Franz Treller
Der Letzte vom »Admiral«
Franz Treller

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In indischen Gewässern

Während der »Roland« mühsam nach Norden aufkreuzte, saß Findling in der Kajüte des Kapitäns, um, wie es seine Pflicht als nunmehriger Befehlshaber des Schiffes war, die Schiffspapiere durchzusehen und sich vor allem über die dem Kapitän von den Reedern erteilten Instruktionen zu unterrichten.

Nächst den Befehlen an Kapitän Jansen, besonders die Südseeinseln anzulaufen, deren geographische Lage übrigens näher nicht angegeben war, fand sich eine Order vor, die Findlings Erstaunen erregte. Diese machte dem Kapitän den Besuch eines Felseneilands, dessen Lage genau beschrieben war, zur Pflicht, um dort einen Schatz zu heben.

Dies erschien dem Obersteuermann verwunderlich, besonders da der Befehl von einem vornehmen Hause ausging. Es waren den Instruktionen einige Dokumente beigegeben und die Nachbildung einer unbehilflich entworfenen Karte, nebst einem Situationsplan, auf welchem die Stelle, wo das Gold begraben lag, bezeichnet war. Aus den Abschriften, welche die Aussagen eines Matrosen Hans Evers wiedergaben, ging hervor, daß er und sein Schiffsmaat Klaus Warren im Frühling des Jahres 1844 in Point de Galle, da sie ihr Schiff verloren hatten, Dienst auf dem spanischen Klipper »Gallego« genommen hatten, der nach Cadiz bestimmt war. Der Spanier hatte auch einige Fahrgäste an Bord, unter diesen einen deutschen, vornehm aussehenden Herrn, dessen Namen die Matrosen indessen nicht erfahren hatten.

Im Indischen Ozean geriet das Schiff in schweres Wetter und wurde zum Wrack. Die spanische Mannschaft und die Fahrgäste suchten endlich in den Booten Rettung, indes die beiden deutschen Matrosen, wahrscheinlich absichtlich, an Bord zurückgelassen wurden.

Während alle Insassen der Boote vor den Augen der Zurückgebliebenen den Tod in den Wellen fanden, retteten sie ihr Leben, denn das schwerbeschädigte, doch im Rumpf noch dichte Schiff, welches die Spanier zu voreilig verlassen hatten, ging nicht unter, sondern hielt sich über Wasser und wurde an ein unbewohntes Eiland des Indischen Ozeans angetrieben, wo es auflief. Die beiden Matrosen, welche als Herren des Schiffes alles an Bord untersuchten, fanden unter anderm das Privatvermögen des in Point de Galle eingeschifften Deutschen, dessen Gepäck sie kannten, da sie es selbst beigestaut hatten, bestehend in einer Anzahl Goldbarren, einer großen Summe gemünzten Goldes, Banknoten und vor allem in einer wertvollen Juwelensammlung. Dies brachten sie gemeinsam mit dem, was der Kapitän an Geld an Bord hatte, in einem Versteck an Land unter. Lange Zeit verging, ehe sich der außerhalb der Meeresstraßen liegenden Insel ein Schiff nahte. Der Matrose Warren starb im Lauf dieser Zeit, das Wrack wurde endlich von den Wellen zerstört, und die durch Zufall in jene Breite verschlagene schwedische Brigg »Gustav« fand nur noch den Matrosen Hans Evers vor, den sie, nachdem er länger als zwei Jahre auf jenem Eiland zugebracht hatte, mit sich führte. Seine endliche Erlösung von der Insel kam ihm so überraschend, sie vollzog sich so schnell, daß er nicht imstande war, etwas von dem verborgenen Schatz mitzunehmen. Er schied von dem Eiland in der Hoffnung, später den Schatz heben zu können, nachdem er sich mit Hilfe des Steuermanns der geographischen Lage der Insel versichert und alle Landmarken eingeprägt hatte. Bei seiner Vernehmung verschwieg er die nähern Umstände seiner Rettung und machte falsche Angaben über das Schiff, immer in der Absicht, sich des Gutes zu bemächtigen, sobald es anging. Alle Versuche, zu der Insel zurückzukehren, mißlangen indes dem mittellosen Mann, und als er später wohlhabende Leute für die Sache durch einen ihnen in Aussicht gestellten Gewinnanteil zu interessieren suchte, wurde er mit seinem fabelhaften Schatz – er durfte doch nicht wagen nähere Angaben zu machen – ausgelacht. Als Evers, der sich später in Hamburg als Jollenführer ernährte, im Krankenhaus im Sterben lag, ließ er einen der Chefs des Hauses Oswald zu sich bitten, für das er oft gefahren war, machte diesem seine Angaben, die er später vor einer Gerichtsperson wiederholte und mit einem Eid bekräftigte. Nächst dem Wunsch, die rechtmäßigen Eigentümer, über die er freilich keine nähern Angaben zu machen vermochte, in den Besitz ihres Geldes gelangen zu lassen, hatte den Sterbenden auch hauptsächlich die Mittellosigkeit seiner Familie zu dem Bekenntnis veranlaßt, denn er hatte die Bedingung gestellt, daß man als Bergelohn diese aus dem Fund unterstützen möge, was auch unbedenklich zugesagt wurde.

