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Schon seit alter Zeit als Hafenstadt für Rom wichtig, hatte die offene Reede Ostias von jeher unter der Versandung durch den Tiber zu leiden und drohte der Verödung anheimzufallen. Ja, die schlechten Hafenverhältnisse hatten mehr als einmal die Versorgung der Riesenstadt Rom mit Kornfrüchten unterbrochen und dadurch bedenkliche Empörungen unter dem notleidenden Volke hervorgerufen. Erst Kaiser Claudius, ein Mann von bemerkenswertem Unternehmungsgeist auf technischem Gebiete, schuf mit seinem Machtwort einen künstlichen Hafen am Ausgang des Tiber.
Als seine Sachverständigen die Anlage einer geschützten Landungsstelle bei Ostia für ganz unmöglich erklärten, befahl der Kaiser, im Lande ein für Hunderte von Schiffen genügend geräumiges und tiefes Becken auszugraben, und ließ dann durch einen Kanal das Meerwasser in dieses eintreten. Den Eingang zu diesem künstlichen Hafen schützte er durch zwei mächtige Molen. So hatte Ostia dank des Kaisers Machtwort einen sicheren Hafen. Ein Unternehmen war es freilich, das nur die Macht und der Wille eines Cäsars vollenden konnte.
Hunderte von Schiffen ankerten in dem Hafenbecken, meist mit Kornfrucht beladen, als unsere Freunde landeten; nur einige Kriegsgaleeren waren noch zu sehen. Tausende von Hafenarbeitern waren beschäftigt, die Ladung der Schiffe in Booten unterzubringen, die sie den Tiber hinauf nach der Stadt des Romulus tragen sollten. Der Hafen zeigte ein buntes Gewirr, und alle Völker, die das Mittelmeer umwohnten, waren hier vertreten.
Athemar wünschte bei der Unsicherheit seiner Lage und der Gefahr, die ihn und die Seinen am Lande bedrohte, nicht das geringste Aufsehen zu erregen. Er lohnte den Schiffer ab, ließ durch Diomed Pferde und ein Maultier kaufen und begab sich auf der großen Hafenstraße, die am rechten Tiberufer bis zum Janiculus führte, nach Rom, wo Diomed, der ja die Stadt kannte, sein Führer sein sollte.
Im frischen Morgensonnenschein ritten sie dahin.
Diomed beabsichtigte, eine stille Herberge auf dem Aventin aufzusuchen, um dort unbeachtet abzusteigen, bis sie Catualdus gesprochen hatten.
Auch er, der römische Art unter einem Herrscher wie Domitian wohl kannte, war nicht ohne Besorgnis, daß die angeblichen Befreier des geächteten Saturninus in der Stadt der Städte Gefahren bedrohten, wenn sie nicht einen mächtigen Schutz fanden. Doch verbarg er seine Empfindungen vor den Brüdern.
Nach einigen Stunden behaglichen Rittes auf der infolge eines Regens, der in der Nacht gefallen war, nicht staubigen Straße sahen sie zur Linken auf einer anmutigen Bodenerhebung, umgeben von saftigem Grün und herrlichen Gartenanlagen, zwischen denen Springbrunnen ihren Strahl in die balsamische Luft sandten und Menschenbilder aus Marmor oder Bronze gebildet sich erhoben, eine herrliche Villa. Die beiden Deutschen hatten auf ihrem Wege bisher ähnliches aus der Entfernung gesehen, doch nichts so Schönes und Reiches, wie jetzt vor ihnen im Sonnenstrahle lag.
»Wahrlich, das ist ein anmutiges Heim,« sagte Athemar.
»Ja, bei den Göttern, das ist schön,« fügte bewundernd Isko hinzu.
»Ihr werdet noch mehr dergleichen sehen, meine Freunde,« erwiderte Diomed.
»Nun, Alter, erfreut dich der Anblick nicht?« fragte Athemar den alten Legionär.
»Ich habe zu viel von dem weibischen Prunke gesehen, um ihn zu bewundern,« war die Antwort Bodmars. »Das Zelt des Feldlagers war meine Heimat und die genügte mir.«
Ein Landmann ritt auf einem Maultier vorbei und gewahrte die bewundernden Fremden.
»Sage uns, o Freund,« redete Diomed ihn an, »wem gehört diese schöne Villa?«
»O, weißt du das nicht? Das ist das Haus des Cornelius Tacitus, des Prätors.«
Athemar und Isko sahen einander betroffen an; auch Diomed horchte auf.
Cornelius Tacitus, der vornehme Römer, hatte von Moguntiacum aus mehrmals als gern gesehener Gast am Herde ihres Vaters geweilt, da es ihm darum zu tun war, die Germanen in ihrer Eigenart kennen zu lernen. Beiden drängte sich die Frage auf: »Sollen wir ihn aufsuchen?« und Isko gab ihr Ausdruck.
»Ich zweifle nicht,« sagte Athemar, »daß uns Cornelius Tacitus die Gastfreundschaft erwidern würde, die er bei uns genossen hat; aber wir sind stets noch Verfolgte und stehen auf unsicherem Boden in diesem Lande. Laß uns erst mit Catualdus reden; dann wollen wir Tacitus aufsuchen. Der Besuch von Flüchtlingen unserer Art ist ihm vielleicht wenig angenehm.«
»Du magst recht haben, Athemar.«
»In Rom,« äußerte Diomed, »hängt alles von der Gunst des Kaisers ab. Da des Tacitus Schwiegervater, der große Feldherr Agricola, wie ich in Moguntiacum hörte, in Ungnade bei Domitian gefallen ist, könnte es sein, daß sich zurzeit auch der Prätor der Gunst des Kaisers nicht erfreut.«
»Abgemacht; suchen wir ihn später auf.«
Eben wollten sie ihre Tiere wieder in Bewegung setzen, als eine von Maultieren getragene Sänfte nahte, deren Insasse die Fremden aufmerksam betrachtete.
»Bei den Göttern,« sagte der Mann dann, »es geschehen immer noch Wunder und bringen Fürst Ingomars Söhne an den Tiberstrand!«
Mit nicht geringer Überraschung vernahmen Isko und Athemar diese Worte und erkannten in dem Mann, der rasch der Sänfte entstieg, den vornehmen Römer, der an ihres Vaters Tische gesessen und so viel Teilnahme für germanisches Wesen und die blonden Söhne des deutschen Stammes bekundet hatte. Cornelius Tacitus, eine stattliche Erscheinung mit schönem, geistvollem Kopfe, streckte den beiden die Hände entgegen.
»Wollten die Söhne Ingomars an des Cornelius Hause vorübergehen?«
Beide nahmen erfreut und dankbar die Hände des Prätors.
