schwatzende Volk verstummte, als diese trotzigen Hünengestalten nahten. Beifall wollten sie den Barbaren nicht spenden und Zeichen des Mißfallens zu geben wagten sie nicht; die fünfte Kohorte war gefürchtet.

Jetzt endlich nahte der Kaiser in einem reichvergoldeten, mit indischer Seide ausgeschlagenen Wagen, von sechs weißen Pferden gezogen, die von schönen Jünglingen an mit Edelsteinen geschmückten Zügeln geführt wurden.

In die Kissen zurückgelehnt, saß da Domitian, das Haupt mit einem Lorbeerzweig geschmückt, mit finsterem Antlitz. Das Gesicht des kräftigen Mannes war nicht unschön; doch ein Zug von Hohn, Verachtung und Mißtrauen gab ihm, dem mit solch ungeheurer Macht ausgerüsteten Tyrannen, etwas Furchteinflößendes. Eine reich mit Gold und Diamanten geschmückte Purpurtoga bezeichnete den Herrscher.

Zur Rechten des Wagens ritt der Präfekt Manus, zur Linken der Unterpräfekt der Prätorianer, Catualdus. Älianus zeigte das Lächeln des geschmeidigen Hofmannes, während an Catualdus nur die soldatische Strenge der Miene auffiel. Hinter Catualdus folgten, stattlich in Waffen und Kleid, auf ausgewählten Pferden die beiden kattischen Fürstenkinder. Die jugendlich blonde Schönheit Iskos fiel allgemein auf.

Bisweilen schrie der Pöbel dein Kaiser rasenden Beifall zu, wofür dieser mit einem spöttischen Lächeln dankte. Doch im allgemeinen verhielt sich das Volk schweigend, ja nicht selten wurden höhnende Worte laut. Denn vor dein Spott der Römer war auch der Mächtigste nicht sicher.

»Wie viel Senatoren wirst du heute schlachten?« schrie eine heisere Stimme. Der Pöbel lachte.

»Nimm Aulus Priscus; er ist der fetteste.«

Das Gelächter verstärkte sich.

Plötzlich drang es aus einiger Entfernung in drohendem Tone zu des Kaisers Ohr: »Der Schatten des Antonius Saturninus schwebt über dir, Imperator; hüte dich!«

Todesschweigen herrschte nach diesem verwegenen Wort ringsum. Den Frevler zu ergreifen, wäre trotz der zahlreich anwesenden Vigiles unmöglich gewesen. Sie tauchten vergeblich in der Menge unter, die jenen schützte.

Domitian zuckte bei dem Namen Saturninus zusammen und sein Auge suchte gleichfalls den Sprecher – umsonst.

Mit Staunen hörten Athemar und Isko diese Äußerungen, und Isko wollte es bedünken, als ob die Stimme des Sentius Saturninus den Namen seines Vaters gerufen hätte.

Wagen und Sänften folgten nun, in denen Beamte des Kaisers und vornehme Römer saßen.

Auch hier machte sich die Volkstimmung bald in spöttischen, bald in boshaften Bemerkungen Luft.

Als Stephanus kam, der erste Finanzverwalter des Kaisers, rief man ihm zu: »Nun, Stephanus, hast du Cäsar bald ausgesaugt, du Schwamm du? Nimm dich in acht; er drückt dich auch wieder aus.«

Der bisherige Präfekt von Florentia, Marcus Fuscus, der letzthin vom Kaiser in der Stadtverwaltung angestellt und schon von früher her in Rom bekannt war, wurde mit den Worten begrüßt: »Da kommt des Kaisers Spürhund, der einen Heller eine Meile weit wittert. In Florentia wird wohl nicht viel Geld zurückgeblieben sein.«

Andere mußten anderes hören, doch keiner etwas Freundliches.

Als Cassius Longinus, der als einer der vornehmsten Patrizier Roms zur Fahrt nach dem Kapitol befohlen worden war, in langer, weibischer, mit Stickereien und Perlen bedeckter Tunika und einen: leichten griechischen Mantel statt der Toga erschien, das Haar sorgfältig in kunstvolle Löckchen gelegt, ein goldenes Riechfläschchen von Zeit zu Zeit an die Nase führend und nach Salben duftend, begrüßte man ihn, der beim Volke keineswegs unbeliebt war, mit gutmütigem Spott.

»Nun, Cassius, was hast du Neues erfunden?«

»Du solltest doch den Haarkräuslern und Perückenmachern nicht das Brot wegstehlen, Longinus.«

»Und vor allem den Spezereihändlern nicht!«

»Er duftet wie ein indischer Salbenladen!«

Lächelnd nahm der ehemalige Kriegstribun all diese Spottreden hin.

Endlich langte der Zug am Fuß des Kapitolinischen Felsens an.

Eine Abordnung des Senats begrüßte den Kaiser am Fuße der großen Treppe.

Domitian stieg aus, sowie alle, die berechtigt waren, ihn zu begleiten. Die Prätorianer schwangen sich aus den Sätteln. Die vierundzwanzig Liktoren gingen voraus. Der Präfekt Älianus und der Unterpräfekt Catualdus folgten dem langsam hinaufschreitenden Kaiser, ihnen die Zenturionen und andere Offiziere, darunter auch Athemar und Isko.

Ein glänzendes, farbenreiches Bild bot der Zug, als er sich langsam die Treppe zum Jupitertempel emporbewegte, angestaunt von dem auf dem Forum Romanum dichtgedrängt versammelten Volke.

