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Aus den Fenstern des Hirtlbacher Wirtshauses klangen Bombardon und Klarinette, einmal tief hinunter und einmal hoch hinauf, und lockten immer neue Gäste herein zur Hochzeit des Kaspar Prückl.
Über die Stiege gingen Mädeln mit hochroten Gesichtern und wischten sich die Schweißtropfen ab; Burschen in Hemdärmeln riefen ihnen Späße zu; Teller klirrten, und die Deckel der frisch eingeschenkten Krügel klapperten, und der Bierschlegel schlug dröhnend den Hahn in ein neues Faß.
Fröhlichkeit und Lärm verrieten schon in den Vorräumen ein reiches Fest. Im Saale aber schleiften die Paare, tauchten im Lampenlicht auf und verschwanden drehend in dämmerigen Ecken.
Aus einer Wolke von Rauch und Dunst schoben sich allmählich bekannte Gesichter vor.
In der Mitte am Ehrentisch das der wohlgezierten Hochzeiterin Ursula Kiening, nunmehrigen Prücklbäuerin; sie saß neben dem hochwürdigen Herrn Pfarrer; daneben war das Elternpaar des Hochzeiters, zwei Leute, denen Sparen und Arbeit anzukennen war.
Da sah man auch die Fischerbäuerin von Neuried und den gewichtigen Schneider von Arnbach und, etwas entfernt von ihnen, am bescheidenen Platze die Asamin, die mit flinken Augen alle Leute beobachtete, alle, die saßen und standen und tanzten, und der gar nichts auskam.
Sie hatte es mit der Grieblerin, einer armen Verwandten des Hochzeiters, getreulich ausgerechnet, was die Sache kosten könne, und alle zwei waren der Meinung, daß es ungeheuer viel sei, und daß diese Verschwendung sich abscheulich unterscheide von der Sparsamkeit gegen Verwandte, die es brauchen könnten.
Und die Asamin war nebenher noch angefüllt mit Schmerz darüber, daß man noch nicht ein halbes Jahr nach dem Tode ihrer Schwester, der Schormayerin, eine Hochzeit abhielt.
»Da ko nix Guat's außakemma,« sagte sie, »und mi g'fallt dös amal gar it, daß ma'r an Tot'n so schnell vagißt.«
»Hoscht dös it g'sehg'n,« fragte die Grieblerin, »daß si d' Hochzeiterin umdraht hot, wia s' in d' Kircha ganga san; wer dös thuat, sagt an alta Spruch, der schaugt si nach an andern Ehstand um.«
»Bei der Schormayerisch'n that mi gar nix wundern, dös sag i dir.«
»Is it all's richti dabei?«
»O mei! Da mag mi gar it o'fanga. Vom Alt' sag'n d' Leut allahand.«
»Wos denn?« Die Grieblerin rückte näher.
»Der is auf d' Weibaleut aus, daß 's a wahre Schand is. Ganz bocknarrisch is a, sag'n s'.«
»Geah? Der Alt?«
»Zu dem is a no it z' alt. Hinta a jed'n Weibakitt'l is a her.«
»Gel? Gel? Ja, wann eahr d' Weiba ster'm, wern s' ganz bärig. Dös hört ma'r oft sag'n.«
»Und zuageh' muaß bei eahm! Oiwei Krach und Unfried'n. De Zollbrechtin, sei Nachbarin, hot ma vazählt, daß ma 's oft weitum hört.«
»Dös laßt si denga.«
»Mi sagt aa, daß a desz'weg'n sei Urschula so g'schwind ausg'heireth hot; und do hot ma freili net wart'n kinna bis auf 'n Hirgst. D' Schwesta wann 's halt no wissat!«
»Good schenk ihr de ewig Ruah!«
»De braucht s'. Chrischtlich's O'denk'n hat s' net viel bei ihre Leut. Wann inseroans it a diam dafür bet'n that, kriaget s' net viel Vaterunsa.«
»Da thuast d' freili a guat's Werk.«
»Obwei daß i gar nix kriagt ho von ihran Sach. It an Spensa oda'r an Rock oda sinscht wos. Liaba laßt ma 's in Schrank dafäul'n, als daß mi da Schwesta wos gab.«
»Selle Leut kinnan koa Glück hamm, Asamin.«
»Na, und mi wern 's aa daleb'n. Jessas, is dös a Spektakl!«
Die Klarinettentöne stiegen kreischend in die Höhe, hielten sich gellend oben und kletterten wieder herunter, wo sie ein gumpender Baß auffing im lustigen Takte, daß die Röcke schwenkten.