»Edler Tacitus,« sagte Athemar, »wir überlegten eben, ob wir dich jetzt begrüßen sollten oder später; aber wir sind versprengte Flüchtlinge und fürchteten, dir durch unseren Besuch Unannehmlichkeiten zu bereiten.«
»O meine Freunde, davon müßt ihr mir mehr erzählen. Ihr seid willkommen bei Cornelius Tacitus,« fügte er nachdrücklich hinzu. »Laßt euch mein Haus gefallen, solange es euch beliebt; wir leben ja wieder in Frieden mit den Katten. Da ist ja übrigens auch der kleine Grieche, der euch Fürstensöhne in die Geheimnisse des Lateinischen einweihte! Sei auch du willkommen, Diomed!«
»Dies ist Bodmar, ein Veteran der siebenten Legion, der mich auf meine Bitte durch das Land der Römer begleitet hat; er ist kattischen Stammes.«
»Auch der kattische Krieger ist willkommen! Ich freue mich, euch Gastfreundschaft erweisen zu können. Folgt mir, und die Götter mögen euren Eintritt segnen!«
Er ging voran; die Reiter stiegen aus dem Sattel, ihre Tiere den die Sänfte begleitenden Sklaven übergebend, und folgten ihm zwischen Lorbeer- und Myrtengebüsch, blühenden Blumen und aufragenden Statuen hindurch nach dem Hause, zu dem einige von einem Portikus überragte Stufen hinaufführten. Diese und die Säulen bestanden aus Marmor; die Wände des Gebäudes waren mit Stuck beworfen und geschmackvoll geziert.
Durch das Vestibulum traten sie in das geräumige Atrium, dessen Wände prächtige Gemälde zierten, Szenen aus dem Kampfe um Troja darstellend. Purpurne Bekleidungen faßten die Türen ein. Der Fußboden des Säulengangs, der das Impluvium umgab, zeigte kunstvolle Mosaikarbeit. Auf schöngeformten Sockeln standen Marmorbüsten oder kostbare, mit frischen Blumen gefüllte Vasen. Das Ganze zeugte von einem Reichtum, dessen Entfaltung von feinem künstlerischem Empfinden geläutert war und auf die beiden jungen Germanen, die auch während ihres Aufenthaltes diesseits der Alpen noch kein vornehmes römisches Heim betreten hatten, einen nachhaltigen Eindruck machte. Tacitus, der ja die Burg ihres Vaters kannte, gewahrte ihre Bewunderung und lächelte.
Der alte Soldat war nach einem Blick in das glänzende Atrium nach außen zurückgekehrt, unter dem Vorwand, sich um die Unterbringung der Pferde bekümmern zu wollen, und hatte den Weg nach dem Stalle eingeschlagen. Die Pracht des vornehmen Römers sagte dem rauhgewöhnten Kriegsmann nicht zu.
Alle übrigen Räume des Hauses, durch welche die Gäste kamen, zeigten die gleiche reiche und geschmackvolle Ausstattung. Im Tablinum, dem Arbeitszimmer des Hausherrn, angelangt, äußerte Tacitus: »Ich denke, meine Freunde, ihr erfrischt euch zunächst durch ein Bad und kleidet euch um. Ihr werdet es wohl einem Freunde eures Vaters nicht verübeln, wenn ich euch aus dem Kleidervorrate dieses Hauses für Rom ausstatte. Die Söhne Ingomars sollen dort würdig auftreten.«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, trat er mit ihnen in den kleinen, gar wohlgepflegten, von alten Platanen beschatteten Garten, der sich dicht hinter dem Hause herzog.
»Wo ist euer Kriegsmann?« fragte Tacitus, der jetzt erst den Veteranen vermißte.
Da kam auch Bodmar schon von der Seite her, wo die Ställe und Wirtschaftsgebäude lagen. Er hatte die Frage gehört und antwortete: »Edler Prätor, ich bin ein alter Legionsoldat und passe in dein Heim nicht. Dein Hausmeister ist, wie ich eben zu meiner Freude erkannt habe, ein alter Kriegsgefährte. Vertraue mich ihm an; da werde ich mich wohler fühlen als in der Pracht deiner Villa.«
Lächelnd erwiderte Tacitus: »Lasse dich da nieder, mein Freund, wo es dir am besten gefällt; du sollst dich behaglich bei mir fühlen.«
»Ich danke dir, Prätor. Jeder zu seinesgleichen!«
Tacitus ließ dann die drei jungen Leute in das Bad führen und gab Befehl, sie mit ihrer Stellung entsprechenden Kleidern zu versorgen.
Nach kurzer Frist fanden sich Athemar und Isko in Gewändern, wie sie die jungen Edlen Roms trugen, Diomed dem Stande des Gelehrten mehr entsprechend ausgestattet und alle wesentlich erfrischt im Garten ein, unter dessen schattigen Bäumen Tacitus eine Mahlzeit hatte auftragen lassen. Ihre hart mitgenommenen Kleider hatten einer Erneuerung wohl bedurft.
Mit sichtlichem Vergnügen schaute Tacitus auf die beiden jungen Germanen, deren sehnige Gestalten durch die Römertracht nicht wenig gehoben wurden. Es war echte Mannes- und Jünglingskraft in diesen blondhaarigen Barbaren vom edelsten Blute der Söhne Teuts.
»Wie du dich entwickelt hast, Isko, du jugendlicher Meister des Schwerttanzes,« sagte der Prätor und betrachtete staunend die gewölbte Brust und den wohlgeformten, eisenfesten Arm des Jünglings. »Du bist ja ein ganzer Krieger geworden. Hat er gefochten in jenem unseligen Kampfe an der Lahn, Freund Athemar?«
»Ja, o Tacitus, und im Vorderkampfe.«
»Nun laßt euch nieder und erhebt die Hände zum Mahle. Später erzählt ihr mir von euren Fahrten, die euch bis an die Schwelle meines Hauses geführt haben. Hierher an meine Seite, junger Rhetor,« sagte er freundlich zu dem bescheiden dastehenden Diomed, der errötend der Einladung des berühmten Mannes folgte.
Nach beendetem Mahle schickte Tacitus die bedienenden Sklaven fort, um allein mit seinen jungen Freunden zu sein.
Nun begann Athemar zu berichten von dem blutigen Ringen an der Lahn, dem Schicksale Iskos, dessen Erlebnissen in Ravenna und ihrem Wiederfinden.
»Da uns,« fuhr er fort, »durch diese Ereignisse der Weg zur Heimat verlegt war, wandten wir uns nach Rom, um durch die Hilfe eines Blutsfreundes unseres Vaters, nämlich des Unterpräfekten der Prätorianer, Catualdus, ins Kattenland zurückzugelangen.«
»Catualdus ist ein einflußreicher und auch ehrlicher Mann; er wird euch beistehen können.«
Hoch horchte Tacitus auf, als Athemar erzählte, wie sie den Senator Nerva im Apennin aus tödlicher Gefahr befreit hatten.
»Den Göttern sei Dank,« sagte er aus tiefster Seele, »ihr habt da dem Staat einen großen Dienst erwiesen.« Mit finsterer Stirne setzte er hinzu: »Ob euch Domitian dafür danken wird, weiß ich nicht; Nerva steht bei ihm nicht in Gunst.«
Mit tiefem Interesse vernahm Tacitus auch die Begegnung der jungen Leute mit Sentius Saturninus und Fuscus und die eifrige Verfolgung der Flüchtlinge.
»Sentius ist der Sohn eines teuren Freundes. Also nach Rom will der Verwegene? Vielleicht ist es das Klügste, was er tun kann. Fuscus ist ein erbärmlicher Gesell und ganz Sklave Domitians. Aber er ist gefährlich und ihr dürft euch vor ihm hüten!«
Mit nicht minderem Erstaunen vernahm er die Kunde von dem Seegefecht und der unfreiwilligen Teilnahme der Germanen daran.