Der Kaiser ging zum Jupitertempel, um dort zu opfern. Die Söhne Ingomars folgten und sahen nun die ganze zeremoniöse Pracht einer römischen gottesdienstlichen Handlung, die der Oberpriester Jupiters leitete.

Als der Kaiser den Tempel verließ, erklangen Tuben und Trompeten und die Liktoren geleiteten ihn in die Versammlung der Senatoren, die des Imperators harrte.

Für Domitian war ein erhöhter purpurfarbener Sitz bereitet, auf dem er, auf das ehrerbietigste von den versammelten Vätern begrüßt, Platz nahm.

Die Liktoren standen rechts und links von ihm, hinter ihm die Offiziere der Prätorianer.

Wohl an fünfhundert Senatoren waren versammelt, deren Gesichter zum Teil sklavische Demut, zum größeren Teil trüben Ernst zeigten.

Nach einiger Zeit erhob sich Domitian. Totenstille herrschte.

»Ehrwürdige Väter des römischen Volkes! Ihr wißt, wie ich euch vor allem ehre, liebe und schätze,« begann er mit sanfter Stimme, die Augenlider halb gesenkt.

Die Senatoren überlief ein Grausen, denn sie kannten Domitians tückische Art und wußten, daß diesem Eingang Unheilvolles folgen würde.

»Ihr seid mächtig und geehrt im Volke. Ihr seid die Stützen des Staates, die weisesten der Menschen.«

Was wird nun kommen? dachten die Senatoren.

»Wie ich von eurer Weisheit überzeugt bin, so nicht minder auch von eurem Wohlwollen für meine Person, denn ich habe mich mit meinem ganzen Sein in den Dienst des Reiches gestellt und denke Tag und Nacht nur an sein Wohl.

»Mit Schaudern habt ihr darum wohl auch vernommen, wie ein Verräter sich gegen mich, das ist gegen die Majestät des römischen Volkes, erhob. Ich habe den Frevler Antonius Saturninus gestraft und vernichtet, seine Bundesgenossen, die Barbaren, gezüchtigt.

»Aber, ehrwürdige Väter, von eurem Wohlwollen und eurer Weisheit hätte ich erwartet, daß ihr mich schützen würdet gegen die giftgeschwollene Brut, die der Verräter hinterlassen hat und die jetzt in heimlicher Verschwörung nach meinem Leben trachtet.

»Zu meinem tiefen Bedauern habe ich mich darin getäuscht.«

Er schwieg und seine halbverschleierten Augen überflogen die Versammlung. Tod lag in seinem Blick, in seinen Worten.

»Eine Verschwörung hat sich gegen mich gebildet, an der, wie nach glaubwürdigen Zeugnissen der dringendste Verdacht vorliegt, auch einige Mitglieder dieser ehrwürdigen Körperschaft beteiligt sein sollen.«

Da war das Unheil, das kostete Köpfe. Die Mehrzahl der Senatoren zitterte für ihr Leben.

»Es ist nichts natürlicher, als daß ich diesen Männern Gelegenheit gebe, sich von einem solchen abscheulichen Verdachte zu reinigen. Dazu ist nötig, daß ich sie ihrer Würde als Senatoren entkleide, um sie vor den Richter stellen zu können.«

Eine große Bewegung ging durch den Senat und eine Stimme rief: »Das kannst du nicht!«

»Ich kann es wohl, denn ich bin Imperator auf Lebenszeit, durch eure Weisheit, und kann nach eurem eigenen Beschluß Senatoren ernennen und absetzen,« klang die spöttische Antwort.

Das war richtig. Der speichelleckende Senat hatte sich seines wichtigsten Rechtes begeben, nämlich unter sich eigene Gerichtsbarkeit zu üben und die Zahl seiner Mitglieder nach eigener Wahl zu vervollständigen.

Domitian zog ein Täfelchen aus seinem Gewande und seine Stimme hatte einen unheimlichen Klang, als er sagte: »Ich lese jetzt die Namen der Verdächtigten vor.«

Wiederum herrschte Totenstille, denn jeder verlesene Name war ein Todesurteil.

Er nannte sechs Namen von Mitgliedern des Senats, die in die Verschwörung gegen sein Leben verwickelt sein sollten, und fügte hinzu: »Die Genannten sind ihres Amtes als Senatoren enthoben und werden Gelegenheit finden, ihre Unschuld vor dem Richter zu erweisen.«

Dann hielt er inne und sagte, sich umblickend: »Wo ist mein teurer Freund Nerva?«

»Er ist auf einer Sendung im Norden begriffen.«

»Schade; ich hätte ihn gern hier gesehen, um von seiner Weisheit Nutzen zu ziehen.

»Dies, ehrwürdige Väter, ist es, was mich heute in eure Mitte führte; ich darf es nicht dulden, daß auf den Mitgliedern des Senats ein abscheulicher Verdacht ruht.«

Bleich standen diejenigen, deren Namen verlesen worden waren, denn eine solche Anklage war gleichbedeutend mit Tod durch Henkershand und Einziehung ihres Vermögens. Alle anderen dagegen atmeten auf; das Ungetüm im Palatin hatte seine Opfer und war vorläufig beruhigt. Der Senat beugte sich feige dem Willen des Imperators.

Dieser verließ nunmehr seinen erhöhten Sitz. Die nahestehenden Senatoren verneigten sich dabei vor ihm und überhäuften ihn mit Schmeicheleien, die Domitian mit spöttischer, fast verächtlicher Miene anhörte.