Erst dann hatte er genauere Angaben über die Örtlichkeit, wo der Schatz vergraben lag, gemacht und hierauf bezügliche Aufzeichnungen übergeben.

Herr Oswald bezweifelte die Angaben des Matrosen nicht, dieselben weiter zu verfolgen, würde er indessen abgelehnt haben, wenn ihn nicht besondere Umstände dazu bestimmt hätten. Die Mitteilungen des Evers riefen ihm die Erinnerung an den zu jener Zeit auf dem Meer zugrunde gegangenen hanseatischen Konsul Eduard Isenhoit wach, vor allem die von jenem erwähnte Juwelensammlung. Herr Oswald wußte, daß der ihm befreundete Konsul bei seiner Übersiedlung nach Deutschland den wesentlichen Teil seines Vermögens in Edelsteinen angelegt hatte, wie sie die Berge Ceylons bargen, um sie in Deutschland mit erheblichem Vorteil umzusetzen, denn er war ein genauer Kenner edlen Gesteins. Freilich stimmten die Aussagen des Evers, nach denen Isenhoit mit einem spanischen Schiff im Indischen Ozean zugrunde gegangen sein mußte, nicht mit den über dessen Rückreise bekannten Umständen. Isenhoit hatte Point de Galle zwar um die von dem Matrosen angegebene Zeit verlassen, aber auf der Hamburger Bark »Elisabeth«. Diese war zwar mit Mann und Maus zugrunde gegangen, aber erst im Atlantischen Ozean, nachdem sie, wie unzweifelhaft feststand, Kapstadt angelaufen hatte.

Die Schilderung, welche Evers von der Persönlichkeit des Deutschen zu geben wußte, konnte auf Isenhoit zutreffen.

Trotz dieses Widerspruches zwischen den bisherigen Annahmen über das Ende des Konsuls und den unter Eid gemachten Aussagen Evers', beschlossen die Herren Oswald, den Kapitän des »Roland«, der doch Point de Galle anlaufen mußte, mit Nachforschungen über den Schatz zu betrauen. Gleichzeitig veranlaßten sie den derzeitigen hanseatischen Konsul der indischen Hafenstadt, amtliche Erhebungen über die Abreise Isenhoits anzustellen, ihm alles hierauf Bezügliche, besonders auch die Aussagen des Evers mitteilend, wobei natürlich die Lage des Eilands, welches Evers zum Aufenthalt gedient hatte, ihr Geheimnis blieb. Jedenfalls war der »Roland« befehligt, dieses Eiland anzulaufen und Nachforschungen anzustellen. Dem jungen Befehlshaber des »Roland« erschien diese Sache höchst abenteuerlich, und er fragte sich, ob bei den Aussagen des sterbenden Mannes nicht krankhafte Phantasie tätig gewesen sei, ob nicht die Absicht, seinen Hinterbliebenen Teilnahme und Unterstützung zuzuwenden, ihn zu diesen Angaben vermocht habe. Dennoch blieb nichts übrig, als dem strikten Befehl der Reeder nachzukommen.

Nach einiger Überlegung beschloß er, da bereits mehr Kopra an Bord war, als die Handelsherren in Aussicht genommen hatten, er auch nicht zum zweitenmal das Schiff der Gefahr eines Überfalles aussetzen wollte, diese Inselwelt, sobald er seinen Anker wieder hatte, zu verlassen und den Kurs nach Ceylon zu nehmen.

Vorher mußte er freilich erst genau wissen, wo er stand.

Der »Roland« war unterdessen weit genug aufgekreuzt, um in die Bucht treten zu können, von welcher aus er triftig geworden war.