»So habt ihr Katten für Rom gefochten? Das ist gut. Hoffentlich berichtet Icilius darüber nach Rom. Ihr habt wahrlich viel erlebt im italischen Lande, meine Freunde.«
Gütig wandte er sich dann zu Diomed. »Und du, junger Rhetor, hast alle Abenteuer dieser Germanenjünglinge geteilt?«
»Ja, edler Tacitus; sie sind meine Freunde.«
»Bleibst du jetzt bei uns, Diomed, dann kann ich dir vielleicht auf deinem Lebensgange nützen. Ich habe für dich verwaistes Griechenkind schon Teilnahme gehegt, als du noch unter meines Freundes Rufus väterlichem Schutze standest. Wende dich an mich, wenn du mich brauchen kannst.«
Gerührt von der Güte des angesehenen Mannes dankte Diomed.
»Und nun ruht aus, meine Freunde! Ihr bleibt natürlich die Nacht bei mir; morgen sende ich euch nach Rom. Ich werde euch einem Freunde dort überantworten, der euch leicht zu Catualdus bringen kann. Beurteilt ihn aber nicht nach seiner Außenseite. Cassius Longinus ist ein erprobter Krieger, ein zuverlässiger Freund und ihr dürft ihm vertrauen. Mich müßt ihr jetzt schon entschuldigen; ich habe zu arbeiten. Ich schreibe,« sagte er mit feinem Lächeln, »ein Buch über euer Volk und seine Art; eure Nachkommen werden wohl damit zufrieden sein, wenn sie es einst lesen.«
»Wohl uns, wenn ein edler Römer der Mit- und Nachwelt von uns erzählt!«
Während Tacitus seine Bibliothek aufsuchte, gaben sich die jungen Leute der Ruhe hin, deren sie nach den letzten sturmvollen Tagen höchst bedürftig waren.
Am anderen Morgen schickten sie sich früh zur Weiterreise an. Tacitus hatte ihnen aus seinen Ställen Pferde zugewiesen und drei seiner Sklaven befohlen, die Reisenden zu geleiten. Auch händigte er Athemar ein Schreiben an Cassius Longinus unverschlossen ein.
»Laßt mich von euch hören, Söhne Ingomars, und gedenket stets dessen, daß ihr an Cornelius Tacitus einen Freund habt! Und noch einmal, Athemar, beurteile Cassius nicht nach der Außenseite; er ist des Tacitus Freund.«
Mit seinen besten Wünschen und sie dem Schutze der Götter empfehlend, entließ er sie. Dankbaren Herzens schieden sie von dem gastlichen Heim des großen Römers, zu dem ein gutes Geschick sie geführt hatte.
Dann lag endlich vor ihnen Rom – die Herrin einer Welt, deren Macht bisher nur an dem trotzigen Todesmute der die Freiheit über alles liebenden Germanen gescheitert war.
Je weiter sie kamen, desto belebter wurde die Straße. Wagen und Lasttiere bedeckten sie, die alle mit Früchten für die Riesenstadt beladen waren. Noch entzogen Janiculus und Aventin die Stadt ihren Augen. Aber Tempel und Villen mehrten sich zur Seite der Straße und zwei gewaltige Wasserleitungen, weither kommend, waren rechts und links am Horizont sichtbar.
Immer mehr häufte sich das Leben und Treiben auf ihrem Wege. Jetzt hatten sie, dem Flusse wieder sich nähernd, den Janiculus zur Linken und ritten an der Naumachia des Augustus vorbei. Auch sahen sie schon das Kapitol mit dem weithin leuchtenden Tempel des Jupiter Capitolinus, den Palatin und zu ihrer Rechten den Aventin, kurz ein verworrenes Meer von Häusern über die Hügel zerstreut. Dann ritten sie über die Ämilianische Brücke, die von Fußgängern, Reitern, Wagen und Lasttieren so dicht gefüllt war, daß sie kaum durchzufinden vermochten. Doch die Sklaven des Tacitus machten Platz. War das Rufen, Schreien und Zanken schon auf der Brücke betäubend gewesen, wurde es fast sinnverwirrend, als sie jetzt das Forum am Fuße des Kapitolinischen Felsens betraten.
Athemar hatte zwar Genua, Mediolanum und andere Städte kennen gelernt, aber Isko hatte weder von Verona etwas gesehen, noch von Ravenna, da er die Fechterschule nicht verlassen durfte. Florentia und Pisana hatte er nur flüchtig berührt, so daß ihm die Riesenstadt mit ihrem Treiben die jäheste Überraschung bereitete, nicht minder Athemar, trotz seiner hochgespannten Erwartungen.
Ein Wald von Säulen, kaum für das Auge durchdringlich, dehnte sich vor ihnen aus bis hin zum Felsen des Kapitols. Häuser und Säulen schienen durcheinanderzufließen. Göttergestalten, wie die Römer sie bildeten, ragten darüber hervor, und über allem glänzte der prächtige Marmor des Jupitertempels mit seinen jonischen Säulen. Dichtgedrängt wogten buntgekleidete Menschen die Treppen hernieder, die zum Tempel führten, ein fesselndes, imposantes Bild.
Zu ihrer Linken ragte das Theater des Marcellus empor, zu ihrer Rechten die gewaltigen Massen des Palatins und des, freilich während des großen Brandes unter Nero halbzerstörten Zirkus Maximus. Genug, um die Söhne des germanischen Urwaldes in maßloses Staunen zu versetzen. Und nun die hin und her wogende, schreiende, gestikulierende Menschenmasse zwischen den Säulen, in den Hallen der Basilika Julius Cäsars, diese Rednertribünen, von denen herab gewandte Redner zu einer aufmerksam lauschenden Hörerschar sprachen!
Hier schrieen Hausierer, Fruchthändler und Amulettkrämer, dort feilschten Kaufleute miteinander oder Gaukler lockten die Menge an. Wagen und Sänften suchten mühsam ihren Weg durch das Gedränge; die Forumswächter schlichteten Streitigkeiten zwischen Käufern und Verkäufern. Bisweilen zeigte sich der Helm eines Legionsoldaten oder ein Senator in Amtstracht schritt dem Kapitol zu, nicht überall von dem schwatzenden, faulenzenden Pöbel freundlich begrüßt. Es war ein Bild, wohl dazu angetan, auch erfahrenere Fremde zu verwirren, als die beiden Germanen.
Dazu kamen die fremdartigen, nie gesehenen Gestalten der schwarzen, braunen und gelben Menschen in ihren bunten orientalischen Trachten, die dem Ganzen ein besonderes Gepräge verliehen. Denn hier in der Hauptstadt der Welt erschien der Äthiopier wie der Indier, der Araber und der Ägypter; alle Menschenrassen waren hier vertreten. Auch die Leute des Nordens fehlten nicht; Britannier, Gallier und Germanen bildeten zu den Orientalen den Gegensatz.
Eine Weile sahen die beiden Deutschen wortlos auf das bunte Gedränge, dann sagte Athemar zu dem Sklaven: »Führe uns weiter!«
Die Wächter des Forums mußten den Reitern Platz machen und so langten sie durch enge Straßen über geräumige Plätze am Südende des Palatinischen Hügels an, wo Cassius Longinus ein in einem Garten sich erhebendes umfangreiches Haus bewohnte. Die Brüder stiegen aus dem Sattel und übergaben die Pferde den Sklaven.