Die kattischen Brüder hatten die Bedeutung des ganzen Vorgangs nicht begriffen, doch machte die stattliche, vornehme Versammlung und deren scheinbare Würde einen großen Eindruck auf sie. In Catualds Gesicht zuckte keine Miene, obgleich er recht gut wußte, was hier vorging.

Hätte Domitian den Ausdruck von Haß und Grimm sehen können, der bei seinem Fortgehen auf vielen Gesichtern der ihm nachschauenden Senatoren lagerte, würden ihm wohl schwere Gedanken aufgestiegen sein.

Draußen traf er auf Fuscus, der sich demütig verbeugte.

»Nun, nichts Neues, Präfekt, von dem Sohne des Verräters?«

»Nichts, göttlicher Imperator, trotz aller Mühe deines gehorsamen Dieners und deiner trefflichen Vigiles. Er muß hier unbedingt mächtige Helfershelfer haben.«

»Das muß er,« entgegnete Domitian finster.

Sein Blick fiel auf den sich tief verbeugenden Cassius Longinus und seinen weibischen Putz. Ein Hohnlächeln umspielte Domitians Lippen.

»Ah, Cassius Longinus ist, wie ich sehe, das Vorbild der eleganten Jugend Roms?«

»O göttlicher Imperator, ich strebe danach, es zu sein, und dein gnädiges Wort erfüllt mich mit Stolz.«

Domitian warf aus seinen finsteren, unheilvollen Augen einen forschenden Blick auf den weibisch gekleideten ehemaligen Tribunen.

»Du weißt nicht zufällig etwas von Sentius Saturninus?«

Die Frage kam sehr überraschend, aber Longinus war als erfahrener Hofmann auch auf solche Überraschungen vorbereitet; er wußte, daß er in der Nähe Domitians weilte, also in Gesellschaft eines Tigers in Menschengestalt, der ihm nicht wohlwollte.

Mit einem gut gespielten Ausdruck der Entrüstung erwiderte er: »Des Sohnes des Verräters an deiner geheiligten Person? Wie sollte ich etwas von dem Verruchten wissen?«

»Aber du warst doch mit ihm bekannt?«

»O ja, ich entsinne mich seiner als eines rohen, schlechtgekleideten Menschen von üblen Manieren.«

Das Mißtrauen des Imperators – und Domitian traute eigentlich niemand – schien nur halb geschwunden; doch sagte er nur leichthin: »Wenn du etwas von ihm hörst, laß mich's wissen,« und ging weiter.

Cassius Longinus blieb betroffen zurück, ohne dies indessen in seinem Gesichte zu verraten. Er sah auch Athemar und Isko im Gefolge des Cäsars, schien sie aber nicht zu kennen.

»O Cassius Longinus,« redete ihn jetzt Fuscus an, »wie freue ich mich, dich zu sehen.«

»Ah, beim Herkules! Der tapfere Präfekt von Florentia. Sei gegrüßt, o Marcus!«

»Was weißt du denn von meiner Tapferkeit?«

»O, alle Welt erzählt sich hier, wie du, von räuberischen Germanen angefallen, sie mit der Kraft des Peliden zum Hades schicktest. Doch entschuldige mich; ich muß dem göttlichen Imperator folgen, mich in seiner Nähe zu sonnen. Hoffentlich sehe ich dich bald einmal bei mir, tapferster aller Präfekten.«

Damit ging Cassius dem Kaiser nach. Fuscus aber stand vor Athemar und schaute in dessen lächelndes Gesicht.

Er stutzte, denn die Züge dessen, der sich gewaltsam seines Wagens und seiner Gesellschaft bedient hatte, waren tief in sein Gedächtnis eingeprägt; nur das Prätorianerkleid machte ihn irre. Isko hatte er in seiner Angst nur flüchtig gesehen und erkannte ihn nicht.

»Ich sollte dich kennen, Zenturio,« redete er Athemar an.

»Das wäre eine besondere Ehre für mich.«

»Du bist's auch – kein Zweifel.«

»Wer meinst du denn, daß ich bin?«

»Das werde ich dir gelegentlich sagen,« äußerte Fuscus wütend, denn das Lächeln Athemars ärgerte ihn.

»Gehabe dich wohl, Präfekt, und scheue eine neue Begegnung mit mir; ich bin nicht immer höflich.«

Isko, der neben dem Bruder ging, lachte dem Präfekten geradezu ins Gesicht.

»Warte nur, verwünschter Germane! Wie kommt der Bursche unter die Prätorianer?« knurrte Fuscus, ihnen nachsehend.

Athemar nahm sich vor, Catuald so bald als möglich Mitteilung von seiner Begegnung mit Fuscus zu machen.

Longinus gelang es noch, Athemar zuzuflüstern: »Komm heute abend zu mir.« Dann ging der kaiserliche Zug nach Domitians feierlichem Besuche im Senat zum Palatin zurück, und löste sich da auf.

Der Abend sah beide Brüder im Hause des salbenduftenden Tribunen, der sie aber diesmal im einfachen Hauskleid empfing. Auch Diomed war anwesend und freute sich sehr, Isko wiederzusehen.

»Ihr müßt ja in außerordentlicher Gunst stehen, daß es euch vergönnt war, den göttlichen Imperator begleiten zu dürfen,« sagte Cassius gleich bei ihrem Eintritt.

»Catuald hatte es befohlen.«

»Hat Fuscus euch erkannt?«

»Mich jedenfalls.«

»Und du hast es Catuald gesagt?«

»Ja, natürlich.«

»Gut. Er ist im Grunde der mächtigste Mann im Reiche, denn die Prätorianer hängen an ihm. Doch kommt, folgt mir ins Triklinium.«

Sie begaben sich in den einfachen, aber mit sehr wertvollen Wandgemälden geschmückten und mit fremdartigen Topfgewächsen ausgestatteten Speiseraum und ließen sich dort am Tische nieder.

