Ludwig Thoma
Satiren
Ludwig Thoma

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Friedrich Wilhelm Käsebier an Herrn Rentier Adolf Krickhan, Charlottenburg, Kantstraße.

Florenz, 24. Februar.

Olle Meppelnese!

Uff! Mir jeht de Puste aus. Kinderkens, habt Ihr 'ne Ahnung, was ein Mensch für seine Bildung tun muss? Ihr habt sie nich!

Ihr sitzt bei Mutter Böhme und spielt eine Ehrenrunde nach der andern und jießt immer noch 'ne Nullweiße uff de Lampe und – ich! Heiliger Bimbam!

Ich muss uffziehn in den Uffizien, ich muss mit – i – in Palazzo Pitti – ich muss – o weh o! – ins Museo!

Aber ihr Keseköppe kennt ja nich mal die Namen, und von dem, was es ist, habt ihr noch nich 'ne Ahnung jejessen!

Stell dir mal vor eenen Korridor – vom Brandenburger Tor – ich bin heute poetisch, was, Adolfken? – also vom Brandenburger Tor bis zum Schloss, denn rechts um die Ecke rum een langer Korridor und denn links herum eener vom Schloss bis Brandenburger Tor. Das sind die Uffizien. Und pass mal Acht, ein Zimmer am andern und hinterm Zimmer wieder 'n Zimmer und daneben 'n Zimmer und allens voll Bilder und Jemälde und Jemälde und Bilder, und nu setz dich mal in Trab neben meiner Mathilde und schese mal durch Saal Nummer 1 bis 99 und denn kajole von 99 bis 222, immer mit 'n Lötkolben im Baedeker!

Madonna mit 'n Kanarienvogel, Madonna mit dem Zeisich, Madonna mit was weiß ich und Lippo Lippi und Lippino Lippi und Botticelli und noch neunhunderneunundneunzig Tschelli und Tschello und Knaatsch und Kuddel und 'n steifes Jenick und de Hühnerkieke – siehste, Junge, das ist Kunst und muss jenossen werden.

Hurrjott, wo sie nur alle die Bilder herhaben! Wir Berliner haben doch auch mächtig ville Maler, die en orntliches Ende wegschmieren, aber ganze Stadtteile mit verkleckster Leinewand, halt mal 'n Hut uf – ick will ausspucken.

Un Mathilde!!

Sie hat 'n runden Flunsch gekriegt mit lauter italienische Namens, und wenn sie so 'n Happenpappen mit Tschelli und Tschello hat, denn kaut sie 'n paar Stunden dran und en Augenaufschlag hat sie sich angewöhnt von wegen meinem Mangel an Kultur, mit dem kann sie sich für Jeld sehen lassen.

Nee, Junge, nu hab ich genug vons Tschinquetschento.

Ich habe der Damenwelt erklärt, dass ich nicht mehr mitspiele, und meinetwegen können sie die Baedekerkur so lange mitmachen, wie se wollen, mich kriegen sie an die Lippo und Lippi nicht mehr ran.

Von die vielen Heilijen is mir schwach jeworden und ich werde mir jetzt mal ordentlich Pilsner in de Jacke schwenken.

Menschenskind, was sagst du?

Begegne ich nicht vorgestern dem Oberlehrer Hänisch, der hier auch noch was zulernen soll, und führt er mich nicht in die allergemütlichste Pilsnerbierstube?

Stahlmann in Florenz!

Nu glaube ich wieder, dass ich in Europa bin, und Bismarckheringe und Rollmops und 'n großes Pils, da fordere ich das Jahrhundert in die Schranken und Mathilden ihr fünfzehntes ooch.

Nee, das is merkwürdig, Adolfken, hier ist jeder Schluck Bier eine vaterländische Festfeier und es singt in einem wie die Wacht am Rhein und Deutschland, Deutschland über alles, wenn man erst wieder mal das richtige Getränke hat.

Hänisch ist ganz der richtige Mann für so was und det kannste glauben, es werden uns nich bloß de Dogen nass vor Vaterlandsliebe.

Mathilde hat die Hoffnung aufgegeben, dass ich mir noch mal die Beene in Leib stehen werde vor ihre Baedekerbekanntschaften, und sie lässt mir auch alle Tage an ihrem Mitleid über meine Unbildung riechen. Aber ich glaube, der Tschinquetschento stoßt ihr selbst 'n bisschen sauer uff und sie begibt sich mit ihrem Wissensdurst mehr in die Ruhe.

Sie hat's nun wieder mit Eleganz und Gegenwart und schlabbert Tee mit Musikbegleitung und vorgestern ist sie mit Lilly zum Rennen gefahren.

Sie quasselt jetzt viel von Legationen und Gesandten und erste Florentiner Familien, weil sie janz was Vornehmes kennen gelernt hat, so 'n Windbeutel, der mal Attaché in Wien gewesen ist, sagt er.

Ich habe auch schon die Ehre jenossen und ich muss sagen, der Kerl mit seinem gefärbten Schnurrbart sieht aus wie 'n Mausfallenhändler mit gepumpter Kledage und Jeld is bei dem det Wenigste. Der richtig gehende Nassauer.

Er hat die große Klappe und is ein Herz und eine Seele mit allens, was adelig ist.

Ich trau dem Kerl nicht über den Weg, aber die Damenwelt verliert den ganzen Glauben an mir, wenn ich davon anfange.

Na, lange bleiben wir ja nich mehr und übermorjen oder in drei Tagen fahren wir nach Rom, wo es, wie Hänisch sagt, auch Pilsnerhallen gibt.

Auf die Weise ertrage ich noch 'n paar Wochen Italien, aber hernach, Hurrjott, gibt's eine dolle Skatsitzung.

Grüß die Brüder

von euerm Rennässanxmenschen

Fritze Käsebier.


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