Cassius war zu Hause. Der Türhüter wies sie an den Atriensis, den das Atrium bedienenden Sklaven. Dieser rief wieder den Nomenclator, dem es oblag, Fremde anzumelden. Athemar erklärte ihm, daß er einen Brief von Cornelius Tacitus überbringe, den er selbst in die Hand des Hausherrn legen wolle.
Der Sklave ging und die Brüder harrten seiner Rückkehr im Atrium, in dem eine Pracht an Gemälden, Statuen, Bronzen, goldenen und silbernen Gefäßen und buntfarbigen Teppichen entfaltet war, gegen die das Heim des Tacitus bescheiden erschien. Auch das Impluvium, der Wasserbehälter inmitten des Atriums, über dem der blaue Himmel sich wölbte, war von herrlichen Blumen und anmutigen Statuetten eingefaßt. Es war das Haus eines sehr reichen Mannes.
Der Sklave kam zurück und bat, ihm zu folgen. Er führte sie nach dem Tablinum und Athemar und Isko standen nun vor Tacitus' Freund Cassius Longinus. Nicht ohne Erstaunen sahen die beiden Germanen ihn vor sich. Das kunstvoll gekräuselte, von Wohlgerüchen durchduftete Haar, die lange, weibische, aus kostbarer Seide gefertigte und mit goldenen und silbernen Stickereien überdeckte blaue Tunika, die zierlichen Sandalen, auf denen Edelsteine funkelten, das alles machte doch einen sehr befremdenden Eindruck. Einen so weibischen Römer hatten sie noch nicht gesehen. Und dieser geputzte Herr war der Freund des Historikers? Aber Athemar fiel ein, daß ihm Tacitus gesagt hatte, er solle Cassius nicht nach der Außenseite beurteilen.
Longinus, dem das Befremden der beiden nicht entgangen war, sagte mit feinem Lächeln: »Es konnte mir nichts Angenehmeres begegnen, als einen Brief meines verehrten Freundes zu erhalten. Seid mir willkommen, Fremdlinge, laßt euch nieder,« er wies auf zwei kostbare, aus Elfenbein geschnitzte, weich gepolsterte Sessel, »und gestattet, daß ich den Brief lese!«
Athemar übergab ihm die offene Rolle, und während sie Platz nahmen, überflog Longinus das Schreiben, sich dabei etwas abwendend.
Athemar betrachtete ihn jetzt genauer. Kleidung, Haartracht, Wohlgerüche, das alles war weibisch und dem Germanen widerwärtig. Aber er sah zugleich ein schönes, noch jugendliches Antlitz vor sich, dessen finster-ernste Linien zu dieser Tracht nicht stimmen wollten. Auch gewahrte der erfahrene Krieger an Cassius einen Nacken und einen Arm, die auf eine gestählte Körperkraft deuteten.
Der Hausherr rollte das Schreiben zusammen und streckte dann mit einer offenen Herzlichkeit, die auch zu dem seltsamen Putz nicht stimmte, die Hände nach den Brüdern aus.
»Seid mir willkommen, Söhne Ingomars, als Freunde des Prätors, mehr noch als die Retter des Coccejus Nerva und meines Freundes Sentius! Ihr seid meine Gäste, und was ich für euch tun kann, wird geschehen. Catualdus ist ein braver Mann und ich freue mich, daß ihr ihn zum Freunde habt. Ich stehe zwar nicht in sonderlicher Gunst bei Domitian, aber ich höre doch in meiner bescheidenen Einsamkeit manches von dem, was um ihn vorgeht. So erfuhr ich gestern noch, daß der Präfekt Florentias, Marcus Fuscus, der den Befehl hatte, Sentius Saturninus zu verhaften und die verborgenen Schätze seines Vaters zu heben, an dieser Aufgabe kläglich gescheitert ist. Weder hat er Sentius gefangen, noch Geld gefunden, was dem Kaiser sehr willkommen gewesen wäre, und ist daher nach Rom geeilt, um der Ungnade Domitians vorzubeugen, denn diese ist sehr gefährlich. Nach des Präfekten Meinung ist Sentius über Pisana nach Rom gegangen und man sucht hier jetzt sehr eifrig nach ihm. Aber man sucht auch,« fuhr er mit einem Lächeln fort, »nach zwei verwegenen Germanen, die ihm zweimal durchgeholfen haben und sogar des Präfekten Leben bedrohten, eine Gefahr, der er nur durch seine unglaubliche Tapferkeit entgangen ist. Auch von diesen vermutet man, daß sie sich nach Rom gewandt haben.«
Athemar und Isko sahen einander betroffen an.
»Ja, es ist so, ihr seid berühmte Leute hier, ihr Kattensöhne, und die Vigiles (Häscher) werden mit Vorliebe Hand an euch legen. Doch seid ruhig, ihr seid bei mir sicher. Ich bin, trotzdem mir die Sonne der Gnade nicht scheint, ein treuer Diener des Kaisers; auch habe ich mit der Erfindung und Entdeckung neuer seltener Wohlgerüche und geschmackvoller Trachten so viel zu tun, daß ich keine Zeit finde, mich um anderes, am wenigsten um Staatsgeschäfte zu bekümmern. Aber,« setzte er ernst hinzu, »wichtig ist es, daß wir Catualdus sprechen und zwar alsbald. Ich führe euch zu dem Standlager der Prätorianer; das wird euren Eintritt dort erleichtern. Doch zunächst wollen wir ein Frühmahl nehmen; ihr werdet hungrig von der Reise sein.«
Er klopfte mit einem kleinen Hammer an ein silbernes Becken und auf den hellen Ton hin erschien sein Leibsklave.
»Ich bin für niemand zu sprechen.«
»Gut, Herr.«
»Laß etwas zum Frühmahl bringen und dann die große Sänfte herrichten; ich will gleich in die Stadt getragen sein. Vorher aber will ich mich umkleiden, in schlichte Tracht; du verstehst mich.« Der Mann ging, um den ihm erteilten Befehl auszuführen.
»In diesem Putze darf ich Catualdus nicht kommen,« sagte Cassius zu den beiden Germanen, »der rauhe Kriegsmann hat keine Ahnung von verfeinerter Lebensart. Entschuldigt mich einen Augenblick, meine Freunde. Ich will mich rasch in ein anderes Gewand hüllen und kehre gleich zurück.«
Als sie allein waren, bemerkte Athemar: »Wie mir scheint, sind wir in Rom in die Höhle des Bären geraten, Isko.«
»Wir werden auch wieder herauskommen. Was meinst du zu dem Römer da?«
»Ich denke, der Mann ist etwas ganz anderes, als er gern scheinen will. Wie könnte er sonst auch ein Freund des Cornelius sein?«
»Ja, es müssen wunderbare Dinge in Rom vorgehen; ich bin noch ganz betäubt von allem und auch dieser Cassius betäubt mich –«
»Ja, mit seinen schauerlichen Salbengerüchen!«
Sklaven richteten rasch und geräuschlos einen Tisch her, den sie mit Speisen und Wein besetzten.
Schon trat auch mit raschem Schritt Cassius Longinus wieder ein, in eine kurze Tunika von militärischem Schnitt gekleidet und mit Sandalen, wie sie die Reiteroffiziere trugen. So gefiel er den Deutschen besser.