Die Fischerbäuerin rückte ihren Stuhl etwas näher zum hochwürdigen Herrn Pfarrer Kern und hub mit ihm und der tugendsamen Hochzeiterin ein Gespräch an.
»Dös hat ins scho alle mitanand g'freut, Herr Pfarra, daß S' vo da Urschula ihra Muatta so schön g'red't hamm; i ho woana müass'n.«
»Das ist recht,« sagte der geistliche Herr, ein vergnügter alter Junggeselle; »bei einer Hochzeit soll 's naß hergehen. Regnen soll 's, weil das ein Glück bedeut', weinen sollen die braven Frauenzimmer, weil 's ihnen ja so net hart ankommt; und beim Mahl, da soll 's dann was Ordentlich's zum Trinken geb'n. No, das is ja auch vorhand'n.« Und er nahm einen braven Schluck.
»D' Muatta hätt 's halt daleb'n soll'n«, meinte die Fischerin immer noch wehleidig.
»Ja no, das laßt sich nicht ändern. Sterb'n ist unser aller Los. Der eine früher, der andere später. Wo hat denn übrigens die Wirtin das Kochen gelernt? Das was ja heute ausgezeichnet.«
»I glaab, in Dachau«, sagte Ursula.
»So? Da war sie in einer guten Schule. Ganz delikat war alles zubereitet.«
»Sie hot si übahaupt a Müah geb'n.«
»Und hat sich ausgezeichnet und bewährt als eine gute Regentin in ihrer Küche.«
»Sie sollt' halt do bei ins hocka«, sagte die Fischerbäuerin.
»Rufen wir sie herauf!«
»Na, i moan ja da Urschula ihra Muatta . . .«
»Ach so! Das laßt sich nun freilich nicht machen. Gönnen wir ihr den Frieden; und überhaupts, net wahr, sitzen wir da bei einer Hochzeit und haben die Hoffnung, daß wieder neues Leben daraus sprießt. Ja.«
Und nachdem er eine Prise genommen hatte, legte er die Dose wieder neben das Schnupftuch und sagte mit einem gutmütigen Lachen: »Der Kaspar scheint mir schon der Mann zu sein, auf den man gewisse Erwartungen setzen kann, und auch die Hochzeiterin ist vertrauenerweckend.«
Die Nächstsitzenden lachten noch herzhafter, weil der Spaß von ihrem geistlichen Herrn kam; und die Ursula wußte, was geziemend war, und schaute verlegen in den Schoß.
»Da werd nix fei'n,« sagte die Fischerin, »mi g'fallt scho dös, daß de Hozet bei zuanehmad'n Mond g'wen is. Dös hot mi gern; denn bei'n abnehmad'n Mond, sagt mi, bleib'n d' Kinda aus. Is it wohr, Herr Pfarra?«
»Jawohl, das ist ein alter Glaube; ob er richtig ist, können wir nicht wissen. Aber es g'hört halt noch was andres dazu, als wie der zunehmende Mond.«
Er zwinkerte lustig, und alle lachten wie auf Befehl.