»Dieser Präfekt von Florentia,« sagte Longinus im Laufe des Mahles, »dessen Vater einst in hoher Gunst beim Cäsar stand, ist eine giftgeschwollene Natter; er wird es versuchen, dir Unannehmlichkeiten zu bereiten, Athemar. Sei auf der Hut, auch vor dem Messer eines gedungenen Gladiators! Fuscus ist zu allem fähig.«

»Ich werde mich vorsehen.«

»Doch,« fuhr der Tribun fort, »ich habe euch hauptsächlich bitten lassen, um Isko den Schein seines Lanista in Ravenna zu übergeben, der ihn für frei erklärt. Es ist dies – man weiß nie, was kommen kann – nicht unwichtig, denn das Gesetz ist, was das Eigentumsrecht an Sklaven angeht, sehr streng und muß es auch sein, wenn wir nicht in deren Gewalt fallen sollen. Nimm es, Isko; es ist so gehalten, daß nur von einem gekauften Kriegsgefangenen die Rede ist, der freigekauft worden ist. Der elende Lanista lebt in Todesangst vor dem Prätor in Ravenna, der ihn immer noch im Verdacht hat, er habe dir durchgeholfen; daher kostete es einige Mühe, ihm dies Papier zu entreißen.«

»Ich danke dir, Cassius Longinus. Aber wie mache ich es gut? Ich sehe, du hast eine bedeutende Summe für mich ausgelegt.«

»Gleichzeitig habe ich auch den gutmütigen Riesen freigemacht, der dich und Sentius rettete; hier ist sein Dokument. Nimm es an dich und stelle es ihm zu, wenn du von ihm hörst. Was das Gutmachen anbelangt, so rede nicht davon. Ihr habt heute im Senat gesehen, wie unsicher die Köpfe und das Vermögen der Großen in diesem Rom sind; selbst Mitglieder des römischen Senats sind vor einer Gewalttat nicht sicher. Auch ich bin, trotzdem ich den Narren spiele, vor des Cäsars Zorn nicht geschützt. Ein Wink von ihm, und Leben und Vermögen sind hin, wie bei den heute verhafteten Senatoren.«

»Ich verstehe dich nicht,« bemerkte Athemar. »Ich hörte nur, daß die Senatoren vor den Richter gestellt werden sollen.«

»Ganz recht, das werden sie auch. Sie sind des Hochverrats beschuldigt. Einige zu jedem Verbrechen fähige Burschen beschwören vor den bestochenen Richtern, daß sie gehört haben, wie die Angeklagten sich gegen das Leben des Kaisers verschworen, und diese werden unweigerlich zum Tode verurteilt, ihr Vermögen aber eingezogen, denn auf dieses ist es abgesehen und sie sind alle reich. Domitian braucht sehr viel Geld.«

»Ich schaudere, Cassius Longinus. Und das Römervolk läßt sich das gefallen?«

»In Rom herrscht nur der heulende Pöbel, dem es ganz gleichgültig ist, wenn einige Senatoren oder Patrizier die Köpfe verlieren, und der Adel selbst besteht zum Teil aus kriechenden Kreaturen. Die Macht des Tyrannen ist übermenschlich.«

»O,« sagte Athemar traurig, »dann bedaure ich, daß Catualdus einem solchen Fürsten dient.«

»Beurteile ihn nicht hart! Domitian, der fast fünfzehn Jahre das Zepter führt, war früher ein anderer; er hat jahrelang gerecht und einsichtsvoll regiert. Aber seinesgleichen werden von der Machtfülle toll, besonders neben einem Senate, der fast nur aus Schwächlingen besteht, und verdorben durch die feilen, kriechenden Kreaturen, von denen sie leider umgeben sind. Catuald scheint in Domitian immer noch den einstigen hoffnungsvollen Herrscher zu sehen, nicht aber das Ungeheuer, zu dem er sich gewandelt hat. Die Armee ist alles bei uns hier in der Stadt der Prätorianer, und solange Domitian diese für sich hat, ist er sicher. Er gibt deshalb auch viele Millionen aus, um sich die Gunst der Heere zu erhalten.«

»So ist der Kaiser also unbedingter Herr über Leben und Vermögen?«

»Das ist er.«

»Dann wundert es mich – –«

»Daß sich nicht eine stahlbewehrte Faust gegen ihn erhebt? Höre mich an. Die angeblich gegen ihn gerichtete Verschwörung ist freilich nur eine Fabel. Sentius Saturninus, immer vorausgesetzt, daß er in Rom weilt, hat nicht die Macht, seines Vaters Tod zu rächen, selbst wenn er wollte. Aber wie niemand in des Kaisers Umgebung vor seiner Laune einen Augenblick sicher ist, so ist auch er es nicht vor seiner nächsten Umgebung. Er wird das Ende Neros und Caligulas nehmen.«

»Und du? Bist du nicht auch in ständiger Todesgefahr?«

»Obgleich mein Leben von ihm bedroht ist, werde ich nie die Hand gegen ihn erheben. Denn ich habe ihm einmal Treue geschworen. Stirbt er aber, gewaltsam oder nicht, dann steige ich zu Pferde, um im Verein mit allen echten Römern dafür zu kämpfen, daß den Stuhl des Cäsars nur ein Mann besteigt, der dessen würdig ist.«

Cassius Longinus hatte mit einem tiefen Ernst gesprochen, der seine Wirkung auf die Hörer nicht verfehlte.

