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Rauh war der Wald, der die zum Rheine hinabfallenden Hügel bedeckte, rauher noch die wenigen Straßen, die vom Rhein in das Land der Katten führten. Uralter, wilder Wald, in dem die morsch darniedergebrochenen oder vom Nordsturm entwurzelten Stämme am Boden lagen und langsam dem Schicksal alles Irdischen verfielen, während ringsum frisches Leben um sie emporsproßte.
Eichen und Buchen ragten mächtig empor; ihr Laubdach hüllte alles in Dämmerlicht, was tief unter ihnen lag. Stellenweise machte dichtes Unterholz einzelne Strecken für den Menschenfuß fast ungangbar. Schlupfwinkel waren es für scheues Wild.
Die Wipfel rauschten im Winde und sangen ihr uraltes, ewig schönes Lied, am moosigen Grunde aber fühlte man keinen Lufthauch. Tiefes Schweigen herrschte hier unten, geheimnisvoll wie das Halbdunkel, das alles einhüllte.
Dennoch mußte Ungewöhnliches im Walde vorgehen, denn seine vierfüßigen Bewohner schienen in ihrer Ruhe gestört zu sein. Bisweilen huschte scheu ein Reh vorüber oder ein Fuchs tauchte auf, um schnell im Unterholze wieder zu verschwinden.
Eine kleine Lichtung, durch Feuer entstanden, das der aus düsterer Wolke niederfahrende Strahl Donars entzündet hatte, winkte freundlich trotz der verkohlten Stämme, die am Boden lagen.
Ein Auge, das den Wald ungehindert hätte durchdringen können, würde eine ausgedehnte Reihe von menschlichen Gestalten wahrgenommen haben, die schweigend, mit unhörbarem Tritt unter den Bäumen sich einherbewegten, jede wohl fünfzig Männerschritte von der anderen entfernt. Lautlos huschten sie dahin, Bogen in den Händen, achtsam, mit Ohr und Auge den Wald durchforschend.
Ein leises Pfeifen, das aus der Mitte der lang ausgedehnten Linie hörbar wurde und sich von Mund zu Mund fortpflanzte, brachte die schlanken jugendlichen Gesellen zum Stehen.
An dem Saume der Lichtung erschien ein hochgewachsener Mann von noch jugendlichem Alter. Blondes Haar, im Nacken zusammengefaßt, umrahmte das ernste, schöne Antlitz, dessen blaues Auge die Lichtung forschend überflog. Vorsichtig hielt er sich hinter Büschen gedeckt, dem Jäger gleich, der den Hirsch beschleicht. In der Hand trug er einen leichten Wurfspeer, an der Seite ein kurzes Schwert in lederner Scheide.
Doch nichts Verdächtiges schien dem Jäger – denn nach deren Art war er gekleidet und der schlanke Leib in ein eng anliegendes Gewand von rohfarbenem Hirschleder gehüllt – im Bereiche der Lichtung aufzufallen. Er ließ einen leisen, eigenartigen Pfiff erklingen; gleich darauf tauchte neben ihm eine Jünglingsgestalt auf, deren ungewöhnliche Anmut in dieser wilden Umgebung erst recht auffiel.
»Was gib's, Athemar?« flüsterte der Jüngling.
»Wir müssen uns teilen und zu beiden Seiten der Lichtung vorgehen. Die Straße ist nahe.«
»Ist Gefahr in Verzug?«
»Gefahr, daß die Burschen uns entkommen, keine andere.«
»Aber weißt du auch gewiß, daß sie im Grenzwald sind?«
»Hohiko sah sie hineinschleichen. Diese treulosen Tenkterer haben sich den Römern mit Leib und Seele verkauft und verraten ihre Stammesgenossen. Maro, der eine von ihnen, ist ein gefährlicher Bursche; er kennt alle unsere Listen, mit denen wir die Römer in die Falle locken, und ist hier, um unsere täuschenden Verhaue auszuspähen. Sie dürfen den Wald nicht wieder verlassen! Wir müssen sie haben, tot oder lebendig, oder wir haben den Römer im Lande, ehe wir's denken. Geh, Isko, teile die Schar der Jünglinge; sende mir die Hälfte zu und die anderen führe du. Dort drüben ist der Boden sumpfig; sind die Verräter den Hirschsprung heraufgekommen, findest du dort wohl ihre Spuren. Bewegt euch nachher auf die gespaltene Eiche zu. Ich will indes einen Blick auf die Straße werfen und komme dann ebenfalls zur Eiche. Sei aber vorsichtig, Isko; die Kundschafter sind schlau und ein Pfeil zischt leicht aus sicherem Versteck hervor.«
Der Jüngling, der kaum achtzehn Jahre zählen konnte, erwiderte: »Ich bin's! Aber was geschieht, wenn wir den Römern begegnen?«
»Weicht ihnen aus – und spannt den Bogen nur, wenn ihr müßt. Wir sind nicht zum Kampf ausgesandt; die Alten harren auf Botschaft.«
»Ich gehorche, Athemar.«
Der goldhaarige Jüngling verschwand.
In kurzer Frist standen zehn schlanke Jünglinge um Athemar, den Sohn Ingomars, des Gebieters im Lahngau, die Bogen in den sehnigen Händen.
»Bildet die Reihe wieder, Knaben, mit der Richtung nach Mittag und schaut gut auf den Boden! Es ist möglich, daß sie die Straße entlang gekommen sind. Auge und Ohr offen – sie sind gefährlich gleich Wildkatzen, diese Tenkterer.«
Die Jünglinge bildeten die Kette mit der Richtung nach Mittag und bewegten sich, die Lichtung vermeidend, nach der Straße zu, sorgsam ausspähend.
Doch sie gelangten an den Saum der rauhen Waldstraße, ohne Spuren gefunden zu haben, die auf Anwesenheit der gesuchten Späher deuteten.
Kaum hatte Athemar einen Blick auf die in einer Bodensenkung hinlaufende Straße geworfen, als er erkannte, daß römische Reiter dort unten vorübergeritten waren. Sein scharfes Jägerauge unterschied die Hufe der Römerpferde, die größer waren als die der kleinen, untersetzten deutschen Rosse. Er legte die Hand an den Mund und stieß einen Schrei aus, dem des kreisenden Adlers täuschend ähnlich, und sah hernach alsbald die Jünglinge, denen das Zeichen galt, um sich.
»Der Römer war da – seht!«
Sie schauten auf die Straße und erkannten den römischen Hufbeschlag, gleich ihm.
»Sucht Deckung und legt die Pfeile auf; ich will hinabgehen.«
Die Jünglinge kauerten hinter Büschen und Bäumen nieder, den Pfeil auf der Sehne, und durchspähten den Waldsaum auf der anderen Seite des Weges.
Athemar ging hinab und durchforschte genau den Boden.