Mit geringer Anstrengung ward der Anker gehoben; die gegen einen Angriff der Wilden getroffenen Vorsichtsmaßregeln erwiesen sich als unnötig. Das Schiff blieb unter leichtem Tuch in der Nähe der Insel.

Die Sonne stand am andern Tag an wolkenlosem Himmel, und Findling machte um Mittag seine Berechnung. Diese ergab, daß er unter dem 154. Grad östlicher Länge stand, in einer südlichen Breite von 2 Grad 3 Minuten. Daß sie die Salomonsinseln angelaufen hatten, ward dadurch zur Gewißheit; der »Roland« stand westlich der umfangreichen und lang hingestreckten Insel Bougainville, wie die Karte ergab. Hiernach beschloß er, seinen Weg durch die Torresstraße zu nehmen und ließ alsbald den Bug des Schiffes nach Südwesten richten. Da er die Pflicht hatte, den als Dolmetsch angeworbenen Insulaner Atura in seine Heimat oder zu einer Stelle zu befördern, von wo aus er diese leicht erreichen konnte, fragte er ihn, ob es ihm recht sei, wenn er ihn auf Murua aussetze, eine Insel, welche der Mann kannte. Dieser war um so mehr damit einverstanden, als Findling sein Honorar wegen des weiten Heimwegs um zwei Pfund erhöhte. Sie machten bei frischem Wind gute Fahrt und hatten gegen Abend des folgenden Tages Murua, auch Woodlarkinsel genannt, vor sich. Dort verabschiedete sich der Mann von Neuhannover, der aus dem für die Wilden bestimmten Warenvorrat noch reich beschenkt worden war, mit aufrichtigem Dank. Hierauf hielt Findling nach Südost, um südlich der Lusiaden in das Korallenmeer zu treten, da es ihm zu gefährlich deuchte, bei Nacht zwischen diesen und Neuguinea durchzugehen.

Da der Kapitän bisher die Morgenwache getan hatte und ein Ersatz nötig war, übertrug er diese Marholm und übergab das Kommando der Mittel- oder Hundewache dem Matrosen Martin, der ein sehr erfahrener und kaltblütiger Seemann war, dem man das Schiff ruhig anvertrauen konnte. Da der Wind fortwährend günstig blieb, traten sie am sechsten Tag aus der Torresstraße in die Harafurasee. Findling wollte seinen Weg südwärts der Sundainseln nehmen, da in der Straße von Malakka zu dieser Jahreszeit vorwiegend bei der Fahrt nach Westen ungünstige Luftströmungen herrschten.

Fritz Fischer, der sich in hohem Grade der Gunst der Mannschaft erfreute, saß mittschiffs im Schatten des großen Segels und ließ fleißig die Nadel fliegen. Sobald die gewöhnliche Ordnung auf dem Schiff wieder hergestellt war, hatte sich der junge Schneidergeselle, dem es gegen die »Reputation« ging, wie er sagte, sein Brot umsonst zu essen, Arbeit erbeten, die ihm auch aus der Kajüte wie aus dem Mannschaftslogis reichlich zuteil wurde.

Henrik kam von vorn, betrachtete mit Behagen das zufriedene Gesicht des Jungen aus der Reezengasse und fragte: »Nun, Fritze, wie befindest du dich?«

»Janz jut, Hamburger, und wenn einem die liebe Sonne nich jerade senkrecht uff'n Kobb scheinen wollte, wäre et noch molliger.«

»Ja, Junge, wir sind jetzt gerade in der Nähe vom Äquator.«

»Wat is denn det eigentlich. Ick habe woll in de Bezirksschule 114 mal von jehört, aber ick hab' et wieder verjessen.«

»Das ist ein eiserner Reifen, der rings gerade um die Mitte der Erde gespannt ist, damit sie nicht auseinanderfällt bei dem ewigen Umsichselberdrehen.«

Fritze sah von seiner Arbeit auf und blickte in das ganz ernste Gesicht hinüber.