»Dös werd' na scho aa vorhand'n sei.«
»Hoffentlich, Fischerin; mich freut's, wenn ich Arbeit krieg in dreiviertel Jahr, und wir wollen uns den Taufschmaus gut schmecken lassen.«
»Bal amal wos um an Weg is, kimm i zu dir, Urschula,« sagte die Schneiderbäuerin, »denn die junga wiss'n it, wia ma si vahalt'n muaß. Daß mir vor da sieb'nt'n Wocha koa Kindswasch ins Freie hänga derf, und daß mi ja nix davo ausleicha sollt, und daß d' Wöchnerin sechs Wocha lang in koan Kella it geh' derf, dös san lauta Sacha, auf de mi guat aufpass'n muaß.«
»Z'weg'n wos sollt' oans it in Kella geh?«
»Z'weg'n de Hex'n, Fischerin. Hoscht du dös no nia g'hört?«
»Na, aba dös woaß i, daß a Wöchnerin it von Haus weg geh' soll, so lang s' net in da Kircha war.«
»Und daß mi in da Schwangerschaft net über an Pfluag steig'n derf, und üba koa Loata, sinscht gibt 's a harte Geburt.«
»Dös hon i aa scho g'hört, und drei Oar soll ma siad'n und 's Wassa trink'n.«
»Oda drei Nüss' ess'n.«
»Das sind weise Lehren,« sagte der Pfarrer lachend, »und diesmal kommt der gute Rat nicht zu spät.«
»Aba Sie müass'n do selm sag'n, Hochwürd'n, daß mi auf de alt'n Bräuch wos halt'n muaß?«
»Freilich, und auf die alten Weiber, denn die wissen mehr wie die Gelehrten. Aber jetzt muß ich mich verabschieden.«
»Bleib'n S' wirkli nimma, Herr Pfarra?«
»Es geht leider nicht, Hochzeiterin, und ich wünsch also einen guten Anfang. Gute Nacht beieinander!«
Die Ehrengäste begleiteten den geistlichen Herrn zur Tür; und wie alles wieder Platz nahm, setzte sich der Schormayer zum alten Prückl.
»Sitz' ma'r a bissel z'samm!« sagte dieser. »Mi wer'n jetz bal Kamarad'n si' im Austrag.«
»Woaß i no it.«
»Wos ko'scht d' macha? De Junga druck'n nach, bal eahna Zeit kemma is.«
»Ob 's halt scho so viel g'schlag'n hot?«
»A diam is g'scheidta, ma ruckt d' Uhr füri und hört eh'nder auf. In da letzt'n Viertlstund richt ma nimma viel aus.«
»Es is it bei an jed'n gleich, Prückl.«
»Freut di halt aa net, gel? Mir is selm it leicht wor'n, vom Sach weg geh' und vo da'r Arbet. Weil mi g'rad zuaschaug'n muaß, geht 's krumm oda g'rad, und bal da d' Händ jucka, koscht d' halt 's Loatsoal nimma nehma.«
»Drum muaß ma si 's übaleg'n, vor ma 's hergibt.«
»No, i ho koan Angst it bei'n Kaschpa; er hot 's Haus'n von jung auf g'lernt.«
»Seid's guat ausanand kemma bei'n Austrag?«
»Mi san handeloans wor'n; g'stritt'n hamm ma freili a weng, aba dös g'hört dazua; wer leicht wos vaspricht, dem is mit 'n Halt'n net ernscht.«
»Und dei Urschula hat dös bessa Mäu g'habt,« sagte die Prücklin, »dö vahungert it, wo ma si mit'n Red'n a Geld vodeana ko.«
»Is s' a bissel a scharfe? Gel? Dös hon i dahoam aa g'spannt.«
»Scharf sei' schad't it. Es braucht 's scho bei de Zeit'n und mit de Deanstbot'n«, sagte die Alte.
»Und da Kaschpa werd ihr scho a Beißkorb o'leg'n.«
»So is, und d' Schneid valiert si a wengl im Ehstand. Wos thuast jetzt du, weil d' Urschula weg is?«
»I wer a Hauserin ei'stell'n.«
»A junge?«
»Jetz muaß i do lacha,« sagte der Schormayer, »dös is wirkli de erscht Frag von a niad'n Weibats. D' Urschula, d' Schneiderin und du, a jede hot dös gleich g'fragt.«
»Mi woaß scho, warum.«
»Ja, i woaß 's aa. Is aba koa Grund it vorhand'n, denn sie is scho übastandi.«
»G'halt s' no it z' lang, denn dös derfst glaab'n, ea selle haust oiwei in ihr'n Sack.«
»I muaß s' halt g'halt'n, bis amal a Bäurin aufziagt.«