»Ich habe immer noch etwas vom Soldaten an mir,« sagte er, sich gleichsam entschuldigend. »Ich focht eine Zeitlang in der dacischen Armee als Tribun, bis mir Domitian ein ruhigeres Leben anriet. Doch kommt und greift herzhaft zu! Für eure Begleiter ist gesorgt und den Griechen, den mir Cornelius empfahl, werde ich in meine besondere Obhut nehmen.«
Nach rasch beendetem Mahle begaben sie sich hinab und bestiegen die von Maultieren getragene Sänfte, deren Vorhänge Longinus zu schließen befahl.
»Ich will mich nicht mit euch, die sich an der geheiligten Person eines Stadtpräfekten vergriffen und einem Staatsverräter zur Flucht verhalfen haben, öffentlich sehen lassen; es könnte meinem Ruf als getreuer Untertan schaden,« erklärte er lachend.
Nach der Kaserne der Prätorianer, die im Nordosten der Stadt, nahe der Porta Viminalis lag, war es ein ziemlich weiter Weg.
Athemar war nicht ohne Sorgen, welcher Empfang ihnen bei Catualdus bevorstand. Der Prätorianer hatte einst mit seinen: Vater den Blutbund getrunken und der war den Deutschen heilig; er machte sie zu Brüdern auf Leben und Tod. Aber es war das dreißig Jahre her, und während sein Vater zum heimischen Herde zurückkehrte, zu deutscher Sitte und Art, war Catuald, der Sigambrer, im römischen Heere geblieben und hatte seit langem eine hohe militärische Stellung in der Hauptstadt selbst inne. War sein Herz noch deutsch? Versagte er seine starke Hilfe, dann war Athemars und Iskos Lage, besonders nach dem, was ihnen Cassius von Fuscus und dessen Bestrebungen gesagt hatte, höchst bedenklich.
Isko hegte nicht die gleichen Befürchtungen; er hatte noch die Vertrauenseligkeit der Jugend und bedauerte nur, daß die geschlossenen Vorhänge der Sänfte ihm nicht erlaubten, auf Rom zu blicken, dessen Leben an ihnen vorüberrauschte.
»Ihr wundert euch vielleicht, Freunde, daß ich in geschlossener Sänfte mit euch durch die Stadt ziehe. Aber was ich vorhin lachend sagte, ist bitterer, blutiger Ernst. Ich bin meiner unabhängigen Gesinnung wegen im Palatin verdächtig, denn die Göttlichkeit, die der Kaiser sich beigelegt hat, wollte mir nicht ganz einleuchten. Es bedarf nur der Anzeige eines der käuflichen Gesellen, die Opfer für das kaiserliche Mißtrauen suchen, und mein Haupt ist dem Schwert verfallen, das hier über allen schwebt, die noch etwas von Mannhaftigkeit bewahrt haben oder durch ihr Vermögen die Gier des Herrschers reizen. Darum erfinde ich köstliche Salben und Tuniken für die vornehme Jugend Roms und bin auf diesem Gebiet ein berühmter Mann geworden; alles will sich kleiden gleich Cassius Longinus. Antonius Saturninus dagegen ist gefallen, obwohl er nie Domitian die Treue gebrochen hat, und feinen Sohn suchen die Häscher. Haltet mich darum nicht für feige oder rücksichtslos; es ist eine gebotene Vorsicht. Ihr dürft nicht daran zweifeln, daß ich den Freunden und Schützlingen des Cornelius Tacitus, den Lebensrettern Nervas mit allem, was ich bin und habe, zu Gebote stehe.«
Athemar drückte ihm herzlich die Hand.
»Ich bin ganz offen gegen euch, trotz der kurzen Bekanntschaft; aber ihr seid Freunde des Tacitus und das genügt mir. Er ist von germanischer Treue und Mannhaftigkeit eingenommen.«
»Sie werden ihn und dich nicht täuschen, edler Cassius. Aber welche Zustände herrschen hier! Mich überläuft bei deinen Worten ein Schauder. Wir sind gewohnt, vor der ganzen Gemeinde offen Recht sprechen zu lassen.«
»Ja,« erwiderte mit bitterem Spotte der Römer, »ihr seid Barbaren, aber bei uns herrscht nur ein Wille, der über Leben und Tod gebietet, ein Wille, den käufliches Gesindel beeinflußt.«
Athemar schwieg, sehr betroffen von dem, was er von dem vornehmen Römer hörte.
Endlich waren sie vor dem mächtigen Standquartier der prätorianischen Kohorten angekommen, das nach Art des römischen Lagers angelegt war.
Cassius stieg aus. Nichts vom Weichling war mehr an ihm zu erkennen, in so straffer, männlicher Weise trat er auf die Wache zu.
»Wo ist dein Dekurio?« fragte er kurz den Soldaten.
»Er kommt schon, Herr,« und aus dem Wachgebäude trat ein Kriegsmann, der gleich den anderen die volle Rüstung trug.
»Ist Catualdus, der Unterpräfekt, anwesend?«
Der Soldat, der sofort den vornehmen Kriegsmann in Cassius erkannte, erwiderte höflich: »Er ist zugegen.«
»Laß ihm sagen, Cassius Longinus wünsche ihn zu sprechen und ihm zwei Fremde vorzustellen!«
Der Dekurio sandte alsbald einen Soldaten ab, der sich in dem festen Gebäude verlor, welches das große regelmäßige Viereck umfaßte.
Athemar und Isko stiegen nun auch aus und sahen mit Überraschung dieses mächtige Standlager, das wohl sechs Kohorten, Reiter und Fußvolk, bergen mochte. Die Legionäre, durchweg martialische Gestalten, waren vor die Wachstube getreten, und starrten die Fremden an.
Aus dem freien Raume, der sich inmitten der Gebäude ausdehnte, drangen Kommandorufe und der feste Tritt marschierender Truppen.
Der Soldat kam bald zurück und meldete: »Du bist mit deinen Freunden Catualdus willkommen. Gestatte, daß ich dir den Weg zeige!«
Er ging voran und führte sie durch lange Gänge zu einem Vorzimmer, in dem Zenturionen und Beamte darauf harrten, bei dem Unterpräfekten vorgelassen zu werden. Ein Zenturio und einige Soldaten schienen hier Dienst zu tun.
Der Zenturio trat sofort auf Cassius zu und sagte: »Der Unterpräfekt erwartet dich und deine Freunde.«
Ein Soldat öffnete die Tür. Dann sahen Athemar und Isko den Mann vor sich, von dem sie alles erhofften. Eine sehr kräftige Erscheinung im einfacher: Kriegskleide stand vor ihnen, das ernste, energische Antlitz, das mancher Feldzug gebräunt hatte, ihnen zugewandt. Dicht umrahmte kurzes graues Haar die breite Stirn.
Ehe noch der Römer das Wort ergreifen konnte, trat Athemar vor und fragte in kattischer Mundart: »Entsinnt Catuald, der Sigambrer, sich noch seines Blutbruders Ingomar von der Lahn?«
Eine lebhafte Bewegung zeigte sich auf dem Antlitz dieses eisernen Kriegsmannes und seine blauen Augen blitzten in jäher Freude auf.