»Welch ein Land! Welch ein Volk! So groß, so mächtig und so klein!«

»Nein, Freund Athemar, beurteile Rom nicht nach dem, was du hier siehst. Vespasian und Titus waren gerechte Regenten und solche werden wieder kommen. Noch sind die echten Römer nicht ausgestorben!«

»Ich ziehe unsere Wälder und unser Barbarendasein vor.«

»Ich begreife es, doch für mich ist Rom die Welt.«

Das Gespräch nahm hiernach eine andere Wendung.

Später äußerte Longinus: »Sagtest du nicht, Diomed, daß der gute Riese, der euch beistand, ein Nazarener sei?«

»Ja, und zwar ein sehr frommer und ergebener.«

»Dann muß man in den Christengemeinden nach ihm forschen.«

»Was sind diese Nazarener oder Christen, edler Cassius?« fragte Athemar.

»Eine seltsame und nicht unbedenkliche Erscheinung. Es gibt hier in Rom und im Reiche viel mehr Christen, als man glaubt, und zwar sogar in hohen Kreisen; kommen aber ihre Lehren erst recht zur Geltung, dann ist Roms Untergang besiegelt. Mit seinem Götterhimmel schwindet auch Rom dahin.«

»Was, so bedeutend ist ihre Macht?«

»Noch nicht! Aber die Idee, die sie vertreten, ist mächtig. Diese Menschen – soviel ich hörte, treue und ehrliche Gesellen – leugnen unsere Götter und glauben an einen Gott, vor dem kein Unterschied der Person gilt, dem Cäsar und Sklave gleichviel wert sind, und der alle, die seinen Willen erfüllen, in ein himmlisches Land des ewigen Glückes ruft. Darum schreckt seine Bekenner der Tod nicht; sie sterben freudig, um in das Land ihrer Sehnsucht zu gelangen, und gerade das macht sie furchtbar.«

»Ja,« sagte Isko, »Medor, dieser Hüne, ertrug die größten Demütigungen im Namen seines Gottes, der am Kreuze, wie er sagte, für ihn gestorben war; ich habe es gesehen.«

»Seltsame Menschen und noch seltsamere Lehre,« fügte Athemar kopfschüttelnd hinzu.

Es wurde spät, ehe die Brüder sich zum Aufbruch rüsteten, und sie hatten noch einen weiten Weg zum Castrum.

»Nehmt meine Sänfte oder nehmt Sklaven mit,« sagte Cassius.

»Wir haben unsere Schwerter; auch ist es gut, wenn wir nach deinem Falerner noch etwas durch die Nachtluft wandern.«

»Ihr kennt den Weg?«

»Wir gehen am Koloß der Nero vorbei.«

»Ich begleite euch eine Strecke,« sagte Diomed. »Sei unbesorgt, edler Cassius; die Straßen sind um diese Zeit ruhig. Ich begleite sie bis zum Viminalis.«

Longinus sah es ungern, doch mochte er nicht widersprechen.

Alle drei verließen des Tribunen Heim durch eine Gartenpforte und schritten in der schweigenden Nacht auf das Flavische Amphitheater zu.

Sie waren nicht weit gegangen, als sie eine rohe Männerstimme und ängstliches Rufen von Frauen vernahmen. Gleich darauf kamen zwei verhüllte Frauengestalten auf sie zu, hinter denen ein, wie es schien, angetrunkener Mensch hertorkelte.

»O, Hilfe, edle Herren!« sagte eine der Frauen in flehendem Ton.

Aber ehe noch einer der drei antworten konnte, ließ sich eine atemlose Stimme vernehmen: »Hier bin ich, Domina,« und ein Riese drängte sich an ihnen vorbei.

Die Frauen klammerten sich an ihn.

»O Paulus, dem Herrn sei Dank!« ließ die gleiche weiche Stimme sich vernehmen.

Der Mann streckte den Arm aus und der heranwankende Verfolger der Frauen, den er kaum mit der Hand zu berühren schien, flog wie ein fortgeschleuderter Ballen zu Boden.

»Verzeihe, Domina,« sagte der Hüne, »ich habe dich verfehlt. Ich bin irre gegangen, denn die Stadt ist mir immer noch ziemlich fremd.«

»O Paulus, wir wissen, wie gut du bist. Komm, laß uns gehen!«

Eilig schritten sie davon und waren gleich darauf verschwunden.

Das vollzog sich so schnell und überraschend, daß erst jetzt Isko zu dem Bewußtsein kam, daß ihm die Stimme des Mannes, der die Frauen fortführte, nicht fremd sei.

»Nun, bei den Göttern, wenn das nicht mein guter Zimmermann war, dann muß es mehr solche Hünen im Römerreiche geben.«

»Medor wäre also in Rom?«

»Er war's sicher! Schon der ausgestreckte Finger, der den Mann niederschleuderte, kennzeichnete ihn.«

»Dann werden wir ihn, wie Cassius sagte, unter den Christen finden.«

Athemar und Isko verabschiedeten sich bald darauf von Diomed und gingen dem Prätorianerlager zu.

Der junge Grieche kehrte wie ein Träumender nach Hause.

»Wo habe ich diese Stimme gehört?« murmelte er immer wieder vor sich hin.

Am anderen Morgen traf früh im Castrum der Befehl ein, der Unterpräfekt Catualdus solle sich sofort mit den beiden Centurionen, die ihn gestern im Gefolge des Kaisers begleitet hatten, im Palast einfinden.