»Hoscht d' scho oane für'n Lenz?«
»Na. Mi pressiert aa nix.«
»Moanst d' nimma in dem Johr?«
»In dem Johr amal g'wiß it, Prücklin.«
»I kenn 's,« fiel der alte Prückl ein, »i woaß guat, wia dös is. I hätt ma 's aa no a Johr übalegt, bal sie it a so bengst hätt'.«
»Auf mi muaßt d' as it schiab'n. Wann di da Schlag net g'stroaft hätt', na hätt' i wohl nix g'sagt.«
»Dös sell muaß aa wieda wohr sei. Mi hot 's bös g'habt an Ausgang Novemba, Schormoar, und a Wocha, a drei hon i gar nix mehr glaabt.«
»Daß i net vergiß,« sagte der Schormayer, »i ho g'hört, ös seid's weitschichti vawandt mit'n Sedlmoar vo Arnzell. Is vo dena wer do?«
»Er it, aba sie; er hot dahoam bleib'n müass'n, weil a'r an Wehdam hot. Schaug no umi, an dem Tisch sell hockt s', neb'n an Schuasta vo Pellhamm; kennst d' 'n scho mit seina Platt'n.«
»So, de is? San Kinda do bei'n Sedlmoar?«
»Zwoa Töchta. Die oa is vaheireth in Sulzemoos, und de ander is dahoam; de hot an krumb'n Hax'n.«
»Krumb is s'?«
»Vo Kind auf scho. Sie hot desweg'n it g'heireth.«
»Aha!«
»Wia kimmscht du auf 'n Sedlmoar? Hoscht du g'moant weg'n Lenz? De waar nix für eahm; sie is scho bald dreiß'g Johr alt und muaß vui doktern, weil s' a G'schwär aa hot am Hax'n.«
»Von Heireth'n und von Lenz hon i nix g'moant. I ho g'rad a so g'fragt, weil z'nachst oana g'sagt hot, daß a'r eahm a Holz vokaffa kunnt.«
»Do hot s' koa G'fahr it; zahl'n thuat a guat, da Sedlmoar; no, daß ziemli oa Schuld'n do san, is ja richti, aba er haut si scho durch.«
»Mi geht 's übahaupts nix o«, sagte der Schormayer gleichgültig, nahm sich aber vor, den Tretter schön hinauszuwerfen, für den Fall, daß dieser unverschämte Mensch zu ihm kommen werde. Vor ein paar Tagen hatte ihm der einen Brief geschrieben, und da war kein Wort darin gestanden von dem Olchinger Platz für die Zenzi, aber drei Seiten lang Lobsprüche über die Tugenden und Reichtümer der Sedlmayertochter von Arnzell. Und wie man nur ein wenig genauer hinschaute, waren es lauter Lügen. Der hatte sich 's rein vorgenommen, ihm eine übriggebliebene anzuhängen und sich noch brav zahlen zu lassen.
»Bischt d' it guat aufg'legt?« fragte die alte Prücklin.
»I? Mir feit gar nix.«
»Werst d' halt heut oft an dei Bäurin denga müass'n? Dös ko ma sich ei'bild'n.«
»Ja . . . ja. Aba jetzt wer i mi a bissel zu'n Burgamoaschta umi hocka. Pfüad Good dawei!« –
»G'freut di 's Tanz'n gar it?« fragte die Schneiderin den Lenz, der mit finsterem Gesicht seinen Stuhl zwischen sie und die Ursula geschoben hatte.
»Na, zu so wos bin i net aufg'legt.«
»Laß da 's do it gar a so o'kenna!« mahnte die Ursula.
»Sei no du z'fried'n; du hoscht jetzt dein' Will'n und ziagst als Bäurin auf. Da ko'scht du g'scheit red'n.«
»I sag 's grad, wei da Vata scho a paarmal herg'schaugt hot.«
»Lass'n herschaug'n! Muaß i G'sichta schneid'n, wia 's eahm paßt?«
»I vasteh an Lenz guat«, sagte die Schneiderin.
»Woaßt, d' Urschula is guat troffa; de helfat jetzt bald zu'n Alt'n.«
»I helf gar it zu eahm; dös muaßt d' it sag'n; aba 's z'kriag'n hot a koan Werth it.«
»Du hoscht recht; und vo Hirtlbach bis auf Kollbach umi braucht ma'r aa net streit'n.«
»Pst!« machte die Schneiderin. »Gebt's auf d' Leut Obacht!«
»Und auf meina Hozet werst d' ma na do koan Krach it macha?«
»I mach da koan; und dös liabst waar ma, i waar gar it herganga.«
»Do hättst d' überalln an Vadruß aufg'hob'n«, begütigte die Schneiderin.
