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Blonde Haare

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Er wußte, daß sie hinter ihm stand, während er mit ein paar Freunden plauderte. Er hörte ihre klare, ruhige Stimme, mit der sie von der Krankheit ihres Mannes erzählte. Diese Nähe und der Wohllaut ihrer Stimme jagten ihm das Blut rascher durch die Adern; alles in ihm war aufgewühlt, alles schrie nach ihr, während sie diesen Affen Robert nicht aus den Augen ließ.

Er wußte, wie sie sich für diesen arroganten Menschen, der nichts hatte als seine süßliche Stimme, interessierte, indeß sie lächelnden Auges seiner Aufregung zusah.

Immer dieses feine spöttische Lächeln, das ihn zur Verzweiflung brachte, das ihm stetig sagte: Du dummer Kerl du, wie kannst du dir nur einbilden, mich je zu gewinnen? die, vernachlässigt von einem langweiligen und kranken Gatten, sich von einem anderen den Hof machen läßt, und zwar unter stillschweigender Billigung und Mitwissenschaft der ganzen Gesellschaft. Er haßte diesen anderen, der dabei sein Freund war, es wenigstens gewesen war, bis die schöne Frau Agnes all ihre Huld diesem Robert geschenkt hatte. Er haßte diesen Nebenbuhler, der mühelos sein Ziel erreicht hatte, während er selbst es nie gewagt hatte, ihr seine Gefühle offen zu gestehen; und als er endlich den ersten ernsthaften Schritt that, da kam er zu spät. Ihr leichter spöttelnder Ton sagte es ihm, aus jedem Satze klang es heraus: Du armer Narr, was du dir nicht einredest!

Und dieser Robert lief mit einem dumm stolzen Gesichte herum, daß er ihn hätte ohrfeigen mögen.

Wie sie nun hinter ihm stand und an ihm vorbei hinüberlächelte zu Robert, der seine Cigarette rauchend, nachlässig am Kamin lehnte, faßte ihn aufs neue die Wut, ein plötzlicher Eifersuchtsgedanke schoß ihm durch den Kopf, und ohne weiter zu überlegen log er laut, daß sie es unbedingt hören mußte:

– Wißt ihr eigentlich, was mit Robert Walter los ist? Ich sehe ihn jetzt immer mit einer großen stattlichen Blondine, mit der er offenbar sehr intim sein muß.

Die beiden Freunde machten ihm krampfhaft Zeichen. Er that, als verstehe er sie nicht; dann blickte er sich ostentativ halb um und sah, daß sie jedes seiner Worte gehört haben mußte.

Da that er sehr erschrocken, trat rasch ein wenig zur Seite und sprach leise und lange mit den beiden weiter, aber garnicht mehr von Robert, sondern abbrechend erzählte er ihnen die neuesten Zoten.

Dabei bemerkte er, wie sie still geworden war, dann nervös wurde und offenbar nicht mehr hörte, was ihr Partner ihr erzählte, sondern zu erhorchen suchte, was er wohl von der Blondinen und Robert wußte. Mit einem Male kam sie direkt auf ihn zu und stellte eine banale Einleitungsfrage an ihn. Aber dann verging ihr wohl der Mut, denn schon nach den ersten Sätzen verließ sie ihn wieder. –

Eine halbe Stunde später fand er Frau Agnes mit Robert in einer Ecke, in eifriger und erregter Unterhaltung.

Sie redete nervös fragend auf ihn ein, während er sie mit einem erzwungenen Lächeln zu begütigen suchte.

Dann wieder sprach er voller Eifer, während sie beleidigt schwieg und ihn ungläubigen Blickes von der Seite ansah. Sie schien sich einen gefaßten Gedanken nicht ausreden zu lassen.

Es that Hans jetzt leid, daß er seiner eifersüchtigen Bosheit so unüberlegt die Zügel hatte schießen lassen; denn er hatte Robert gestern zum ersten Male mit der blonden Dame gesehen. Es war wohl eine ganz gleichgiltige Bekanntschaft, irgend eine Dame der Gesellschaft, neben der Robert ein paar Schritte gegangen war.

Hans war schon im Begriff, sich ins Mittel zu legen und die Sache, die er seinem ehemaligen Freunde eingerührt, aufzuklären, – allein es machte ihm Spaß, daß seine paar Worte eine Wirkung erzielt hatten, die seinem beleidigten Stolze wohl that.

Nach einer Viertelstunde sah er Robert suchend durch alle Zimmer irren, – aber Frau Agnes hatte, ohne sich weiter um ihn zu kümmern, die Gesellschaft bereits allein verlassen.