»Aha,« sagte Catuald zu sich, »die Natter Fuscus hat gezischt!«

Er ließ Athemar und Isko auffordern, sich zu dem Ritt nach dem Palatin bereit zu machen, und befahl einem Dekurio der ersten Kohorte, ihn mit zehn Reitern zu begleiten.

Dann legte er die Rüstung an und ritt mit den Brüdern, gefolgt von seinen Kriegern, nach dem kaiserlichen Palaste.

Der Palatinische Hügel trug seit Augustus, der dort geboren war, den Palast der Cäsaren. Kaiser Augustus hatte mit dem Erbauen der Residenz begonnen, Tiberius und Caligula sie erweitert; von den Flaviern Vespasian, Titus und Domitian waren dann riesenhafte und glänzende Bauten hinzugefügt worden.

Diese kaiserliche Residenz barg wohl zehntausend Menschen in ihren Räumen. Mächtige Gebäude, die dem Kaiser, der Kaiserin und deren Hofstaaten als Wohnung dienten, solche, die für Behörden bestimmt waren, Wohnungen für Hofbeamte und die zahlreichen Sklaven des kaiserlichen Haushalts, dazwischen Säulengänge, ausgedehnte Gärten, Wirtschaftsgebäude, Ställe und eine Anzahl Tempel, Schuppen, ein Theater, Bäder – dies alles bildete ein Durcheinander von teilweise sehr schönen, aus dem besten Material errichteten Baulichkeiten, deren Wucht in ihrer beherrschenden Lage einen mächtigen Eindruck hervorrief.

Drei Zenturien der Prätorianer, zwei zu Fuß und eine zu Pferd, hatten abwechselnd den Wachdienst auf dem Palatin zu versehen.

Als der Unterpräfekt vor dem gewaltigen Portikus der Ostseite anritt, grüßte ihn die Wache.

Catuald ließ die ihn begleitenden Reiter hier zurück und ritt mit den Brüdern in einen der inneren Höfe, wo ihnen Sklaven die Pferde abnahmen.

Die germanischen Waldessöhne staunten, als sie sich umsahen, über einen Herrschersitz von solcher Größe und Pracht. Was war ihres Vaters stattlicher Wohnsitz dagegen?

Catuald, der hier wohl zu Hause war, begab sich mit seinen Begleitern in den aus pentelischem Marmor errichteten Palast, den Domitian bewohnte. Vestibulum, Treppenhaus, die Treppe selbst mit ihren aus Indien stammenden Teppichen, die Malereien, Statuen, Vasen, alles war von unerhörter Pracht.

Überall auf den Treppen und in den Gängen standen Wachen mit dem blanken Schwert in der Hand.

Ein Kämmerling führte die Prätorianer durch mehrere Säle, in denen Beamte, Bittsteller, Künstler, Dichter, Rhetoren und römische Große entweder auf eine Audienz bei Domitian harrten oder sich seinem Auge darbieten wollten, wenn er sich herabließ, zu erscheinen. Manche waren auch nur hier erschienen, um Neuigkeiten zu erfahren. Überall herrschte eine lebhafte, wenn auch gedämpfte Unterhaltung.

In einem dieser Räume begegneten sie Fuscus, der Athemar mit höhnischen Blicken maß, aber weder von diesem noch von Catuald beachtet wurde.

Der Kämmerling rief einem der vornehmen Hausdiener zu: »Melde dem göttlichen Imperator, daß der Unterpräfekt da ist.«

Dieser führte Catuald und seine Begleiter in das nächste Zimmer, wo ein Zenturio in eherner Haltung Wache stand. Hier sollten sie harren.

Mehrmals gingen hochgestellte Personen durch das Zimmer, die vom Kaiser kamen oder zu ihm eingeführt wurden, geräuschlos, schweigend.

Aus der mit schweren Teppichen verhängten Tür, die zu den Gemächern Domitians führte, trat endlich ein hochgewachsener Mann in der Toga. Es war Stephanus, der erste Minister des Kaisers, den das Volk beschuldigte, sich auf Kosten des Staates in ungeheuerlicher Weise zu bereichern.

Das Gesicht des mächtigen Mannes zeigte die glatte Ausdruckslosigkeit, die den geschulten Höflingen eigen ist.

Er gewahrte Catuald und grüßte ihn.

»Wenn du zu unserem göttlichen Imperator willst, Unterpräfekt, dann triffst du's nicht gut. Zeus ist nicht in rosiger Laune.«

»Der Soldat muß Sonnenschein und Regen ertragen können, edler Stephanus, und ich denke, ihr Minister könnte das auch.«

»Ja, ihr Soldaten seid abgehärtet.«

Er warf noch einen Blick auf die jugendlichen Zenturionen und schritt hinaus.

Gleich darauf erschien der Leibsklave des Kaisers und rief: »Der Unterpräfekt Catuald.«

In strammer Haltung folgte ihm der grauhaarige Soldat, den Helm auf dem Haupte.

Der Sklave schlug einen Vorhang zurück und Catuald stand vor dem Kaiser.

Dessen Gesicht zeigte, daß er in der Tat sehr übler Laune war.

»Jetzt bereitest du mir auch noch Ärger, germanischer Bär? Ist es nicht genug, wenn die übrigen Windbeutel meine Galle erregen, die vor mir kriechen und hinterher mich betrügen und bestehlen? Aber ich werde Musterung halten,« sagte er halb für sich, »dein Kopf, lächelnder Schleicher, steht auch nicht fest.«

Oh, dachte Catuald, kommt der mächtige Stephanus endlich auch ins Wanken?