»Es können nicht mehr als zwanzig gewesen sein, die ins Land geritten sind,« sagte er sich, »aber sie sind in wilder Flucht zurückgekehrt, müssen also auf die Unseren gestoßen sein. Ob Blut geflossen ist?«
Er ging wieder in den Wald und bewegte sich mit seiner kleinen Schar auf die gespaltene Eiche zu.
Isko, der jüngere Bruder, hatte den Weg mit seinen Gefährten rechts um die Lichtung eingeschlagen und schritt vorsichtig durch das Holz. Er ging am linken Flügel; eine sumpfige Stelle hatte ihn gezwungen, abzubiegen, um sie zu umgehen, und so war er von den anderen getrennt worden. Doch hoffte er bald wieder mit ihnen zusammenzutreffen.
Plötzlich hörte er, als die Bäume lichter um ihn standen, ein Pferd schnauben und gleich darauf sah er einen reiterlosen Römergaul durch die Büsche schreiten.
Mit aller Vorsicht des Jägers anschleichend, bewegte sich Isko nach der Stelle zu, von wo das Roß gekommen war. Zu seiner nicht geringen Überraschung sah er, durch die Blätter lugend, einen römischen Krieger am Boden liegen, der verletzt zu sein schien. Es war ein edles männliches Antlitz, das er vor sich erblickte, von kurzem dunklem Haar eingefaßt. Die Tracht deutete auf einen vornehmen Mann. Der Helm lag neben ihm, ebenso das Schwert. Wäre der Jüngling mit römischer Art vertrauter gewesen, hätte er an der Rüstung erkannt, daß diese einem hohen Befehlshaber angehörte.
Als der hilflos daliegende Mann einmal aufseufzte, trat Isko aus den Büschen hervor. Der Römer richtete die großen dunklen Augen auf ihn und der Jüngling fühlte, daß etwas Gewaltiges in ihnen lebe, desgleichen aus einem Menschenauge noch nie zu ihm gesprochen hatte. Dann blickte der Mann nach dem Bogen, den Isko, mit dem Pfeile darauf, in der Hand trug. Wie aus der Brust eines verwundeten Löwen klang der Ton, als der Römer, den Blick immer auf den Jüngling gerichtet, in der Sprache Latiums fügte: »Töte mich rasch, Germane; zögere nicht!«
In seinen ernsten durchgeistigten Zügen, in seinen dunklen Augen zeigte sich alsbald unverhehltes Staunen, als der blondhaarige Jüngling mit freundlichem Lächeln in fließendem Latein erwiderte: »Warum? Wir Katten töten Wehrlose nicht.«
»Oh – so seid ihr besser als euer Ruf?«
Sein Blick ruhte nicht ohne Bewunderung auf der anmutigen Gestalt des Germanenjünglings mit dem sonnigen Lächeln.
»Was fehlt dir? Bist du verwundet?« fragte Isko.
»Ich bin mit dem Pferde gestürzt, und mein Bein ist gelähmt; du hast mich in deiner Gewalt.«
»Ich werde dir helfen; dein Pferd ist noch in der Nähe und ich habe auch Gefährten, dir beizustehen.«
Der weithin hallende Ton des gebogenen Kattenhornes drang dumpf, doch deutlich vernehmbar von rechts her zu beider Ohren.
Das war das Zeichen, daß Iskos Schar die gesuchten Späher vom Volke der Tenkterer aufgespürt hatte.
»Gedulde dich, ich kehre bald zu dir zurück,« sagte der Jüngling hastig und sprang eilig in die Büsche.
Bald erreichte er seine Gefährten, die einen der Späher vor sich hatten und ihm eilig in langer Linie nachsetzten. Mit gellendem Rufe schloß sich Isko den Verfolgern an. Doch vergeblich war die Jagd auf den kühnen Kundschafter in dem mit Unterholz durchsetzten Waldesdüster; er kannte alle Künste des Buschkrieges, um sich der Verfolgung zu entziehen, und bald mußten die Jünglinge zu ihrem großen Leidwesen die Jagd als aussichtslos aufgeben.
Jetzt entsann sich Isko des verwundeten Römers und er sprach von ihm zu den Jünglingen.
»Das ist gut, Sohn Ingomars,« sagte Hohiko. »Da haben wir wenigstens einen Gefangenen; wir wollen ihn holen.«
Isko führte sie zu der Stelle, wo er den verletzten Reiter gelassen hatte – aber die Stätte war leer, der Mann verschwunden.
»Ohne Hilfe hätte er sich nimmermehr entfernen können.«
Jetzt untersuchten die scharfäugigen und geübten Jäger die Spuren am Boden.
»Sieh her, Isko,« sagte Hohiko, »hier haben die beiden anderen Tenkterer gestanden; diese Eindrücke stammen von Germanenschuhen. Sie haben hier in der Nähe gelegen und wahrscheinlich gehörte der römische Mann zu ihnen. Da sind auch frische Hufspuren des Römerpferdes. Sie haben das Tier eingefangen und den Mann darauf gehoben. Laßt uns den Spuren folgen!«
»Gut, aber vorsichtig; es könnten mehr der Feinde im Walde sein.«
Behutsam schlichen die Jünglinge der Spur nach.
Es war erkennbar, daß ein Mann das Tier am Zügel geführt hatte und der andere wegbahnend vorangegangen war.
Die Spur führte nach der Waldstraße zu und in diese hinein.
Jetzt erkannten die Jünglinge am Boden auch die römischen Hufeisen, die schon Athemar gesehen hatte.
Römische Reiter waren im Walde gewesen. Ungestüm eilten die Jünglinge der Straße entlang nach Westen zu.
Plötzlich sah Isko an einer Biegung des Weges die Helme der Legionsreiter glänzen.
Er stieß einen scharfen zischenden Laut aus und mit bewundernswerter Geschicklichkeit verschwanden die Jünglinge im Walde.
Vorschreitend gewahrten sie dann durch die Büsche eine harrende Reiterschar, kriegerisch gerüstet, lange Lanzen in den Händen; sie schien sich zum Aufbruch zu ordnen. Isko sah auch den Mann, den er im Walde gefunden hatte, im Sattel seines Rosses und zugleich die beiden gefährlichen Späher, die ihm davongeholfen haben mußten.
»Schickt den Verrätern Pfeile zu!« befahl Isko; alsbald klirrten die Sehnen und die langen Pfeile suchten ihr Ziel.
Einer der Tenkterer wurde auch in die Schulter getroffen, aber die anderen Geschosse prallten teils an der Rüstung der Legionäre ab, teils gingen sie, in der Eile abgeschnellt, fehl.
Die Römer warfen bei dem unerwarteten Angriff die Schilde vor und deckten mit diesen wie mit ihren Leibern angstvoll den Mann, den Isko gefunden hatte. Auf einen Befehlsruf setzten die Reiter sich dann nach Westen hin in Bewegung.
Eine Zeitlang folgten ihnen die jungen Jäger zur Seite der Straße nach, begierig, die verhaßten Späher niederzuschießen. Aber die Tenkterer deckten sich durch die Pferde und die Reiter waren durch ihre Rüstung geschützt. Als gar die Pferde eine raschere Gangart anschlugen, gaben die Katten die Verfolgung auf.