»Auf a bissel mehra geht 's nimma z'samm. Und, is wohr aa, i paß gar it her. Zu de Bursch'n mog i net, und zu den Bauern g'hör i net.«
»No, Lenz, in dein' Alta müass'n de mehrer'n dahoam an Deanstbot'n macha.«
»Ja, aba sie sehg'n an Ehrbarkeit und hamm a G'wißheit, daß s' scho amal dro kemma.«
»Dös hoscht du aa.«
»An Dreck hon i.«
»Pscht! D' Asamin schaugt scho oiwei umma!«
»Ah wos! Dös, wos mir hoamli red'n, pfeifan morg'n d' Spatz'n vom Dach.«
»Is wos neu's?«
»Na, lauta alt's; bei ins braucht 's nix neu's mehr. Jetz hot a dös Mensch scho als Hauserin ei'g'stellt.«
»De Zenzi?«
»Jawoi.«
»Dös is it wohr, Lenz,« sagte die Ursula, »dös muaßt d' it sag'n.«
»Net is wohr? Wer is na in da Kuch'l?«
»Sie is grad zu da Aushilf drin.«
»So? Woaßt du dös?«
»Ja, dös woaß i. Paß auf, Schneiderin, de G'schicht is a so: er hot eahm a Hauserin dunga, de eahm da Wirth zuabracht hot, aba de sell is krank worn und ko erscht in a Wocha oda zwee vo Freising her kemma. Und weil d' Zenzi a wengl wos vasteht vom Kocha und scho länga do is, muaß sie dawei' aushelfa, und für d' Stallarbet hot a'r a Taglöhnerin.«
Der Lenz lachte höhnisch und sagte:
»Dös hört si ganz unschuldi o, gel, Schneiderin? Aba ganz so dumm bin i net, daß i 's glaab. Dös geht, wie 's de ganze Zeit her ganga is. Da vageht oa Wocha, und zwoa Wocha, und deselbige Hauserin werd oiwei no mehra marodi, und der Schlamp'n bleibt.«
Die Schneiderin machte ein sorgenvolles Gesicht.
»Mi g'fallt aa nix mehr. Hot a denn gar i denkt, wos d' Leut jetza scho red'n?«
»Na thuat a 's erscht recht. Aba'r i schaug den Saustall it o, i geh nimma an d' Stub'n eini, i iß nimma'r am Tisch.«
»Sagt's ma no grad, wo dös no hi'geht!«
»Dös kon i dir g'nau sag'n, Basel. Vor a Johr um is, derfst d' wieda in a Hozet geh, in a ganz luschtige, da heireth a schlecht's Mensch an alt'n Depp'n.«
»Jessas na! Es wer 's do scho insa Herrgott it zualass'n!« –
»Höhö! Was macht's denn ös für G'frieß her? So möcht i 's net bei meina Leich'!«
Der Hochzeiter kam von seinem Rundgang bei den Gästen zurück und setzte sich mit lauter Fröhlichkeit neben seine junge Bäuerin.
»Da, trink amal, Lenz, daß d' a Schneid kriagst! Flankl a weng umanand! San ja sauberne Madl gnua do.«
»I reiß mi it um dös.«
»Bischt denn du aa'r a Kerl? Wann i net scho o'g'hängt waar, heunt kunnt'st was sehg'n.«
»Ja, red' no zua! Du ko'scht di leicht prahl'n.«
»Ah! Mach' do koa G'schicht it her! Paß no auf, wia'r i auf deina Hozet amal tanz.«
»So is recht, Buam!« schrie er den Burschen zu, die zum Zwiefach mit ihren Mädeln antraten. »Helft's ma mein' Jungherrnstand schö' ei'grab'n. Auf geht 's!«
Und das wirbelte durcheinander, schob links und rechts und drehte sich, die Burschen jauchzend und lachend, die Mädchen mit ernsten Gesichtern und niedergeschlagenen Augen.
Der Schormayer, der manchen tiefen Schluck getan hatte, ging ein wenig unsicher an den Tanzenden vorbei zum Ehrentisch und wurde vom Kaspar herzlich begrüßt.