»Womit habe ich deinen Zorn erregt, Domine?« fragte er dann laut. Das war die Anrede, die Domitian von seinen alten Soldaten am liebsten hörte.

»Was bringst du denn zwei Verräter in meinen Dienst, die dem verruchten Sentius Saturninus davongeholfen haben?«

»Wenn du von den beiden kattischen Fürstenkindern redest, Domine, die ich in deine Garde aufgenommen habe, dann hat man sie einfach bei dir verleumdet.«

»Es sind Katten und Freunde des Verräters! Fuscus sagt mir, daß sie den Flüchtigen retteten, als er nahe daran war, ihn zu ergreifen.«

»Fuscus hat schlankweg gelogen, Imperator.«

»Laß die beiden hereinkommen! Ich will sie sehen.«

Catuald öffnete den Vorhang und winkte den draußen harrenden Jünglingen.

Athemar und Isko traten ein und verbeugten sich vor dem Kaiser. Beide sahen den Herrn der Welt jetzt erst in der Nähe, standen ihm Auge in Auge gegenüber.

Der hochgewachsene, stattliche Imperator richtete den Blick auf die beiden jungen Germanen. In diesem Auge lag etwas Grausames, Drohendes und doch zugleich Scheues. Es war ein seltsames Auge, kindlich und furchterregend zugleich.

Domitian war Menschenkenner. Als er in die offenen ehrlichen Gesichter der Kinder Ingomars sah, wußte er, daß er es nicht mit Verrätern zu tun hatte. Auch gefiel ihm die jugendlich kriegerische Erscheinung Iskos.

»Ihr seid Katten?«

»Ja, Domine.«

»Habt gegen mich gefochten, he?«

»Nach Kattenart, ja, Herr.«

»Was wollt ihr in Rom?«

»Unter dem ersten Feldherrn unserer Zeit den Krieg kennen lernen,« sagte Athemar.

Diese eines Hofmannes würdige Antwort gefiel dem finsteren Kaiser und Catuald schmunzelte in sich hinein.

»Ihr habt Sentius Saturninus durchgeholfen, als Fuscus ihn verfolgte?«

»Niemand weiß besser als der Präfekt, daß wir als weitherkommende Reisende in einem fremden Lande das gar nicht konnten, Domine.«

»Und dann habt ihr Fuscus ermorden wollen?«

»Nein, erhabener Herr. Ich habe ihn nur höflich gebeten, mich um Florentia herumzufahren, als er drohte, uns in dessen Gefängnisse zu stecken; auch der Präfekt war liebenswürdig genug, meine Bitte zu erfüllen.«

»Was will er damit sagen, Catuald?«

Der erzählte nicht ohne Humor von der Fahrt des Präfekten mit Athemar.

In dem finsteren Auge des Imperators erschien etwas, das darauf deutete, daß auch er einer heiteren Anwandlung nicht unzugänglich schien.

»Ihr habt auch,« fuhr er dann wieder mit ärgerlicher Miene fort, »den berühmten Senator Nerva gerettet.«

»Wir haben einem alten Mann beigestanden, als er von Räubern angefallen wurde, Herr, und erfuhren hernach seinen Namen, den ich da zum ersten Male hörte.«

Domitian murmelte etwas in sich hinein, was nicht gerade freundlich klang.

Nach einer Weile äußerte er: »Ihr habt mir Treue geschworen.«

»Und wir werden sie halten, nach Germanensitte!«

»Sie haben übrigens schon mannhaft für dich gefochten, Domine,« fiel Catuald ein.

»Wie das?«

Der Tribun berichtete von dem Seekampf auf der Triere »Octavius« unter Icilius.

»Ah – ja; der Seepräfekt hat mir davon erzählt. Icilius hat sie sogar sehr belobt. Es ist gut; tut euren Dienst ferner.«

Noch einmal richtete sich der forschende Blick des Imperators auf beide, dann sagte er: »Geht!«

Die Jünglinge verbeugten sich und verschwanden. Der Leibsklave führte sie in das Wartezimmer zurück.

»Fuscus ist ein grimassenschneidender Affe,« wandte sich Domitian wieder dem Unterpräfekten zu, »das sind im Leben keine Verräter.«

»Nie sprachst du wahrer, Herr!«

»Und doch – dieser Sentius –?«

»Ist kaum deiner Beachtung würdig!«

»Meinst du?« Mit leiserer Stimme und dem scheuen Blick, der ihm oft eigen war, fügte der Kaiser hinzu: »Er ist in Rom; Fuscus hat seine Spur – ich fürchte ihn, Catuald, und gäbe viel darum, wenn ich ihn in meiner Gewalt hätte.«

»Dieser Mensch ist machtlos; dein Fuß zertritt ihn.«

»Nein, Catuald,« sagte der Herr der Welt, »es ist mir geweissagt, daß nahes Unheil mich bedroht; auch träumte ich zweimal von seinem Vater, dem ich den Kopf vor die Füße legte. Ich fürchte diesen Sentius.« Er sprach während er wie geistesabwesend vor sich hinstarrte. »Es mehren sich die Unheilszeichen. In Antium hat der Blitz die Jupitersäule zerschmettert und das Opfer gestern war ungünstig. Sentius ist in Rom. Ich bin von Verrat und drohendem Unheil umgeben.«

Nach einer Pause fragte er plötzlich: »Was denkst du von Cassius Longinus?«

»Daß die Eitelkeit den Mann zum Narren gemacht hat. Schick ihn nach Numidien oder Parthien; er verpestet Rom mit seinen greulichen Salben.«

»Der Mann ist tückisch.«

»Jedenfalls närrisch.«

»Er ist reich, nicht wahr?«

»Das weiß ich nicht.«

»Hm! Fuscus sagte, er sei sehr reich. Ich will ihn jedenfalls im Auge behalten.«

O, auch hier hatte die Natter gezischt? Das waren für Cassius Longinus gefährliche Äußerungen.