»O Isko,« sagte seufzend Hohiko, »hättest du dem Römer deinen Pfeil ins Herz gejagt!«
»Nein, Hohiko,« lautete die sanfte Antwort, »er war wehrlos.«
Und immer noch stand das mächtige Antlitz des Mannes mit den leuchtenden Augen vor ihm.
Sie eilten jetzt rasch durch den Wald der gespaltenen Eiche zu, wo sie Athemar und die anderen trafen.
Isko berichtete dem ernsten Bruder, was geschehen war.
»Ja,« sagte dieser, »es scheint an der Zeit, daß die Katten sich zur Schlacht bereiten; es wird an der Grenze lebendig.«
Die von Donars Hammer gespaltene Eiche stand auf einem Bergvorsprung, von dem aus man weit ins Land schauen konnte.
Fernher glänzte der Rhein gleich einem silbernen Bande. Die scharfen Germanenaugen erkannten die Befestigungstürme von Moguntiacum, und als Athemar die jungen Leute auf ein mit aller Kunst befestigtes Römerlager auf dem rechten Ufer des Rheins aufmerksam machte, da wußten alle, daß die Stunde der Entscheidung für das Kattenvolk nahte.
Nichts sahen sie von der Schönheit der Landschaft, nur den Feind erblickten sie vor sich, der das Kattenland bedrohte.
»Da stehen sie mit starker Macht schon auf dem rechten Ufer!«
»Zurück! Die Heergebieter erwarten Kunde.«
Eilig schritten sie zurück, bald die Straße erreichend, die jetzt einsam lag, und setzten ihren Weg auf dieser fort.
Am Ausgange des Waldes harrten ihre Pferde, von Hörigen gehalten.
Sie schwangen sich auf und jagten nach Ost, durch eine öd liegende Strecke, dem Heimattale zu.
Bald darauf loderten die Kriegsfeuer nächtlich auf allen Bergen des Kattenlandes. Die Boten der Häuptlinge liefen oder ritten mit dem geschälten Buchenstabe in der Hand durch das Gelände und forderten die Waffenfähigen auf, wohlgerüstet auf Tag und Stunde beim angeordneten Sammelplatze sich einzufinden.
Es war nur zu klar, daß der Römer sich anschickte, mit gewaltiger Macht ins Kattenland zu fallen.
Die Katten standen diesmal allein im Kampfe. Die Tenkterer befanden sich in der Gewalt der Römer; die Cherusker hatten vergessen, daß sie einst das Deutschtum vor Roms überflutender Macht gerettet hatten. Die Hermunduren endlich waren den Römern verbündet und den Katten sogar feindlich gesinnt.
Dumpfe Gerüchte drangen vom Rheine her und liefen im Volke um, daß Domitian, der Kaiser, selbst komme, um den Krieg zu leiten, und mit ihm die schlachtgeübtesten Legionen.
Domitian, der Sohn Kaiser Vespasians und der Bruder und Nachfolger des allgeliebten Titus, wollte Kriegsruhm gewinnen. Er war ergrimmt auf die Katten, die dem Verräter Antonius Saturninus freundlich gesinnt gewesen und sich sogar angeschickt hatten, ihm Hilfe zu leisten. Die Katten mußten gezüchtigt werden. Aber diese waren entschlossen, sich zu wehren, auch wenn Romas Herrscher selbst zum Kampfe kam.
Nur zwei Tagemärsche von den waldigen Hügeln entfernt, in denen die Jünglinge die Späher jagten, lag das Heim Ingomars, des Fürsten im Lahngau. Von uraltem Geschlecht stammte er, denn seine Väter hatten seit vielen Menschenaltern, in Krieg und Frieden, im Lahngau geherrscht, als Heergebieter und Richter.
Hochangesehen waren er und sein Geschlecht im Volke, sein Landbesitz ausgedehnt und sein Gefolge, aus mehr als dreihundert auserlesenen Kriegern bestehend, das größte im Lande. Denn Fürst Ingomar hatte eine offene Hand und die Gefolgsleute ließen freudig ihr Leben für ihn und die Seinen.
Gleich ihm wurde sein Weib, die sanfte Berchta, verehrt, die Mutter der Bedrängten.
Zwei Söhne hatte sie dem Gatten geschenkt, Athemar, den Erstgeborenen, an Tapferkeit, Pflichttreue, fürstlicher Gesinnung und ernstem Fühlen dem Vater ähnlich, und den zehn Jahre jüngeren Isko, den Liebling aller.
Nicht nur sein schönes Äußere gewann ihm die Zuneigung der Menschen; es war die Güte des Herzens, die außergewöhnliche Liebenswürdigkeit seines Wesens, die ihm alle geneigt machte. Oft verglich man ihn mit Baldur, dem holdesten aller Asen. Dabei erfreute er sich einer Körperkraft, einer Waffenfreudigkeit, einer so seltenen Geschicklichkeit in der Handhabung des Speeres und des Schwertes, daß er selbst die Bewunderung der alten Krieger hervorrief. Isko war der verwegenste und geschickteste Schwerttänzer des Gaues und ein überaus kühner Jäger.
Gar teuer war der Spätgeborene der Mutter und Athemar, der Ältere, mißgönnte ihm deren zärtliche Liebe nicht, war er doch selbst dem Bruder herzlich zugetan.
Der kluge, bedächtige Fürst, der als Jüngling selbst in den römischen Legionen gegen die Pannonier gefochten hatte, sah ein, daß es für die Deutschen notwendig sei, gar viel von den Römern zu lernen, und vor allen Dingen, daß die an der Grenze Wohnenden sich mit der Sprache der Römer vertraut machen mußten. Darum hatte er seine beiden Knaben von Jugend auf im Lateinischen unterrichten lassen.
Die römischen Großen sahen es gern, wenn die Söhne der deutschen Fürsten Lateinisch erlernten, sich römische Sitten zu eigen machten und in Roms Heer Dienste nahmen. So hatten die in Moguntiacum gebietenden Legaten dem Fürsten Ingomar gern Gelehrte gesandt, die seine Söhne unterrichten sollten, und Athemar wie Isko drückten sich in der Sprache Roms gewandt und sicher aus. Ja, man munkelte im Volke, daß Isko sogar den Schreibgriffel führen und die Runen der Römer nachahmen könne.
Der letzte dieser Lehrer war ein junger Mann griechischer Abkunft. Fürst Ingomar hatte Diomed im Hause des Legaten Saturninus in Moguntiacum kennen gelernt, Gefallen an ihm gefunden, und der Jüngling war gern seiner Einladung gefolgt, einige Zeit an der Lahn zuzubringen, um Isko im Lateinischen weiter fortzubilden und daneben Gelegenheit zu finden, Art und Sitte der Germanen kennen zu lernen, die seinen Forschereifer reizten. Nur wenige Monde weilte Diomed in Ingomars Burg, als das Unglück über Saturninus hereinbrach. Der Legat wurde getötet, die Seinen zerstreut und geächtet.
