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Höllenbreughel. – Peters Kampf mit Hans.
Ich betrachte mit Vergnügen die Werke des wunderlichen Höllenbreughel. Die Figuren ziehn mich an, die seltsame Composition nimmt meine Phantasie gefangen und versetzt sie in einen traumähnlichen Rausch. Man kann nicht gut darüber streiten, ob er sich in seinen Gemälden als Dichter zeigt, aber gefühlt habe ich es jederzeit. Der widersprechende Unsinn, die Tollheiten und Unnatürlichkeiten sind grade das, was er ausdrücken wollte und was er nicht weglassen durfte, wenn er Gemälde von diesem ungeheuern Charakter liefern wollte. Einfachheit und Schönheit wären hier sehr am unrechten Orte gewesen.
220 Der Leser erlaube mir, hiervon eine Anwendung auf mein Buch zu machen, und verzeihe es mir nachher. Kein einziger Leser kann es so sehr fühlen, als der Verfasser, daß es gänzlich an guter Simplicität Mangel leide, daß es gar kein Ziel und keinen Zweck habe, und sich in jedem Augenblicke widerspreche, daß es nur der geringste Unsinn sey, wenn der Blaubart nicht lesen könne, und doch eine Stelle aus dem Horaz citire. Warum, geliebter Leser, soll es aber nicht auch einmal ein Buch ohne allen Zusammenhang geben dürfen, da wir so viele mit trefflichem, dauerhaftem Zusammenhang besitzen? Soll es denn dem wunderbaren Geschöpfe, Schriftsteller genannt, nicht irgend einmal vergönnt seyn, Sattel und Zaum von sich loszuschütteln? Lieber Leser, Du sprichst so viel von der Einheit, vom Zusammenhange in den Büchern, greife einmal in Deinen Busen, und frage Dich selber; am Ende lebst Du ganz so, oder noch schlimmer, als ich schreibe. Bei tausend Menschen, die zugleich christliche und geschmackvolle Leser sind, nehme ich in ihrem Lebenslaufe lauter abgerissene Fragmente wahr, keine Ruhepunkte, aber doch einen ewigen Stillstand, keine lebendige Fortschreitung der Handlung, obgleich viel Bewegung und hin und wieder Laufens, kein Interesse, obgleich ängstliche Verwickelung, keine Originalität, aber wohl gesuchte Seltsamkeit, keine Empfindung, sondern Schwulst oder Reminiscenzen aus Dichtern, von denen jetzt die armen Menschen so viel zu leiden haben, daß sie deswegen nicht nach ihrem eigenen Geschmacke empfinden können.
Nehmt Ihr es nun bei gedruckten Büchern so genau, warum nicht mit Eurem Leben, das ein so 221 vortreffliches, für die Ewigkeit bestimmtes Werk werden könnte? Ihr seht es den Versen an, ob sie für die Nachwelt taugen werden, und vergeßt darüber Eure eigene unsterbliche Seele, die ewige Harmonie in Euch selber, die für Folgezeiten bestimmt ist. Duldet also mein Buch und ich will Euer Leben dulden, wie ich es bisher geduldet habe und dulden mußte, wenn ich es gleich nicht wollte.
Doch, um wieder auf ernsthafte Dinge zu kommen, so hatte Peter jetzt einen Zweikampf mit dem eben erwähnten Hans vor; denn so uninteressant der Blaubart ist, so liegt er dem Leser doch immer noch mehr am Herzen, als der Leser sich, und darum wird er auch hoffentlich obige Stelle überschlagen. Hans war nämlich gesonnen, den Schlüssel wieder herauszugeben, wenn sich der Ritter dazu verstehn wollte, sich mit ihm zu schlagen; er hatte ihn daher auf einen Messerkampf nach Holländischer Weise gefordert.
Beide Duellanten kamen auf einer Wiese bei'm Mondschein zusammen, jeder mit einem langen Messer bewaffnet.
Ich kann diesen Kampf nicht weitläuftig beschreiben, weil die Beschreibung doch unmöglich in's Heroische fallen könnte. Genug, Peter siegte, indem er geschickter Weise dem Hans ein Ohr abschnitt und dadurch seinen Schlüssel wieder gewann. Sie schieden darauf als ziemliche Freunde, und Peter machte sich auf den Weg, um nach seinem Schlosse zurück zu gehn.
Er überlegte unterwegs, daß es doch besser sey, nicht nach dem gelobten Lande zu reisen, weil der Weg weit und beschwerlich sey, es auch auf dieser Straße sehr an guten Wirthshäusern fehle.
222 Indem er noch mit diesem Gedanken beschäftigt war, gesellte sich ein kleines Wesen zu ihm, und ging mit ihm eine Straße. Der Ritter verwunderte sich über die seltsame Gestalt, und wußte nicht, was er aus dem kleinen Burschen machen sollte; dieser redete ihn endlich an, und sagte mit einer feinschnarrenden Stimme: Herr Ritter, braucht Ihr keinen Diener?