»Bei Wodan, dem Siegvater, das ist Ingomar, wie er vor dreißig Jahren vor mir stand! Bist du sein Sohn?«
»Ich bin Athemar, sein Erstgeborener, Catuald.«
»Sei mir willkommen; dein Anblick ruft mir die Jugend zurück.« Er umarmte ihn stürmisch. »Und du fragst, Sohn Ingomars, ob Catuald sich des Blutbundes entsinne? O Athemar, wie kannst du so fragen! Du bist von Stund an Catualds Sohn.«
Tiefe Freude zog durch die Herzen der beiden Germanen; das war der Ton, der zu deutschen Seelen sprach.
»Und du?«
»Ich bin Isko, der Jüngstgeborene.«
Auch ihn drückte der Prätorianer an sein Herz. Doch nach der ersten jähen Freude und Überraschung, die ihm längst vergangene Zeiten und die Heimat zurückriefen, erwachte in dem Geiste des in Rom gereiften Mannes befremdliches Staunen über diesen Besuch, dem sich einige Sorge beimischte.
»Verzeihe, Cassius, daß ich dich ganz vergaß –«
»Cornelius Tacitus hat sie mir zugesandt, damit ich ihnen bei dir Zutritt verschaffe; das habe ich getan. Sie mögen dir jetzt selbst sagen, was sie auf dem Herzen tragen, Catualdus. Ich will mir indes etwas die Übungen deiner Kohorten ansehen.«
»Gut, Cassius, doch nebenan ist mein Triklinium, wenn du Erholung brauchst.«
Cassius ging hinaus und der Unterpräfekt rief dem Zenturio zu, daß er jetzt für niemand mehr zu sprechen sei.
Er war allein mit den Söhnen Ingomars.
»Nun, um der Götter willen, sagt mir, ihr Jünglinge, welch Geschick führt euch hierher? Lebt der Vater noch?«
»So hoffe ich.«
»Habt ihr gegen den Kaiser gefochten?«
»Ja, Catuald, mit aller Kraft.«
»Wie kommt ihr hierher?«
Da begann Athemar zu berichten und aufmerksam lauschte der Sigambrer.
Einige Bewegung zeigte sich bei ihm, als Athemar von ihrer Begegnung mit Nerva sprach, doch unterbrach er den Bericht mit keinem Wort.
»Jetzt haben wir an dich, Catuald, nur die eine Bitte: Hilf uns zur Rückkehr ins liebe Heimatland!«
Der alte Krieger stand auf und ging mehrmals auf und ab; er sah sorgenvoll aus.
»Cassius Longinus hat euch gesagt, daß der Präfekt Fuscus hier ist und man nach Sentius Saturninus und zwei Germanen sucht, die ihm davonhalfen?«
»So sagte er.«
»Und er weiß viel! Der Cäsar ist mißtrauisch und leiht Zuträgern sein Ohr. Schwierig ist es, seinem Zorne zu entgehen, und was ihr für Nerva getan habt, wird er euch nicht zu euren Gunsten anrechnen. Gewiß bin ich nicht ohne Einfluß im Palatin, denn Domitian weiß, daß er mir vertrauen kann, und vertraut mir auch – aber – wie schütze ich euch zunächst vor Spionen und Häschern? Bei Cassius könnt ihr nicht bleiben, denn er ist verdächtig, und die Gefahr für ihn würde durch eure Anwesenheit in seinem Hause nur noch größer werden. Fuscus ist ein boshafter Speichellecker, der dir, Athemar, den Streich nie verzeihen wird, den er dir verdankt! Hat euch erst die Obrigkeit, das heißt, haben euch die Tonangeber des Palatin in der Gewalt, dann seid ihr verloren; gegen sie bin ich machtlos. Der Imperator hat eine grimmige Wut auf alles, was Saturninus heißt, und fürchtet den verwegenen Sentius und seine Rache. Die sind sicher des Todes, die ihm durchgeholfen haben.«
Wiederum ging er sorgenvoll auf und ab.
»Euch, die Germanen, hier zu verbergen, wenn man euch ernstlich sucht, ist schwierig, euch zum Reiche und besonders über die germanische Grenze hinauszuschaffen einfach unmöglich; der Weg ist weit und die Grenze wird gut bewacht. Fuscus aber ist ein rachsüchtiger Fuchs und kriecht am Hofe herum, wo er alle Schliche kennt. Eure Lage ist gefährlich genug.«
Nochmals wandte er sich in tiefem Nachsinnen ab, dann sagte er mit einem raschen Entschluß: »Ich will euch etwas sagen, Söhne Ingomars; tretet in die prätorischen Kohorten!«
Entsetzt blickten sich Athemar und Isko an, doch ruhig fuhr Catuald fort: »Da seid ihr sicher als Krieger Domitians; auch haben die Prätorianer ihre eigene Gerichtsbarkeit und stehen alle für den einen. Ihr habt nichts gegen den Staat noch gegen Domitian begangen und der dem Fuscus gespielte Streich ist nur zum Lachen. Den elenden Lanista in Ravenna bringen wir zur Ruhe und kaufen dich für alle Fälle frei, Isko. Du hast dich keiner Waffe bedient; der Tod des Vogtes war folglich nur ein unglücklicher Zufall. Schützen kann ich euch nur in den prätorischen Kohorten, denn die bilden eine Macht, womit auch der Cäsar rechnen muß, und ich bin der erste Mann nach dem Präfekten der Garde.«
»So müßten wir dem Vaterland entsagen und Römer werden?«
»Nein,« erwiderte Catuald lächelnd, »so schlimm ist das nicht. Ihr könnt jederzeit durch den Präfekten des Dienstes enthoben werden. Freilich verliert ihr dann alle Anrechte, welche die Dienstjahre gewähren.«
»Aber wir müßten dem Kaiser Treue schwören?«
»Das müßt ihr, und – sie halten!«
Ernst und traurig sahen sich die Söhne Ingomars an; das hieß die Rückkehr in die Heimat in weite Ferne hinausschieben.
Longinus kam jetzt zurück.
»Nun, meine Freunde, habt ihr eure Seelen entladen?«
»Da ist Cassius, ein vornehmer, sehr erfahrener Römer; ihm »vollen wir meine Meinung vorlegen.«
Sehr ernst sagte Cassius, als er Catualds Vorschlag vernommen hatte: »Der Unterpräfekt rät euch gut, ihr Freunde von Cornelius Tacitus. Ihr seid fremd und hilflos in Rom und habt einen mächtigen Feind. Sentius Saturninus ist Römer und kann im Gewimmel der Riesenstadt untertauchen – ihr nicht. Ich würde an eurer Stelle den Vorschlag des Tribunen sofort annehmen. Niemand bürgt dafür, daß man nicht eure Ankunft bei mir beobachtet, ja gewahrt hat, wie ich euch in der Sänfte davonführte. Die Spione und Angeber sind zahllos in Rom. Die Kohorten aber schützen euch; sie sind mächtig.«
Mit einem Seufzer sagte Athemar, der nur an die Gefahr dachte, die Isko bedrohte: »So sei es! Bruder, retten wir uns in die Kohorten Roms. Wenn die Götter wollen, wird auch der Tag kommen, der uns auf dem Wege zum Kattenlande sieht.«
»Ich bin einverstanden mit dir, Athemar. Zwei erfahrene Freunde raten uns und sie tun es sicher zu unserem Besten.«
»So verliere keine Zeit, würdiger Catualdus! Nimm sie nach Prätorianerweise in Eid und Pflicht; dann stehen sie unter deiner Gewalt und deinem Schutze.«
»So sei es! Ich höre mit Vergnügen, daß ihr ein gutes Latein sprecht, Söhne Ingomars; da wird es mit Ablegung des Eides keine Schwierigkeit haben. Seid ihr bereit?«
»Ja,« war die Antwort.