Damit hatte der Grieche auch seine Heimat verloren, denn er stand allein auf der Welt. Von Marcus Rufus, dem Senator, war er als dreijähriges Kind auf dem Markte zu Athen einem Sklavenhändler abgekauft worden. Rufus hatte Diomed in seinem Hause erziehen und von den besten Lehrern unterrichten lassen und dann in die Rhetorenschule geschickt. Der Knabe zeigte eine hohe geistige Beanlagung, doch war sein Körper nur zart und machte ihn zum Kriegsdienst nicht geeignet.
Marcus Rufus starb dann plötzlich, und zwar, ohne ein Testament zu hinterlassen. Da der Legat Antonins Saturninus einen Teil des Nachlasses erbte, nahm er sich auch des jungen Griechen an; so kam Diomed an den Rhein, wo er, mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, im Hause des Legaten lebte und diesem gelegentlich als Schreiber diente.
Große Teilnahme für den jungen Griechen hegte auch des Legaten Sohn Sentius, der in der neunzehnten Legion als Zenturio diente.
Diomed wußte, daß er von Rufus einst gekauft worden war, und hielt sich für einen Sklaven; das machte den Kummer seines Lebens aus. Auch glaubte er, daß er aus dem Nachlasse des Rufus an Antonius vererbt worden sei.
Nach dem jähen, unerwarteten Ende des Legaten, dessen Schicksal Diomed aufrichtig betrauerte, war Rom auch ihm als Zugehörigem einer fortan geächteten Familie ein sehr gefährlicher Boden geworden. Fürst Ingomar wußte genug von der Vergangenheit Diomeds und seinem Verhältnisse zu der Familie des Legaten, daß er ihm, um seinen Kummer zu lindern, sagte: »Du hast jetzt bei mir eine Heimat, Grieche! Willst du nach Rom zurück, werde ich dir, soweit ich kann, die Wege dazu bahnen. Doch einstweilen bleibe hier, denn Wolken ziehen im Westen auf, die Unwetter bergen.«
Diomed blieb umso lieber bei dem gastfreundlichen Germanenfürsten, als er seinen Schüler Isko herzlich liebte, der nicht minder auch seinem sanften Lehrer zugetan war. Für Diomed war Isko das Ideal einer jugendlichen Heldengestalt. So mußten Achill und Alexander einst einhergeschritten sein.
Das war die Familie des Gaugebieters an Lahn und Main, des Fürsten Ingomar.
Groß war sein Heim. Auf dem Hügel, den ein mächtiger roher Steinwall umgab, lagen zahlreiche und umfangreiche Baulichkeiten. Häuser, freilich nur aus Holz hergestellt, für viele Menschen, Knechte und Mägde, Ställe, Scheunen und weit ausgedehnte Keller, wie sie unsere Vorvorderen unter den Häusern anlegten, fanden sich innerhalb des Walles. Manches war rauh an den Gebäuden, aber das Haus des Fürsten selber zeigte schöne Schnitzereien an den vorspringenden Balken und buntgemalte, oft phantastische Tiergestalten erfreuten das Auge der nicht verwöhnten Beschauer.
Ging der Vorstoß der Römer ins Land von Moguntiacum aus, dann war Ingomars Heim dem ersten Angriff ausgesetzt. Doch für diesen Fall war der Fürst entschlossen, mit all den Seinen in die Wälder zu flüchten, wenn nicht dringende strategische Gründe die Verteidigung geboten, die dem Wurfgeschütz der Römer gegenüber schwierig war.
Die Deutschen hatten von dem glorreichen Cheruskerfürsten Armin gelernt, wie man mit den Römern kämpfen müsse. Sie kannten jetzt die Kriegskunst und Disziplin der Legionen, die der ihren weit überlegen war, so todesmutig und furchtbar auch der Angriff der deutschen Krieger erfolgte.
Die Katten waren entschlossen, das Schlachtfeld, auf dem die Entscheidung fallen sollte, selbst zu wählen; sie hatten kluge und bedächtige Führer an ihrer Spitze.
Der Tag nahte, an dem die Katten sich gegen der Römer Angriff wehren mußten.
Immer drohender wurde die Ansammlung der römischen Kriegsmassen am Rhein und auch Kaiser Domitian war im Lager bei Moguntiacum eingetroffen.
Aber die Katten waren nicht müßig gewesen. Auch ihre Heeresmacht hatte sich versammelt, und die uralten Ringwälle auf den Bergen waren mit Vorräten versehen worden, um Greisen, Weibern und Kindern als Zufluchtsstätten zu dienen, wenn der Feind in der offenen Feldschlacht siegte.
Durch einen Vorstoß der Römer bei Confluentes hatten sich die Katten nicht täuschen lassen; sie wußten jetzt, daß der Hauptangriff von Moguntiacum ausgehen werde. Aber alle ihre Vorbereitungen waren, durch die dichten Wälder verschleiert, so still getroffen worden, daß die Römer trotz ihrer Späher in Unkenntnis blieben, wo die Katten ihre Hauptmacht gesammelt hatten.
Da die Römer voraussichtlich einen Teil ihrer Streitkräfte über den Taunus senden würden, eine Verteidigung der Burg Ingomars aber nicht in den Kriegsplan der Katten gehörte, hatte der Fürst den Befehl gegeben, sie zu räumen. Alles, was nicht die Waffen führte, bis auf einen Teil der Hörigen, die als Viehtreiber und Wagenführer im Heere dienen mußten, wurde nach dem nahen Ringwall hinaufgeschickt, der, auf einem hohen, waldigen Berge versteckt liegend, schwer zugänglich war und leicht auch von Greisen und Knaben verteidigt werden konnte.
Frau Berchta mit einigen ihrer Dienerinnen sollte sich weiter ins Land hinein zurückziehen, bis hinter die Lahn. Der junge gelehrte Grieche mußte sie begleiten.
Während Knechte und Mägde, alte Leute und Kinder zum letzten Zufluchtsort vor der Wut des Feindes auszogen, nahm die Fürstin mit tränenden Augen Abschied von dem Gatten und den Söhnen.
»O wahre dich, Isko, mein Liebling! Sei nicht tollkühn; fordere die Götter nicht heraus!«
»Nein, Herzensmutter, ich werde nur meine Pflicht tun.«
»Athemar, schütze ihn!«
»Mein Leben, Mutter, gebe ich für das seine.«
»Heervater halte schirmend seinen Speer euch vor! Ich werde täglich zu ihm und Mutter Frigga beten.«
So schied die Mutter von ihren Söhnen.
Beim Kattenheere war inzwischen auch der greise Fürst Arimunt, der Sohn Gandesters, erschienen. Kämpfen konnte der Alte nicht mehr, aber sein Geist war klar und die Führer schätzten den Rat des erfahrenen Heergebieters, der mehr als einmal mit den Römern gefochten hatte.