*

Eines Abends, auf einem großen Balle, setzte sie sich zu Hans, fing an mit ihm zu plaudern, kam im Laufe des Gesprächs auf Robert zu sprechen und fragte Hans direkt, ob er vielleicht die Dame kenne, mit der jetzt Robert immer gesehen werde.

– Was für eine Dame? fragte er ganz erstaunt.

– Sind Sie eigentlich mein Freund oder nicht?

– Gewiß, gnädige Frau!

– Nun also, weshalb antworten Sie mir da nicht?

– Was für eine Antwort soll ich Ihnen auf Ihre Frage geben?

– Kennen Sie die betreffende Dame?

– Nein, ich kenne keine derartige Dame.

– Aber Sie selbst haben doch davon gesprochen!

– Wer? – Ich? …

– Ja, Sie! Von einer großen Blondine, mit der jetzt Robert immer geht.

– Aber gnädige Frau, davon weiß ich nichts! Ich habe Robert in den letzten vierzehn Tagen nur ein einziges Mal gesehen!

– Nun und?

– Er ging allerdings mit einer Dame.

– Sehen Sie!

– Aber ich kenne die Dame nicht, ich habe sie im Leben nicht gesehen.

– Wollen Sie damit sagen, daß sie nicht zur Gesellschaft gehört? –

– Gnädige Frau, das weiß ich nicht!

– Sie wollen es mir nicht sagen.

– Wirklich, gnädige Frau, ich …

– Und dabei behaupten Sie, Sie wären mein Freund!

– Aber gnädige Frau, ich kann Ihnen mit bestem Willen keine Auskunft geben.

– Da sieht man wieder: Ihr Männer haltet immer zusammen, wenn es gilt, einer Frau wehe zu thun. –

Damit ließ sie ihn stehen, und schien sich gar keine Sorge zu machen, daß sie mit ihrer nagenden Eifersucht sich verraten und sich ihm ganz in die Hand gegeben hatte.

Im Grunde that sie ihm leid, und er war schon daran, ihr zu sagen, wie »die Leute« ihr eigentlich von einer blonden Dame nicht das mindeste erzählen konnten, weil er ja diese Bemerkung nur aus plötzlich auftauchender Bosheit hatte fallen lassen, um sie zu kränken und sich zu rächen; aber das konnte er nicht, weil er sich damit zu sehr bloß gestellt hätte; und dann kitzelte ihn die Schadenfreude, daß er Robert ein paar Stunden gründlichen Aergers bereitete.

*

Hans saß bei seiner Freundin, einer kleinen Schauspielerin, die sich nach einem gemütlich verplauderten Kaffeestündchen anzog, um zur Abendvorstellung zu gehen.

Im Corset, die Cigarette schief im Mundwinkel, stand sie vor dem Spiegel und kämmte sich die Haare.

Hans ging im Zimmer auf und ab und sah ihr zu.

Er stand unter der unangenehmen Nachwirkung eines Streites, den er mittags mit Robert gehabt hatte. Er hatte verschiedene Bosheiten von ihm einstecken müssen, gegen die er im Moment nicht das rechte Wort der Abwehr gefunden hatte.

Seit Frau Agnes ihn merklich kühl behandelte, lief Robert mit Tücke geladen einher und witterte auch wohl in Hans instinktiv den Feind, der schuld an der Entfremdung mit Frau Agnes war, und er ließ deshalb in bissigen Bemerkungen seinen Aerger an ihm aus. –

Hans hatte sich in einen Sessel geworfen und sah gedankenlos zu, wie seine kleine Freundin sich das Haar kämmte, volles, blondes Haar, durch das sie achtlos den Kamm riß.

Nun nahm sie den Kamm, und mit Daumen und Zeigefinger streifte sie die hängen gebliebenen Haare ab.

Ueber die Schulter blickend, fragte sie:

– Was machst du denn da?

– Nichts! –

Als das Flöckchen blonder Haare langsam zu Boden sank, war ihm ein Gedanke gekommen.

Er bückte sich, hatte sie aufgehoben, und die Haare zusammenrollend schob er sie in die Uhrtasche.

Sie achtete nicht weiter darauf, denn nun war sie ganz mit ihrer Frisur beschäftigt.

Er aber saß da und rieb sich die Hände vor Schadenfreude über den Plan, der ihm gekommen war.

*

Hans erzählte Robert ganz freundschaftlich eine Geschichte. Er redete eifrig auf ihn ein und hatte ihn am Rock gefaßt, als spiele er in alter Freundschaft an seinem Rockknopfe, indem er ganz dicht vor ihm stand.