Catualdus sandte nach dem Schreiber der ersten Kohorte und ließ einige Zenturionen rufen, in deren Gegenwart der Eid abgelegt werden sollte.
»Ich werde jetzt den Rückweg antreten, ihr jungen Freunde,« sagte Longinus, »doch hoffe ich euch zu sehen, so oft der strenge Dienst es erlaubt. Diomed ist bei mir gut aufgehoben; ich werde ihn als Geheimschreiber beschäftigen und euren alten Kriegsmann wollen wir in die Heimat senden.«
»Ich will ihm eine Botschaft an die Eltern mitgeben.«
»Das tue! Auch die Angelegenheit in Ravenna mit dem elenden Gladiator will ich auf alle Fälle in Ordnung bringen; es ist besser so. Ich habe gute Freunde in Ravenna.«
»Du bist ein Helfer in der Not, Cassius!«
»Noch heute werde ich dem Tacitus seine Sklaven und Pferde zurücksenden und ihm von euch schreiben.«
»Und was treibst du sonst, Cassius Longinus?« fragte jetzt der Tribun schmunzelnd.
»Ich? O Catualdus, wo lebst du? Weißt du nicht, daß ich einer der beschäftigtsten Leute Roms bin? Von allen Seiten, von Männern und Frauen in Anspruch genommen? Kürzlich hat sogar die Kaiserin zu mir geschickt und fragen lassen, ob ich nicht einen wohlriechenden Puder für ihre blonde Perücke besitze. Ich habe ihn sogleich erfunden. O Tribun, ich bin ein gefeierter Mann im Kreise der Leute, die etwas auf ihr Äußeres geben!«
Catuald reichte ihm lächelnd die Hand. »Hoffentlich sehe ich dich bald wieder im Helm!«
»Mögen die Götter es fügen! Meine Erfindungsgabe in Bezug auf Wohlgerüche läßt allmählich nach.«
Er schüttelte noch Athemar und Isko die Hände und entfernte sich.
Gleich darauf legten die Jünglinge vor der Bildsäule Domitians den vorgeschriebenen Eid ab, erhielten Helm, Schild und Schwert, wurden in die Register der prätorianischen Kohorten eingetragen und waren damit Krieger im Dienste Roms.
Catuald räumte den Söhnen Ingomars zunächst Zimmer seiner Privatwohnung ein und sorgte für ihre kriegerische Ausrüstung, wie sie bei den Prätorianern üblich war. Auch beauftragte er einen jungen Zenturionen, sie im Dienste zu unterweisen.
Bodmar hatte sich bei den Brüdern eingefunden, um Abschied von ihnen zu nehmen. Reichbeschenkt zog der Veteran von hinnen, nachdem er sein Wort gegeben hatte, den Fürsten Ingomar von allen Erlebnissen seiner Kinder im Lande der Italer in Kenntnis zu setzen. Auch Catuald trug ihm auf, dem Fürsten zu sagen, er sei noch der alte und des Freundes Kinder schütze er wie seine eigenen.
Ehe Athemar und Isko nun ihren regelmäßigen Dienst antraten, hielt der Tribun es für wichtig, sie einen Blick auf die Weltstadt und ihr Treiben werfen zu lassen.
»Seht euch Rom an, ihr Kinder deutscher Erde! Ihr findet Gewaltiges hier, auch Tempel, die den Gottheiten der entferntesten Völker geweiht sind, mögen sie in Asia oder Afrika wohnen. Nur Vater Wodan hat kein Haus hier. Dessen hehren Tempel, getragen von uralten Eichen als Säulen, überwölbt von rauschendem Laube und durchweht von der Freiheit Odem, vermögen die Römer nicht nachzubilden! Der heilige Hain unserer Berge ist Heervaters Tempel und wahrlich, er ist schöner als alles, was Menschenhand bilden kann!«
So sprach der alte Germane, als ihm das Herz aufging. Die beiden Jünglinge zogen durch Rom, geleitet und unterwiesen von Diomedes, den sie zu diesem Zwecke zu sich gebeten hatten.
Welch eine Fülle von Erscheinungen bot sich ihren staunenden Augen dar! Die Tempel, die gewaltigen Paläste des Palatin, die zauberhaften Gärten des Cäsar und anderer Vornehmer, die Springbrunnen, die Bäder, von denen das durch Nero errichtete zehntausend Badegäste gleichzeitig aufnahm, die riesenhaften, für die öffentlichen Spiele bestimmten Bauten, unter ihnen am gewaltigsten das Flavische Amphitheater, das mehr als fünfzigtausend Zuschauer faßte, die Paläste der Großen, die staunenswerten Wasserleitungen, die auf hochragenden Bogen meilenweit das köstliche Naß von den Bergen nach der Stadt führten, die zahllosen Bildsäulen, die Triumphbogen – und daneben enge, winklige, schmutzige Straßen mit hohen Häusern, die den ärmeren Teil der Bevölkerung bargen, oft genug mit einer Fülle von Armut und Elend zugleich. Stellenweise sah man noch wüste Plätze, die seit dem großen Brande unter Nero nicht wieder bebaut waren, soviel Mühe man sich auch gegeben hatte, Rom aus der Asche neu erstehen zu lassen. Das war das Antlitz Roms zur Zeit Domitians.
Den gleichen Gegensatz zeigte auch die Bevölkerung.
Hier in glänzenden Wagen, von edlen Rossen gezogen, oder in mit Prunk überladenen Sänften, von reichgeschmückten Sklaven getragen, Frauen und Männer in kostbaren, mit Stickereien und Edelsteinen gezierten Gewändern – und daneben halbnackte Gestalten, die sich auf den Plätzen vor allen Tempeln und öffentlichen Gebäuden lagerten und ihre Zeit mit Geschrei und Nichtstun hinzubringen schienen.
»Was treiben diese Leute und wovon leben sie?« fragte Athemar.
»Sie lassen sich vom Kaiser ernähren, dem sie dafür zujubeln, wenn er öffentlich erscheint. Haben sie Hunger, verteilt der Herrscher Brot an sie, auch Geld, und verscheucht ihre üble Laune durch glänzende Zirkusspiele. Diese Masse ist gleich dem Meere, bald wie schlafend daliegend, bald aufbrausend im Sturm und dann gefährlich. Sie und ihr zorniges Gebrüll werden im Palatin gefürchtet; darum schmeichelt man dem Haufen.«
»Seltsamer Fürst, der dem Geschrei elender Gesellen Wert beilegt,« dachte Athemar.
Aber auch Viertel, in denen redliche Arbeit zu Hause war, sahen die Brüder, so den Aventin mit seiner fleißigen Bevölkerung und die Teile jenseit des Tiber, in denen Arbeiter und Handwerker wohnten.
Ja, es war Niegeahntes, was sie erblickten, dieses Rom mit seiner eine Million weit überschreitenden Einwohnerzahl, in dem alle Sprachen der bekannten Erde gehört wurden; es war eine Welt für sich, groß, gewaltig und sinnverwirrend.