Sein Erstgeborener führte den Oberbefehl, denn der Fürst, der Heergebieter, mußte nach alter Germanensitte in der Schlacht im Vorderkampfe stehen, und Boern war ein gewaltiger Krieger, der den greisen Vater wohl vertreten konnte.
Die Katten hatten nicht ohne Besorgnis die Nachricht empfangen, daß Trajan, der große Feldherr, das Römerheer befehligen werde, und wußten, daß sie ihm gegenüber einen schweren Stand haben würden, umsomehr als er der Abgott der Soldaten war. Sie beschlossen deshalb, die Lahnlinie zu verteidigen, die ihnen im Falle eines Unglücks den Rückzug in den Westerwald oder auf den Vogelsberg gestattete. Aber sie ließen zugleich unter Ingomar dreitausend Fußkämpfer und fünfhundert Reiter zurück, um den Römern den Übergang über den Taunus und die Rheinberge zu erschweren und Fühlung mit ihnen zu behalten.
Nun kam des Römers gewaltiges Heer über den Rhein, fünf Legionen und dazu die Hilfsvölker. Seit Germanikus hatten die Deutschen keine solche römische Kriegsmacht in ihren Landen gesehen. Domitian war selbst mit prächtigem Gefolge erschienen. Aber wie die Kundschafter der Katten aus dem Römerlager berichteten, weilte der gefürchtete Trajan nicht mehr dort. Der Kaiser hatte ihn, der krank sein sollte, nach Argentoratum (Straßburg) zurückgesandt. Domitian führte allein das Heer, nur unterstützt von dem erfahrenen Legaten Agrippa. Aber die Legionen waren unmutig, daß ihnen der gefeierte Führer fehlte.
Leicht dachte sich Domitian den Sieg über die Barbaren; aber schon beim Überschreiten der waldigen Berge erfuhr er durch die um ihre Freiheit kämpfenden Katten einen Widerstand, der seinem Heere namhafte Verluste zufügte. Ingomar und sein Sohn Athemar leiteten mit Klugheit und Umsicht die Bewegungen ihrer Krieger, kämpften mit Hartnäckigkeit, wo es geboten war, und zogen sich stets zur rechten Zeit zurück, sobald durch die übermächtigen Römer eine Überflügelung drohte. Sie wichen langsam und unter heißem Ringen aus den Bergwäldern – zu widerstehen war der Macht der Römer auf die Dauer nicht – aber diese hatten die Pranke des kattischen Bären gefühlt.
Isko, der am liebsten zwischen den Männern gefochten hätte, war von seinem Vater eine Abteilung Bogenschützen anvertraut worden, mit der er den Römern in den Wäldern der Rheinberge großen Schaden zufügte. Die geschmeidigen jungen Leute waren nicht nur gute Schützen und Speerwerfer; sie verstanden auch meisterlich, die Bodengestaltung auszunutzen und überraschend anzugreifen. Sie waren dem römischen Vortrab durchaus gewachsen, ja im Walde bei weitem überlegen.
Bald stand das ganze römische Heer nordwärts der Berge, wohl an dreißigtausend Mann stark, auserlesene Krieger, denen die Katten kaum zwanzigtausend Mann entgegenzustellen hatten.
Die römischen Feldherren waren sonst vorsichtig, denn sie kannten die überraschende Art, womit die Deutschen anzugreifen pflegten. Aber dem hochmütigen Domitian, der mit aller Pracht des Weltgebieters inmitten seiner Scharen einherzog, mißfiel diese bedächtige Kriegführung; er befahl, rascher vorzudringen.
Die Katten, mit denen sie in den Bergen streiten mußten, waren verschwunden, als die Römer den Übergang bewerkstelligt hatten. Menschenleer war das Land; alle Gehöfte fanden sie verlassen, das Vieh in die Wälder getrieben.
Langsam, stets in geschlossener Ordnung, zwischen Wäldern und Bergen zogen die Römer dahin. Rauh waren die Wege und ihr eigenes ungeheures Gepäck erschwerte noch den Marsch. Jeden Abend schlugen sie dann nach ihrer Gewohnheit im Feindesland das Lager auf, umgeben von Wall und Graben, das anzugreifen sich die Katten wohl hüteten.
Endlich hatten die Römer erkundet, daß die Feinde ihre Hauptmacht hinter der Lahn gesammelt hatten in einer Stellung, die, schwer angreifbar, den Römern gefährlich werden konnte, wenn sie sich einem Flankenangriff aussetzten.
Der Legat Agrippa schlug dem Kaiser vor, den Feind zu umgehen, um dessen Stellung unhaltbar zu machen. Aber dies erforderte Zeit, und Domitian, erbittert durch den bisherigen Verlauf des Feldzugs, froh, den Gegner, den er immer noch unterschätzte, endlich vor sich zu haben, befahl den Frontangriff, um mit einem wuchtigen Schlage dem Krieg ein Ende zu machen; auf Menschenleben kam es ihm nicht an.
Das rauhe Klima in dem waldigen, feuchten Lande mit seinen ungangbaren Niederungen sagte dem Weichling nicht zu; er sehnte sich nach seinem geliebten Rom. Auch hegte er nicht den geringsten Zweifel, die rothaarigen Wilden im ersten Ansturm niederzuwerfen, und legte schon im Geiste die Triumphinsignien an.
Der Angriff, den er befahl, war überaus schwierig. Aber er verfügte über auserlesene Krieger, die selbst den Übergang über einen tiefen und rasch dahinströmenden Fluß im Angesicht eines tapferen Feindes, der für seine Heimat focht, nicht scheuten.
Den Fluß zu überschreiten, mußten die Römer Bäume fällen und Floßbrücken herstellen, was nach harten Verlusten unter dem Schutze ihrer Schleudermaschinen endlich gelang.
Bald nach Sonnenaufgang sollte der Angriff unternommen werden. Aber Domitian schlief und die Sonne stand schon hoch, als er endlich in voller Rüstung vor seinem Feldherrnzelt erschien, um zu sehen, wie die Seinen die Barbaren vernichteten. Er hatte befohlen, möglichst viel Gefangene zu machen, die seinen Triumphzug verherrlichen und den Römern die Größe seines Sieges veranschaulichen sollten.
Als die Tuba sich hören ließ, gingen die Kohorten entschlossen zum Sturme vor, eisenfeste Kämpen, bewußt, daß sie hier unter den Augen des Cäsars fochten. Aber sie begegneten dem Todesmut eines freiheitliebenden Volkes, das den Feind in seinem Lande und seine heiligsten Güter bedroht sah.
Ihnen entgegen stürmten die Kattenkrieger, deren hohe Gestalten die der Römer bei weitem überragten, Schrecken einflößend durch ihre eigenartige Hauptbedeckung, mit allem germanischen Ungestüm, das den Römern von jeher furchtbar gewesen war. Auf den Brücken begann ein grauenhafter Kampf Mann gegen Mann. Die Vordersten der Katten führten lange Stoßlanzen, gegen deren andringende Wucht die Römer auch der Schild nicht schützte; wer damit getroffen wurde, stieg zum Tartarus hinab. Dann griffen die Germanen zum Schwert und zu dem schweren Streithammer, dessen niedersausender Schlag jeden Römerschild zerschmetterte.