»War dieser Longinus nicht auch ein Freund des Sentius Saturninus?«

Dies war für den wackeren Cassius noch gefährlicher.

»Ich weiß es nicht, Domine; ich kannte beide zu wenig,« sagte deshalb Catuald und setzte hinzu: »Unbedeutende Schwachköpfe alle beide, deiner Beachtung unwürdig.«

Plötzlich brauste Domitian auf: »Ich kann niemand trauen, niemand!«

Nach einer Weile sagte der Sigambrer dumpf: »Ich wollte, Domine, du wärest noch der, welcher du vor zwölf Jahren warst, als ich in deinen Dienst trat.«

»Vielleicht wäre ich es noch, hätte ich nicht dieses Gesindel hier in Rom in seiner ganzen Erbärmlichkeit kennen gelernt. Spitzbuben, Lügner, Heuchler, Verräter alle, Ungeziefer, das mit Füßen getreten werden muß! Sprich nicht dagegen, alter Bär; dich meine ich nicht. Verachtung ist alles, was mir übrig bleibt. Geh, Catualdus; bleibe, der du warst, und ich muß auch bleiben, wie ich bin.«

Er nickte ihm zu und der Unterpräfekt ging. Leise sagte dieser vor sich hin: »Wer Wind säet, wird Sturm ernten.«

Er schritt mit Athemar und Isko durch die Säle. Als er das Gesicht des Fuscus wieder vor sich sah, sagte er laut: »Wenn du die Wache hier hast, Zenturio Athemar, halte möglichst elende Schwätzer und Verleumder vom Cäsar fern.«

Fuscus wußte jetzt, daß sein Angriff mißlungen war. Nicht freundlich sah er Catuald und seinen Begleitern nach.

Als Domitian allein war, schritt er auf einen Vorhang zu, der das Gemach, in dem er zu arbeiten pflegte, von dem Zimmer trennte, in dem er Catuald empfangen hatte. Hastig warf er den Vorhang zurück und sah Damas, seinen Leibdiener, vor sich.

»Sklave, du hast gehorcht!«

Der Mann, eine noch jugendliche, geschmeidige Gestalt mit klugem Gesicht, erschrak vor der Anrede wie vor dem grimmigen Gesicht seines Herrn.

»Nein, göttlicher Imperator,« stammelte er.

»Was tust du sonst hier?«

»Du befahlst mir, deinen Schreibsaft und die Schreibrohre in Ordnung zu bringen.«

»Du hast gelauscht, Bursche – das ist schlimm für dich.«

Er schlug mit einem kleinen Hammer an ein Erzbecken, auf dessen dumpfen Ton sechs Diener eilig herbeiliefen.

»Schleppt den Heuchler da hinunter und übergebt ihn dem Gefängniswärter; er soll ihm sofort den Kopf abschlagen lassen.«

Im Palatin befand sich ein ausgedehntes Gefängnis für die Sklaven, wo Leibesstrafen und auch Hinrichtungen vollzogen wurden.

Damas stürzte totenbleich nieder.

»Erbarmen, Göttlicher! Ich habe nicht gelauscht. Mögen die Götter so Unheil von dir abwenden wie von mir!«

Domitian sah den zitternden, bleichen Menschen an, der ein ungewöhnliches Geschick besaß, seinen Herrn zu bedienen. Damas bot ein Bild des Jammers. Aber seine Anrufung der Götter berührte im Innern des Kaisers eine Saite, die zurzeit lebhaft widertönte. Domitian war sehr abergläubisch.

»Danke ihnen,« sagte er dann, nachdem er sich noch einen Augenblick an der Todesangst des Mannes geweidet hatte, »danke ihnen, daß deine Hand so leicht und geschickt ist! Ich will dir diesmal glauben und das Leben schenken. Hinab mit ihm; der Aufseher soll ihm eine Tracht Prügel aufzählen lassen.«

Grinsend schleppten die Wächter Damas hinab.

»Ich kann den Burschen wirklich nicht entbehren,« murmelte Domitian, ihnen nachsehend. »Niemand salbt mich und knetet mir die Muskeln so geschickt wie er.«

Hätte der Cäsar gewußt, daß Damas, der im Hause des Antonius Saturninus aufgewachsen und von diesem, als er nach Germanien ging, auf seinen eigenen Wunsch an das kaiserliche Haus verkauft worden war, eine große Anhänglichkeit an die Familie des toten Legaten besaß und nur durch den Namen Sentius zum Horchen bestimmt wurde, dann wäre Damas dem Henkerbeil sicher nicht entgangen.

Damas hatte hierbei unter anderem erfahren, daß der Sohn seines einstigen Herrn in Rom sei und am Leben bedroht werde. Domitian hatte von jetzt ab an dem zum Tode erschreckten Menschen, der bisher harmlos seines Dienstes waltete, einen Feind, der nur den einen Gedanken hatte, den Gefahren zu entgehen, mit denen ihn die Nähe des Allgewaltigen bedrohte. Daneben lief der innige Wunsch, Sentius Saturninus nützlich zu sein, dem er aus der Jugendzeit treue Anhänglichkeit bewahrte.


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