»Jetz is amal recht, Vata; den ganz'n Tag san ma no it viel z' red'n kemma. Ko'scht ma glei helf'n, daß ma'r an Lenz a weng aufriegeln.«
»Laß 'n do trauri sei, den Lapp'n! Mi bekümmert dös ganz weni.«
Er schaute seinen Sohn an, und einen Augenblick kreuzten sich ihre Blicke; Zorn und Verachtung blitzten darin auf. Aber während Lenz sich zur Ruhe zwang, überkam den Alten eine wilde Lust, den Sohn zu reizen.
»Wia kimmscht da denn für als junga Baua?« fragte er den Kaspar. »Gel, dös is wos schön's, wann ma d' Arm rühr'n ko, und muaß si nimma ducka und sein hoamlich'n Zorn vastecka und braucht sein Vata nimma schö thoa ins G'sicht?«
»Dös hon i nia tho.«
»Net? Na bischt du an Ausnahm. Aba selle gibt 's gnua, de si gar nimma auskenna vor lauta Sucht nach'n Regiment, dena d' Zung außahängt, woaßt, und möcht'n an Alt'n liaba vagift'n, als daß s' 'n no o'schaug'n, und derfen 's aba it zoag'n, vastehst?« Und müass'n schö thoa und g'rad falsch sei, und kusch macha, kusch! sag i.«
»Geh, Vata, wos hoscht 'n?« fiel Ursula ein.
»Nix hon i. I vazähl g'rad dein' Kaschpa, was ma siecht, wann ma länga lebt. Setz eahm no Kinda her, na werd a no öfta an mi denka.«
»De ziag i mir scho«, sagte der junge Prückl.
»Ziag dir s' no, und schaug, daß du zu'n o'kratz'n kimmscht, vor s' groß san. Na hoscht d' lauta Freud g'habt, und d' Kinda aa.«
»Schormoar, jetz san ma no g'müatli!« rief der Schneiderbauer, der sah, wie der Lenz in verhaltner Wut käsweiß wurde.
»Freili san ma g'müatli! Warum soll'n ma 's denn it sei, so lang ma g'sund san? Und scho so g'sund, daß ma'r auf und auf koa Kranket it g'spüarn und halt scho gar it vareck'n kinnan.«
»Gib nach, Vata, es horch'n d' Leut scho!«
»Laß s' horcha, Urschula! Da sehg'n s' amal, daß da Schormoar luschtig is auf deine Hozet. So luschti bin i scho lang nimma g'wen. Geh her, du junga Baua, und stöß amal o! Mi g'freut 's, bal i an Junga regiern siech. Dös is was anders als wia so a Lapp, der bloß möcht und net derf!«
»Vata!«
Lenz war aufgesprungen und beugte sich keuchend vor, und seine Faust preßte sich auf den Tisch.
»Han?« fragte der Schormayer wegwerfend.
»Du . . . du muaßt 's it übatreib'n.«
»Red i mit dir?«
»Allssammete geht it, Vata!«
»Kusch! sag i.«
»Lenz, b'sinn di, wo's d' bischt!« beruhigte Kaspar den vor Wut Zitternden und faßte ihn beim Arm.
Der schaute wild um sich und sah neugierige Gesichter sich näher schieben und spürte ihre Blicke.
Da drehte er sich schweigend um und ging hinaus.
Der Schormayer patschte sich in die Hände.
»Heunt g'freut mi amal s' Leb'n, und hoam geh' thua i no lang it. Wos steht's denn ös da?« fragte er barsch die jungen Leute, die sich an den Tisch herangedrängt hatten. »Tanz'n sollt's und it Maulaff'n fei'halt'n! Aufg'spielt! sag i.«
Er warf einen Taler auf den Tisch. »Da gebt's 'n de Musikant'n, und i will an recht an schiaberisch'n Landla hör'n. So, Kaschpa, jetz trink' i; mir schmeckt 's glei bessa, weil i mi a bissel ausdischkriert ho.«
»I misch mi in de Sach it, Schormoar.«
»Do hoscht recht, und es hot 's aa it notwendi. I brauch koan Helfa, und dem andern nutzet 's nix.«
Er griff nach einem Maßkrug und trank in langen Zügen.
»Hätt' mi schier gar trucka g'red't«, sagte er, und wischte sich das Maul ab.
Wie er am Tisch herumschaute, sah er viele erschrockene Gesichter und merkte, daß die Frauenzimmer einander was zuflüsterten.
