Ludwig Thoma
Satiren
Ludwig Thoma

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Lilly Käsebier an Lotti Jürgens, Berlin NW, Schleswiger Ufer.

Firenze, 23 febbraio.

Liebste, süße Lotti!

Endlich kann ich dir den versprochenen Brief schreiben, aber du glaubst ja gar nicht, wie wahnsinnig man hier in Anspruch genommen ist von allem Neuen, was man sieht und hört.

Vormittags muss man sich bilden und in Begeisterung schwelgen, aber nach Tisch, Lotti! Lotti! Du ahnst es nicht.

Nein, die Italiener sind wirklich süß!

Du, die können einen ansehen mit ihren runden schwarzen Augen, dass einem ganz schummerig wird, und frech wie Oskar!

Und Leutnants sieht man hier, Li-La-Lotti, weißt du, mit himmelblauen Breeches und breiten, amarantfarbenen Streifen und kurzen, ganz, ganz engen Uniformröcken. Ich finde sie einfach süß.

Der grässliche Professor Hänisch, den Papa hier in einer Pilsnerbierhalle getroffen hat, sagt, die italienischen Offiziere hätten nicht den wuchtigen, kriegerischen Ernst wie die preußischen, aber ich bin überzeugt, dass sie viel, viel besser flirten können.

Ach, Süßing, warum spreche ich nicht Italienisch?

Da sieht man doch erst, wie gut es ist, wenn man die Sprache eines Landes kennt, und ich habe mir auch fest vorgenommen, dass ich zu Hause italienische Stunden nehme. Und dann reisen wir aber auch ganz gewiss mitsammen hierher, Li-La-Lotti, und ich mache dir den Cicerone und übersetze dir, was so ein Gentiluomo – Gott, wie das klingt! – uns ins Ohr flüstert.

Du!!!

Denke dir, wir haben einen echten Conte kennen gelernt bei Donnay, einen wahnsinnig schicken Attaché, der in Wien bei Hof war und sehr gut Deutsch spricht! Conte Bonciani. Er hat sich uns beim Five o'clock vorgestellt und wir fuhren gestern mit ihm in einer Carozza zum Rennen.

Mama ist ganz begeistert von ihm, weil er zur Crème de la crème gehört, und er hätte uns auch den besten Familien vorgestellt, aber Mama wollte nicht, weil sie ihr Kostüm noch nicht bekommen hatte, und da zeigte er uns nur die Strozzi, Ricci und Aldobrandini usw., mit denen er doch meistens verwandt ist.

Ich finde ihn todschick, aber er flirtet auch kein bisschen mit mir und macht nur Mama respektvoll den Hof.

Ich muss aber jetzt schließen, Süßing. Mama ruft mir schon ungeduldig, weil wir zum Five o'clock gehen.

Tanti saluti e baci (Küsse!!) von deiner

Lilly.

Grüße auch Krügers vielmals und Mäuschen und Jenny und den verrückten Max und alle, alle Bekannte und sage ihnen, es ist noch schöner, als man sich das ausmalt.

Du!! – Hast du Moissi nicht mehr gesehen? Ach erzähle doch, bitte! bitte! Wie war es denn in der Philharmonie? In Venedig haben wir immer von ihm geschwärmt und ich habe ihn mir vorgestellt im Romeokostüm in einer Gondel!

Adieu! Adieu! Mama ruft schon wieder.

Du! Etwas muss ich dir noch rasch erzählen. Man legt doch seine Visitenkarten auf das Grab von Romeo und Julia und ich habe auf ein Kärtchen »Moissi« geschrieben und habe es auf den Sarg der Liebenden gelegt. Was sagst du??

Addio, carissimia!!

Du! Von dem jungen Silberstein habe ich was erfahren!! Du auch? Bitte, bitte, schreib mir! Ja??


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