Die Legionäre sanken zu Dutzenden nieder oder stürzten ins Wasser, aus dem nur wenige sich ans Ufer retteten. Hier nützte ihnen ihre wundervolle Taktik nichts; hier galt es Arm gegen Arm, Schwert gegen Schwert und der Arm der Deutschen war stärker.
Auch Katten fielen und starben.
Immer neue Krieger standen, nachdrängend, an Stelle der gefallenen Römer den Katten gegenüber. Aber auch diese ersetzten ihre Verluste durch frische, todbereite Mannschaften.
Eine Stunde weit dehnte sich dieses seltsame Schlachtfeld auf dem Rücken der Lahn aus. Weithin hallte das wütende Geschrei der Kämpfer an ihren Ufern wider, weit hinab färbte sich das Wasser rot von teurem Blut.
Die Römer hatten inzwischen Onager (Wurfmaschinen) auf ihrem Ufer aufgestellt und ließen sie jetzt über den Fluß hinüber ihren Steinhagel schleudern.
Aber die Katten kannten diese für gedrängte Massen höchst verderblichen Schleudermaschinen und wußten sich vor deren Geschossen klug hinter Felsen und ihren Waldesriesen zu decken. Auf die Brücken dagegen konnten die Römer sie nicht richten, denn sie hätten auch die Ihrigen getroffen.
So wogte der furchtbare, blutige Kampf auf den Brücken hin und her. Die Römer hatten schwere Verluste, bis endlich auch die Kraft und Tapferkeit dieser Männer erlahmte und sie sich unter dem Hohngeschrei der Deutschen in ungeordneter Flucht rückwärts wandten. Vergeblich suchten aber die Katten nun die Brücken zu zerstören. Pfeilschützen und Speerwerfer erschienen in solcher Zahl am linken Ufer, daß sie rasch ihre Deckungen wieder aufsuchen mußten; eine Erstürmung des von den Römern besetzten Ufers wäre Wahnsinn gewesen und war deshalb auch von den Führern untersagt worden.
Im Angesichte des übrigen Heeres und des vor Wut schäumenden Domitian waren die stürmenden Kohorten zurückgeschlagen worden, von den rohen, verachteten Barbaren! Schwer lastete diese Tatsache auf den Gemütern der siegesstolzen Römer, zumal es sich um die Nachkommen derer handelte, die einst des Varus Legionen vernichten halfen.
Die Römer hatten starke Verluste erlitten; die der Katten waren lange nicht so groß.
Auf beiden Seiten trat jetzt Ruhe ein; nur die Schleudermaschinen blieben noch in Tätigkeit.
Die Kohorten wurden neu geordnet, die Verwundeten zurückgeschafft und verbunden.
Von den Germanen gewahrte man nichts; sie hielten sich klug im Hinterhalte, verbanden dort ihre Wunden und rüsteten sich, den zweiten Ansturm abzuwehren, den sie erwarten mußten. Daß aber die Römer damit so lange zögerten, verwunderte sie, da doch nur ein Teil ihres Heeres im Kampf gewesen war.
Endlich erscholl von neuem die Tuba in den Kohorten und der zweite Kampf begann. In den Reihen der Katten herrschte eine gehobene Stimmung. Auch ihre Hörner riefen die Lahn entlang zur Schlacht. Der grimmige Kaiser saß wieder vor seinem Feldherrnzelt, des Sieges der Seinen harrend.
Zum Erstaunen der Katten erschienen an den Flußbrücken diesmal nur leichte Truppen, die den Kampf mit ihren Bogen eröffneten. Schon wollten die Katten hinausstürmen, um jene zu verjagen; aber von den Führern wurde es ernstlich untersagt, denn von höhergelegenen Punkten hatte man gewahren können, daß hinter den Leichtbewaffneten, versteckt aufgestellt, starke Scharen der schwer bewaffneten Veteranen im Hinterhalte lagen.
Es war klar, man wollte die Deutschen hinauslocken und dann mit starker Macht über sie herfallen, um mit den Fliehenden zugleich das jenseitige Ufer zu gewinnen. Die Katten unterhielten darum nur wachsam das Gefecht mit ihren langen Pfeilen.
Den deutschen Führern kam das Gebaren der Römer immer unheimlicher vor. Die Gefahr, daß ober- oder unterhalb ihrer Stellung die Feinde versuchen würden, über den Fluß zu gehen, lag freilich nicht sehr nahe, denn die Ufer waren dort schroff und felsig; auch hatten die Katten Wächter zu Pferde dort aufgestellt und hielten ihre Reiterei, die in dem Kampfe am Flusse nicht gebraucht werden konnte, für solche Fälle bereit. Aber etwas Besonderes mußte doch im Werke sein, denn daß die Römer schon jetzt entmutigt an den Rückzug dachten und die Vorbereitungen dazu durch das Geplänkel ihrer Hilfstruppen verschleiern wollten, war einfach unglaubwürdig.
So mochte mehr als eine Stunde aufgeregten Wartens vergangen sein, als plötzlich an allen Brücken starke Scharen auftauchten, die mit wildem Rufe zum Kampfe vorstürmten.
Ihnen entgegen brachen die Deutschen vor und wiederum begann das schaudervolle Ringen zwischen germanischer Urkraft und der Kunst der kriegerisch geschulten, schwergerüsteten Römer.
Gleichzeitig erhielt Boern, der oberste Führer, die Nachricht, daß oberhalb ihrer Stellung die Römer mit starker Macht über die Lahn gegangen waren, die dort aufgestellten Reiter nach tapferer Gegenwehr zurückgeworfen hatten und nun am Flusse herabkamen, um den Katten in Rücken und Flanke zu fallen. Das erklärte, warum die Römer so lange mit dem Angriff gezögert hatten und jetzt mit solcher Wucht angriffen.
Agrippa hatte zwar des Kaisers Befehl befolgt und die Brücken zum ersten Vorstoß benutzt, zugleich aber auserlesene Kohorten den Fluß hinaufgeschickt. Denen war es schließlich mit unendlicher Mühe und nicht ohne Verluste gelungen, unbeobachtet von den Katten über die Lahn zu gehen. Als der Legat die Gewißheit hatte, daß sie jenseits waren, griff er auch in der Front mit aller Kraft an.
Boern, der Führer des Kattenheeres, verlor nicht einen Augenblick die Besonnenheit. Im Hintertreffen lagerte Ingomar, der Gebieter des Lahngaues, mit den Seinen, die nur zum Teil in dem vorigen Kampf gefochten hatten.
Der Kattenfürst ritt zu ihm.