Warum? wolltest Du mir dienen?
Gern.
Wie heißest Du, wer bist Du?
Eine Art von Satan, ein kleiner Auszug aus dem Teufel, die Leute nennen mich Kobold. Ich bin jetzt ohne Herrn, und da möcht' ich Euer Brod am liebsten essen. Womit sich der Teufel nicht selbst abgeben will, weil es ihm zu geringe ist, das habe ich zu besorgen, denn ich bin ein eben so großer Freund alles Mikrologischen, als er ein geschworner Feind davon ist. Ich hetze die Gelehrten an einander, ich erfinde die Lesarten und Conjecturen, um die sie nachher so laute Kriege führen, ich bin derjenige, der die Stellen in die alten Autoren hineinhext, in denen die größten Männer hängen bleiben, ich erfinde die Abhandlungen über Nichts, ich wäre mit einem Worte ein wahrer Teufelskerl, wenn ich nicht gewissermaßen der Teufel selber wäre.
Ich kann Dich also nicht brauchen, sagte Peter, ich habe auch schon eine Haushälterin, ihr würdet euch schlecht mit einander vertragen.
Außerdem kann ich auch noch andre Künste, fuhr der Kobold fort, denn die Gelehrsamkeit ist freilich nicht mein einziges Fach. Ich kann zum Exempel, was auf dem Boden steht, in den Keller tragen, die 223 Fässer aus dem Keller trage ich im Gegentheil gern auf den Boden, meine größte Freude aber ist eigentlich das Rumormachen, daß ein Spectakel um nichts entsteht, daß ich großen Lärmen mache, und man nicht weiß, was herauskommen soll, und am Ende auch wirklich gar nichts herauskommt, daß es weit in die Welt hineintöset, und doch gar nichts zu bedeuten hat.
Herr Kobold, sagte der Blaubart, das sind alles brodlose Künste, Ihr müßt Euch mehr auf das eigentliche Praktische legen, sonst findet Ihr schwerlich Dienste.
Aber zum Henker, kreischte der Kobold auf, ist denn das nicht genug? Was verlangt Ihr mehr, und was thut Ihr Menschen denn mehr? Ich habe ja eben dies dumme Wesen von Euch gelernt, um mich bei Euch beliebt zu machen. Ihr seyd undankbares Volk, und so altklug, daß Euch gar nichts recht ist, wenn Ihr es nicht selber thut.
Seyd nur nicht böse, sagte Peter, kann ich Euch jetzt nicht brauchen, so findet sich wohl ein andermal Gelegenheit, es ist noch nicht aller Tage Abend.
Der Kobold verließ ihn hierauf, und es währte nicht lange, so rasselte es hinter Petern her, wie ein schwerbeladener Rüstwagen, so daß der Ritter auf die Seite trat, um das Fuhrwerk vorüberzulassen; aber nun war von dorther der Wagen wieder hinter ihm, Peter wandte sich wieder anders um, wo er auch stand, war ihm der rasselnde Wagen mit den schnaubenden Pferden im Rücken. Peter verlor die Geduld und kletterte auf einen Baum, um das Ungethüm nun endlich vorüber zu lassen; aber als er oben saß, war es, als wenn sich Holzhauer unten fertig machten, den 224 Baum zu fällen, er hörte die Axt klingen, er hörte bei jedem Hiebe den nachgebenden Baum krachen. Er fing daher schnell an, hinunterzuklettern, aber je eiliger er abwärts kletterte, je höher kam er, so daß er zuletzt oben in dem höchsten Wipfel saß. Nun fing der Baum an sich zu neigen und hin und her zu schwanken, und Peter kam, ohne daß er begreifen konnte, wie es geschah, von einem Baum auf den andern, so daß es schien, als wenn ihn der Wald sich zuwürfe, und alle Bäume Ball mit ihm spielten. Der letzte Baum an der Waldecke ging endlich gar mit ihm fort, und setzte ihn dicht vor einem Sumpfe nieder. Die ganze Gegend war ihm fremd, er konnte durchaus nicht entdecken, wo er war, als viele tausend Lichter vor seinen Augen erschienen, als wenn eine große hellerleuchtete Stadt in der Ebene läge. Er ging dem Schimmer nach und gerieth wieder in einen Sumpf. Unter langem Hin- und Herirren ward es endlich Morgen, die Hähne krähten, die Gespenster verkrochen sich, und er sah, daß er vor seinem Schlosse stand.
Nun, sagte der ermüdete Peter, diesmal mit einem Gelehrten umgegangen und nie wieder; dies Studium ist nicht meine Sache.