Es war nach Tisch, ein kleiner Kreis; sonst nur noch Frau Agnes mit einer Freundin und deren Mann im Zimmer. Die beiden Herren hatten ihr Gespräch beendet und wandten sich jetzt den unter einer hohen Pharuslampe Sitzenden zu.

Robert stand ein wenig übergebeugt vor der in einem Schaukelstuhle sich wiegenden Dame, als diese plötzlich scharf hinsah und Robert ein wenig zu sich winkte, der ahnungslos dem Winke folgte.

– Erlauben Sie mal, was haben Sie denn da? Ach, blonde Haare! Ei, ei! …

Frau Agnes blickte auf. Die Dame nahm von dem untersten Knopfe seines Rockes ein paar lange blonde Haare, die sie im vollen Licht der Lampe langsam, absichtlich, daß sie hell aufleuchteten, zur Erde fallen ließ.

Er sah betroffen an sich herunter, und da hing noch ein Haar an seinem Rocke, das er hastig abschlug.

Die Dame wippte lächelnd mit ihrem Schaukelstuhle. Der andere Herr lächelte Hans verständnisinnig an, während Robert mit dem peinlichen Gefühle dastand, daß ihm alles Blut in die Wangen schoß und er in dem Bestreben, seine Verlegenheit zu unterdrücken, nur noch tiefer errötete.

– Die müssen mir angeflogen sein, sagte er, um nur etwas zu reden.

Frau Agnes saß blaß und steif, ohne auch nur einen Finger zu regen da, und sah an Robert vorbei ins Leere. Das Lächeln der drei anderen verstärkte sich.

Es war still im Zimmer, bis die Dame, sich aus ihrem Schaukelstuhle erhebend, sagte:

– Ja, ja, so schöne blonde Haare fliegen einem manchmal auf der Straße an.

Dann kamen andere Menschen ins Zimmer, und die kleine Gesellschaft wurde getrennt.

*

Eine Minute später hörte Hans:

– Aber ich schwöre Ihnen, Agnes, bei allem was mir heilig ist …

– Ich frage Sie ja gar nicht; wirklich, ich habe mir noch nicht den kleinsten Gedanken darüber gemacht.

– Wahr und wahrhaftig, ich weiß nicht, wie ich zu den Haaren gekommen bin.

– Aber so bemühen Sie sich doch nicht. Es interessiert mich wirklich nicht!

– Irgend ein unglückseliger Zufall …

– Aber es ist ja gut!

– Sie sind mir böse?

– Das fällt mir ja gar nicht ein! Mit welchem Rechte sollte ich wohl?

– Ich schwöre Ihnen …

*

Als sie wieder in den Salon zurückkam, waren ihre Augen gerötet, und sie hatte sich das Gesicht ein wenig überpudert.

Zuweilen zuckte es um ihre Mundwinkel, aber in dem Blick lag eine ruhige Entschlossenheit.

Nach einer Weile, als niemand sich um sie kümmerte, ging sie auf Hans zu und fing an, mit ihm zu plaudern. Sie sprachen von den Männern, und wie selten wahre Treue auf dieser Welt zu finden war, vor allem treue Freundschaft.

Dann am Schlusse sagte sie:

– Ich glaube, Sie sind ein guter treuer Mensch.

Er verbeugte sich ein wenig:

– Gnädige Frau, wir sind alle schlechte Kerle!

Er wußte am besten, welcher Schlechtigkeit er fähig war.

– Nein, sagte sie, ich denke mir, daß man in Ihnen einen treuen Freund finden kann. Ich kenne Sie eigentlich fast gar nicht, so oft wir uns auch schon gesehen haben. Das ist recht schade.

Er verbeugte sich wieder, diesmal etwas tiefer.

– Sie kommen jetzt so selten zu uns, und dabei hat mein Mann Sie so gern. Sie sollten sich wirklich öfter sehen lassen. Gleich nächsten Donnerstag sind wir abends zu Hause, nur ein paar Freunde, ganz unter uns.

Er nahm ihre kleine Hand und führte sie als Antwort an die Lippen.

Dann lächelte sie ihm zu. In den Mundwinkeln lag noch nachzitternd ein Schmerzenszug, aber ihre Augen blickten ihn freundlich an, ohne den spöttischen Ausdruck, den sie sonst immer für ihn gehabt hatte.

Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal nach ihm um:

– Also vielleicht auf Wiedersehen am Donnerstag! …

Und er verbeugte sich ganz tief vor der Thür, die sich hinter ihr schloß.


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