Aber die ferne Heimat war traulicher als diese Welt, welche die Jünglinge kalt und fremd anmutete.
So verwandten sie mehrere Tage, um unter Diomeds Führung die Stadt in allen ihren Teilen flüchtig kennen zu lernen. Dann wurden sie, zum Prätorianerlager zurückgekehrt, von den ihnen zugeteilten Zenturionen in den römischen Kriegsdienst eingeweiht.
Catualdus hatte die Brüder seinem Vorgesetzten, dem Präfekten der Prätorianer Lucius Älianus, als neue Erwerbung vorgestellt und dieser hatte spöttisch geäußert: »Da werden ja die Kohorten bald nur noch aus Germanen zusammengesetzt sein!«
»Nicht zum Nachteil des kaiserlichen Dienstes, Präfekt,« hatte Catualdus barsch entgegnet.
Nun begann für die beiden jüngsten Glieder der kaiserlichen Garde ein schwerer Dienst.
Zunächst mußten sie reiten lernen, denn die Germanen saßen wohl zu Pferd, fochten selbst im Sattel, aber die eigentliche Reitkunst war ihnen fremd. Doch machten die Söhne Ingomars sich diese unter geschickter Anleitung und auf wohlgeschulten Legionspferden sehr bald zu eigen.
Athemar mußte den Kampf mit dem kurzen Schwert üben, dessen Gebrauch ihm fremd war, während Isko, der Zögling der Fechterschule, durch seine Handhabung der Römerwaffe das Staunen auch der geübtesten Schwertkämpfer unter den Zenturionen hervorrief.
»Beim Herkules,« äußerte ein älterer Zenturio, der selbst ein Meister im Kampfe mit Schwert und Schild war, »das ist der geborene Fechter; noch ein wenig mehr Ruhe und er übertrifft uns alle!«
Daneben mußten die Brüder, ehe sie in die Reihen treten konnten, täglich den Übungen der Kohorten beiwohnen. Der Dienst wurde auf freiem Felde und stets kriegsmäßig mit einer Strenge verrichtet, die das eisenfeste Gefüge der römischen Armee wohl erklärlich machte.
Mit Helm, Panzer, Schwert und Schild, die Fußkämpfer noch mit Schanzpfählen und Werkzeugen zur Errichtung des Lagers beschwert, mußten sie oft in der größten Hitze täglich stundenlang marschieren, Felddienst üben oder Schanzen aufwerfen.
Auf diese Art wurden Kriegscharen gebildet, die durch nichts zu erschüttern, jedem Wechselfall im Kampfe gewachsen und allen Feinden überlegen waren. Die römische Infanterie war auf einem ihr zusagenden Gelände einfach unüberwindlich.
Jetzt begriff Athemar erst vollständig, welch eine Riesentat einst Armin, der Cherusker, in Teutoburgs Wäldern vollbracht hatte, als er drei römische Legionen, die besten des Heeres, vernichtete.
Fleißig übten dann die Söhne Ingomars den Dienst in den Reihen, zur Freude des Unterpräfekten, und da beide gut Lateinisch sprachen, konnte er sie bald als die jüngsten Zenturionen einstellen.
Die in den Kohorten dienenden Deutschen freuten sich, die beiden Fürstenkinder ihres Stammes in ihrer Mitte zu sehen; die Zenturionen aber hießen sie umso bereitwilliger willkommen, als Catuald ihnen von dem heißen Meerkampf gegen die Seeräuber berichtet hatte.
Mit staunender Bewunderung erkannte Athemar auch das innere Gefüge der Truppenteile.
Vom Präfekten hinab bis zum jüngsten Dekurio war alles in strenger Unterordnung gegliedert; der geringste Ungehorsam wurde unnachsichtlich schwer gestraft.
Die Garde zählte seit einigen Jahren drei reitende Kohorten, die auf Befehl Domitians von Catuald gebildet worden waren.
Als die Brüder zum ersten Male sämtliche Kohorten der Prätorianer zu einer kriegerischen Übung vereinigt sahen und diese glänzende Reiterschar erblickten, deren Mannschaft in ihrer Mehrzahl freilich deutschen Stämmen entnommen war, konnten sie ihre Bewunderung nicht verbergen. Die Pracht des glänzenden Schauspiels wurde noch erhöht durch den Anblick der fünften Kohorte, die nur aus riesenhaften Sigambrern bestand, eine Germanenschar im römischen Helm, bei deren Anmarsch der Boden dröhnte und die Bewohner Roms ein Grauen überlief.
»Mit meinen Sigambrern werfe ich ganz Rom über den Haufen,« äußerte Catuald einmal mit Germanenstolz den Söhnen Ingomars gegenüber.
Athemar hatte bald erkannt, daß der Freund seines Vaters eigentlich der erste Offizier und die Seele der prätorischen Kohorten war. Zwar hatte er den Präfekten über sich, aber die beiden anderen Tribunen gingen ihm im Range nach und die Reiter sowie die Sigambrer standen unter seinem besonderen Befehl. Daß die Soldaten diesen Führer liebten, der streng aber gerecht war, zeigte sich in der Hingebung, mit der sie ihm gehorchten.
In dem Triklinium, wo abendlich die Zenturionen zusammenkamen, hörten die beiden Deutschen gar manches von dem Heeresstand an den weit ausgedehnten Grenzen des römischen Weltreiches und immer wieder drang der Name Trajan zu ihnen als des ersten und geliebtesten Feldherrn im ganzen Heer. Dieser Trajan war kein anderer als der derzeitige Legat am Oberrhein.
Von dem Verkehr mit dem Volke waren die Prätorianer fast ganz abgeschnitten, aber doch drangen in das Castrum Nachrichten, die meistens die Leute mitbrachten, die im Palatin Wache getan hatten; Nachrichten von Gewalttätigkeiten und Hinrichtungen, die auf Befehl des Cäsar vollzogen wurden und den Zuhörer mit Grausen erfüllen konnten.
Stumm horchten die beiden deutschen Jünglinge auf bei solchen Erzählungen. Der gewaltsame Tod schien in Rom an der Tagesordnung zu sein.
Welch ein Volk, dachten beide, das sich das gefallen läßt! Aber sie dachten es nur und sagten es nicht.
Als aber einmal ein Soldat, der aus dem Palatin kam, lachend erwähnte, daß es demnächst über eine geheime furchtbare Sekte hergehen werde, welche die Götter leugne und schon einmal Rom angezündet habe, da dachten die Kinder Ingomars wehmütig des guten Medor, dessen Glaube ihn, den Anhänger dieser angeblich staatsgefährlichen Sekte, so sanft, demütig und hilfsbereit machte. Was wohl aus ihm geworden war? Und aus Sentius, dem mit tödlichem Grimm verfolgten Mann? Auch Diomed hatten sie lange nicht gesehen; der strenge Dienst hinderte sie daran.
Oft kam auch die Sehnsucht nach der Heimat über sie; aber sie des Dienstes zu entlassen und zurückzusenden, war einstweilen unmöglich. Das sahen sie auch ein und harrten geduldig, pünktlich ihren strengen Dienst verrichtend.
Catuald war immer gleichmäßig gütig gegen sie; er hatte die jungen edlen Stammesbrüder bald von Herzen liebgewonnen.