»Du, Hamburger, wenn du mir zum Fatzke machen willst, so kann ich dir nich mehr ästimieren.«

»Ich beabsichtige keineswegs, dich zum besten zu halten; du wirst dich doch der dicken schwarzen Querlinie in der Mitte der Planigloben noch erinnern?«

»Det stimmt, und det war ooch der Äquator, jetzt weeß ick et.«

»Nun, diese Linie deutet eben den Streifen an.«

»Wer hat den um die Erde gemacht?«

»Nun, der ist gleich bei der Schöpfung aus zusammengeschweißten Magneteisenklumpen drumgelegt worden.«

»So? Nu, wer weeß det denn? In de Bibel steht nischt von. Wer hat ihm denn jesehn?«

»Oh, den haben viele gesehen, denn bei sehr niedrigem Wasserstand ragt er über das Meer empor.«

Fritze schien nicht überzeugt zu sein. In diesem Augenblick ging Martin vorbei und Henrik fragte ihn: »Hewwen Se all die Linie siehn, Stürmann Martin?«

Martin, voll trockenen Humors, wie fast alle Niederdeutschen, war durchaus geneigt, auf einen Scherz einzugeben und entgegnete: »Ich bin all achtmal öwer un tweemal unner weg fahren.«

»Und Sie haben sie wirklich jesehen?« fragte Fritze.

»Ob ick sie sien heww? Ick gläuw ook. Wie wi dat erstemal unner weg segelten, stieß die Oberbramstange bowen an un knickte tausamen, leik as en Swewelsticken.«

Der wettergebräunte Matrose, den seine vorübergehende Würde als Deckoffizier zwar sehr befriedigte, aber keineswegs stolz machte, blickte scheinbar so ernst aus den scharfen, grauen Augen, obgleich in jedem der zahlreichen Fältchen, welche sich darum eingenistet hatten, das Vergnügen lauerte, einem Landlubber eine seiner haarsträubendsten Geschichten beibringen zu können. Fritz Fischer erhob keinen Widerspruch, obgleich man sah, daß er nicht überzeugt war.

»Ja«, fuhr Martin mit gleichem Ernst fort, »das war in derselben Gegend, wo wir den großen Fisch sahen. Der war beinahe drei Meilen lang und eine Meile breit, und auf seinem Rücken wuchs Seetang und lagen Felsbrocken von sechs bis acht Faden Höhe. Wir liefen an seine Seite; ich ging mit andern auf seinem Rücken und wir sind da wohl eine Stunde lang behaglich drauf herumspaziert.«

Fritz horchte stumm und staunend der wunderbaren Mär, meinte aber dann: »Det wird dann wohl der Leviathan jewesen sind, davon steht in de Bibel.«

»Dat wird ja woll so Wesen sin, min Jong«, schmunzelte Martin.

»Und er hat euch nischt jetan?«

»Ick denke, he hädd all slapen, denn as wi dat Best twee Meilen achter hadden, ging he all unner. Dat gaw ne Flutwelle, so hoch as de Petrikerkturm, un wi danzten as Nußschale bowen upp.«

»Merkwürdig.«

»Ja, dat schall woll sien. As wi vorigt Johr im Roten Meer in tausend Faden Tiefe vor Anker gingen«, mit Mühe nur verbiß Henrik sein Lachen, als der alte Bursche so unverschämt log, »kam de Anker, als wi 'n anholten, bowen, un een grot Wagenrad hing an.«

Henrik wandte sich um und hielt das Taschentuch vor den Mund. Ganz ernsthaft aber bemerkte Fritze: »Det wird denn woll eins von die Wagenräder jewesen sind, wo der olle Pharao dunnemals mit zujrunde jejangen is.«

Diese Antwort verblüffte den alten Matrosen so, daß er nur kurz sagte: »Dat schall woll sien« und hinwegging.

Auch Henrik mußte sich entfernen, um sich unbemerkt über den Berliner auslachen zu können. Fritz aber stichelte munter weiter, bei sich denkend: »Habt ihr mir blau anloofen lassen, alte Seeratten, ick werd et euch schonst wiederjeben.«

Nach einiger Zeit kam Martin, mit dessen Anlandgehjacke sich Fritz gerade beschäftigte, und brachte ihm einige Knöpfe, um sie anzunähen, es waren schöne Hornknöpfe.

»Hewwen se in Berlin ook so wat Scheunes?« fragte er, auf die Knöpfe deutend.

»Det nennen Sie wat Schönes, Herr Stürmann?« fragte Fritz mit einem verächtlichen Achselzucken.

»Na, nich? Dat is feines Büffelhorn.« »Ja, von wilden«, sagte Fritze so von oben herab.

»Natürlich von wilden, die immer seltener werden – Präriebüffel.«

»Bei Ihnen in Hamburg mögen sie ja seltener werden, bei uns in Berlin is det aber janz anders, dort mehren sie sich.«

»Wie is dat?«

Henrik, der Martin im Gespräch mit Fritze sah, kam herbeigeschlendert.