»Habt's no koane Hoamli'keiten!« schrie er. »I sag mei Sach aa, wia'r i mir 's denk, und schneid' it lang um. I ho ma durchaus nix z' fercht'n, und bal an etla Weibaleut in Kollbach de Köpf' z'sammsteckan, dös macht mir gar nix. I bin da Schormoar.«
Der alte Prückl trat hinter ihn und klopfte ihm auf die Schulter. Er wandte sich hastig um.
»Ah! Du bischt aa no do? Hock di her zu mir, alta Austragla, und vazähl ma wos vo dein Zuastand, daß 's ma no bessa graust davor.«
»Wos hoscht denn du?«
»I? Mein ganz Sach' hon i no, und i gib 's so schnell it her.«
»Hoscht ja recht, bal's d' it mogscht, aba jetz red'n ma vo was andern!«
»Moanst?«
»Freili! Wer werd si denn an Zorn ei'bild'n auf a Hozet?«
»I bi kreuzluschti, und mir feit nix. Aba scho gar nix!«
»Dös is a Wort!«
Der alte Prückl ging mit dem Aufgeregten so vorsichtig um wie mit einem geschürften Ei und fragte ihn viel nach früheren Zeiten, nach Arbeit und Wirtschaft und nach bekannten Leuten.
Und der Schormayer wurde ruhig und betrunken und schläfrig.
Die Asamin an der unteren Tischecke hatte alles gehört und jedes Wort richtig gedeutet.
»Hoscht d' as g'sehg'n, Griablerin, wia de anand g'sinnt san, da Jung und da Alt? De hätt'n si liaba o'packt vor de Leut!«
»Mi is scho ganz anderst wor'n.
»I hätt' aa koan Tropf'n Bluat nimma geb'n! Paß auf, da daleb'n ma no wos, und nix schön's it.«
»Wia hart daß 'n da Alt' g'red't hot!«
»Der gibt eahm an Hof it; und wer woaß, was da no g'schiecht!«
»Und Aug' hot da Jung' g'macht!«
»Da siecht ma 's wieda, Griablerin, es is it all's, bal ma'r a Geld hot, und a Religion muaß vorhand'n sei in an Haus, sinscht is koa Glück it dabei.«
»Dös is amal wahr.«
»Und bal mi a Religion hot, na gibt mi an arma Mensch'n wos, der wo a tote Schwesta in Ehr'n halt und fleißi bet' dafür.«
»Sell is g'wiß, Asamin.«
Noch manches gute Wort der Frommen wurde übertönt von stampfenden Füßen.
Drei paar lederne Strümpf,
Und zwoa dazua san fünf,
Hot ma mei Vata a Kart'n kafft,
San nix wia laute Trümpf.
Die rindsledernen Stiefel wurden gar ausgelassen, und die Röcke schlugen an runde Waden bis tief in die Nacht hinein. Am Ehrentisch war es leer geworden; die Brautleute hatte man schon lange mit schmetternder Musik hinausgeblasen, die Eltern des Bräutigams und fast alle Verwandten hatten sich auf den Heimweg gemacht, da legte sich der Schormayer müd in den Tisch hinein und schlief, bis ihn der Wirt aufrüttelte.
»He! Schormoar!«
»Mei Ruah laß ma!«
»Wach auf! Du werst hoam woll'n!«
»Der Schormayer schaute mit blinzelnden Augen über die leeren Stühle hin.
»Ja no, fahr ma halt hoam! Da Lenz soll ei'spanna.«
»Der is scho lang furt.«
»Furt? Ah so! Nacha spannst halt du ei!«
Schläfrig erhob er sich und ging mit unsicheren Schritten über die Stiege hinunter. Neben der Haustür lehnte er sich an die Wand; der Kopf fiel ihm nach vorne, und die Arme ließ er schlaff herunterhängen, bis ihn der Hausknecht zum Wagen führte und ihn hinaufschob. Er drückte sich in die Ecke und ließ den Bräundl nach seinem Willen gehen, bergauf und bergab, und im langsamsten Schritt.
Ein zorniger Föhnwind heulte hinter dem Wagen her und stürzte sich wütend in die Bäume, die am Wegrande standen; der Schormayer hörte ihn nicht, und der Gaul ging mit flatternder Mähne ruhig fürbaß.