»Auf, Ingomar! Der Römer ist diesseits der Lahn und kommt den Strom herab; eile ihm entgegen und wirf ihn zurück. Den letzten Mann setze daran, denn bei dem übermächtigen Angriff am Flusse sind wir verloren, wenn wir den Feind im Rücken haben. Geh, Fürst, rette das Kattenheer!«
»Was Männer tun können, Sohn Arimunts, wird geschehen,« war die kurze Antwort.
»Laß mich bald hören, wie es dort steht.«
Schnell waren die Männer des Lahngaues zum Marsch bereit und zogen eilig den Fluß hinauf, dem Feind entgegen. Voran die Reiter, denen die Jünglinge mit den langen Bogen flinken Schrittes folgten.
Boern wußte wohl, wie gefährlich die römische Abteilung im Rücken war, denn bei den unaufhörlichen Angriffen am Flusse war es ihm unmöglich, das Gefecht abzubrechen und den Rückzug anzutreten. Das ganze Heer der Römer wäre gleich darauf auf dem rechten Ufer gewesen; dann wurden die Katten zersprengt und zu jedem weiteren Widerstand unfähig. Dann lag das Land den Feinden offen da.
Alles kam jetzt darauf an, die Kohorten in der Flanke zu werfen.
Schweigend, doch in großer Hast, zogen die Scharen Ingomars an der Lahn hin, durch den lichten, hochstämmigen Wald.
Die Vorhut führte Athemar; bei ihm war Isko mit seinen Bogenschützen, die als Kundschafter ein Stück vorausliefen.
In ihrem Rücken ertönte immer ferner der Schlachtlärm und das Geschrei der Streiter.
Alle in Ingomars Heerhaufen wußten, um was es sich handle, und waren entschlossen, bis zum letzten Hauche zu fechten.
Von den durch die römischen Legionäre zersprengten Reitern hatten sich viele wieder eingefunden, danach lechzend, ihre Niederlage zu rächen.
Jetzt kam zu Ingomar von der Vorhut Kunde, daß die Römer in Schlachtordnung nahten. Augenblicklich schwenkten dem Befehle gemäß alle Abteilungen links ab, um gedeckte Stellungen im Wald einzunehmen.
Die Römer nahten; schon hörte man den wuchtigen, marschmäßigen Tritt ihrer Sandalen. Sechs Kohorten auserlesene Krieger zogen in guter Ordnung einher.
Unsichtbar den Feinden harrten die Katten im Walde.
Es galt, die Reihen der Römer im Marsch aufzulösen, denn Ingomar wußte, wie schwer es war, römisches Fußvolk zu werfen, wenn es in regelrechter Schlachtordnung die Stirn bot. Sechs Kohorten waren dann eine gefährliche Macht.
Jetzt begann es zu regnen. Das freute aber die Deutschen, denn es erschwerte den Römern den Marsch. Die Pfeilschützen und die junge Mannschaft griffen auch sogleich, die Römer sichtlich überraschend, die erste Kohorte an; als diese aber hielt und sich zum Kampfe ordnete, wichen sie bei deren erster Bewegung nach vorwärts in scheuer Eile in den Bergwald zurück.
Schon wollten die Römer ihren Marsch fortsetzen, als Kampflärm von Osten herdrang.
Athemar hatte mit den Gefolgsleuten seines Vaters und fünfhundert auserlesenen Kriegern die dritte der Kohorten, in deren Mitte der Primipilar einherschritt, blitzschnell und in so heftigem Ansturm angegriffen, daß diese nicht in Schlachtordnung treten konnte.
Der Vorstoß war so wuchtig und mit solchem Todesmute ausgeführt, daß alsbald die Deutschen mitten unter dem Feinde waren. Furchtbar tobte einen Augenblick der Kampf zwischen den schlachtgewohnten Kriegern, dann waren die überraschten Römer zersprengt. Der Primipilar fiel unter Athemars Schwert und die Reste der Kohorten retteten sich nach vor- und rückwärts zu den Ihren.
In gleicher Weise wurde die letzte der Kohorten angegriffen, doch diese widerstand und die Katten opferten vergebens ihr Leben.
Als diese Vorgänge bei der ersten Kohorte bekannt wurden, hielt diese und wandte sich zurück, so daß die römischen Truppen, nachdem die folgenden Kolonnen näher gekommen waren, ein Ganzes bildeten.
Diese kriegserprobte, durch nichts zu erschütternde Schar ordnete sich zur Schlacht.
Stärker und stärker troff der Regen hernieder, den Deutschen ein Labsal, übel empfunden von den Römern.
Diese sahen jetzt keinen Feind vor sich; die Katten waren im Waldesdüster verschwunden.
Schon wollten die Soldaten in festgeschlossener Ordnung den Marsch fortsetzen, als eine Schar Katten aus dem Walde brach und auf die nächsten Reihen losstürmte, aber nach kurzem verzweifelten Kampfe in wilder Flucht wieder davonlief.
Die erbitterten Legionäre wollten ihnen nachsetzen, der laute Befehlsruf der Zenturionen hielt sie jedoch in den Reihen fest. Der Versuch, sie durch eine geheuchelte Flucht zur Auflösung der Ordnung zu reizen, war also mißglückt.
Immer dichter fiel der Regen und tropfte von den Bäumen; schon nahte die Nacht. Ehe diese hereinbrach, mußten die Kohorten geschlagen sein.
Weiter zogen die Römer, mühsam auf dem aufgeweichten Grund.
Doch jetzt kam ein Bach mit hohen steilen Ufern, die so schlüpfrig waren wie alles ringsum. Felsen erhoben sich jenseits der Niederung, die bis zur Lahn sich ausdehnten und den Weg einengten.
Die Römer stutzten; auf ein solches Hindernis waren sie nicht vorbereitet.
Doch hinüber mußten sie; ein Zurück gab's nicht mehr.
Sie rutschten also in den Bach und kletterten mühsam das jenseitige Ufer empor.
Die Hälfte von ihnen ließen die Katten über den Bach kommen, dann stürzten sie mit gellenden Rufen auf sie los und machten sie im Angesichte ihrer Gefährten nieder, die unvermögend waren, ihnen beizustehen.
Nun drängten die Legionäre auf der anderen Seite des Baches zurück; die Schrecken mehrten sich.
Wolken hingen hernieder, düster und schwer.
Da kam dem römischen Befehlshaber auch noch die Kunde, daß der Fluß anschwelle, wahrscheinlich durch Regengüsse genährt, die in seinem oberen Laufe gefallen waren. Einsehend, daß dieses Ereignis die Verbindung zwischen beiden Ufern bedrohte, indem es die Brücken hinwegschwemmen konnte, und er dann allein gegen die ganze Macht der Katten auf dem rechten Ufer stehen werde, auch in Unkenntnis darüber, wie weit die Kampfesstätte noch entfernt sei, gab er den Befehl zum Rückzug.
Jubelnd begrüßten die Katten diesen Erfolg über den mächtigen Feind.
Man ließ die Römer eine Zeitlang auf ihrer Spur rückwärts ziehen. Unterdes sammelte und ordnete Ingomar seine Scharen zum letzten Vorstoß und bewegte sich dann zur Seite der Römer im Bergwald hin, von diesen ungesehen.