»Ziegler und Kompanie, Knopffabrikanten en gros mit de Medallje, haben uff de Hasenheide schonst seit Jahren eene Herde von mehr als zweitausend Stück von der feinsten amerikanischen Sorte, dat Zeug vermehrt sich gehörig. Die jeben nu de Hörner her vor de wirklich juten Büffelhornknöpfe, denn die loofen nich so wild rum, die werden extra vor dat Horn gepflegt un jeben jedes Jahr ein paar Hörner her. Von die Knöppe kost de erste Sorte zehn Taler det Stück, die tragen nur der König und de Prinzen uff ihre Jagdröcke. Vor de zweete Sorte wird immer noch fünf Taler bezahlt. Da kriegen die andern Könige, Fürsten und Bleichröders wat von ab. Die gemeenste Sorte macht zwee Taler det Stück, un die is nich emal zu haben, die is uff viele Jahre hinaus feste bestellt.«

»Eine Büffelherde von rund zweitausend Stück?«

»Haben Sie ihr noch nich jesehn?« fragte darauf Fritz sehr freundlich. »Det is ja jroßartig in de Hasenheide. Hörner von anderthalb bis zwee Ellen Länge un durchsichtig wie Bernstein, se werden den Viechers ooch jeden Morgen uff de Köbbe poliert. Ja, det müssen Se mal sehen, Kerr Stürmann, det jibt echte Hornknöppe, davon sin die Leute ooch so reich jeworden.«

Henrik amüsierte sich über Martins Gesicht, der sehr verblüfft war und dies doch nicht merken lassen wollte, aber über die Umgebung der Häfen, in welchen er landete, war die gute Blaujacke nie hinausgekommen.

»Na«, meinte er, »die Büffelherde werde ich mir nächstens mal besehen.«

»Det versäumen Se ja nich, det tun alle Fremden – det is wat Kolossives.«

Martin, der in seiner Art ebenso beschränkt war, wie Fritze in anderer, kaute an dieser Büffelhorngeschichte, der er nichts entgegenzusetzen wußte, und entfernte sich ziemlich mißgestimmt, im Zweifel darüber, ob das Berliner Kind gewagt habe, ihm auch etwas aufzubinden.

Lächelnd sah ihm Fritze Fischer nach.

»Also ihr habt dort eine Herde von zweitausend Büffeln?« fragte Henrik.

»Zweitausend sin et mindestens«, erwiderte Fritze mit der unschuldigsten Miene.

»Amerikanische?«

»Ick jloobe, et sin ooch afrikanische mit mang, genau weeß ick det nich.«

»Wundert mich sehr, daß die Leute sich noch solche Kosten machen, seitdem man im Garten zu Kew bei London den Büffelhornbaum gezüchtet hat.«

Fritze sah von der Arbeit auf und forschend in das Gesicht Henriks.

»Büffelhornbaum?«

»Hast du noch nichts davon gehört oder gelesen?« fragte Henrik verwundert. »Das ist ja der großartigste Erfolg gärtnerischer Kunst.«

»Wie denn? Wat denn? Wat is det denn?«

»Den Gelehrten war es längst bekannt, daß die echten Büffelhörner halb tierischen, halb pflanzlichen Stoffes seien, und es kam nur darauf an, einen Weg zu finden, um diesen pflanzlichen Teil zum Keimen und Wurzelschlagen zu bringen. Nach endlosen Versuchen gelang es denn. Die animalischen Substanzen wurden auf chemischem Weg aus dem Horn entfernt und der Rest gepflanzt. Sie schlugen Wurzel und entwickelten sich zu Bäumen, doch taugten die hornartigen Früchte nichts. Da düngten sie endlich mit Blut, um dem Baum tierische Substanzen zuzuführen, und dies hatte wunderbaren Erfolg. Zwar sind die so gewonnenen Hörner bis jetzt noch klein, aber sie werden mit jedem Jahr größer.«

»So?« sagte Fritz, »werden se mit jedem Jahr jrößer? Nanu, wo wächst dein Wunderbaum?«

»Genau da, wo deine Büffelherde von zweitausend Stück weidet.«

Fritz sah in die lachenden Schelmenaugen und brach dann in ungezügelte Heiterkeit aus. Henrik lachte mit.

»Siehst du, Berliner, wir Hamburger sind euch gewachsen.«

»Ja, ick seh' et«, lachte Fritze. »Hamburger, du bist ein Deuwelsjunge mit dem Büffelhornbaum. Nu darum keene Feendschaft nich.«

»Nein!« entgegnete ihm ebenso vergnügt Henrik.


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