Nahe der Stelle, wo die Kohorten durch eine ihnen verratene Furt über den Fluß gegangen waren, befahl er den Angriff.
Athemar, Isko und die Bogenmänner drangen jetzt ungestüm auf die voranziehenden Kohorten ein, während Ingomar mit den Seinen gegen die mittlere losstürmte.
Aber man hatte es mit einem entschlossenen Feinde zu tun, der seine einzige Rettung in der Rückkehr über den Fluß sah. Auch vergaßen die Deutschen in ihrer siegestrunkenen Tollkühnheit jeder Vorsicht. Sie fielen vor den dichtgeschlossenen Reihen der Römer in Scharen.
Isko focht im Vordertreffen, blitzschnelle Schwertstöße führend, unweit Athemar, der nicht minder heldenhaft stritt.
Aber von der Seite drängten die folgenden Zenturien vor und ganz unerwartet griff die voranziehende Kohorte die durch ihren rasenden Angriff erschöpften Katten an.
Athemar fiel; zwei seiner Leute rissen ihn aus dem Getümmel nach hinten. Isko stürzte zu Boden zwischen Leichen und über ihn hin schritten die Legionäre. Die hier kämpfende Kattenschar wich bestürzt zurück, worauf die Kohorte abschwenkte, unbehelligt die Stelle des Übergangs erreichte und sofort durch die Lahn marschierte. Jetzt erst erfuhren die Krieger, daß Athemar und Isko gefallen waren, und in wilder Verzweiflung gingen sie wieder zum Angriff vor.
Ingomar war glücklicher mit seinem Vorsturm gewesen und hatte den Gegnern, die in furchtsamer Eile sich zu retten suchten, sehr empfindliche Verluste beigebracht. Mit tiefem Schmerze erfuhr er jetzt, daß seine beiden Söhne gefallen seien.
Die Angriffe der gänzlich erschöpften Deutschen ließen nun nach, und was von den Römern noch lebte, gelangte auf das linke Ufer der Lahn. Die gefährliche Umgehung war verhindert worden, doch, ach, mit welchen Opfern!
Zu seiner Freude vernahm Ingomar beim Nachforschen, daß Athemar zwar verwundet war, aber noch lebte.
Und Isko, der Liebling des ganzen Lahngaues? Die jungen Leute machten sich auf und suchten die Stelle ab, wo er gefochten hatte; aber sein Leichnam wurde nicht gefunden. Wahrscheinlich trieb er die Lahn hinab mit all den anderen.
Während so die Männer des Lahngaues heldenhaft fochten, wurde auch an den Brücken blutig gestritten. Aber der Regen kam hier gleichfalls den Deutschen zugute, umsomehr, als er dem Feinde ins Gesicht schlug.
Domitian zog sich, als der Regen begann, höchst übler Laune in sein Zelt zurück und wurde nicht mehr gesehen.
Die am Ufer aufgestellten römischen Truppen warteten nun auf die Wirkung des Angriffs im Rücken der Katten, um dann mit aller Gewalt, die Veteranen voran, sich auf die Katten zu werfen. Aber deren Widerstand ließ nicht nach und endlich kam die Nacht. Es stieg der Fluß und machte dem furchtbaren Ringen ein Ende.
Tiefe Stille herrschte nach dem wilden Kampfestoben an den Ufern der Lahn. Die Todesschwestern schwebten auf Geisterrossen einher und trugen die Seelen der gefallenen Söhne Teuts hinauf nach Walhall zum ewigen Vater.
Trauernd saß Ingomar an der Seite seines Erstgeborenen, der schwer, doch nicht tödlich verletzt war. Trauernd dachten beide der schweren Opfer, die der Tag die Katten gekostet hatte und des blonden, heldenhaften Lieblings ihres Hauses, dem die Norne so früh den Lebensfaden abgeschnitten hatte.
Aber der Katten Heer und Land war gerettet!
Als die Sonne wieder emporstieg, erkannte man im Römerlager erst vollständig die schweren Verluste, die Kaiser Domitian erlitten hatte. Selten hatte ein Römerheer einen solch blutigen Strauß ausgefochten. Der siegeslüsterne Imperator hatte den Germanenkrieg kennen gelernt.
Sein Heer war erschöpft und zunächst unfähig zu einem Vorstoß.
Die alten Krieger waren grimmig über das vergebliche Blutvergießen und sagten laut: »Wäre Trajan dagewesen, warfen wir alles vor uns nieder; schon sein Name ist Sieg.«
Von Gefangenen, auf die es Domitian hauptsächlich abgesehen hatte, waren im bisherigen Verlaufe des Feldzuges kaum vierhundert eingebracht worden, meistens Verwundete und darunter viele junge Leute, Kinder, wie der Kaiser verächtlich sagte.
Der Kaiser befahl, sie nach Moguntiacum zu bringen und die jüngeren Leute als Sklaven zu verkaufen, während die Männer für seinen Triumphzug aufbewahrt werden sollten.
Im Laufe des Tages erfuhr man im Römerlager, daß die Katten, nachdem sie ihre Toten begraben hatten, unter Mitnahme der Verwundeten in aller Ordnung den Rückzug in die Wälder nach Nordost angetreten hatten.
Domitian, der besonders infolge der Unbilden der Witterung sehr übler Laune war, vernahm dies mit großem Vergnügen.
Er ließ Agrippa rufen und sagte zu ihm: »Wir haben einen glorreichen Sieg erfochten, Legat, und dieses Barbarenvolk genügend gezüchtigt. Sie werden sich hüten, zum zweiten Male den Arm gegen Rom zu erheben. Der Zweck des Feldzuges ist in kurzer Zeit vollständig erreicht worden und ich kann wie der große Julius sagen: Veni, vidi, vici.«
Agrippa war zwar nicht ganz der Meinung seines Gebieters, aber er lächelte zustimmend. »Wo Cäsar Domitians Stern leuchtet, wohnt der Sieg,« erwiderte er als echter Hofmann.
»So laß alles zur Rückkehr zum Rhein vorbereiten, Legat; ich habe genug Krieg in diesem schauerlichen Lande geführt und lechze nicht nach neuen Siegen.«
Er besuchte die einzelnen Legionen, belobte sie und ließ reiche Geldspenden an alle austeilen.
Das Heer war zufrieden, jubelte dem freigebigen Kaiser als Sieger zu und vernahm es nicht ungern, daß der beschwerliche, blutige Feldzug sein Ende erreicht habe. Die Quartiere am Rhein zog ein jeder den feuchten Wäldern der Germanen vor.
Am anderen Tage setzte sich Domitian mit großem Gefolge und unter der Bedeckung zweier Kohorten nach dem Rhein hin in Bewegung; bald folgte ihm das Heer, eine Wüste hinter sich zurücklassend.
Der Kattenfeldzug war glorreich beendet und im fernen Rom jubelte man ob des Sieges über die gefürchteten Barbaren.